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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 46 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Werwohlf Offline




Beiträge: 997

13.08.2016 20:54
#26 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #24
Und wie kann das dann im Ergebnis anders aussehen als in Nordkorea? Ernst gemeinte Frage.
Man muss, um sich von der Globalisierung abzukoppeln, nicht das nordkoreanische Beispiel übernehmen. Abschottung nach außen, z.B. durch Kapitalverkehrskomtrollen und Zölle, bedeutet ja nicht automatisch die Etablierung eines kommunistischen Systems im Inneren. Erst recht nicht, wenn das dem demokratischen Mehrheitswillen entspräche, der grundsätzlich auch revidierbar wäre.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.08.2016 20:59
#27 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #26
Zitat von Doeding im Beitrag #24
Und wie kann das dann im Ergebnis anders aussehen als in Nordkorea? Ernst gemeinte Frage.
Man muss, um sich von der Globalisierung abzukoppeln, nicht das nordkoreanische Beispiel übernehmen. Abschottung nach außen, z.B. durch Kapitalverkehrskomtrollen und Zölle, bedeutet ja nicht automatisch die Etablierung eines kommunistischen Systems im Inneren. Erst recht nicht, wenn das dem demokratischen Mehrheitswillen entspräche, der grundsätzlich auch revidierbar wäre.



Ja, das kann ich sehen. Andererseits liegen in einem solchen Fall die Wettbewerbsnachteile auf der Hand und führten möglicherweise nicht nach Nordkorea, sondern nach Venezuela. Oder gibt es ein "entwickeltes" Land, das aktuell Deinen Kriterien genügt und zugleich nicht völlig im Eimer ist? Wiederum ernst gemeinte Frage.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

13.08.2016 23:12
#28 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #27
Oder gibt es ein "entwickeltes" Land, das aktuell Deinen Kriterien genügt und zugleich nicht völlig im Eimer ist?
Die Schweiz ist z.B. ein in bestimmten Bereichen relativ abgeschottetes Land. Ich bitte zu beachten, dass nicht zwingend Totalverweigerung gemeint sein muss, sondern dass ich vielmehr annehme, diverse Länder würden da selektiv vorgehen. Aber wir sind gerade mitten in dem Prozess, wo die Globalisierung immer kritischer gesehen wird. Die benötigten Beispiele liegen also mehr in der Zukunft. Wie erfolgreich die objektiv sein mögen, vermag ich nicht abzuschätzen. Aber es kommt da eben nicht nur auf objektive Kriterien, sondern z.B. auch auf sehr subjektive Gerechtigkeits- und Sicherheitsmaßstäbe an.

--
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verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Llarian Online



Beiträge: 6.920

14.08.2016 00:27
#29 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #22
Energiewende ist so ein Beispiel oder natürlich auch die Merkelsche Willkommenstortur. Die Globalisierung dagegen nicht, hier kann Politik nur sozusagen gestaltend begleiten (oder sich halt raushalten).

Wie andere schon angemerkt haben, ist das so nicht richtig: Natürlich kann man auch die Globalisierung zurückfahren, beispielsweise durch rigide Einwanderungsgesetze & Zölle. Schwer ist das nicht. Und effektiv ist es auch. Die Frage, die sich eher stellt, ist, wer dadurch welche Wohlstandsverluste hinnehmen muss. Und ist man so weit, dann stellt man fest, dass alle drei von Dir genannten Beispiele sich vor allem dadurch unterscheiden.
Globalisierung zurückfahren würde wahrscheinlich für die meisten Deutschen einen Wohlstandsverlust darstellen. Aber nicht für alle, es gibt auch Globalisierungsverlierer, die durchaus sehr dafür währen die Globalisierung zurückzudrehen. Für die Energiewende ist es zwar im Verhältnis eher umgekehrt, aber dennoch gibt es beide Gruppen: Es gibt Leute, die von dem Quatsch durchaus profitieren, beispielsweise Landwirte. Nur hat eben eine Mehrheit die dafür notwendigen Wohlstandsverluste zu tragen.

Was nun die Globalisierung selber angeht, so wird die breite Mehrheit ein Zurückdrehen eher als Schaden erleben. Aber möglich ist es trotzdem. Es gibt viele Länder, die deutlich weniger globalisiert sind als Deutschland. Und dennoch keine somalischen oder nordkoreanischen Verhältnisse erleben. So ist beispielsweise Norwegen deutlich weniger globalisiert als Deutschland. Aber verhungern tun die Leute da auch nicht. Freihandel ist ein Riesenvorteil. Aber er ist nicht die alleinige Ursache für Wohlstand.
Nebenbei glaube ich, wenn die USA wirklich Trump wählen sollten, wir eine deutlich Rückkurbelung der Globalisierung in den USA sehen werden. Und die werden auch nicht verhungern. Gerade die USA kann durchaus auch ohne die restliche Welt wirtschaften. Schlechter sicher, aber zu Grunde gehen die deswegen nicht.

Zitat
Die AfD z. B. aber bedient z. T., das sehe ich wie R.A., illusionäre Wünsche, wieder in das Puppenhaus Bundesrepublik (Arnulf Baring) der Vorwendezeit zurückkehren zu können, und das ist nicht nur unredlich, sondern im Kern völlig unpolitisch.


