Unseren Kindern soll es einmal besser gehen als uns heute. Das war über Generationen lang Triebfeder persönlicher Lebensplanung und politischen Handelns. Und das muß auch wieder gelten, mit der aktuellen politischen Nostalgie erreicht man nur Jammern und Defätismus, aber keine Zukunftsfähigkeit.
Zitat von R.A.Nostalgie ist eine politische Bankrotterklärung.
Das kann man derzeit ganz gut in Großbritannien beobachten. Triebkraft (wenn auch nicht für jeden die eigentliche Motation) des "Brexit"-Votums war nostalgische Sehnsucht nach einer sagenhaften Zeit vor dem EU-Beitritt, zu der das Vereinigte Königreich paradiesische Zustände auf Basis von Autonomie und Selbstbestimmung erlebt haben soll, während heute die entsprechenden Entwicklungsoptionen durch das EU-Kropfband abgeschnürt wären. "Früher war alles besser, auch die Zukunft." Diese Mentalität zeigt sich im grundsätzlichen Wahlspruch "I want my country back" wie auch in vordergründigen Arabesken wie z.B. die Idee, die EU-Normpässe wieder durch die vorherigen dunkelblauen zu ersetzen; Nonsens-Vorsänger ist wie immer Mr. Farage - "Acid test of Brexit is fishing. Government must now have the courage to take back control of our territorial waters." - so als hätte die Fischerei nennenswerten Anteil am Bruttoinlandsprodukt.
Die Bankrotterklärung, daß nämlich der Brexit rein negativ definiert ist und an sich erst einmal keine klaren Zukunftsoptionen einschließt - im Extremfall müßte die gesamte Beziehung zu allen anderen Ländern von vorn neu aufgesetzt werden, unter Verlust von Jahren, die sonst viel produktiver genutzt werden könnten - hat sich sofort nach dem Referendum in der seither dominierenden Ratlosigkeit erwiesen.
Zitat von R.A. im ZR-BeitragDie klassische SPD hatte mit Nostalgie überhaupt nichts am Hut, aber sie verlor ihre thematische Führungsrolle im linken Lager an die extrem rückwärtsgewandten Grünen.
Absolute Zustimmung. Ich sage ja schon seit langer Zeit, dass nicht die Wähler die SPD, sondern die SPD ihre Wähler verlassen hat. Nur: Warum hat sie das getan?
Der moderne Sozialstaat wurde in den USA nicht in den 50ern installiert. Die zwei großen Schübe an Sozialgesetzgebung gab es in den USA in den 30ern (Roosevelts "New Deal") und dann in den 60ern (Johnsons "Great Society" und die "Civil Rights Act").
Zitat von Florian im Beitrag #4Der moderne Sozialstaat wurde in den USA nicht in den 50ern installiert. Die zwei großen Schübe an Sozialgesetzgebung gab es in den USA in den 30ern (Roosevelts "New Deal") und dann in den 60ern (Johnsons "Great Society" und die "Civil Rights Act").
Völlig richtig. Mein Fehler - Levin hat es ja auch anders beschrieben:
Zitat For a lot of people on the Left, that peak is really mid-century America, in that moment when we had enormous confidence in large institutions, in big government, in big labor, in big business to solve the kinds of challenges we have alongside a liberalizing culture.
Zitat von Fluminist im Beitrag #2... hat sich sofort nach dem Referendum in der seither dominierenden Ratlosigkeit erwiesen.
Dazu habe ich einen wunderschönen Katzen-Cartoon gesehen (leider nicht online): Die Brexiteers sind wie eine Hauskatze, die mit lautem Geschrei nachdrücklich fordert, daß ihr endlich die Haustür aufgemacht wird. Als die Tür dann endlich aufgemacht wird, will sie aber gar nicht hinausgehen. Sie setzt sich auf die Türschwelle. Irgendwann wird die Tür dann wieder zugemacht. Dann protestiert die Katze - geht aber letztlich wieder ins Haus.
