Ich denke, da kommt bei den Eurokraten eine Menge zusammen, vor allem die Hybris, man sei der einzige Garant für den Frieden - in Verbindung mit der Erkenntnis, dass die eigene reichlich vergütete Existenz nicht so festgeschrieben ist, wie man es sich immer vorgestellt hat. Dass Juncker und Schulz Blut sehen wollen, ist nicht überraschend.
Übrigens finde ich, dass Merkel gerade eine ganz ordentliche Figur macht (habe die letzten Tage vornehmlich CNN Europe geschaut, und da kommt sie auch ganz gut weg). Im Gegensatz zur Anmaßung eines Schulzes, der meint, er könne einer souveränen Regierung taggenau in die Agenda diktieren, wann sie welche Anträge zu stellen hat, trägt Merkel weitgehend den Keep calm and carry on-Kurs der Tories mit.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #2Übrigens finde ich, dass Merkel gerade eine ganz ordentliche Figur macht (habe die letzten Tage vornehmlich CNN Europe geschaut, und da kommt sie auch ganz gut weg). Im Gegensatz zur Anmaßung eines Schulzes, der meint, er könne einer souveränen Regierung taggenau in die Agenda diktieren, wann sie welche Anträge zu stellen hat, trägt Merkel weitgehend den Keep calm and carry on-Kurs der Tories mit.
Absolut! Auch daß sie im Vorfeld zu denen gehört hat, die die Klappe zu halten gewußt haben, hat sie wohltuend von EU-Kaschpern wie Schulz unterschieden. Böse könnte man hinzusetzen: sie quasselt halt so wie immer, aber momentan ist mal eine Situation, in der das ein probates Mittel darstellt . Nein, im Ernst, sie macht das schon gut, und sie scheint klar zu haben, daß für die gegenwärtige Situation ganz besonders die Binsenweisheit gilt, daß man sich im Leben immer zweimal sieht. Und daß es darum geht, ökonomischen Schaden für beide Seiten möglichst klein zu halten. Hoffentlich setzt sie sich mit dieser Haltung durch.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #3 Absolut! Auch daß sie im Vorfeld zu denen gehört hat, die die Klappe zu halten gewußt haben, hat sie wohltuend von EU-Kaschpern wie Schulz unterschieden. Böse könnte man hinzusetzen: sie quasselt halt so wie immer, aber momentan ist mal eine Situation, in der das ein probates Mittel darstellt . Nein, im Ernst, sie macht das schon gut, und sie scheint klar zu haben, daß für die gegenwärtige Situation ganz besonders die Binsenweisheit gilt, daß man sich im Leben immer zweimal sieht. Und daß es darum geht, ökonomischen Schaden für beide Seiten möglichst klein zu halten. Hoffentlich setzt sie sich mit dieser Haltung durch.
Naja, man sollte eins bei der ganzen Sache nicht vergessen: Sie hat die Situation verursacht. Und zwar ganz (!) alleine (!). Vielleicht ist inzwischen auch bei Angela Merkel inzwischen angekommen, dass sie tatsächlich die Totengräberin von Europa geworden ist. Und selbst wenn ihr die Misere, die sie angerichtet hat, noch egal wäre, so will sie zumindest nicht in erster Linie dafür verantwortlich gemacht werden.
Das besonders lustige ist ja auch, dass das, was sie derzeit tut (einfach mal die Klappe halten) eigentlich das Gebotene und Selbstverständliche für alle wäre. Genau wie bei einer Scheidung, wenn das Wort einmal ausgesprochen ist, es sinnvoll ist, sich erst einmal bedeckt zu halten und zu schauen wo man steht und wie man möglichst friedlich und zivilisiert auseinander kommt. Deswegen fand ich auch den Kommentar von Lindner, auch wenn er nicht so schrill wie von Schulz (der ja ohnehin als Totalausfall bekannt ist), genauso daneben. Das erste was in einer Scheidung von einem schlechten Anwalt geäussert wird, ist: Den machen wir fertig und dem schenken wir nichts. Mit der Einstellung darf man sich nicht wundern, wenn es danach richtig knallt. Und solche Pappnasen wollen Millionen Leuten erzählen wie diese zu leben haben ....
