Mir scheint, die political correctness macht gegenwärtig eine Art Transformationsprozeß durch. Inzwischen geht es darum, praktisch jede unangenehme emotionale Auslenkung bei den Mitmenschen um jeden Preis zu verhindern . Auf Kosten der Freiheit, versteht sich.
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat Waren Sie, geneigter Leser, in letzter Zeit einmal in einer Buchhandlung? Falls ja, dann ist Ihnen womöglich aufgefallen, was kaum zu übersehen ist: buchstäbliche Schrankwände gefüllt mit Ratgebern, Selbsthilfebüchern, Büchern zu Spiritualität; dergleichen, während etwa naturwissenschaftliche Publikationen ein Nischendasein zu fristen scheinen.
Ja, ist mir aufgefallen. Aber ist das wirklich eine neue Entwicklung? Oder war es nicht schon immer so?
Die Hauptzielgruppe von Buchhandlungen ist weiblich. Und - auf die Gefahr hin, Stereotype zu bedienen - Frauen interessieren sich von jeher mehr für Gefühle/Spiritualität als für Technik und Naturwissenschaften. Der Schwerpunkt hat sich sicher in den letzten Jahrzehnten verlagert. Früher waren es mehr christliche Erbauungsliteratur und Gedichtbände. Heute mehr Mediationsanleitungen und Selbsthilferatgeber. Aber dass naturwissenschaftliche Publikationen in Buchhandlungen ein Nischendasein fristen, war früher (glaube ich) ganz genauso wie heutzutage.
Zitat Waren Sie, geneigter Leser, in letzter Zeit einmal in einer Buchhandlung? Falls ja, dann ist Ihnen womöglich aufgefallen, was kaum zu übersehen ist: buchstäbliche Schrankwände gefüllt mit Ratgebern, Selbsthilfebüchern, Büchern zu Spiritualität; dergleichen, während etwa naturwissenschaftliche Publikationen ein Nischendasein zu fristen scheinen.
Ja, ist mir aufgefallen. Aber ist das wirklich eine neue Entwicklung? Oder war es nicht schon immer so?
Die Hauptzielgruppe von Buchhandlungen ist weiblich. Und - auf die Gefahr hin, Stereotype zu bedienen - Frauen interessieren sich von jeher mehr für Gefühle/Spiritualität als für Technik und Naturwissenschaften. Der Schwerpunkt hat sich sicher in den letzten Jahrzehnten verlagert. Früher waren es mehr christliche Erbauungsliteratur und Gedichtbände. Heute mehr Mediationsanleitungen und Selbsthilferatgeber. Aber dass naturwissenschaftliche Publikationen in Buchhandlungen ein Nischendasein fristen, war früher (glaube ich) ganz genauso wie heutzutage.
"Schon immer" wohl eher nicht; ich würde den Beginn dieser Fokussierung auf das "Seelenheil" in die 70er Jahre datieren; zusammen mit dem Boom zur "Selbstverwirklichung" im Kielwasser der "zurück zur Natur"-Bewegung. Sie haben natürlich recht, daß das kein Angebots- sondern ein Nachfrageproblem ist, und die Geschlechtszuordnung dürfte passen; vor den 70ern dürfte es sich aber eher um allgemein belletristische Literatur vom Typ "Der Kurier des Zaren" gehandelt haben. Und um diesen shift hin zur Psychologisierung des Alltags als Vorläufer heutiger Hypersensibilisierung und weitgehend abhanden gekommener (Frustrations)toleranz, nicht nur im politischen, ist es mir gegangen. Richtig ist wohl aber auch, daß, wie Sie schreiben, populärwisssenschaftliche Werke zu den Naturwissenschaften immer schon ein eher randständiges Dasein gefristet haben dürften.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Florian im Beitrag #3Aber ist das wirklich eine neue Entwicklung? Oder war es nicht schon immer so?
Definitief ersteres. Und zwar parallel mit der Wucherung der neudeutsch "Non-Book-Articles" genannten Kinkerklitzchen. Das sind ja nicht nur CDs & DVDs (mittlerweile wird da das gesamte Sortiment geliefert; nicht nur "Literaturrelevantes" wie Romanverfilmungen oder Hörbücher - weil die großen Vertriebsketten wie etwa Thalia eben das ganze Spektrum abdecken; Comics* lasse ich noch mit Magengrimmen als Zwitterwesen durchgehen, Mangas eher nicht), sondern auch Kaffeepötte & Händitäschchen. Und der seichte Spiritualitätskrampf überwuchert die ernsthafte Literatur, etwa zum Thema Religion/Theologie (so Sachen wie Hans Leisegangs "Die Gnosis" oder Albert Schweitzers "Geschichte der Leben-Jesu-Forschung" oder Eliades 5 Bde. zur Geschichte d. relig. Ideen) wie Kudzu. Allerdings ist der Trend mittlerweile auch schon 20 Jahre an Toch. Heimspiel-Beispiel: Älteste Buchhandlung vor Ort (plus DIE Uni-Buchhandlung, wenn auch nicht die einzige) war die Regenbergsche. Die hatten immer getrennte Bereiche: Geschichte; Religion; Germanistik pp., mit Tischen gepackt für die etwas gängigeren Titel. Und NULL Esoterik, Vegankrampf oder sonstiger intellektueller Katzencontent: selbst die Meduzinratgeber waren von der seriöseren Schiene (soweit das in dem Bereich möglich ist). Die haben 1991 ihr 400-Jähriges gefeiert; fünf Jahre später haben die sich "Management-Beratung" à la McKinsey (oder Beate Uhse?) an Land gezogen, "um sich auf das neue Multimediazeitalter vorzubereiten". Prompt wurden die von dem Ratgeber/New-Age-Killefit überschwemmt; neben Christian Meier & Oswyn Murray zur Antike gabs dann einen Stapel Asterix und, ungelogen, Däniken. Und Räucherstäbchen. 2 Jahre später konnten die stolz drauf sein, vier Jahrhunderte erfolgreiche Unternehmenskultur an die Wand gefahren zu haben. *Führt zum tangentiellen Thema: so wie ganze Filmgenres perdu gehen können (oder auch sonst: weite Bereiche der Ausdrucksarten der klassischen Musik, von Renaissance bis Neoklassik gepflegt, werden nicht mehr kreativ bespielt: wann hat es zuletzt eine Oper nach klassischem Zuschnitt & halbwegs erträglicher Musik gegeben (das schließt Philip Glass ein!)?) - Der klassische Comic(-strip) gerade auch in französischer Tradition (alle 3 Sparten: ligne claire; Funny à la Franquin/Spirou; "Avantgarde" à Moebius/Druillet/Metal Hurlant), scheint schlicht ausgestorben; mausetot. Kann irgendwer eine Figur, eine Serie, einen Zeichner aus den letzten 30 Jahren (!) nennen, die überhaupt reüssiert haben (= post Schuiten/Peeters, Les Cités obscures; bei Tagesstrips: 20 Jahre; da wird mit Calvin & Hobbes das Kapitel abgeschlossen)? Wären übrigens genau 100 Jahre Lebenszeit für diese Erzählform, vom Yellow Kid bis Bill Watterson [/Kulturpessimismus]
PS: Nicht, daß jetzt jemand mit Lovelace and Babbage kommt: das war zwar im vorigen Jahr DIE hocherfreuliche Entdeckung in Sachen "graphisches Erzählen"; aber das ist ursprünglich als reiner Webcomic gestartet & spielt damit in einer anderen Liga.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Florian im Beitrag #3Aber dass naturwissenschaftliche Publikationen in Buchhandlungen ein Nischendasein fristen, war früher (glaube ich) ganz genauso wie heutzutage.