Zitat von Noricus im Beitrag #3Ich sage ja schon seit langer Zeit, dass nicht die Wähler die SPD, sondern die SPD ihre Wähler verlassen hat. Nur: Warum hat sie das getan?
Mein Erklärungsversuch: Sie war zu erfolgreich.
Zum Einen in der Bildungspolitik. Früher rekrutierte sich die SPD-Führung aus intelligenten Arbeitern. Die die Arbeitswelt und die Probleme ihrer Kollegen kannten, und entsprechende politische Maßnahmen entwerfen konnten. Die Kinder solcher Leute haben inzwischen studiert, kennen die "kleinen Leute" und ihre Sorgen nur aus der Theorie und finden die grünen Themen viel interessanter.
Und zum Anderen im Arbeitsmarkt. Ziemlich alle Vorstellungen der SPD zum Schutz der Arbeitnehmer, der Gewerkschaftsrechte und der betrieblichen Mitbestimmung sind erfüllt worden. Sie gelten in linken Kreisen als Erfolgsmodell und eigentlich gibt es nichts mehr zu tun. Inzwischen hat sich natürlich die Arbeitswelt verändert, und man müßte entsprechend neue politische Vorstellungen umsetzen. Insbesondere bräuchte die zunehmende Zahl an kleinen Selbständigen und flexiblen Arbeitskräften spezielle Schutzmaßnahmen. Man könnte vielleicht Treuhandkonten einführen, auf die Auftraggeber VOR Arbeitsaufnahme von Zeitkräften einzahlen, damit diese vor mutwilliger Zahlungszurückhaltung oder Insolvenz geschützt sind. Man könnte die Möglichkeit steuergeschützter Rücklagen für die Pausen zwischen Aufträgen ermöglichen. Die Gewerkschaften könnten anstatt Tarifverträgen Musterverträge anbieten, um freie Arbeitsverhältnisse fair zu regeln. Aber alle diese neuen Ideen bedeuten letztlich, daß das von der SPD durchgesetzte Arbeitsmarktmodell demontiert wird, die Partei müßte ihre eigenen Erfolge wieder einkassieren. Und da setzt sie dann lieber darauf, die neue Arbeitswelt möglichst zu verhindern bzw. in die Regeln der alten hineinzupressen.
Zitat von R.A. im Beitrag #8Und da setzt sie dann lieber darauf, die neue Arbeitswelt möglichst zu verhindern bzw. in die Regeln der alten hineinzupressen.
Zu Ihrer treffenden Beschreibung noch eine Ergänzung: Das "Problem" mit der (statistisch noch nicht rigoros nachgewiesenen) Schlechterbezahlung von Frauen bzw. der Diskriminierung allgemein wird von einem Kartell aus SPD, Gewerkschaften und Arbeitgebern aufrechterhalten. Man könnte nämlich einfach Arbeitsvertragsklauseln für ungültig erklären, die dem Arbeitnehmern verbieten, ihr Gehaltsniveau Freunden oder Kollegen preiszugeben. So eine Gesetzgebung gibt es schon in den USA. Marktwirtschaftlich wäre das völlig in Ordnung, da Transparenz ja eine Marktvoraussetzung ist. Bewerber könnten dann informierter in die Gehaltsverhandlungen gehen. Wenn es stimmt, daß Frauen im Mittel defensiver verhandeln oder (vor-)eiliger Angebote annehmen, dann würde dies sehr viel für die vorgeblichen sozialistischen Ziele bringen.
Tatsächlich aber nehmen sogar Gewerkschaften an diesem Schweigekartell mit teil, selbst unter dem Risiko, daß nichtorganisierte Bewerber unwissend sich zu gering eingruppieren lassen und so die Gehälter tarifverträglich verderben.
Zitat von R.A. im Beitrag #1Unseren Kindern soll es einmal besser gehen als uns heute. Das war über Generationen lang Triebfeder persönlicher Lebensplanung und politischen Handelns. Und das muß auch wieder gelten, mit der aktuellen politischen Nostalgie erreicht man nur Jammern und Defätismus, aber keine Zukunftsfähigkeit.