Davon mal ab, dass ich die Aussage nicht für richtig halte, so kann ich daran weder etwas unpolitisches noch etwas unredliches erkennen. Ist es wirklich Unredlichkeit, oder ist es eher eine (wenn auch extrem) abweichende Meinung? Ich kann mit den Gesellschaftsvorstellungen eines Björn Höcke wenig anfangen, aber ich halte diese Ideen weder für unpolitisch noch für unredlich. Und auch wenn ich nicht blind bin, für die Freiheitsgewinne, die wir auf einigen Gebieten in den letzten 20 oder 30 Jahren erlebt haben, so erscheint mir das "Puppenhaus Bundesrepublik" dreimal attraktiver als die "Bürgerkriegsvorbereitungsgesellschaft", in die wir uns derzeit entwickeln.
Und das wir nicht dahin zurückkönnen, wer sagt das eigentlich ? Frau Merkel ? Heribert Prantl ? Jakob Augstein ? Ich glaube wenn man wollte, könnte man ganz erhebliche Teile des Puppenhauses wiederherstellen. Und ich glaube auch, dass die nahezu hysterische Reaktion beispielsweise der drei genannten auf die AfD nicht zuletzt daraus resultiert, dass sie Angst davor haben, dass genau das passieren könnte.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

14.08.2016 08:06
#30 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #29
Was nun die Globalisierung selber angeht, so wird die breite Mehrheit ein Zurückdrehen eher als Schaden erleben. Aber möglich ist es trotzdem.


Klar, wenn Geld keine Rolle spielt, kann man fast alles machen, sogar den Sitz der Bundesregierung auf den Mond verlegen oder, wie Du selbst einmal geschrieben hast, Deutschland überdachen. "Wohlstandsverluste" klingt mir dabei etwas zu akademisch. Wir reden z. B. über Massenarbeitslosigkeit, da deutsche Exportprodukte erheblich verteuert würden (nicht nur durch Zölle sondern v. a. durch die Aufwertung der dann wiedereinzuführenden D-Mark; mit Blick auf die Exportorientierung hinkt hier auch das gängige Vergleichsbild mit der Schweiz), Verteuerung von Importartikeln einschl. Sprit mit seinen Rückwirkungen auf die Realwirtschaft. Das uvm wäre der Preis. Das sagen die, die das Puppenhaus versprechen aber nicht. Wie war das mit der Bürgerkriegsvorbereitung?

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Frank2000 Online




Beiträge: 3.261

14.08.2016 09:44
#31 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #29

Was nun die Globalisierung selber angeht, so wird die breite Mehrheit ein Zurückdrehen eher als Schaden erleben.
...
Und auch wenn ich nicht blind bin, für die Freiheitsgewinne, die wir auf einigen Gebieten in den letzten 20 oder 30 Jahren erlebt haben, so erscheint mir das "Puppenhaus Bundesrepublik" dreimal attraktiver als die "Bürgerkriegsvorbereitungsgesellschaft", in die wir uns derzeit entwickeln.



1. Zunächst sollte man noch mal erwähnen, dass die letzten 40 Jahre (und das ist eine komplette Generation!) ausschließlich damit verbracht wurden, in Deutschland eine Puppenhaus-Ideologie zu verfolgen und dafür massive Wohlstandsverluste zu akzeptieren. Aufbau Ost, "Klimawandel-Krieg", Genderumbau, Haupstadtverlagerung sowie der "Kampf gegen Rechts" und jetzt eben die Wir-schaffen-das-in-einem-Land-ohne-Grenzen-jeden-Menschen-durchzufütttern (um nur mal die wichtigsten Punkte zu nennen) haben nach meiner Einschätzung in diesen 40 Jahren so grob an die 2,5 BILLIONEN EURO verbrannt.

Kann sich überhaupt noch jemand eine solche Summe vorstellen? Kann sich überhaut noch jemand vorstellen, wo Deutschland wirtschaftlich stünde, wenn man dieses Geld produktiv eingesetzt hätte? Und nebenbei: dass die Marktwirtschaft ein derart erfolgreiches Modell ist um mal eben 2,5 Billionen Euro für solche "Puppenhaus-Spielereien" auszuspucken und trotzdem geht es uns noch sehr gut - und dabei wird genau diese Marktwirtschaft in Deutschland so beschimpft wie es nur geht...

2. Zum zweiten ist die Geht-nicht-Diskussion wesentlich mit einem nostalgischen Blick verknüpft. Denn die These, Deutschland würde aus der Top 10 rutschen ist ja substantiell damit verknüpft, dass die Top 10 Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben in Deutschland ist. Aber was ist eigentlich mit den restlichen 184 Ländern, von denen viele auf Generationen hinaus keine Chance haben, in der Top 10 zu landen - alles menschenunwürdige Plätze?

3. Zum dritten ist nicht Schuld der "Wir lebten mal in einem Land mit funktionierender Sicherheit und Ordnung"-Nostalgiker, dass Deutschland nicht mehr in den Top 10 ist. Sondern... siehe Punkt 2.