Ja-hein. Für die Dorfbuchhandlungen & Ketten-Outlets: allemal. Allerdings haben die Ketten auch dazu geführt; daß gefühlt 95% aller Titel, inklusive gediegen/gewichtiger Fachpublikationen beim Großhändler vorrätig & über Nacht lieferbar ist. Wer da Spezielles sucht, ist eh' daran gewohnt, daß er den Titel nicht aus dem Regal ziehen kann (die Ausnahme sind dann aktuell beworbene Neuerscheinungen). Im Weichbild von Unis/Fachhochschulen ist die Grundausstattung an Fachliteratur vor Ort. Überdies hat sich auch die Bandbreite & Titelzahl fachspezifischer Titel exponentiell vermehrt: was früher höchstens in der Fachbibliothek zu finden - oder überhaupt nur per Fernleihe greifbar - war, wird jetzt über einen Mausklick sichtbar (und ebenso bestellbar), zumal, aber nicht nur, bei englischen Titeln. Nur braucht man dafür keinen Schopp vor Ort mehr (außer solche Technosaurier wie ich). Ist ein dialektisches Wexelverhältnis: dieses Angebot kommt nicht von ungefähr. Früher war "1 Naturfreund" mit 3 Kosmos-Führern bedient: heute liest man auf den Portalen von "Nature" o.ä. mit; mitsamt den Rezensionen. Die eigene Sammlung spiegelt diesen Trend wieder.
Eine spezielle Sparte ist alles, was "schon älter" ist. Bislang schien der Antiquariatsmarkt vom Medienwandel relativ unangefressen; gerade in letzter Zeit fallen aber jede Menge an Filialschließungen ins Auge. Das kann daran liegen, daß hier tatsächlich die Laufkundschaft zu 90% (mal gefühlt) wegbricht. Für Wilsberg sehe ich ziemlich schwarz. Wer einen alten Titel sucht, vom Roman vor 10 Jahren bis zur Gutenbergbibel, tut das heute über einen der Netzaggregatoren, Antiqbook, Vialibri, oder auch bei Amazon (das sind die "gebraucht"-Titel id Preisangaben), wo Hunderte von Antiquaren ihre Sortimente einstellen & das Geschäft per Versand erledigen. Und natürlich macht sich eine 150-jährige Ausgabe im Regal gaaaanz anders als ein rezenter Lumbecker. Naturwissenchaftliche Werke bilden hier die große Ausnahme: eine 150 Jahre alte Charteque über das Universum ist eben 150 Jahre out-of-date (die Preise bilden das entsprechend ab; wer da sammeln will, kann da günstig einsteigen). Und wer Darwin oder Newton im Original lesen will, der legt Wert auf einen Apparat. Ausnahmen davon sind dann wieder illustrirte Pracht=Ausgaben wie Humboldts Kosmos . Mit den entprechenden Preisausschlägen in die Vertikale (ich hab gerade zum Spaß auf Vialibri nach der EA von Audubons "Birds of America", 1827, getaucht - einer der 4 Titel in der Geschichte des Buchdrucks, für die es eine Autopse gibt: da werden nur einzelne herausgetrennte kolorierte Stiche angeboten: ab €4000).
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
What about Habibi by Craig Thomson? Mir hat's gefallen, wie auch andere Werke des Autors.
-- Political language – and with variations this is true of all political parties, from Conservatives to Anarchists – is designed to make lies sound truthful and murder respectable, and to give an appearance of solidity to pure wind – Eric A. Blair
Ist es denn wirklich so verkehrt, den Gefühlen mehr Beachtung zu schenken. In Deutschland jedenfalls, hat sich z.B. die Zahl der Selbstmorde seit 1980 halbiert. Und ich denke, die Tatsache, das Gefühle ernster genommen wurde, mehr darüber gesprochen und auch vlt. Worte wie Depression enttabuisiert wurden, dazu beitrug. Ich kenne z.B. sehr rationale Menschen, die niemals zugeben würden, dass sie gerade überarbeitet sind oder depressive Gefühle selbst nicht mal wahrnehmen könnten, dann aber 3 mal im Jahr für 2 Wochen mit unterschiedlichsten Sypthomen unbekannter Ursache richtig flachliegen. Somatisierung nennt man soetwas.
Und btw: in Deutschland bringen sich heute immer noch 3 mal so viele Menschen um, wie im Strassenverkehr sterben. Unter Jugendlichen ist nach Verkehrsunfällen Selbstmord die häufigste Totdesursache.
Zitat von emjot im Beitrag #8Ist es denn wirklich so verkehrt, den Gefühlen mehr Beachtung zu schenken.
Nein, absolut nicht. Es sogar löblich, den eigenen Gefühlen und denen anderer rege Beachtung zu schenken und zu vermeiden, Anstoß zu erregen. Dazu ruft sogar die Bibel auf. Es ist auch nicht falsch, daß Gefühle Beweiskraft haben (anders als der Artikel suggeriert). Die Vernunft kommt hingegen ins Spiel, wenn man fragt, wozu sie Beweiskraft haben. Als Beispiel nehme ich die Eifersucht. Verspürt man diese, hat man selber das Gefühl, daß es eine Schweinerei oder Unverantwortlichkeit sei, was zwei Personen freiwillig miteinander machen. Die eigene Handlungsaktivierung kann zu unfreundlichen oder zu vordergründig freundlichem Verhalten in manipulativer Absicht führen. Erkennt man hingegen sein Gefühl vernünftig als Eifersucht und weiß, was dieses Gefühl für eine Aussage über sich selber bedeutet, dann kann man sein Gefühlsleben und seine Handlungen läutern. Eifersucht ist dann etwa eine Art Verlustangst, sie ist ein Zeichen, daß man die Eigenliebe zulasten der Liebe zu dem anderen übertreibt. Wie könnte man sonst einer Person, die man liebt, die Ausübung ihres eigenen Willens mißgönnen? Man muß also seine Situation so ändern, daß man nicht mehr die Verlustangst haben muß und also seinen Partner ungetrübt durch die Verlustangst lieben kann. Das durch Vernunft und vollständiges Denken geläuterte Gefühlsleben dient also der Klarheit und hilft dem sozialen Miteinander.
Mit der political correctness ist es anders. Hier geht es gar nicht um die eigenen Motive und Gefühle, sondern um die Etablierung neuer Regeln, die sich aus bestimmten soziologischen Theorien ableiten. Ich habe beispielsweise einen guten Freund, der Neger ist. Meine Gefühle zu ihm (und hoffentlich auch seine zu mir) sind von Bewunderung für seine Leistungen, Großzügigkeit, Lauterkeit und Humor geprägt. Da ich aber gesagt habe, er sei ein Neger, behauptet die angesprochene soziologische Theorie, mein Verhältnis zu ihm sei geprägt von meiner Beherrschungsabsicht und von Herabwürdigung. Aber ihre Anhänger sagen es nicht explizit, weil sonst die Absurdität der Behauptung offensichtlich wäre, da sie das Verhältnis zwischen uns beiden ja gar nicht kennen. Stattdessen verwendet und erfindet sie neue Regeln, die den Gebrauch bestimmter Wörter oder Aussagen unbeachtet ihrer Absicht und ihres Kontextes öffentlich (!) verdammen. Daran ist zweierlei falsch: Erstens ist keine öffentliche Angelegenheit, sondern nur eine Sache zwischen meinem Freund und mir, ob ich ihn mit einem Schimpfwort bedenke oder nicht. Zweitens wird hier die seelische Qualität von Normen umgedreht: Ursprünglich sind böse Taten dadurch charakterisiert, daß sie eine tiefere Disharmonie im eigenen (ggf. sozialen) Sein offenbaren. Bestimmte Taten offenbaren immer diese Disharmonie, die meisten Taten nur unter bestimmten Bedingungen. Diese Disharmonie ("Sünde") ist das eigentliche Problem, welche geistig zu überwinden ist, woraus anschließend selbstverständlich der Wunsch erwacht, Werke der Wiedergutmachung zu tun. Insbesondere schafft die Tat selber diese Disharmonie nicht; allenfalls wird sie vertieft, aber auch dies geschieht nicht unauslöschlich.