Wenn es schon um Nostalgie geht, dann darf der Verweis auf längst verstorben Autoren nicht fehlen. Ich meine hier Machiavelli. Er erklärte den Hang zur Nostalgie damit, daß man schlechte Erinnerungen gerne verdränge und so die Vergangenheit stets besser aussehe als die Gegenwart. Das würde in Gesellschaft, in der sich das Alter des Medianwählers immer mehr vergrößert, also sehr gut das Erstarken nostalgischer Bestrebungen erklären, weil ältere Menschen sich ja an mehr Vergangenheit erinnern, die sie verklären können.
Andersherum wird eine der vehementesten Nostalgiewellen ausgerechnet von mehrheitlich jungen Leuten getragen. Der Begriff "Salafismus" ist nämlich inhaltlich verwandt zu "Nostalgie". In Nordnigeria ist die Sehnsucht nach den paradiesischen Zuständen der Vergangenheit so groß, daß es den Vorkämpfern dieser Nostalgievariante inzwischen gelungen ist, auch die Seuchen dieser Vergangenheit wieder ausbrechen zu lassen. Und so geht es den Kindern wieder so schlecht wie früher.
Vielleicht kann man so sagen: Die Nostalgie der Alten hängt anderen Jugendzeit, die Nostalgie der Jungen hängt an noch älterer Zeit.
Zitat von Emulgator im Beitrag #9Tatsächlich aber nehmen sogar Gewerkschaften an diesem Schweigekartell mit teil, ...
Das ist mir neu. Warum tun die das? Eigentlich müßten die doch ein hohes Interesse daran haben, daß nur die offiziellen Tarifeinstufungen gelten und "sich verkaufen können" keine Rolle spielt.
Zitat von Emulgator im Beitrag #9Tatsächlich aber nehmen sogar Gewerkschaften an diesem Schweigekartell mit teil, ...
Das ist mir neu. Warum tun die das? Eigentlich müßten die doch ein hohes Interesse daran haben, daß nur die offiziellen Tarifeinstufungen gelten und "sich verkaufen können" keine Rolle spielt.
Informationen dazu gibt es nur für Mitglieder. Das ist einerseits natürlich eine Möglichkeit, um Interessenten zur Mitgliedschaft zu ködern. Den Gewerkschaften ist die Selbsterhaltung so viel wichtiger als die Arbeitnehmerrechte.
Nun, zumindest in den Betrieben, die ich im M+E Bereich kennengelernt habe, kann sich jeder die Tariftabellen im Betriebsratsbüro abholen (ist zumindest meine Erfahrung). Und nach Tarifrunden hängen die neuen Tariftabelle dann auch als Gewerkschaftsinfo an den schwarzen Brettern zumindest in den Werken aus.
Die Eingruppierung kann der Arbeitgeber auch nicht nach Gutdünken machen, da hat der Betriebsrat Mitbestimmung. Und bei den Facharbeitern ist das kein Problem, da es da genügend Vergleichsmöglichkeiten gibt) Problematisch ist es bei bestimmten speziellen Positionen in den oberen Gehaltsgruppen, bzw. im sog. ÜT- oder AT-Bereich (also den übertariflichen Lohngruppen). Die lassen sich oft nicht so einfach vergleichen, von daher hat der Arbeitgeber da einen gewissen Spielraum.