Zitat von Doeding im Beitrag #3 Absolut! Auch daß sie im Vorfeld zu denen gehört hat, die die Klappe zu halten gewußt haben, hat sie wohltuend von EU-Kaschpern wie Schulz unterschieden. Böse könnte man hinzusetzen: sie quasselt halt so wie immer, aber momentan ist mal eine Situation, in der das ein probates Mittel darstellt . Nein, im Ernst, sie macht das schon gut, und sie scheint klar zu haben, daß für die gegenwärtige Situation ganz besonders die Binsenweisheit gilt, daß man sich im Leben immer zweimal sieht. Und daß es darum geht, ökonomischen Schaden für beide Seiten möglichst klein zu halten. Hoffentlich setzt sie sich mit dieser Haltung durch.
Naja, man sollte eins bei der ganzen Sache nicht vergessen: Sie hat die Situation verursacht. Und zwar ganz (!) alleine (!).
Das vergesse ich schon nicht ;) Dennoch bin ich für eine faire Beurteilung auch von Merkel. Ich würde z. B. nicht zustimmen daß sie den Brexit alleine verursacht hat; Merkel ist nicht Brüssel und nicht die EU. Ihre Flüchtlingspolitik, das sehe ich auch so, hat als Zünglein an der Waage entscheidend beigetragen, aber sie ist nicht an allem schuld, was in der EU schiefläuft. Sie ist auch nicht schuld an der Krise im Nahen Osten oder daran, daß es heute hier zum hochheiligen Sauerländer Schützenfest regnet .
herzliche Grüße, Andreas
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Zitat von Doeding im Beitrag #5 Ich würde z. B. nicht zustimmen daß sie den Brexit alleine verursacht hat; Merkel ist nicht Brüssel und nicht die EU. Ihre Flüchtlingspolitik, das sehe ich auch so, hat als Zünglein an der Waage entscheidend beigetragen, aber sie ist nicht an allem schuld, was in der EU schiefläuft.
Sie hat zwei schwere (!) Krisen absolut selbst verursacht, und das sind ja auch die beiden bisher schwersten Krisen der EU. Und ihr Verhalten in beiden Krisen war katastrophal. Sicher, die Briten hätten ihr Referendum auch so abgehalten, aber es wäre ungefähr genau so durchgefallen wie das Referendum in der Schweiz zum BGE. Ich würde das nicht als Zünglein sehen wollen sondern als das eigentlich Pfund, dass die Entscheidung verursacht hat.
Zitat Sie ist auch nicht schuld an der Krise im Nahen Osten oder daran, daß es heute hier zum hochheiligen Sauerländer Schützenfest regnet .
Die Krise im nahen Osten ist eine unter vielen, die sich die letzten 50 Jahre zugetragen haben. Das hat vergleichsweise wenig Bedeutung für Europa. Bedeutung bekam es erst dann, als Merkel sich und den Kontinent für die Krise zuständig erklärte und meinte das wir Millionen von Flüchtlingen hier aufnehmen müssen. Reine Entscheidung Merkel.
Und was besagtes Schützenfest angeht, so habe ich, als Sauerland-Geschädigter durchaus noch in Erinnerung, dass man sich durchaus auch bei Regen besaufen kann, bis man nicht mehr weiss, welche Seite von der Flinte jetzt die ist, wo der Schrot rauskommt.
Zitat von Llarian im Beitrag #1Eine Beobachtung auf die Reaktionen auf den Brexit.
Ich hab gerade im Register der Weimarer Ausgabe, "Goethes Werke, hg. im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen," Band 143, nachgeschaut: da steht unter dem Stichwort "England" tatsächlich "Gott strafe England!"
Plus ça change, plus c'est la même chose.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Doeding im Beitrag #5 Ich würde z. B. nicht zustimmen daß sie den Brexit alleine verursacht hat; Merkel ist nicht Brüssel und nicht die EU. Ihre Flüchtlingspolitik, das sehe ich auch so, hat als Zünglein an der Waage entscheidend beigetragen, aber sie ist nicht an allem schuld, was in der EU schiefläuft.
Sie hat zwei schwere (!) Krisen absolut selbst verursacht, und das sind ja auch die beiden bisher schwersten Krisen der EU. Und ihr Verhalten in beiden Krisen war katastrophal. Sicher, die Briten hätten ihr Referendum auch so abgehalten, aber es wäre ungefähr genau so durchgefallen wie das Referendum in der Schweiz zum BGE. Ich würde das nicht als Zünglein sehen wollen sondern als das eigentlich Pfund, dass die Entscheidung verursacht hat.