In der political correctness ist hingegen der Gebrauch bestimmter Wörter etwas, das den Menschen unauslöschlich verdirbt. So versieht der "Wortfrevel" einen zuvor untadelig handelnden Menschen für ewig mit einem öffentlichen Makel, wie bei Herrn Brüderle geschehen. Das ist in besagter soziologischer Theorie ganz folgerichtig: Sie ist materialistisch, da laut ihr nicht das Bewußtsein das Handeln prägt (also die eigenen Gefühle, mit denen man so oder so umgehen kann, s.o.), sondern die materiellen Gegebenheiten, etwa das Einkommen, die Dienststellung oder "die Gesellschaft", die den Gebrauch von der Theorie geächteter Worte noch billigt. Diese materiellen Gegebenheiten meint die Theorie zu verstehen, und daraus folgen die Regeln, wie man sich zu verhalten habe. Sie folgen eben nicht aus dem vernünftigen Läuterung der eigenen Gefühle sondern aus einer Theorie.
Hier gibt es einen aktuellen Beleg. Wenn Sie die Erklärung von Jamila Schäfer (Grüne Jugend) über Schwarz-Rot-Gold bei Fußballspielen sich antun, wird Ihnen die Behauptung auffallen, was "die Wissenschaft" davon halte. Es ist also diese Wissenschaft, die vorgebliche Vernunft, die uns erklärt, welche Gefühle wir hätten und daß wir Leute verprügeln würden, weil unsere Fähnchen die falschen Farben haben. In dieser Klarheit ist dies natürlich offensichtlicher Unsinn. Damit diese Unsinnigkeit (einem selber und anderen) nicht so schnell offenbar wird, überspringt man die ganze Sache und diskutiert nur noch über die Farben und die Wortwahl, nicht über diesen behaupteten Ursachenzusammenhang. Political correctness wird uns als Phänomen also leider erhalten bleiben, weil beide Seiten weiterhin nur die Strohmänner in Gestalt der geächteten Wörter und Farben diskutieren und nicht den philosophischen Unsinn, daß uns Soziologen erklären wollen, welche Gefühle wir eigentlich hätten.
Zitat von emjot im Beitrag #8Und btw: in Deutschland bringen sich heute immer noch 3 mal so viele Menschen um, wie im Strassenverkehr sterben. Unter Jugendlichen ist nach Verkehrsunfällen Selbstmord die häufigste Totdesursache.
Daran ist ja nur Goethe mit seinem "Werther" schuld. Damit wären wir tatsächlich ein wenig wieder bei dem Artikel. Denn in der Tat sind solche Werther-Effekte nicht viel anders als political correctness: Man nimmt eine absurde Philosophie aus irgendwelchen Büchern ohne eigenes Nachdenken an und bringt so Unglück über sich und andere. Wäre Werther nicht an der fixen Idee seiner Liebe zugrundegegangen sondern an Karōshi, dann wenigstens dem Wirtschaftsstandort viel mehr gedient gewesen.
Zitat Erkennt man hingegen sein Gefühl vernünftig als Eifersucht und weiß, was dieses Gefühl für eine Aussage über sich selber bedeutet, dann kann man sein Gefühlsleben und seine Handlungen läutern.
Genau. Aber für manche Menschen ist es harte Arbeit. Entweder, weil sie Gefühle in einer deutlich höheren Intensität spüren (bis zu 10 mal stärker), als der Durchschnitt oder aber eine geringe emotionale Intelligenz besitzen.
Zitat Eifersucht ist dann etwa eine Art Verlustangst, sie ist ein Zeichen, daß man die Eigenliebe zulasten der Liebe zu dem anderen übertreibt. Wie könnte man sonst einer Person, die man liebt, die Ausübung ihres eigenen Willens mißgönnen?
Interessant, sie scheinen einer der wenigen Menschen zu sein, die verstehen, wie Liebe wirklich funktioniert. Die meisten verwechseln Liebe mit Besitzdenken. Das sind dann die Eifersüchtigstens Menschen.
Auf die political correctness will ich hier gar nicht weiter eingehen. mit sowas beschäftige ich mich nicht. Ich habe auch einen Freund mit schwarzer Hautfarbe - wir nennen ihn auch aus Spaß manchmal Neger, er würde das auch niemals - in diesem Kpontext natürlich - als Beleidigung ansehen. Mir fällt zu diesem Thema eine Southpark Folge ein (für die die es nicht kennen, eine eher unkonvetionelle Trickfilmserie). Da geht es genau um das Thema. Inhalt: Eine Motoradgang kommt nach Southpark und die Kids regen sich auf und bezeichnen diese Motoradgang als Schwul. Dann schreien alle nach politcal correctness und sagen, man darf doch diese Menschen nicht beleidigen und sie Schwul nennen. Und dann nimmt das seinen Lauf und die Kids versuchen zu erklären, dass sie gar nichts gegen Schwule haben sondern nur "schwul" finden, was die Motoradgang so macht. Und dass sie nichts gegen Schwule haben sondern auch schwule Freunde haben. Ich kann es leider nicht so wiedergeben, aber echt herrlich diese Folge. Mit der Aussage: man sollte einfach nicht jedes Wortauf die Goldwaage legen.
Zitat Daran ist ja nur Goethe mit seinem "Werther" schuld. Damit wären wir tatsächlich ein wenig wieder bei dem Artikel. Denn in der Tat sind solche Werther-Effekte nicht viel anders als political correctness: Man nimmt eine absurde Philosophie aus irgendwelchen Büchern ohne eigenes Nachdenken an und bringt so Unglück über sich und andere. Wäre Werther nicht an der fixen Idee seiner Liebe zugrundegegangen sondern an Karōshi, dann wenigstens dem Wirtschaftsstandort viel mehr gedient gewesen.
Ist das wirklich ernst gemeint, oder eher etwas spaßig? Dann dürften sich ja nur Menschen umbringen, die auch Werther gelesen haben? Nunja, das sehe ich nicht so. Aus meinem Bekanntenkreis haben sich 2 Leute umgebracht, schon als junge Menschen. Diese waren jedoch nicht sehr philosophisch oder haben Werther gelesen. und wer dran Schuld ist? Das kann man schlecht sagen. Ich würde sagen, es ist eine Zusammenkettung ungünstiger Umstände. Es gibt nun mal Menschen, die wenig stressresistend und sehr melancholisch sind oder starke Stimmungschwankungen haben, die nichts mit den Umgebungsbedingungen direkt zu tun haben.
Zitat von emjot im Beitrag #8Ist es denn wirklich so verkehrt, den Gefühlen mehr Beachtung zu schenken. In Deutschland jedenfalls, hat sich z.B. die Zahl der Selbstmorde seit 1980 halbiert.
Völlig richtig, lieber emjot; allerdings geht es bei dieser Entstigmatisierung weniger um Gefühle als um Krankheiten. Die weit überwiegende Mehrzahl der Suizide findet im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung statt (in Reihenfolge ihrer Bedeutung: Depression, Sucht, Schizophrene Psychosen). Und in erster Linie ist der Rückgang der Suizide der weit verbesserten Behandelbarkeit dieser Erkrankungen zu verdanken. Gleichwohl gilt allgemein: das Gegenteil vom Falschen ist nicht zwingend das Richtige, und viel reden hilft nicht immer viel.