4. Es gab vorwärtsgerichtete Modelle. Schon lange. Zum Beispiel gab den Vorschlag, in anderen Ländern mit unserem Geld Flüchtlingsstädte aufzubauen. Also nicht nur schnöde Lager, sondern menschenwürdige Umgebungen, in denen die Menschen auf Jahre hinaus hätten Leben und Arbeiten können. Aus zwei Gründen wurde das abgelehnt:
- Das würde zu viel Geld kosten (jetzt geben wir drei mal so viel Geld aus, weil es nun mal teurer ist, einen Ziegenhirten in Deutschland durchzufüttern als in seinem Herkunftsgebiet oder einem Anrainerstaat)
- Weil diese "Flüchtlinge" ein Menschenrecht darauf hätten in Deutschland zu leben. Auch das Grundgesetz würde das sagen blabla... und den Punkt hatten wir schon mal: hat eine Nation das Recht zu überleben, die sich eine gesellschaftliche Atombombe in die Verfassung einbaut und nur deswegen noch existiert, weil kaum jemand auf die Idee gekommen ist, da mal die Grenzen auszustesten bzw. unsere Nachbarn gnädigerweise sich bereit erklärten, uns vor unserem Wahnsinn eine UNBESCHRÄNKTEN Asylanspruchs mit potentiell MILLIARDEN Anspruchsberechtigten zu schützen?

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Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

14.08.2016 10:35
#32 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #31
3. Zum dritten ist nicht Schuld der "Wir lebten mal in einem Land mit funktionierender Sicherheit und Ordnung"-Nostalgiker, dass Deutschland nicht mehr in den Top 10 ist. Sondern... siehe Punkt 2.


Es geht ja nicht um Schuld, sondern darum, daß sich die Nostalgiker bisweilen schlicht irren. 1993 gab es beispielsweise immerhin fast eine halbe Million mehr registrierte Straftaten als 2015. Eine solche Globalstatistik unterschlägt natürlich das selektive Ansteigen einzelner Deliktgruppen (z. B. Wohnungseinbrüche; dafür müssen andere Deliktgruppen gleichwohl entsprechend zurückgegangen sein). Dennoch kann man mMn nicht einfach sagen, daß das mit der "Sicherheit und Ordnung" früher prinzipiell besser gewesen sei. Ich bin diesbezüglich natürlich sehr gespannt auf die Daten von 2016.

Ich widerspreche Ihnen und Llarian gar nicht prinzipiell. Ich sehe nur bei den BRD-Nostalgikern z. T. dasselbe Phänomen am Werk wie bei der "Ostalgie-Welle" der frühen 2000er: selektive Gedächtniseffekte; die generelle Neigung von Menschen, die Vergangenheit zu verklären.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.08.2016 10:48
#33 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #21
Als ob Entwicklung nur immer in eine Richtung bewegen kann, die je nach Leseart im Allgemeinen als fortschrittliche definiert wird und alle, die eine vielleicht etwas andere Sicht der Dinge haben, in der Vergangenheit verhaftet sind und Angst vor der Zukunft haben.

Diese Sicht habe ich mit Absicht nicht gebracht, weil ich sie überhaupt nicht teile.
Selbstverständlich sind sehr viele Entwicklungsoptionen möglich, und viele davon würde ich nicht positiv sehen und deswegen ist Veränderung nicht unbedingt immer "fortschrittlich" und zu begrüßen.
Genauso gebe ich Dir völlig recht, daß man einzelne Fehlentwicklungen nicht nur korrigieren sollte, sondern daß das auch möglich ist ohne die Uhr komplett zurückzudrehen.

Der Knackpunkt ist halt bei den Nostalgikern (bei den Linken wohl noch viel mehr als bei den Rechten), daß die sich nur auf die Fehlentwicklungen (aus ihrer Sicht) konzentrieren, daß ihr Programm im wesentlichen nur aus der Rückabwicklung besteht, und daß sie teilweise sogar ableugnen, daß sich Sachen in anderen Bereichen auch verbessert haben. Auch wenn sie es selten explizit sagen: Ihr Wunschprogramm ist die reine Rückkehr der (angeblichen!) Vergangenheit, wo man auf die veränderten Rahmenbedingungen anders reagieren müßte haben sie keine Konzepte.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.08.2016 10:55
#34 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #23
Globalisierung ist kein Naturereignis.

Jein. Sie findet statt, weil sehr viele wichtige Länder das wollen (das ist also nicht Natur, aber doch ein Ereignis, das unvermeidlich kommen wird).
Ein einzelnes Land kann diese Entwicklung nicht verhindern, es kann nur die eigene Teilnahme verweigern.
Klar, kann man machen, einzelne Länder tun dies und die Folgen sind ziemlich harsch.

Der entscheidende Knackpunkt bei den Nostalgikern ist: Sie glauben, Globalisierung wie vor 20 Jahren wäre ausreichend gewesen und mehr wollen sie nicht. Also solle man auch wieder so wirtschaften wie damals - nach dem Motto: "Ging uns ja nicht schlecht damals".
Aber die Globalisierung ist eben weitergegangen und geht weiter. Niemand wird mehr mit uns Handel treiben zu den damaligen Konditionen. Man kann nicht einfach sagen: Ich höre jetzt auf, weil mir der aktuelle Stand gefällt. Sondern wer aussteigt, der wird heftigen ökonomischen Rückschritt bekommen. Und das ist den Nostalgikern nicht klar bzw. sie belügen ihre Anhänger darüber.