Da muss man unterscheiden. Die Eingruppierung mit dem dargestellten Monatsgehalt ist ja nur ein Teil des Bruttomonatseinkommens. Die Eingruppierung wird gemacht, wenn die Stelle ausgeschrieben wird. Da gibt es hin und wieder (v.a. in den oberen Entgeltgruppen) ein bisschen Spielraum, aber das Grundgehalt ist erstmal gleich. Nach einer gewissen Zeit gibt es sog. Leistungsbeurteilungen. Dis sind nach Tarifvertrag möglich und machen im M+E Bereich im Maximalfall bis zu 28% des Grundgehalts aus. Die wird durch den Vorgesetzten durchgeführt, hier hat der Betriebsrat auch kein Mitbestimmungsrecht. Zusätzlich gibt es ja auch noch das Recht sein Gehalt selber auszuhandeln. Das wird durch Tarifverträge ja nicht verboten, die gelten ja nur für die Gewerkschaftsmitglieder und die tarifgebundenen Unternehmen. Und selbst Gewerkschaftsmitglieder können, bei guter Verhandlung, ein bisschen mehr herausholen, wenn der Arbeitgeber bereit ist, das zu zahlen (sog. außertarifliche Grundlage). Das sind schon die möglichen Unterschiede im Tarifbereich. Im übertariflichen Bereich hat man dann schon keine fixes Grundgehalt mehr sondern sowas wie Einkommensbänder. D.h. hier kann das Grundgehalt variieren. Dann kommen noch persönliche Ziele hinzu, die den Bonus bestimmen, etc. Kurz und gut, gleiche Entgelt- bzw. Lohngruppe bedeutet auch nicht, gleiches Gehalt.
Zum "Schweigekartell". Zumindest die IG Metall ist relativ offen, was die Entgeltgruppen angeht. Muss man halt auch mal zum Betriebsrat gehen. Und es ist natürlich auch erlaubt, über seinen Lohn zu sprechen. Problematisch wird es dann, wenn man die aggregierten Daten vergleichen will, also bspw. die Lohnsumme pro männlichen und pro weiblichen Mitarbeiter. Da ist man dann schnell im Bereich des Geschäftsgeheimnisses. http://www.zeit.de/karriere/beruf/2014-0...er-gehalt-reden
Zitat von Hias im Beitrag #14Da ist man dann schnell im Bereich des Geschäftsgeheimnisses.
Und das ist der Knackpunkt. Was Sie geschrieben haben mit Betriebsrat usw. bleibt ja im Betrieb. Wenn ich erst im Betrieb bin, ist die Entscheidung ja schon durch Unterschrift auf dem Arbeitsvertrag gefallen. Die Information für solche Verträge sollte man aber vorher haben.
Geschäftsgeheimnisse sollen das Geschäftsmodell in seinem übergeordneten wirtschaftlichen Wert schützen, etwa Know-how, damit der Innovator entlohnt wird. Ein Unternehmen, dessen Geschäftsgeheimnis die Bezahlung seiner Mitarbeiter ist, hat als Geschäftsmodell, ihre Unkenntnis bei der Bezahlung auszunutzen. Man muß als Geschäftsführer schon sehr wenig Redlichkeit haben, wenn man sein Tun so wählt und es sogar offen einräumt.
Bei der Geheimhaltung sind ja mehrere Interessen in Einklang zu bringen. Nicht alles, wovon man will, daß es dritte nicht wissen sollen, kann man verlangen, geheimzuhalten. Natürlich hat ein schlechter Offizier ein Interesse daran, daß die Plünderungen seiner Leute im Krieg geheim bleiben. Ein gerechtes Geheimnis ist dies trotzdem nicht. Das öffentliche Interesse an Disziplin und funktionierender Wehrstrafverfolgung ist höher.
In Bezug auf die Entlohnung der Mitarbeiter ist das öffentliche Interesse am Funktionieren des Marktes höher. Ich glaube sogar, viele Menschen würden ihre Studienentscheidung anders wählen, wenn sie vorher wüßten, wie wenig Geld man mit ihrem Orchideenfach verdient.
Es wird zwar behauptet, die Entlohnung sei Teil der Kalkulation und somit ein Geschäftsgeheimnis, aber das ist für richtige Unternehmen, die auch Kapitaleinsatz haben, nicht stichhaltig. Zum einen funktionieren Unternehmen, die dieses Geheimnis nicht haben können, genausogut, nämlich in den USA oder in Schweden. Zum anderen könnte man zumindest den Austausch über das Nettogehalt erlauben, weil der Betrieb ja nur mit dem Bruttogehalt kalkuliert und die Arbeitnehmer sich nur für das Nettogehalt interessieren. Das deutsche Steuerrecht wäre dann genug Schutz der Kalkulationsgrundlagen.