Für die Flüchtlingskrise gebe ich Dir recht. Bei der Eurokrise, die ja eigentlich eine Staatsschuldenkrise ist, sehe ich nur eine Teilverantwortung bei Merkel. Den Kontext bildeten Konstruktionsfeher der Währung (hat M. nix mit zu tun), die Anreize für die südeuropäischen Staaten gebildet haben, billiges Geld zu verprassen bis zur faktischen Insolvenz (hat M. auch nix mit zu tun). In der ersten Griechenlandkrise war M. zunächst ausgesprochen unwillig, zu bailouten. Der Druck kam damals, meiner Erinnerung nach, von der Kommission (nicht identisch mit M.), der EZB (hat erstmal nix mit M. zu tun) und dem IWF (hat überhaupt nix mit M. zu tun). Unter diesem, und zusätzlich auch innenpolitischen Druck, ist sie dann irgendwann eingeknickt und hat sich sozusagen an die Spitze der alternativlosen Bewegung gestellt. Damit hat sie ohne Zweifel eine große Mitverantwortung für das Elend seitdem, aber ich würde sie nicht als die Hauptverantwortliche sehen. Schon gar nicht als Alleinschuldige.
Zitat Und was besagtes Schützenfest angeht, so habe ich, als Sauerland-Geschädigter durchaus noch in Erinnerung, dass man sich durchaus auch bei Regen besaufen kann, bis man nicht mehr weiss, welche Seite von der Flinte jetzt die ist, wo der Schrot rauskommt.
Das ist wohl wahr, aber für mich als Buiterling mit Integrationsproblemen ist das ohnehin von lediglich randständigem Interesse.
Herzliche Grüße, Andreas
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Zitat von Doeding im Beitrag #8Der Druck kam damals, meiner Erinnerung nach, von der Kommission (nicht identisch mit M.), der EZB (hat erstmal nix mit M. zu tun) und dem IWF (hat überhaupt nix mit M. zu tun).
So weit ich das noch in Erinnerung habe war Merkel die treibende Kraft, die den IWF ins Boot geholt hat. Der IWF hätte eigentlich in Eurozonen-Angelegenheiten erst mal keine Rolle gehabt.
Zitat von Doeding im Beitrag #8Der Druck kam damals, meiner Erinnerung nach, von der Kommission (nicht identisch mit M.), der EZB (hat erstmal nix mit M. zu tun) und dem IWF (hat überhaupt nix mit M. zu tun).
So weit ich das noch in Erinnerung habe war Merkel die treibende Kraft, die den IWF ins Boot geholt hat. Der IWF hätte eigentlich in Eurozonen-Angelegenheiten erst mal keine Rolle gehabt.
Zitat von Llarian im Beitrag #4Vielleicht ist inzwischen auch bei Angela Merkel inzwischen angekommen, dass sie tatsächlich die Totengräberin von Europa geworden ist.
Nein. Definitiv nicht. Aus der Geschichte zu lernen macht nur Spaß, wenn das Geschehene einigermaßen präsent ist. Und die Beobachtung der letzten 5 Jahre, vor allem aber der letzten 18 Monate, macht eins klar, ziemlich lähmend: Diese Dimension ist bei Merkel schlicht nicht vorhanden. Da wird weder vorwärts noch rückwärts geschaut; da ist eine Gesamtperspektive, auch ein Bild auf die eigene Position, Rücksichtnahme aus strategischen Gründen, was auch immer man unter "Plan B," Taktik, langfristigen Absichten o.ä. subsumieren könnte, ist nicht ansatzweise erkennbar. Da wird nur kurzsichtig befohlen: Macht DAS mal; wenns schiefgeht, denselben oder anderen Lakaien: macht das weg! Eine einzige Detailfrage an Dero Majestät nach Umfang oder Netzsicherheit in Sachen Energiewende hätte genügt, ihre komplette Nacktheit zu erweisen. Da werden bei den Konferenzen nur schlicht dürre Stichworte repetiert, die sie 10 Minuten vorher von einem Spickzettel abgelesen hat. Was gestern war, ist ihr so schnurz wie die Folgen ihres Geplappers. Wenn da was an die Wand rauscht, wird das nicht mal registriert. Das ist abgehakt - weiter im Text. Der Türkeideal zeigt das in so schonungsloser Klarheit wie die Griechenrettung.