Zitat
Die Schweiz ist z.B. ein in bestimmten Bereichen relativ abgeschottetes Land.


Das ist ein Mythos. De facto ist die Schweiz ein EU-Mitgliedsstaat mit minderen Rechten.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.08.2016 11:01
#35 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #31
1. Zunächst sollte man noch mal erwähnen, dass die letzten 40 Jahre (und das ist eine komplette Generation!) ausschließlich damit verbracht wurden, in Deutschland eine Puppenhaus-Ideologie zu verfolgen und dafür massive Wohlstandsverluste zu akzeptieren.

Das ist einfach nicht richtig.
Natürlich gab es die genannten Geldverschwendungsprojekte, aber der Aufbau Ost gehört definitiv nicht dazu. Es geht Ostdeutschland heute massiv und Westdeutschland immer noch deutlich besser als vor 40 Jahren.

Zitat
Kann sich überhaut noch jemand vorstellen, wo Deutschland wirtschaftlich stünde, wenn man dieses Geld produktiv eingesetzt hätte?


Kann man sich perfektes menschliches Handeln vorstellen?
Kann man sich einen Staat oder eine Firma vorstellen ohne beständige massive und teure Fehllentwicklungen?
Die Praxis belegt eher das Gegenteil. Trotz aller dieser Fehler steht Deutschland eher besser da als vergleichbare Staaten. Weil die Vergleichsländer zwar nicht unsere Fehler gemacht haben, aber dafür ausreichend Gelegenheiten gefunden haben, mit anderen Fehlern Wohlstand zu verbrennen.

Alle genannten Fehlentwicklungen wie Energiewende etc. sind natürlich kritisch zu sehen und nach Möglichkeit abzustellen bzw. künftige Fehler dieser Art zu vermeiden. Aber trotzdem kann man die reale Entwicklung nicht als komplettes Desaster darstellen, weil sie im Vergleich zum theoretischen Ideal schlecht dasteht.

Zitat
Es gab vorwärtsgerichtete Modelle.


Für Einzelfragen. Eine positiv formulierte Zukunfsvorstellung ist selten geworden. Mindestens in diesem Punkt war es früher besser ;-)

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 342

14.08.2016 14:37
#36 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #32

Es geht ja nicht um Schuld, sondern darum, daß sich die Nostalgiker bisweilen schlicht irren. 1993 gab es beispielsweise immerhin fast eine halbe Million mehr registrierte Straftaten als 2015. Eine solche Globalstatistik unterschlägt natürlich das selektive Ansteigen einzelner Deliktgruppen (z. B. Wohnungseinbrüche; dafür müssen andere Deliktgruppen gleichwohl entsprechend zurückgegangen sein). Dennoch kann man mMn nicht einfach sagen, daß das mit der "Sicherheit und Ordnung" früher prinzipiell besser gewesen sei. Ich bin diesbezüglich natürlich sehr gespannt auf die Daten von 2016.


Ihnen ist aber schon klar, dass Sie aus dem dargestellten Zeitraum von 25 Jahren bewusst das Jahr mit dem Höchstwert herausgegriffen haben, während z.B. die Werte der letzten Jahre (2006 bis 2014) unter dem von 2015 lagen. Ist das nicht ein Täuschungsversuch, welcher in diesem Forum gewöhnlich scharf kritisiert wird?

Political Correctness ist nichts anderes als betreutes Denken.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

14.08.2016 15:07
#37 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Tiefseetaucher im Beitrag #36
Zitat von Doeding im Beitrag #32

Es geht ja nicht um Schuld, sondern darum, daß sich die Nostalgiker bisweilen schlicht irren. 1993 gab es beispielsweise immerhin fast eine halbe Million mehr registrierte Straftaten als 2015. Eine solche Globalstatistik unterschlägt natürlich das selektive Ansteigen einzelner Deliktgruppen (z. B. Wohnungseinbrüche; dafür müssen andere Deliktgruppen gleichwohl entsprechend zurückgegangen sein). Dennoch kann man mMn nicht einfach sagen, daß das mit der "Sicherheit und Ordnung" früher prinzipiell besser gewesen sei. Ich bin diesbezüglich natürlich sehr gespannt auf die Daten von 2016.


Ihnen ist aber schon klar, dass Sie aus dem dargestellten Zeitraum von 25 Jahren bewusst das Jahr mit dem Höchstwert herausgegriffen haben, während z.B. die Werte der letzten Jahre (2006 bis 2014) unter dem von 2015 lagen. Ist das nicht ein Täuschungsversuch, welcher in diesem Forum gewöhnlich scharf kritisiert wird?


Aber woher denn, ich habe lediglich die Jahre mit größtmöglichem Abstand, die noch vergleichbar sind, genommen . Vor 1993 waren in der Statistik offensichtlich die neuen Länder noch nicht enthalten. Aber schon richtig, 2015 könnte (was ich auch vermute) der Beginn eines neuen Trends sein.

Herzliche Grüße,
Andreas

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Llarian Online



Beiträge: 6.920

14.08.2016 16:26
#38 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #30
Klar, wenn Geld keine Rolle spielt, kann man fast alles machen, sogar den Sitz der Bundesregierung auf den Mond verlegen oder, wie Du selbst einmal geschrieben hast, Deutschland überdachen.