Was ich meine, war jedoch etwas anderes, nämlich eine Art narzißtisch selbstbespiegelnde Nabelschau um das Thema Emotion; verbunden mit Handlungsforderungen gegenüber dritten. Das geht m. E. weit über das Thema political correctness hinaus. Wenn heute Arbeitnehmer sich zuweilen öfter darüber aufregen (und im Extremfall burnout für sich reklamieren), daß der Chef sie nicht genügend "lobt" oder "wertschätzt", dann ist das Ausdruck einer emotionszentrierten Infantilisierung der Arbeitswelt, befeuert auch von Gewerkschaften und sozialdemokratischer Politik, die den Unternehmer buchstäblich als Partiarch konstruiert, der eine ebenso buchstäblich väterliche Fürsorgepflicht (letzteres ein juristischer Begriff!) für seine Arbeitnehmer habe.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von emjot im Beitrag #8Ist es denn wirklich so verkehrt, den Gefühlen mehr Beachtung zu schenken.
Nein, absolut nicht. Es sogar löblich, den eigenen Gefühlen und denen anderer rege Beachtung zu schenken und zu vermeiden, Anstoß zu erregen. Dazu ruft sogar die Bibel auf.(...)Als Beispiel nehme ich die Eifersucht. Verspürt man diese, hat man selber das Gefühl, daß es eine Schweinerei oder Unverantwortlichkeit sei, was zwei Personen freiwillig miteinander machen.
Naja, zunächst mal ist das von Ihnen beschriebene ja kein Gefühl, sondern ein (bewertender) Gedanke, der seinerseits zu jener leidvollen viszeralen Empfindung führt, die (gemeint ist die Bewertung) nicht nur die stoischen Philosophen, sondern, in aller Bescheidenheit auch die kognitiven Verhaltenstherapeuten zu modifizieren suchen. Es geht ja letztlich immer um Bewertungen; seien es jene, die zu den eigentlichen Emotionen führen oder jene, die sie begleiten ("Ich kann das nicht ertragen; ich muß die beiden umbringen!").
Zitat Die eigene Handlungsaktivierung kann zu unfreundlichen oder zu vordergründig freundlichem Verhalten in manipulativer Absicht führen. Erkennt man hingegen sein Gefühl vernünftig als Eifersucht und weiß, was dieses Gefühl für eine Aussage über sich selber bedeutet, dann kann man sein Gefühlsleben und seine Handlungen läutern. Eifersucht ist dann etwa eine Art Verlustangst, sie ist ein Zeichen, daß man die Eigenliebe zulasten der Liebe zu dem anderen übertreibt. Wie könnte man sonst einer Person, die man liebt, die Ausübung ihres eigenen Willens mißgönnen? Man muß also seine Situation so ändern, daß man nicht mehr die Verlustangst haben muß und also seinen Partner ungetrübt durch die Verlustangst lieben kann. Das durch Vernunft und vollständiges Denken geläuterte Gefühlsleben dient also der Klarheit und hilft dem sozialen Miteinander.
Lieber Emulgator, da wird mir die christlich-selbstlose und, wie ich finde, ziemlich idealisierte Form der Liebe zu sehr amalgamiert mit jener romantischen Liebe, die für den weit überwiegenden Tell der Menschheit eben alles andere als selbstlos ist und eben, wie unser gesamtes Emotions- und Affektsystem, eine stark evolutionsbiologische Grundierung hat. Und eben gerade nicht frei ist von "Besitzenwollen". Nicht, daß ich Ihnen nicht zutraue, diese Haltung durchzuhalten; ich finde sie sogar zutiefst wünschenswert. Gleichwohl: the proof of the pudding is in the eating, womit ich Ihnen selbstverständlich nicht eine Situation wünsche, in der Sie Ihre Frau in unzweideutiger Situation antreffen... Was Sie beschrieben haben, also gewissermaßen die Neutralisierung des Affekts, mag einigen wenigen Menschen möglich sein, aber ich mußte beim Lesen unwillkürlich an die Überwindung des individuellen Egoismus als Voraussetzung für einen funktionierenden Sozialismus denken .
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat Völlig richtig, lieber emjot; allerdings geht es bei dieser Entstigmatisierung weniger um Gefühle als um Krankheiten. Die weit überwiegende Mehrzahl der Suizide findet im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung statt (in Reihenfolge ihrer Bedeutung: Depression, Sucht, Schizophrene Psychosen). Und in erster Linie ist der Rückgang der Suizide der weit verbesserten Behandelbarkeit dieser Erkrankungen zu verdanken. Gleichwohl gilt allgemein: das Gegenteil vom Falschen ist nicht zwingend das Richtige, und viel reden hilft nicht immer viel.
Herzliche Grüße, Andreas
Ja genau. Das "Problem" sehe ich hier nur, dass die Bevölkerung nun mal zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz krank ist. Addiert man alle psychisch erkrankten zusammen (Depression, Borderline, ADHS, PTBS, Suchkranke, Angstgestörte, Bipolare und Schizophrene) zusammen und bildet den Prozentsatz, kommt man auf eine nicht unerhebliche Zahl psychisch kranker Menschen (Müssten dann schon zweistellige Prozentzahlen sein). und gerade vor diesem Hintergrund, finde ich sollte man dies nicht bagatelisieren. Viele dieser Menschen merken vlt. dass sie nicht so belastbar sind wie ihre Kollegen und eben nicht jeden Tag zwei Überstunden schrubben können. Anderen fällt dies wiederum leicht. Das Problem ist nun, dass durch die allgemeine Denke, diese Menschen wären einfach nur faul, sollen sich doch einfach mal zusammenreisen oder was es da noch für gute Tipps gibt, diese Menschen daran verzweifeln, nicht so belastbar zu sein. Daher fallen sie in eine tiefe Deperession, weil sie nun mal sehen, dass 80% der Bevölkerung nun einmal belastbarer ist. Wenn nun jemand hinkt, sieht jeder sofort "oh der hinkt" und keiner würde auf die Idee kommen, diesen Menschen anzutreiben und vlt. zu sagen "lauf doch mal schneller du faule ... " ;-)
Nun ja, man könnte auch sagen, was ist es mein Problem, dass jemand nicht klar kommt? Nun kennen vlt. einige von euch liebe und intelligente Menschen mit viel Potential, die gandios gescheitert sind und es nicht schaffen, ihrem Leben eine sinnvolle Wendung zu geben (zumindest keine stabile). Dann fragt man sich, warum schaffen es diese Menschen einfach nicht und landen letztendlich an der Flasche? Der Grund könnte eben nun so ein Problem sein, welches nie erkannt wurde. Dies kostet der Gesellschaft einfach Geld. Werte, die niemals geschaffen werden und Geld, was zur Unterstützung zu eben solchen Menschen fließt.
Zitat Was ich meine, war jedoch etwas anderes, nämlich eine Art narzißtisch selbstbespiegelnde Nabelschau um das Thema Emotion; verbunden mit Handlungsforderungen gegenüber dritten. Das geht m. E. weit über das Thema political correctness hinaus. Wenn heute Arbeitnehmer sich zuweilen öfter darüber aufregen (und im Extremfall burnout für sich reklamieren, daß der Chef sie nicht genügend "lobt" oder "wertschätzt", dann ist das Ausdruck einer emotionszentrierten Infantilisierung der Arbeitswelt, befeuert auch von Gewerkschaften und sozialdemokratischer Politik, die den Unternehmer buchstäblich als Partiarch konstruiert, der eine ebenso buchstäblich väterliche Fürsorgepflicht (letzteres ein juristischer Begriff!) für seine Arbeitnehmer habe.