Deswegen ist auch die einzige realistische Zukunftsoption: Weg mit Merkel. Besser gestern als heute. Daß dabei das gesamte Berliner Politestablishment in dem Fall wegen komplettem Schranzentum mit in die Tonne sausen würde: egal. Die haben nichts anderes verdient. Und selbst diese Kamarilla besteht, jeder Augenschein bestätigt das, nur aus subalternen Gestalten der 4. Garnitur. Der Nachteil ist: wir haben außer denen niemand anders aufzubieten. Kein Schattenkabinett, bei keiner Partei, kein Personal, das man sich glaubhaft als Alternative bei der nächsten BTW vorstellen kann.
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Ja, das beschreibt ein bisschen die Vorgehensweise Merkels. Während Trichet sich den Problemen eigenverantwortlich stellen wollte, hat Merkel eigentlich Unbeteiligte ins Boot geholt. So kann sie sich in Folge ein Stück der Verantwortung entziehen. Das Bild wiederholt sich in Fragen, bei denen Entscheidungen, die durchaus durch eine Bundesregierung gefällt werden könnten, dem Zugriff des deutschen Wählers entzogen und nach Brüssel getragen werden, und die in Form von EU-Entscheidungen wieder zurückkommen. Oder man gründet zur Energiewende Ethikkommissionen, anstatt ordentliche Debatten im Bundestag zu führen. Merkel hat sich immer geschickt oder feige aus allerlei Schusslinien gehalten. In der Migrantenkrise war sie ungeschickt und hat daraufhin in einer katastrophalen Rettungsaktion alles denkbare Porzellan zerschlagen.
Vielleicht sind das Verhaltensweisen, die man in einer DDR verinnerlicht hat, wenn man einigermaßen erfolgreich sein wollte.
Ja, natürlich spielt ein gewisses Beleidigtsein eine Rolle, aber Sie übersehen meines Erachtens den wichtigsten Punkt. Nicht die Zeit nach dem Brexit ist das Problem, sondern die Zeit bis zum Brexit! Klar, es wird kein Weltuntergang werden, wenn die Briten austreten und man wird einen modus vivendi finden. Und ja, die Briten werden auch neue Normen finden, EU-Regeln werden abgeschafft oder gelten weiter. Aber jetzt muss man damit beginnen diese Details zu klären. Und bis das geklärt ist, herrscht da einfach jede Menge Unsicherheit und genau das ist das Problem. Wie sollen Firmen Investitionsentscheidungen treffen, wenn sie nicht wissen, an welche Regeln sie sich halten werden müssen. Wie geht es mit den EU-Bürgern auf der Insel, bzw. den Briten in der EU weiter. Das sind die offenen Fragen, die jetzt in diesem Augenblick ein Problem sind. Und da muss ich den EU-Politikern schon Recht geben. Die Briten sollten schnellstmöglich Artikel 50 ziehen und dann sollte man schnellstmöglich eine Art Eckpunktepapier aushandeln, in dem man sich auf die wichtigsten Punkte einigt, die erstmal weitergelten. Natürlich ist es beim aktuellen Zustand der britischen Politik (Die Tories sind de facto führerlos und Labor implodiert gerade) unrealistisch bis Dienstag ein Austrittsgesuch einzureichen, aber bis Oktober zu warten ob man eventuell den Artikel 50 zieht ist doch Wahnsinn!
Zitat von Hias im Beitrag #13 Natürlich ist es beim aktuellen Zustand der britischen Politik (Die Tories sind de facto führerlos und Labor implodiert gerade) unrealistisch bis Dienstag ein Austrittsgesuch einzureichen, aber bis Oktober zu warten ob man eventuell den Artikel 50 zieht ist doch Wahnsinn!