Die derzeitige Bundesregierung auf den Mond auszulagern halte ich für eine ausgesprochen gute Idee. Und gemessen am Energieschwachsinn ist die Überdachung Deutschlands nichts Extremes.

Zitat
Wir reden z. B. über Massenarbeitslosigkeit, da deutsche Exportprodukte erheblich verteuert würden (nicht nur durch Zölle sondern v. a. durch die Aufwertung der dann wiedereinzuführenden D-Mark; mit Blick auf die Exportorientierung hinkt hier auch das gängige Vergleichsbild mit der Schweiz), Verteuerung von Importartikeln einschl. Sprit mit seinen Rückwirkungen auf die Realwirtschaft.


Da gehen für mich jetzt aber ein paar Dinge durcheinander. Wenn die D-Mark in dem Moment aufwertet, dann wird Öl gerade nicht teurer, sondern billiger. Im übrigen hätte auch eine "D-Mark-Republik" jederzeit die Freiheit ihre Währung abzuwerten, wenn sie denn will. Das Problem käme vermutlich aber umgekehrt massiv zum tragen: Wenn die BRD Zölle erhebt, warum sollten die anderen das nicht auch tun ? Die Details sind aber meines Erachtens nach nicht so wichtig: Entscheidend ist tatsächlich der Schlag gegen die Wirtschaft. Ob das dann zu "Massenarbeitslosigkeit" oder eher nur zu mehr Arbeitslosigkeit führen würde ist eher die Frage einer (reichlich akademischen) Diskussion. Der Punkt ist nur der: Auch wenn viele Leute dadurch Schaden nehmen, so wären es eben nicht alle. Und umgekehrt vor allem: Auch wenn die meisten von der Globalisierung profitieren, so hat sie auch deutlich Verlierer. Auch wenn ich persönlich ein Globalisiserungsgewinner bin, so bin ich nicht blind dafür, dass es eben auch Verlierer gibt, deren Wunsch, das Rad zurückzudrehen, weder unlauter noch unredlich ist.

Zitat
Wie war das mit der Bürgerkriegsvorbereitung?


Ich glaube nicht, dass die Gefahr eines Bürgerkrieges sich stark vergrössert, wenn Deutschland sich stärker aus dem internationalen Handel zurückzieht. Ich garantiere Dir aber einen (zumindest in seinen Auswirkungen), wenn unsere Regierung so weitermacht, wie sie es seit einem knappen Jahr tut.

Llarian Online



Beiträge: 6.920

14.08.2016 16:34
#39 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #33
und daß sie teilweise sogar ableugnen, daß sich Sachen in anderen Bereichen auch verbessert haben.

Ich weiss nicht ob das wirklich in der vollen Allgemeinheit gilt. Sicher werden die meisten, gerade bei Nachfrage, auch zugeben, dass es Verbesserungen gegeben hat. Nur reden wir eben auch über Verhältnisse. Und wenn ich mich rein auf den politischen Teil der Entwicklung einschränke, dann ergibt sich für mich ein deutlich negatives Verhältnis zwischen Verbesserung und Verschlechterung. Man darf dabei, wieder meines Erachtens nach, nicht in die Falle tappen, Entwicklungen auf anderen Gebieten (beispielsweise Wirtschaft, aber insbesondere auch Technik) mit diesen Entwicklungen zusammenzufassen. Nach dem Motto: Wir haben zwar weniger Meinungsfreiheit, dafür aber das Iphone (oder ersatzweise Internet, autonome Autos, etc. pp.). Die Technik entwickelt sich ohne die Politik weiter. Und die Politik hat nicht das Recht die Erfolge anderer in die eigene Bilanz einzurechnen.
Wenn ich also den politischen Zustand der 80er Jahre mit heute vergleiche, dann sehe ich, aus meiner persönlichen Perspekte, eine massive Verschlechterung. Insbesondere und explizit seit der Regierung Merkel.

Frank2000 Online




Beiträge: 3.261

14.08.2016 22:33
#40 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #35

Das ist einfach nicht richtig.
Natürlich gab es die genannten Geldverschwendungsprojekte, aber der Aufbau Ost gehört definitiv nicht dazu. Es geht Ostdeutschland heute massiv und Westdeutschland immer noch deutlich besser als vor 40 Jahren.



Werter R.A.,

ich bin mir völlig darüber im klaren, dass bei derartigen Geldströmen immer auch ein paar Projekte dabei sind, die sinnvoll sind. Schon per Zufall müssen auch ein paar sinnvolle Projekte getroffen werden, wenn hunderte Milliarden Euro über das Land ausgeschüttet werden. Und mir ist bewusst, dass bei solchen Geldströmen auch Gewinner existieren. Es gibt Gewinner beim Aufbau Ost. Es gibt Gewinner bei der "Energiewende". Es gibt Gewinner bei der "Gendertransformation".

Aber das ist nicht mein Punkt. Schlechte Politik kann drei Effekte haben:

- Tatsächliche Wertvernichtung, also ein offensichtlicher Verlust für alle. Keine Gewinner.