Und was soll dieser Satz denn aussagen? Ich denke das ist zu ideologisch gedacht. Sicher wird Vulnerabilität anerzogen und da geht sicher so einiges in die falsche Richtung. Jedoch haben die Arbeitnehmer, die am Burnout erkranken einen erheblichen Leidensdruck. Und keine Ahnung, wo es eine emotionszentrierten Infantilisierung der Arbeitswelt geben soll. Ferner ist ein Chef, der die Leistung seiner Mitarbeiter nicht würdigt, ständig nörgelt aber nie lobt ein schlechter Chef. Schließlich untergräbt er damit die Arbeitsmoral in seiner eigenen Firma. Ich kann nämölich zur Arbeit gehen und meine Stunden absitzen, oder ich kann Höchstleistungen bringen. Letzeres funktioniert nur unter guten Arbeitsbedingungen. das hat meiner Ansicht nach wenig mit der "emotionszentrierten Infantilisierung der Arbeitswelt" zu tun.
Zitat von Doeding im Beitrag #12Naja, zunächst mal ist das von Ihnen beschriebene ja kein Gefühl, sondern ein (bewertender) Gedanke, der seinerseits zu jener leidvollen viszeralen Empfindung führt, die (gemeint ist die Bewertung) nicht nur die stoischen Philosophen, sondern, in aller Bescheidenheit auch die kognitiven Verhaltenstherapeuten zu modifizieren suchen. Es geht ja letztlich immer um Bewertungen; seien es jene, die zu den eigentlichen Emotionen führen oder jene, die sie begleiten ("Ich kann das nicht ertragen; ich muß die beiden umbringen!").
Ich habe mit Absicht einen Gedanken beschrieben, da es mir darauf ankam, den Gedanken als Ausdruck eines bestimmten --schlechten-- Gefühls zu identifizieren. Ein anderes Beispiel wäre Angst gewesen. Wenn man erkennt, daß man Angst hat, ist man ja schon recht weit in der Selbstbetrachtung. Oft versteckt sich die Angst ja. Insofern ist derjenige, der explizit Angst vor Fremden zugibt, weiter als derjenige, der sich entscheidet "auf Sicht zu fahren", aber näheres zu seiner Motivation nicht erklären kann.
Zitat von Doeding im Beitrag #12Lieber Emulgator, da wird mir die christlich-selbstlose und, wie ich finde, ziemlich idealisierte Form der Liebe zu sehr amalgamiert mit jener romantischen Liebe, die für den weit überwiegenden Tell der Menschheit eben alles andere als selbstlos ist und eben, wie unser gesamtes Emotions- und Affektsystem, eine stark evolutionsbiologische Grundierung hat.
Das ist eine Theorie. Sie können ihr anhängen, aber Sie treffen damit ebensowenig die Situation mit dem Partner, als wenn Sie ihm erklären würden, daß "die Gesellschaft" Sie veranlasse, eine "romantische cis-Zweierbeziehung" zu suchen, und daß sie ihrem Partner nie die Liebe gestehen würden, wenn die ökonomische Basis eine andere wäre. Und daß er ja niemanden "Neger" nenne!
Ich gebe freilich zu, Liebe ist ein zu kontroverses Beispiel gewesen. Das hätte ich länger bedenken müssen, aber quod scripsi, scripsi.
Zitat von Doeding im Beitrag #12womit ich Ihnen selbstverständlich nicht eine Situation wünsche, in der Sie Ihre Frau in unzweideutiger Situation antreffen...
Zu einer Ehekrise gehören immer zwei, nicht drei. Das ist mal ganz politisch unkorrekt ausgedrückt auch der Unterschied zu einem Kulturkreis, der in so einer Situation den Schwarzen Peter kontextunabhängig dem schwachen Geschlecht zuschiebt.
Zitat von Doeding im Beitrag #12Was Sie beschrieben haben, also gewissermaßen die Neutralisierung des Affekts, mag einigen wenigen Menschen möglich sein, aber ich mußte beim Lesen unwillkürlich an die Überwindung des individuellen Egoismus als Voraussetzung für einen funktionierenden Sozialismus denken .
Die Assoziation liegt freilich nahe. Allerdings ist ja das Wissen um die berechtigte Eigenliebe eine philosophische Voraussetzung dafür, seinem Nächsten zu begegnen, indem man ihm dasselbe zugesteht. Sieht man davon ab, ist es natürlich "wissenschaftlich" vernünftiger, in der Existenz eines Menschen keinen so großen Wert zu sehen wie z.B. in der Unversehrheit eines Panzers, da der Mensch 100% nachwachsende Rohstoffe verstoffwechselt hat und selbst seine Ausbildung (bis zum Panzersoldaten) nicht so viel Arbeitszeit kostet wie die Herstellung des Panzers. Das erklärt tatsächlich einige Unterschiede in der Kriegführung. Also lieber unwissenschaftlich und glücklich als wissenschaftlich und sozialistisch.
Zitat von emjot im Beitrag #10Mir fällt zu diesem Thema eine Southpark Folge ein (für die die es nicht kennen, eine eher unkonvetionelle Trickfilmserie).
Southpark bringt auf den Punkt, wie gut sich weltanschauliche und gewohnheitsmäßige Borniertheiten für burleske Stories eignen. Der einzige halbwegs vernünftige Charakter ist der sexbesessene Chefkoch. Unkonventionell wird diese Serie bleiben, weil die Macher mit dieser Masche jeden irgendwann zwar unterhalten, aber auch gekränkt oder verstört haben.
Zitat Ist das wirklich ernst gemeint, oder eher etwas spaßig?
Gemischt. Ich weiß freilich nicht, wie sich der Werther-Effekt zu psychischen Erkrankungen verhält, aber konsens ist er. Man sieht die Vorbildwirkung auch am modischen Wechsel in der Wahl der Suizidmittel. Ganz schlimm in der Hinsicht ist übrigens das "Häschen-Harakiri". Das mit der Schuld und dem Vorschlag, Goethe hätte lieber Propaganda dafür machen müssen, sich zu Tode zu arbeiten, ist natürlich nicht ernst.
Zitat Was ich meine, war jedoch etwas anderes, nämlich eine Art narzißtisch selbstbespiegelnde Nabelschau um das Thema Emotion; verbunden mit Handlungsforderungen gegenüber dritten. Das geht m. E. weit über das Thema political correctness hinaus. Wenn heute Arbeitnehmer sich zuweilen öfter darüber aufregen (und im Extremfall burnout für sich reklamieren, daß der Chef sie nicht genügend "lobt" oder "wertschätzt", dann ist das Ausdruck einer emotionszentrierten Infantilisierung der Arbeitswelt, befeuert auch von Gewerkschaften und sozialdemokratischer Politik, die den Unternehmer buchstäblich als Partiarch konstruiert, der eine ebenso buchstäblich väterliche Fürsorgepflicht (letzteres ein juristischer Begriff!) für seine Arbeitnehmer habe.
Und was soll dieser Satz denn aussagen? Ich denke das ist zu ideologisch gedacht. Sicher wird Vulnerabilität anerzogen und da geht sicher so einiges in die falsche Richtung. Jedoch haben die Arbeitnehmer, die am Burnout erkranken einen erheblichen Leidensdruck.
Ich bin der Meinung, daß der objektive Leidens- und Leistungsdruck eines Bergarbeiters im Ruhrgebiet um 1900 um ein Vielfaches größer war; bei Krankheit oder sonstigem Arbeitsplatzverlust hingen buchstäblich sein Leben und das seiner meist kinderreichen Familie daran. Das bedeutet nicht, daß heutige Menschen nicht substanziell leiden. Ich bin aber der Meinung, daß hier zuweilen die Verhältnismäßigkeiten zwischen "objektivem" Druck und "subjektivem" Leid nicht stimmen.