Was ist daran Wahnsinn? Ich hatte viele britische Kollegen schon vor über 30 Jahren. Die konnten hervorragend bei uns arbeiten, auch als es noch keine Freizügigkeitsabkommen u.a. gab. Wahnsinn ist höchstens der Zinnober, den Schulz & Co. zu veranstalten versuchen. Nur sind das eben keine Staatsmänner, sondern kleine Dabobart Ducks, die im Geldspeicher der EU herumschwimmen.
Ja, das beschreibt ein bisschen die Vorgehensweise Merkels. Während Trichet sich den Problemen eigenverantwortlich stellen wollte, hat Merkel eigentlich Unbeteiligte ins Boot geholt. So kann sie sich in Folge ein Stück der Verantwortung entziehen. Das Bild wiederholt sich in Fragen, bei denen Entscheidungen, die durchaus durch eine Bundesregierung gefällt werden könnten, dem Zugriff des deutschen Wählers entzogen und nach Brüssel getragen werden, und die in Form von EU-Entscheidungen wieder zurückkommen. Oder man gründet zur Energiewende Ethikkommissionen, anstatt ordentliche Debatten im Bundestag zu führen. Merkel hat sich immer geschickt oder feige aus allerlei Schusslinien gehalten. In der Migrantenkrise war sie ungeschickt und hat daraufhin in einer katastrophalen Rettungsaktion alles denkbare Porzellan zerschlagen.
Vielleicht sind das Verhaltensweisen, die man in einer DDR verinnerlicht hat, wenn man einigermaßen erfolgreich sein wollte.
Gruß, Martin
Wobei ich, lieber Martin, dem Text eher entnehme, daß Merkel den IWF als außereuropäisches Korrektiv dabeihaben wollte, weil sie den im eigenen Saft badenden innereuropäischen Institutionen nicht über den Weg getraut habe. Ein durchaus vernünftiger Gedanke, wie ich finde.
Herzliche Grüße, Andreas
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Wobei ich, lieber Martin, dem Text eher entnehme, daß Merkel den IWF als außereuropäisches Korrektiv dabeihaben wollte, weil sie den im eigenen Saft badenden innereuropäischen Institutionen nicht über den Weg getraut habe. Ein durchaus vernünftiger Gedanke, wie ich finde.
Herzliche Grüße, Andreas
Lieber Andreas, der damalige Gedankengang war mir schon klar. Trotzdem ist es für einen souveränen Staat undenkbar, ur-souveräne Aufgaben in diesem Maße an eine nicht-staatliche Organisation abzugeben (es sei denn, man ist IWF-Schuldner). Merkel hätte sich immer auf den Maastrichtvertrag zurückziehen können, und hätte damit ausreichend politisches Druckmittel gehabt, Abweichungen von demselben im deutschen Interesse mit den Euro-Ländern zu verhandeln - ohne IWF. In einer Angelegenheit von 100en von Milliarden gibt man das Heft nicht leichtfertig aus der Hand. Erst in solchen Situationen zeigt sich, ob man Grüß-Gott-August oder Führungspersonal ist. Nicht nur, dass der IWF sich dafür gut bezahlen lässt, man verkompliziert mit seiner Hereinnahme den Sanierungsprozess, vor allem, wenn die Agenda des IWF erst mal geklärt werden muss (in welchem Interesse verhandelt er?). Dass der IWF von US-Interessen dominiert ist, ist kein Geheimnis, dass eine einflussreiche US-Investitionsbank die Griechen in den Euro hat mogeln helfen auch nicht. Für eine selbstbewusste EU ist die Hereinnahme des IWF eine Schmach.
Zitat von Martin im Beitrag #14Was ist daran Wahnsinn? Ich hatte viele britische Kollegen schon vor über 30 Jahren. Die konnten hervorragend bei uns arbeiten, auch als es noch keine Freizügigkeitsabkommen u.a. gab.
Damals hatte man auch noch hervorragend mit Schreibmaschinen gearbeitet. Der Wahnsinn ist, daß die Abwanderungsbewegungen der Unternehmen schon jetzt beginnen. Vor allem der Bankensektor reagiert schnell. Selbst wenn man am Ende doch noch die Kurve kriegt, hat man die wirschaftlichen Schäden schon jetzt. Vor der Volksbefragung hat die BBC eine Umfrage veröffentlicht, derzufolge sogar Leave-Befürworter sich keine Illusionen darüber machen, daß es wirtschaftliche Schäden geben wird.