- Kontraproduktive (bzw je nach Sichtweise "ungerechte") Umverteilung

- Nicht realisierte Gewinne

Will man Projekte wie den Aufbau Ost, die Energiewende, den Genderkrieg, die Umverteilung von Geld von den jungen Arbeitnehmern zu den Rentnern usw beurteilen, dann muss man alle drei Effekte berücksichtigen. Jetzt kann man im Einzelnen diskutieren, welche Projekte beim Aufbau Ost noch in Summe nützlich waren. Schließlich wurde auch Kläranlagen gebaut, Kommunikationsinfrastruktur geschaffen und so weiter. Aber das bei diesem Projekt auch UNMENGEN an Geld schlicht verbrannt worden sind, ist unwiderlegbar. Ich will jetzt gar nicht Beispiele aufzählen die ich kenne, weil mein Argument offensichtlich richtig ist.

Deswegen ist mir die genannte Summe letztlich egal. Ob tatsächlich 2,5 Billionen Euro verbrannt wurden in den letzten 40 Jahren oder nur 1,5 Billlionen Euro ändert an meinem Argument nichts. Denn die Summe ist auf jeden Fall unfassbar hoch. Das ist definitiv kein Spielgeld mehr. Und dieses ganze Geld wurde ausgegeben auf Grund von EMOTIONEN - vor allem dem Wunsch nach dem "perfekten Gestern". Wiedervereinigung: der Wunsch zurück ins Reich, als alle Deutschen noch unter einer Regierung gemeinsam Europa beherr... die größte Nation Europas waren. Klimakrieg: der Wunsch zurück in die vorindustrielle Zeit, als der Deutsche noch glücklich sein Handwerk verrichtete und in Frieden mit dem deutschen Wald lebte. Genderkrieg.. ääh, gut, da gibt es kein zurück zum Gestern, der Schwachsinn ist tatsächlich neu. Super, endlich mal Fortschritt.

Was mein Punkt ist: wenn man die "Nostalgiker" anklagt (zu denen ich so gar nicht zähle), dann vergisst man leider, dass die Politik der letzten 40 Jahre den unterstellten Motiven der "Nostalgiker" viel ähnlicher war, als manchem lieb und bewusst ist. Sachliche knallharte Industriepolitik, Außenpolitik, den Blick stur nach vorn gerichtet... das findet man in China oder Brasilien. Oder Japan oder Südkorea. Aber die Politik in Deutschland ist seit 40 Jahren nicht nach vorn gerichtet; bestenfalls will man den Status quo für immer einfrieren. Sei es die linken Chaoten in Berlin, die sich gegen "Gentrifizierung" wehren oder der Buchhandel, der gegen den bösen "Monopolisten" Amazon wettert oder oder. Die Beispiele sind Legion. Deutschland ist als Gesellschaft rückwärts gewandt; bestenfalls konservierend.

Was genau wirft man den "Nostalgikern" also vor?

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.08.2016 13:27
#41 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #40
ich bin mir völlig darüber im klaren, dass bei derartigen Geldströmen immer auch ein paar Projekte dabei sind, die sinnvoll sind.

Sicher, aber diese Effekte meine ich nicht. Der Aufbau Ost ist unterm Strich ein klarer Erfolg, trotz mancher Einzelfehler. Die übrigen Beispiele sind unterm Strich horrender Unsinn, trotz des privaten Profits einzelner Akteure.

Aber die Diskussion über Wiedervereinigung und Beseitigung der DDR-Altlasten wäre ein Thema für sich, ein sehr umfangreiches.

Mein wesentlicher Punkt war ja ein anderer: Trotz diverser massiver politischer Fehler geht es Deutschland heute deutlich besser als vor einigen Jahrzehnten.
Und das eben nicht nur absolut (da profitiert man ja auch unabhängig von der konkreten Politik vom allgemeinen Fortschritt), sondern eben auch relativ zu vergleichbaren westlichen Staaten.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.08.2016 15:52
#42 RE: Politische Nostalgie Antworten

Selbst in der taz glauben nicht alle Leute, daß früher alles besser war ...

http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2001%2F06%2F19%2Fa0134

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

20.08.2016 21:24
#43 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #34
Das ist ein Mythos.
Ein Mythos, der auf wundersame Weise für hohe Lebensmittelpreise sorgt.

--
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(Reinhard Mey)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.08.2016 10:46
#44 RE: Ist es Nostalgie, wenn man Fehler bemerkt ? Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #43
Ein Mythos, der auf wundersame Weise für hohe Lebensmittelpreise sorgt.

So wird das im UK auch laufen (wenn sie überhaupt austreten).
Das spezielle "Privileg", nur in-offizielles EU-Mitglied mit minderen Rechten zu sein, wird mit handfesten Nachteilen erkauft.

Johanes Offline




Beiträge: 2.419

22.11.2016 14:11
#45 Der allgemeine Trend zur Nostalgie Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #19
[...]