Zitat Ferner ist ein Chef, der die Leistung seiner Mitarbeiter nicht würdigt, ständig nörgelt aber nie lobt ein schlechter Chef. Schließlich untergräbt er damit die Arbeitsmoral in seiner eigenen Firma. Ich kann nämölich zur Arbeit gehen und meine Stunden absitzen, oder ich kann Höchstleistungen bringen. Letzeres funktioniert nur unter guten Arbeitsbedingungen. das hat meiner Ansicht nach wenig mit der "emotionszentrierten Infantilisierung der Arbeitswelt" zu tun.
Das sehe ich völlig anders. Ist ein Mitarbeiter, der seinen Chef nicht regelmäßig lobt und aufmuntert, dann auch ein schlechter Mitarbeiter? Oder ist es etwa doch nicht seine Aufgabe, seinen Chef zu loben, sondern eben nur umgekehrt Aufgabe des Chefs? Da haben Sie die Infantilisierung. Im übrigen kann mir ein "pädagogisches" Lob von einem Chef, von dem er in irgendeinem Managementseminar gelernt hat, daß es geeignet sei, die Mitarbeitermotivation zu erhöhen (und somit ein unehrliches, ein vergiftetes Lob ist) geflissentlich gestohlen bleiben.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Emulgator im Beitrag #9Daran ist ja nur Goethe mit seinem "Werther" schuld. ... Wäre Werther nicht an der fixen Idee seiner Liebe zugrundegegangen sondern an Karōshi, dann wenigstens dem Wirtschaftsstandort viel mehr gedient gewesen.
Ironisch; bei einem Begriff, der aus einer Nation (huch, *88*), also einem Volk (8 mal 88), also einem ziemlich homogenen Kulturkreis (88 hoch 88), also aus einem Zirkel von Schonlängerdortseienden stammt, der für Werther-Effekte (Stichwort Aokigahara) anfälliger scheint als andere Kollektive. Der Kleine Pedant merkt an, daß es für die Zeit des Werther-Fiebers 1774ff. keine solchen Effekte gab. Sh. Johann Wilhelm Appell, Werther und seine Zeit, 4. Aufl. Oldenburg 1896, S. 120ff. & Hans Rost, Bibliographie des Selbstmords, Augsburg 1927, S. 322. Es gibt allerdings jede Menge Streisandeffekt durch offiziöse Verdammungen. Ist übrigens kulturinvariant; das gleiche Phänomen wiederholt sich bei der ersten japanischen Übersetzung von 1894 & der ersten chinesischen von 1912. Auch bei der Triggerwirkung (und dem angeblichen Spielverbot) von Rezső Seress' "Gloomy Sunday" handelt es sich bekanntlich um eine urbane Legende.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat Southpark bringt auf den Punkt, wie gut sich weltanschauliche und gewohnheitsmäßige Borniertheiten für burleske Stories eignen. Der einzige halbwegs vernünftige Charakter ist der sexbesessene Chefkoch. Unkonventionell wird diese Serie bleiben, weil die Macher mit dieser Masche jeden irgendwann zwar unterhalten, aber auch gekränkt oder verstört haben.
Auch wenn ich es nicht mehr so regelmäßig schaue wie früher, gekränkt oder verstört wurde ich noch nicht.
Zitat Gemischt. Ich weiß freilich nicht, wie sich der Werther-Effekt zu psychischen Erkrankungen verhält, aber konsens ist er. Man sieht die Vorbildwirkung auch am modischen Wechsel in der Wahl der Suizidmittel. Ganz schlimm in der Hinsicht ist übrigens das "Häschen-Harakiri". Das mit der Schuld und dem Vorschlag, Goethe hätte lieber Propaganda dafür machen müssen, sich zu Tode zu arbeiten, ist natürlich nicht ernst.
Ok den Wethereffekt kannte ich bisher als Ausdruck noch nicht. Eher den Inhalt hinter dem Wort. Jedoch verstehe ich nicht, was dann genau die Aussage des letzen Satzes im Post #9 sein sollte?
Zitat Ich bin der Meinung, daß der objektive Leidens- und Leistungsdruck eines Bergarbeiters im Ruhrgebiet um 1900 um ein Vielfaches größer war; bei Krankheit oder sonstigem Arbeitsplatzverlust hingen buchstäblich sein Leben und das seiner meist kinderreichen Familie daran. Das bedeutet nicht, daß heutige Menschen nicht substanziell leiden. Ich bin aber der Meinung, daß hier zuweilen die Verhältnismäßigkeiten zwischen "objektivem" Druck und "subjektivem" Leid nicht stimmen.
Hier werden zwei Dinge vermischt, die nicht zwingend miteinander zu tun haben. Es braucht keinen objektiven, äusseren Druck um subjektiv zu leiden. Schließlich begehen auch Menschen ohne diesen objektiven Druck Suizid. In der Psychologie allerdings, wird jedes Leiden ernst genommen und sollte es noch so lächerlich erscheinen.
Zitat Das sehe ich völlig anders. Ist ein Mitarbeiter, der seinen Chef nicht regelmäßig lobt und aufmuntert, dann auch ein schlechter Mitarbeiter? Oder ist es etwa doch nicht seine Aufgabe, seinen Chef zu loben, sondern eben nur umgekehrt Aufgabe des Chefs? Da haben Sie die Infantilisierung. Im übrigen kann mir ein "pädagogisches" Lob von einem Chef, von dem er in irgendeinem Managementseminar gelernt hat, daß es geeignet sei, die Mitarbeitermotivation zu erhöhen (und somit ein unehrliches, ein vergiftetes Lob ist) geflissentlich gestohlen bleiben.
Nein das meinte ich nicht. Ich meine Wertschätzung. Wenn ich z.B. einen Chef hätte, der immer nur Nörgelt und jeden Fehler, den Mensch nun mal macht sieht und sich daran aufzieht, aber nicht die 768 Fehler, die ich eben nicht gemacht habe, dann hilft das nicht zur Motivation. Natürlich ist der Chef nicht zuständig, mit 'ner Roten Klaunsnase jeden ständig zum Lachen zu bringen. Für mich hat eine Arbeitsbeziehung auch viele Paralelle zu einer partnerschaftlichen Beziehung. Idealerweise sollte es ein Geben und Nehmen sein, von der beide Seiten profitieren. Funktioniert dies nicht, sollte man das Verhältnis beenden. Was bringt einem ständiger Frust?
Zitat Ich bin der Meinung, daß der objektive Leidens- und Leistungsdruck eines Bergarbeiters im Ruhrgebiet um 1900 um ein Vielfaches größer war; bei Krankheit oder sonstigem Arbeitsplatzverlust hingen buchstäblich sein Leben und das seiner meist kinderreichen Familie daran. Das bedeutet nicht, daß heutige Menschen nicht substanziell leiden. Ich bin aber der Meinung, daß hier zuweilen die Verhältnismäßigkeiten zwischen "objektivem" Druck und "subjektivem" Leid nicht stimmen.
Hier werden zwei Dinge vermischt, die nicht zwingend miteinander zu tun haben. Es braucht keinen objektiven, äusseren Druck um subjektiv zu leiden. Schließlich begehen auch Menschen ohne diesen objektiven Druck Suizid. In der Psychologie allerdings, wird jedes Leiden ernst genommen und sollte es noch so lächerlich erscheinen.