Zitat Ich denke, dass die Briten durchaus einen gewaltigen Preis für den Austritt zahlen werden. Aber ich bekomme zunehmend den Eindruck, dass der Preis im Vergleich zur Alternative ein gut angelegter ist. Die Vorstellung von Schulz & Juncker regiert zu werden ist fast noch schlimmer als von Merkel.
Ich glaube, diese Sätze von Ihnen verdeutlichen am besten, was an dem Abstimmungsergebnis falsch ist: Diese Frage war nämlich nicht gestellt. Es war gefragt, ob das Vereinigte Königreich in der EU bleiben soll oder nicht. Es ist eine völlig andere Frage, wie diese EU regiert werden solle, von wem oder welche politischen Ziele die EU verfolgen solle (einheitlicher Sozialismus oder Freiheitssphäre?). Auch ist der Zeithorizont ein anderer. Das Personal wechselt schnell, die Weltlage auch. Konstant ist lediglich, daß beides wesentlich anders aussieht, wenn das UK draußen ist. Aber was genau bedeutet es im Detail?
Wenn Sie das Bild eines Ehepaares benutzen, dann gleichen die Leave-Befürworter einem Ehepartner, der die Scheidung einreicht, weil der andere am Wochenende lieber Fußball schaut anstatt zu zweit auszugehen. Dann ist man geschieden, wenn die Fußballsaison vorbei ist, und beiden Geschiedenen fehlt nunmehr der Partner zum Ausgehen.
Zitat Ich denke, dass die Briten durchaus einen gewaltigen Preis für den Austritt zahlen werden. Aber ich bekomme zunehmend den Eindruck, dass der Preis im Vergleich zur Alternative ein gut angelegter ist. Die Vorstellung von Schulz & Juncker regiert zu werden ist fast noch schlimmer als von Merkel.
Ich glaube, diese Sätze von Ihnen verdeutlichen am besten, was an dem Abstimmungsergebnis falsch ist: Diese Frage war nämlich nicht gestellt.
Und was die Abwanderungsbewegung der Banken anbetrifft, so dürfte die eher der allgemeinen Auflösung der Banken geschuldet sein. Wenn, dann ist der Brexit eher vorgeschoben.
Zitat von Hias im Beitrag #13Nicht die Zeit nach dem Brexit ist das Problem, sondern die Zeit bis zum Brexit!
So problematisch sehe ich das nicht. Alle bestehenden Regeln gelten nach wie vor, alles kann laufen wie gewohnt. Wo es Änderungen gibt, werden die in den nächsten Jahren politisch verhandelt und dann beschlossen. Das unterscheidet sich letztlich nicht vom normalen politischen Prozeß. Da hat auch jedes Gesetz und jede Neuerung einen gewissen Vorlauf, teilweise über Jahre.
Falls die Briten diese Phase möglichst schnell hinter sich bringen wollen, können sie den Prozeß natürlich forcieren (z. B. durch schnelles Einreichen des Antrags). Aber das ist völlig ihr Problem und es ist absurd, daß diverse Politiker da Druck aufbauen wollen.
Ich würde den Briten eher empfehlen, das ruhig und mit Überlegung anzugehen. Undurchdachte Schnellschüsse hatten wir genug ...
Zitat von R.A. im Beitrag #20 So problematisch sehe ich das nicht. Alle bestehenden Regeln gelten nach wie vor, alles kann laufen wie gewohnt.
Dieser Aspekt (auf den ich seit Freitag in Diskussionen immer wieder verweise) existiert in der Wahrnehmung in weiten Bereichen schlicht nicht. Die Scheuklappenmentalität ist frappierend. Hier wie jenseits des Kanals. Bei uns gibt's ja Akademikeraustausch & internationale Konferenzen. Da herrscht Schockstarre, obwohl das, wie gesagt, genau gar nicht tangiert wird & bei Bereichen, die buiten der EU liegen, genauso reibungslos abläuft. Auch frappierend: wie da in Diskussionen keine eigene Meinung, fundierte oder anders, jedenfalls reflektierte, vertreten werden, sondern schlicht die talking points der Politikerinterviews oder der notorischsten Nasen aus den notorischsten Quasselrunden nachgebetet werden, blind. Reine Bauchreaktion, pavlovisch. Gespenstisch.