Ich möchte eine andere mögliche Erklärung ins Spiel bringen.
Zettel selbst hat es in einigen seiner Beiträge (etwa in der Serie zu den 68ern) angerissen. Die vergangenen Generationen lebten in der Gewissheit oder Hoffnung, dass es ihren Nachkommen besser gehen wird als ihnen selbst.
Sieht man sich die Vorstellungen zur Zukunft um 1900 an, erscheint uns das zwar sehr naiv, was aber auffällt ist die optimistisch und hoffnungsvoll die Leute damals über die Zukunft dachten. Die Menschheit würde größer, gebildeter und vernünftiger werden, das Leben des einzelnen Menschen würde mehr annehmlich, weniger hart und freier werden. Kein Bereich der Gesellschaft schient nicht vom allgemeinen Fortschritt erfasst.
Sicherlich, es war auch die Epoche der Dekadenzdichtung (doch wie verbeitet war die schon? Dagegen gab es Bestseller über das schöne Leben der Zukunft) und die Epoche endete bekanntlich mit dem 1. Weltkrieg. Der Ausbruch des 1. Weltkriegs war allerdings politisch bedingt, über die Details mögen die Historiker streiten und selbst da herrschte ein eigenwilliger Optimismus vor. Der letzte Krieg sollte es sein, der alle folgenden Kriege überflüssig machen würde. Insgesamt war die "Fin de Siècle" eine Epoche, die durch steigenden Wohlstand, Optimismus und Erwartungen für die Zukunft geprägt war.
Dann die "goldenen 20er", Wirtschaftskrise.

In den 50er gibt es ebenfalls wieder aufwärts. Wachsender Wohlstand führten dazu, dass immer mehr Leute für sich und ihre Nachkommen eine positive Zukunft erwarten konnten. In Zettels Worten:
"Die Generationen der Väter und der Großväter hatten fast vierzig Jahre lang - von 1914 bis zum Anfang der fünfziger Jahre - in Zeiten des Kriegs, der Wirren, der Armut, der Unterdrückung zurechtkommen müssen. Das konnte man nur mit "Sekundärtugenden", die damals eben alles andere als sekundär gewesen sind - Fleiß, Disziplin, Gehorsam, vor allem auch Anpassung.[...]Der Frieden, der wachsende Wohlstand, die Freiheit in der Epoche, in der die Achtundsechziger aufwuchsen, ermöglichten aber just solche Flausen. Sie ermöglichten ein lustvolleres Leben, ein weniger von Mühsal geprägtes Leben als das der Eltern und Großeltern."
http://zettelsraum.blogspot.de/2008/05/w...iger-6-die.html

Während also vorher die Zuständge schlecht waren und es paradoxerweise grade deshalb nur bergauf gehen konnte, wuchsen die Generationen ab den 60er Jahren in relativ stabil-friedlichen Verhältnissen auf. Doch grade da kamen die Zweifel daran auf, dass die Welt in Zukunft besser sein würde als sie damals war.
War der Zenit etwa erreicht? War die Menschheit jetzt zu weit gegangen, mit ihrer Nutzung natürlicher Ressourcen und ihrer Entfremdung vom Leben ihrer "naturverbundeneren" Vorfahren?
Sollte man in diese Welt noch Kinder setzen, worauf sollten die hoffen können? Hatte das Zeitalter der Massenuniversitäten nicht gezeigt, dass mit Fleiß und Bildungseifer allein steigender Wohlstand und Aufstieg nicht mehr gesichert war?
Fakt ist, dass in den 1960er Jahren eine Welle von Pessimismus in Bezug auf die Zukunft einsetzt. Nicht nur der Club of Rome. Auch solche Filme wie "… Jahr 2022 … die überleben wollen" werden gedreht. Es gibt diverse Öffentlich-Rechtliche Filme ähnlicher machart, die in dieser Zeit entstanden.
Insgesamt dominierten Sorgen den Optimismus in dieser Epoche. Konsumterror, Umweltzerstörung und die Ost-West-Konfrontation schienen eine mögliche Gefahr für die Menschheit zu sein.

In neuerer Zeit kommt noch eine weitere Frage hinzu: Können wir (Deutsche, Europäer, Westler) wirklich im Rahmen der Globalisierung mit Ländern konkurrieren, in denen die Durchnschnittslöhne und Lebenshaltungskosten bedeutend geringer sind? Und bedeutet das nicht, dass sich der neue Lebensstandard eher nach unten hin abgleicht?

Vielleicht, so meine Hypothese, haben wir es mit der ersten Generation seit langer Zeit zu tun, die sich ernsthaft sorgen darüber machen muss, den Wohlstand ihrer direkten Vorfahren nicht mehr zu erreichen. Zudem kommt der demographische Aspekt hinzu.

Johanes Offline




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22.11.2016 14:36
#46 RE: Politische Nostalgie Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #6
Zitat von Fluminist im Beitrag #2
... hat sich sofort nach dem Referendum in der seither dominierenden Ratlosigkeit erwiesen.

Dazu habe ich einen wunderschönen Katzen-Cartoon gesehen (leider nicht online):
Die Brexiteers sind wie eine Hauskatze, die mit lautem Geschrei nachdrücklich fordert, daß ihr endlich die Haustür aufgemacht wird.
Als die Tür dann endlich aufgemacht wird, will sie aber gar nicht hinausgehen. Sie setzt sich auf die Türschwelle.
Irgendwann wird die Tür dann wieder zugemacht. Dann protestiert die Katze - geht aber letztlich wieder ins Haus.

Hat wohl jeder Katzenhalter schon erlebt ;-)


Ist das nicht Freiheit, wenigstens die Option zu haben?

Herzlichst,

Johanes.