Nun sind die Psychologen ja auch kein so homogenes Völkchen . Ich z. B. würde eher sagen, daß es wichtig ist, den Menschen ernst zu nehmen, und ich halte es für einen weit verbreiteten Fehler, sein Leiden als zu ihm gehörig anzusehen und dann mit jahrelanger (letztlich symptomstabilisierender) Empathie zu begegnen. Die meisten psychischen Störungen werden vom Pat. als ausgesprochen persönlichkeitsfremd empfunden, und diese sog. Ich-Dystonie sollte man sich zunutze machen, indem man versucht, das dysfunktionale Denken, das zu dysfunktionalen Emotionen und Verhalten führt, mit ihm gemeinsam als Feind zu entdecken und buchstäblich zu attackieren. Dabei muß es keineswegs immer brav sokratisch zugehen, sondern durchaus auch mal zünftig .
Zitat
Zitat Das sehe ich völlig anders. Ist ein Mitarbeiter, der seinen Chef nicht regelmäßig lobt und aufmuntert, dann auch ein schlechter Mitarbeiter? Oder ist es etwa doch nicht seine Aufgabe, seinen Chef zu loben, sondern eben nur umgekehrt Aufgabe des Chefs? Da haben Sie die Infantilisierung. Im übrigen kann mir ein "pädagogisches" Lob von einem Chef, von dem er in irgendeinem Managementseminar gelernt hat, daß es geeignet sei, die Mitarbeitermotivation zu erhöhen (und somit ein unehrliches, ein vergiftetes Lob ist) geflissentlich gestohlen bleiben.
Nein das meinte ich nicht. Ich meine Wertschätzung. Wenn ich z.B. einen Chef hätte, der immer nur Nörgelt und jeden Fehler, den Mensch nun mal macht sieht und sich daran aufzieht, aber nicht die 768 Fehler, die ich eben nicht gemacht habe, dann hilft das nicht zur Motivation. Natürlich ist der Chef nicht zuständig, mit 'ner Roten Klaunsnase jeden ständig zum Lachen zu bringen. Für mich hat eine Arbeitsbeziehung auch viele Paralelle zu einer partnerschaftlichen Beziehung. Idealerweise sollte es ein Geben und Nehmen sein, von der beide Seiten profitieren. Funktioniert dies nicht, sollte man das Verhältnis beenden. Was bringt einem ständiger Frust?
Wenn Sie einen nörgelnden Chef haben, haben Sie m. E. zwei funktionale Möglichkeiten. Sie machen sich entweder unabhängig(er) von seiner Nörgelei (was die umgekehrte Entsprechung zu meinem obigen "unabhängig von Lob" ist) oder Sie wechseln, wie Sie schreiben, Ihren Job. Übrigens so gesehen in der Tat eine Parallele zu Partnerschaften . Krank, im Sinne von "Burnout", Depression o. dgl., wird man m. E. v. a. dann, wenn der Betreffende sich nicht von seiner impliziten Erwartung/Forderung lossagen kann, er hätte ein Recht auf einen netten Chef (oder eine fürsorgliche, treue Ehefrau). Hat er nämlich nicht. Das ist, aus meiner Sicht, pathogen; nicht der Chef selbst. Der Chef wiederum wird möglicherweise, wenn die Mitarbeiterfluktuation ein bestimmtes Maß überschreitet, ins Nachdenken über seinen Leitungsstil kommen oder aber eines Tages pleite gehen.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
ich versuche schon seit einiger Zeit, meine politisch korrekte Tochter und möglicherweise große Teile ihrer Generation zu verstehen. Es ist mir lange Zeit nicht gelungen. Ich habe die Zeichen gehört (neue deutsche Musik "Hör auf die Stimme" etc.), Kritik an meinen Äußerungen zu der offensichtlich dumpfbackigen Sichtweise ("Ein bißchen nett hier!"), Lektüre von Artikeln in Zettels Raum und Lektüre diverser online Zeitungen. Dazu kam eine Erfahrung in den USA, genauer gesagt im Raum Seattle, wo ein großer Mobilfunkanbieter keine Genehmigung bekommt, im stadtnahen, aber dünn besiedelten Raum einen Mobilfunkmast zu errichten, damit die dort wohnenden Menschen Notrufe per Handy machen können. Die Bedenken gegen diesen Mast wurden von einer umweltbewegten Gruppe vorgebracht, die die gesundheitliche Gefährdung durch Mikrowellen und die Beeinträchtigung der Natur und Landschaft anmahnte. Anstatt diese offensichtlich irrwitzige Argumentation abzuschmettern, wurde dem Antrag der Gegner durch den Kreis stattgegeben. Logischerweise müsste man nun beginnen, alle Mobilfunkmasten und Sender abzureißen, um die Gesundheit der übrigen Menschen nicht weiter zu gefährden. Man müsste selbstverständlich auch alle gefährliche Technologie abschaffen.
Ich sprach über dieses Phänomen mit meinem amerikanischen Nachbarn, und er machte mich quasi hinter vorgehaltener Hand (es konnte niemand zuhören) auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen aufmerksam, die ich bisher zu meinem Bedauern nicht zur Kenntnis genommen hatte. Eine Lektüre dieser Agenda, schon ihrer Präambel genügt, um den "ideologischen Überbau" ("heile sozialistische, gerechte, umweltfreundliche, friedliche, tolerante, migrationsoffene Welt") zu entdecken. Was das "Kommunistische Manifest" der linken Studenten in den 60ern war, das Marihuana und die freie Liebe der Hippies mit der darauffolgenden "Back to the land"-Flucht, scheint mir die Agenda 2030 für einen großen Teil der heutigen jungen bis mittleren Generation zu sein. Ich weiß, das ist ein großer Bogen, aber ich bin etwas tippfaul und fasse mich lieber kurz.
Zitat Ich z. B. würde eher sagen, daß es wichtig ist, den Menschen ernst zu nehmen, und ich halte es für einen weit verbreiteten Fehler, sein Leiden als zu ihm gehörig anzusehen und dann mit jahrelanger (letztlich symptomstabilisierender) Empathie zu begegnen. Die meisten psychischen Störungen werden vom Pat. als ausgesprochen persönlichkeitsfremd empfunden, und diese sog. Ich-Dystonie sollte man sich zunutze machen, indem man versucht, das dysfunktionale Denken, das zu dysfunktionalen Emotionen und Verhalten führt, mit ihm gemeinsam als Feind zu entdecken und buchstäblich zu attackieren. Dabei muß es keineswegs immer brav sokratisch zugehen, sondern durchaus auch mal zünftig .
Ja genauso sehe ich das auch und so sollte ein guter Psychologe natürlich auch arbeiten. Zu bedenken wäre noch, dass es z.T. Leiden gibt, die genetisch bedingt und durch eine zu geringe, bzw. zu hohe Menge diverser Neurotransmitter herrühren und daher auch lediglich symphtomstablisierend behandelt werden können.
Zitat Wenn Sie einen nörgelnden Chef haben, haben Sie m. E. zwei funktionale Möglichkeiten. Sie machen sich entweder unabhängig(er) von seiner Nörgelei (was die umgekehrte Entsprechung zu meinem obigen "unabhängig von Lob" ist) oder Sie wechseln, wie Sie schreiben, Ihren Job. Übrigens so gesehen in der Tat eine Parallele zu Partnerschaften . Krank, im Sinne von "Burnout", Depression o. dgl., wird man m. E. v. a. dann, wenn der Betreffende sich nicht von seiner impliziten Erwartung/Forderung lossagen kann, er hätte ein Recht auf einen netten Chef (oder eine fürsorgliche, treue Ehefrau). Hat er nämlich nicht. Das ist, aus meiner Sicht, pathogen; nicht der Chef selbst. Der Chef wiederum wird möglicherweise, wenn die Mitarbeiterfluktuation ein bestimmtes Maß überschreitet, ins Nachdenken über seinen Leitungsstil kommen oder aber eines Tages pleite gehen.