Etappenmeldung aus dem akademischen Bereich (der ist ja in puncto Meinungsbildung & Prägung der demnächst anstehenden Entscheidungsträger vielleicht nicht ganz quantité negligéable): Ich kriege, jetzt nach dem Wochenende, Rückmeldungen aus dem englischen Juste Milieu. Dazu sollte man im Hinterkopf behalten, daß dieses Segment, the humanities, im UK (wie überhaupt in der Anglosphäre) so geschlossen levorotatorisch orientiert ist wie das hiesige Pendant. Da herrscht die blanke Panik. Da wird (zumindest unter dem Schock des Augenblicks), durchaus ernsthaft an Emigration gedacht.
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Zitat von Llarian im Beitrag #1Eine Beobachtung auf die Reaktionen auf den Brexit.
Mich stört die Verallgemeinerung gewisser Reaktionen. Ein Schulz ist nicht Europa, oder das Gesicht von Europa. Wenn man die peinliche Panik von ihm und seinen Genossen zum "häßlichen Gesicht von Europa" erklärt, leistet man ja ihren Allmachtsphantasien noch Vorschub. Eigentlich müßten jetzt diverse EU-Größen zurücktreten. Da sie das nicht wollen, reagieren sie so absurden Statements. Das sollte man nicht überbewerten.
Zitat Christian Lindner, ... dass die EU den Briten jetzt auf keinen Fall "irgendetwas" schenken dürfe (was auch niemand gefordert hat
Das wurde sehr wohl gefordert. Johnson und andere Brexiteers haben wiederholt erklärt, daß sie im Falle des Austritts selbstverständlich erwarten, daß GB alle Handelsprivilegien behält. Sie wollen die echten und vermeintlichen EU-Nachteile loswerden, aber alle Vorteile behalten.
Und Lindner hat recht - es gibt keinen Grund für Geschenke (wie es auch keinen Grund für Racheakte gibt). Die EU-Partner werden jetzt mit GB verhandeln, und selbstverständlich verfolgen beide Seiten ihre eigenen Interessen.
Zitat Das schlimme daran ist, dass durch die beleidigten Leberwürste jetzt auch genau der Schaden eintreten könnte, den Wirtschaft und Presse nun seit Monaten verkünden.
Das sehe ich nun überhaupt nicht. Der Schaden für UK entsteht durch den Austritt, nicht durch lächerliche Statements von Schulz und Co. Einen größeren Schaden für die EU sehe ich überhaupt nicht.
Zitat Wenn Deutschland, was ein sehr enger Handelspartner der Briten ist, demnächst also diverse Ausfuhrmilliarden verliert, liegt das kaum daran, dass die Briten kein Interesse mehr an deutschen Autos, Maschinen oder sonstigen Waren hätte.
Die britischen Käufer werden bestimmt nicht weniger Interesse an deutschen Produkten haben. Aber falls es wirklich zu einem Brexit kommt, dann ist durchaus möglich, daß auch entsprechend regiert wird auf der Insel. D.h. mit protektionistischen Maßnahmen, Zöllen und anderen Einfuhrhindernissen. Weil Farage und Co. ja (wie ihre Pendants in anderen Ländern) gerade von den Leuten gewählt werden, denen Globalisierung ein Greuel ist und die "buy local" für eine Tugend halten. Ich sehe aber überhaupt nicht, daß irgendwelche EU-Fuzzies jetzt die deutsche Exportindustrie schädigen wollen oder können.
Zitat Es sind "Volksvertreter", die zu einem guten Teil nicht einmal gewählt sind, die Demokratie verachten und alle Allüren zeigen, die einer Diktatur entsprechen.
Das ist der Punkt, wo ich ganz scharf widersprechen muß. Selbstverständlich sind Brok, Schulz und Juncker demokratisch gewählt. Es sind zwar Vollpfosten, aber nicht schlimmer als diverse Politiker auf Bundes- oder Landesebene. Ich halte die "Diktatur"-Vorwürfe der Anti-EU-Kampagne für nicht nur inhaltlich absolut unfundiert, sondern für eine Diffamierung demokratischer Strukturen. Und Godwin hin oder her, der Vergleich mit der "Schwatzbuden"-Kampagne gegen die Weimarer Republik ist leider angebracht. Es gibt genug inhaltlich an der EU und an diversen Politikern dort zu kritisieren, als daß man auf diese Propagandalügen zurückgreifen müßte.