Edit: Smilie verändert.

Johanes Offline




Beiträge: 2.419

22.11.2016 14:39
#47 RE: Politische Nostalgie Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #8
Mein Erklärungsversuch: Sie war zu erfolgreich.


Die Aussage, dass die SPD sich "zu Tode gesiegt" habe, hört man öfter.
Allerdings werden einige Leute, etwa Wähler der Linken, das doch entschieden anders sehen von ihren Standpunkt aus.

Die SPD war auch immer eine Mischung aus Weltanschauungs- und Interessenpartei, im scharfen Kontrast zur Union, die kaum mehr als ein "Kanzlerwahlverein" war und ist. In der SPD führte man weltanschauliche Kämpfe um das Parteiprogramm oft sehr leidenschaftlich und nahm damit bisweilen sogar Rückgriff auf politische Philosophie. Man rufe sich Marx mit "Kritik des Gothaer Programms" in Erinnerung. Später dann die harten Bandagen mit denen um das "Godesberger Programm" gekämpft wurde. Es ließen sich noch weitere Beispiele anführen.
Kurz gesagt, den Genossen scheint etwas an ihren theoretischen Grundlagen zu liegen, während man sich solche Streits bei der Union eigentlich nicht vorstellen kann, es sei denn, es geht um konkrete Handlungen der Regierung.

Natürlich tritt die SPD dabei vor allen Dingen für die Interessen der Arbeiter ein. Nur leider sind die Interessen nicht mehr sehr einheitlich und diese Bevölkerungsgruppe schrumpft tendenziell durch Automatisierung und Verlagerung.
Das scheint ein Hauptproblem zu sein.

Zitat
Die Kinder solcher Leute haben inzwischen studiert, kennen die "kleinen Leute" und ihre Sorgen nur aus der Theorie und finden die grünen Themen viel interessanter.



Die größten Berufsgruppen im Parlament sind Lehrer und Juristen, als ich das letzte Mal nachgesehen habe. Klar, dass die eine andere Sicht auf diese Probleme haben als ein Gewerkschaftler aus einem klassischen Industriebetrieb.
Zudem haben wir es häufig mit Berufspolitikern zu tun und diese Berufsgruppe kennt weder Gewerkschaften, noch Arbeitskämpfe.

Zitat
Ziemlich alle Vorstellungen der SPD zum Schutz der Arbeitnehmer, der Gewerkschaftsrechte und der betrieblichen Mitbestimmung sind erfüllt worden. Sie gelten in linken Kreisen als Erfolgsmodell und eigentlich gibt es nichts mehr zu tun.
Inzwischen hat sich natürlich die Arbeitswelt verändert, und man müßte entsprechend neue politische Vorstellungen umsetzen. Insbesondere bräuchte die zunehmende Zahl an kleinen Selbständigen und flexiblen Arbeitskräften spezielle Schutzmaßnahmen.



Da sprechen Sie, lieber R.A., ein wahres Wort gelassen aus.
Ich würde sogar noch etwas hinzufügen wollen. Inzwischen ist Arbeitslosigkeit ein großes soziales Problem geworden.

Zitat
Und da setzt sie dann lieber darauf, die neue Arbeitswelt möglichst zu verhindern bzw. in die Regeln der alten hineinzupressen.



Und wie kam es zur Entstehung des neuen Arbeitsmarktes?
Es handelt sich bisweilen um Arbeitgeber und -nehmer, die sich bewusst einen Teil des normalen Arbeitsrechts (Direktsrecht, Anwesenheitspflicht, Mitbestimmung und Kündigungsschutz, Bezahlung wenn keine Arbeit vorliegt) vom Leib halten wollten.
Dabei ist nicht in allen Fällen der Arbeitgeber die stärkere Partei gewesen, aber in vielen eben schon. Deswegen sieht die Welt aus der Sicht eines IT-Freelancers schon komplett anders aus als aus der Perspektive eines Logistik-Subunternehmers. Das Konzept der Zeitarbeit an sich ist ja durchaus streitbar, doch auch hier gibt es sicherlich verschiedene Perspektiven. Meist gilt aber, dass die Zeitarbeiter nicht nur schneller wieder aus dem Betrieb entlassen, sondern auch schlechter bezahlt werden können als ihre direktangestellten Kollegen.
Es gibt Fälle, wo die Festangestellten sogar mit großer Missgunst auf die Zeitarbeiter reagieren, weil diese ihren Job gefährden. Aus sozialdemokratischer Sicht ein Alptraum.

Hier ist es für eine sozialdemokratische Politik viel, viel schwerer, gemeinsame Interessen solidarisch zu vertreten.

Man erlaube mir diese Bemerkung: Da haben es die Liberalen doch spürbar einfacher, wenn sie einfach auf die Kräfte des Marktes hoffen, der schon zu einem Gleichgewicht und mehr Wohlstand führen wird. Auch wenn die Anwendbarkeit klassischer Modelle hier durchaus streitbar ist, wie Emulgator richtig mit Hinweis auf die Transparenz andeutet. ;-)

Wie sieht eigentlich die konservative Lösung des Problems aus? Dürfte da doch auch Probleme mit geben, dass immer mehr Leute von der Arbeitskraft profitieren, aber keine Verantwortung dafür übernehmen wollen.

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