Und schon wieder kann ich fast komplett zustimmen. Als Einwand hätte ich noch, dass man natürlich keine Überhöhten Erwartungen haben sollte. Weder an den Chef, noch an die Ehefrau und auch nicht an das Leben als solches. Aber einen Chef der einen Respektiert und eine true, in gewissem Maße führsorgliche Ehefrau kann man schon erwarten oder sollte ansonsten über eine Trennung nachdenken. Man sollte aber keine Ehefrau, die einen jeden Wunsch von den Augen abließt oder einen Chef der irgendwie für das eigene Seelenheil zuständig ist erwarten. Bei mir war es allerdings so, dass mein Chef ein sehr guter Mensch ist, manchmal ein bisschen anstrengend wie Shelton aus der Big Bang Theory, aber auch wenn es in stressigen Phasen mal kleinere Konflikte gab, konnten wie stehts miteinander Reden und so die Arbeitsbedingungen optimieren. Eine Win-Win Situaltion.
ich versuche schon seit einiger Zeit, meine politisch korrekte Tochter und möglicherweise große Teile ihrer Generation zu verstehen. Es ist mir lange Zeit nicht gelungen. Ich habe die Zeichen gehört (neue deutsche Musik "Hör auf die Stimme" etc.), Kritik an meinen Äußerungen zu der offensichtlich dumpfbackigen Sichtweise ("Ein bißchen nett hier!"), Lektüre von Artikeln in Zettels Raum und Lektüre diverser online Zeitungen. Dazu kam eine Erfahrung in den USA, genauer gesagt im Raum Seattle, wo ein großer Mobilfunkanbieter keine Genehmigung bekommt, im stadtnahen, aber dünn besiedelten Raum einen Mobilfunkmast zu errichten, damit die dort wohnenden Menschen Notrufe per Handy machen können. Die Bedenken gegen diesen Mast wurden von einer umweltbewegten Gruppe vorgebracht, die die gesundheitliche Gefährdung durch Mikrowellen und die Beeinträchtigung der Natur und Landschaft anmahnte. Anstatt diese offensichtlich irrwitzige Argumentation abzuschmettern, wurde dem Antrag der Gegner durch den Kreis stattgegeben. Logischerweise müsste man nun beginnen, alle Mobilfunkmasten und Sender abzureißen, um die Gesundheit der übrigen Menschen nicht weiter zu gefährden. Man müsste selbstverständlich auch alle gefährliche Technologie abschaffen.
Ich sprach über dieses Phänomen mit meinem amerikanischen Nachbarn, und er machte mich quasi hinter vorgehaltener Hand (es konnte niemand zuhören) auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen aufmerksam, die ich bisher zu meinem Bedauern nicht zur Kenntnis genommen hatte. Eine Lektüre dieser Agenda, schon ihrer Präambel genügt, um den "ideologischen Überbau" ("heile sozialistische, gerechte, umweltfreundliche, friedliche, tolerante, migrationsoffene Welt") zu entdecken. Was das "Kommunistische Manifest" der linken Studenten in den 60ern war, das Marihuana und die freie Liebe der Hippies mit der darauffolgenden "Back to the land"-Flucht, scheint mir die Agenda 2030 für einen großen Teil der heutigen jungen bis mittleren Generation zu sein. Ich weiß, das ist ein großer Bogen, aber ich bin etwas tippfaul und fasse mich lieber kurz.
Lieber Pingris, wirklich verstehen kann ich sowas auch nicht. Aber vielleicht zwei unausgegorene Gedanken:
1. Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis. Viele der politischen Trends und Entwicklungen sind eigentlich nur als Ausfluß des unglaublichen Wohlstandsgewinns und Wirtschaftswachstums der letzten Jahrzehnte in den westlichen Industrieländern zu begreifen. Die Magersucht/Anorexia Nervosa ist außerhalb von Überflußgesellschaften kaum denkbar und wurde m. E. auch nie beobachtet. So wie körperliche Gesundheit von den meisten Menschen kaum geschätzt wird, solange man über sie verfügt, so wird sie schmerzlich vermißt, sobald sie einem abhanden gekommen ist. So spielt man nicht nur mit der "selbstverständlichen" Gesundheit, sondern eben auch mit dem "selbstverständlichen" Wohlstand.
2. Wer mit 18 kein Sozialist ist, hat kein Herz; wer mit 30 immer noch Sozialist ist, hat keinen Verstand. Sozialistische Ideen haben an der Oberfläche betrachtet, und v. a. nicht zuende gedacht durchaus etwas behagliches. Nur für sich betrachtet: wer wünschte sich nicht, daß alle Menschen friedlich zusammen leben würden? Oder daß jeder genug zu essen hätte? Wer assoziiert mit dem begriff "Gerechtigkeit" von vornherein etwas negatives? Solche Begriffe schaffen, glaube ich, eine Art Wärme, common sense, gemeinsame Ziele und stiften Identität. Und dann kommen sie auch noch wunderbar moralisch daher. Wer denkt da schon an Stalin, Mao oder Pol Pot? Die müssen diese Ideen doch pervertiert haben!? Und jetzt stellen Sie mal den Satz daneben: "Ungleichheit ist notwendig, um Wettbewerb zu schaffen, der langfristig alle Marktteilnehmer, jedoch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, nach oben zieht." Nicht sehr behaglich und schon gar nicht identitätsstiftend, oder? Ich fürchte die vordergründige Herzenswärme ists, die die Menschen immer wieder in die Fänge sozialistischer Gleichheitsideen treibt.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat Nur für sich betrachtet: wer wünschte sich nicht, daß alle Menschen friedlich zusammen leben würden? Oder daß jeder genug zu essen hätte? Wer assoziiert mit dem begriff "Gerechtigkeit" von vornherein etwas negatives? Solche Begriffe schaffen, glaube ich, eine Art Wärme, common sense, gemeinsame Ziele und stiften Identität. Und dann kommen sie auch noch wunderbar moralisch daher. Wer denkt da schon an Stalin, Mao oder Pol Pot? Die müssen diese Ideen doch pervertiert haben!?
Haben sie ja offensichtlich auch, bzw. sich niemals mit diesen Ideen im Ansatz identifiziert.
Zitat "Ungleichheit ist notwendig, um Wettbewerb zu schaffen, der langfristig alle Marktteilnehmer, jedoch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, nach oben zieht."
Ungleichheit ist nicht das Problem, Perpektivlosigkeit schon. Wenn diese Eintritt, wenden sich Menschen vom System ab. Brechen Gesetzte, gehen zur Mafia und schießen Leuten ins Knie oder noch schlimmer, werden anfällig für undemokratische bis terroristische Kräfte. Dann hilft nur ncoh eine Verstärkung der Staatsmacht, um den Status Quo aufrecht zu erhalten.
Gegen Sexismus in Spielen: Frankreich ergreift Maßnahmen "Frankreich setzt auf mehr Frauenpower in Videospielen und will entsprechende Projekte finanziell fördern. Titel mit sexistischen Inhalten sollen gebremst werden." http://www.computerbild.de/artikel/cbs-N...n-15749441.html
Wenn ich keine Familie hätte - ich würd mich einfach von der Brücke stürzen. Dieser grassierende Wahnsinn in der westlichen Welt ist nicht auszuhalten. Und wir regen uns auf über den religiösen Irrsinn im Islam oder Hinduismus? Als ob die PC-Kirche was anderes wäre.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
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