Hm, das sehe ich anders, gerade weil es sich jetzt vom gewohnten politischen Prozess mit jahrelangem Vorlauf unterscheidet. Von heute auf morgen stehen hunderte oder sogar tausende Regeln zur Disposition. Natürlich wäre das halb so schlimm, wenn eine Regierung sich hinstellen würde und bekräftigen würde, dass erstmal alle Regeln weitergelten werden und man dann peu a peu eine nach der anderen ändern wird. Und wenn das gleiche für die ausländischen Arbeitnehmer gelten würde. Nur, erstens wer traut sich das zu sagen, dass sich erstmal nichts ändert und zweitens, Cameron tritt im Oktober zurück und der Nachfolger steht noch nicht fest. Und obwohl sich erstmal nichts ändert, sorgt die Talfahrt des Pfundes für höhere Kosten, dementsprechend kommen auch schon erste Gewinnwarnungen rein. Und je länger die aktuelle Hängepartie dauert umso größer ist die Gefahr, dass die Wirtschaft in eine Rezession oder sogar ne Panik abrutscht.
Zitat von Hias im Beitrag #23Von heute auf morgen stehen hunderte oder sogar tausende Regeln zur Disposition.
Nicht wirklich. Es ist wie bei einem Regierungswechsel. Die neue Mehrheit könnte theoretisch auch alle Gesetze ändern, die gerade gelten. Aber praktisch wird sie es nicht tun. Und so ähnlich sieht es jetzt auch in GB aus:
Zitat Weil seit Jahrzehnten sämtliche Handelsrichtlinien in Brüssel geschrieben werden, gibt es in Großbritannien nicht mehr genug Experten mit der notwendigen Erfahrung. ... Das Praktischste werde sein, sämtliche Brüsseler Richtlinien erst einmal eins zu eins in britisches Recht zu übernehmen, also einfach abzuschreiben.
Zitat Natürlich wäre das halb so schlimm, wenn eine Regierung sich hinstellen würde und bekräftigen würde, dass erstmal alle Regeln weitergelten werden ...
Das muß sie gar nicht explizit bestätigen, das ist einfach so. Und solange nicht einmal klar ist, wer jetzt eigentlich weitermacht und wann ein Antrag nach §50 eingereicht wird, kann die Regierung kaum etwas zum späteren Vorgehen sagen.
Zitat Und je länger die aktuelle Hängepartie dauert umso größer ist die Gefahr, dass die Wirtschaft in eine Rezession oder sogar ne Panik abrutscht.
Mit einer Rezession müssen die Briten auf jeden Fall rechnen, eine Panik sehe ich nicht. Aber es ist schon klar, daß der Cameron-Nachfolger ein schwierige Aufgabe übernimmt. Deswegen freut sich Johnson auch so gar nicht über seinen "Erfolg".
"Hässlich" fürwahr. Ich hab mir ja die meisten Reaktionen erspart; Nicolaus Fest hat gestern Presseschau gehalten, und was da zum Vorschwein kommt, kann einem schon den Kiefer nach unten klappen lassen. Deutscher Journalismus, 2016.
Zitat ...der Online-Chef der FAZ, Mathias Müller von Blumencron. Für ihn haben sich die Wähler am europäischen „Erbe versündigt. Es wird Zeit für eine neue Rebellion. Es wird Zeit, dass die Jüngeren wieder härter mit den Älteren abrechnen.“ (Link) Versündigen, Rebellion, härter abrechnen? Ist dieser SA-Slang der FAZ angemessen, und angemessen einer demokratischen Entscheidung? ... Auf STERN-Online befand Micky Beisenherz: „Demokratie ist eine feine Sache. Das Dumme daran ist nur, dass die Doofen mitmachen dürfen.“ (Link) Für Nikolaus Blome von BILD sind die Briten schlicht „irre“. (Link) Sogar ins Grundsätzliche geht Ulrich Reitz vom FOCUS in seiner Videobotschaft: „Man darf Staatsdinge auf gar keinen Fall dem Volk anvertrauen. Wer das Volk fragt, der muss sich nicht wundern, wenn völlig falsche Entscheidungen fallen.“
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