Überhaupt Steuer -- wenn mein Arbeitgeber mein Gehalt zum Geheimnis erklärt, dann soll es bitteschön auch für ihn gelten und er es nicht ans Finanzamt verraten.
Zitat von Emulgator im Beitrag #15Ein Unternehmen, dessen Geschäftsgeheimnis die Bezahlung seiner Mitarbeiter ist, hat als Geschäftsmodell, ihre Unkenntnis bei der Bezahlung auszunutzen.
Die Mitarbeiterbezahlung dürfte in der Regel nur ein Nebenaspekt des Geschäftsmodells sein. Ansonsten sind ja z. B. die Einkaufskonditionen ein sehr wichtiger Teil des Geschäftsgeheimnisses einer Firma. Und die Unterschiede dort kommen ja nicht dadurch zustande, daß man unwissende Zulieferer übers Ohr haut. Überhaupt würde ich die Bezahlungsdetails nicht überbewerten. Denn daneben gibt es ja noch eine Reihe weiterer Faktoren, die für die Attraktivität des Arbeitsplatzes relevant und für die Firma teuer sind - insbesondere z. B. die Gestaltung der Arbeitsplätze und andere Aspekte der Firmenkultur. Da wird es nie volle Transparenz geben können, vor allem nicht nach außen.
Zitat Ich glaube sogar, viele Menschen würden ihre Studienentscheidung anders wählen, wenn sie vorher wüßten, wie wenig Geld man mit ihrem Orchideenfach verdient.
Das glaube ich nicht. Wir reden doch hier nur noch über die letzten Prozente obendrauf. Die eigentlichen Unterschiede zwischen Berufsfeldern und Branchen sind viel schwerwiegender - und werden trotzdem von vielen Absolventen ignoriert.
Zitat von R.A. im Beitrag #16Die Mitarbeiterbezahlung dürfte in der Regel nur ein Nebenaspekt des Geschäftsmodells sein.
Es ist zumindest kein Geschäftsmodell, das für sich den Schutz durch Geheimhaltung verdient. Das ist in der Zulieferindustrie oder sogar im Handel ja anders. Wer eine Geschäftsverbindung knüpft oder ein Bauteil besonders effizient zu produzieren oder zu vermarkten weiß, der hat ja eine Neuerung zum Wohle der Allgemeinheit (zumindest zum Wohle der Geschäftspartner) geleistet. So etwas muß geschützt werden, weil sich Neuerungen sonst nicht lohnen. Aber was ist schutzwürdig daran, einfach wenig Geld zu bezahlen?
Zitat von R.A. im Beitrag #16Überhaupt würde ich die Bezahlungsdetails nicht überbewerten. Denn daneben gibt es ja noch eine Reihe weiterer Faktoren, die für die Attraktivität des Arbeitsplatzes relevant und für die Firma teuer sind - insbesondere z. B. die Gestaltung der Arbeitsplätze und andere Aspekte der Firmenkultur. Da wird es nie volle Transparenz geben können, vor allem nicht nach außen.
Das stimmt. Aber der Aufhänger war ja, daß man lieber an der Regulierungsnostalgie festhält anstatt das Marktgeschehen durch Transparenz zu fördern und so die Mißstände, die man sieht, sich selbst beheben zu lassen.
Zitat von R.A. im Beitrag #16Das glaube ich nicht. Wir reden doch hier nur noch über die letzten Prozente obendrauf. Die eigentlichen Unterschiede zwischen Berufsfeldern und Branchen sind viel schwerwiegender - und werden trotzdem von vielen Absolventen ignoriert.
Verstehe ich nicht. Für Absolventen ist die Studienwahl doch schon gelaufen? Außerdem ist es doch erst recht schwierig, die Einkommensunterschiede zwischen den Berufsgruppen zu kennen, wenn die Gehälter gar nicht preisgegeben werden dürfen?
Zitat von Emulgator im Beitrag #17Es ist zumindest kein Geschäftsmodell, das für sich den Schutz durch Geheimhaltung verdient.
Sicher. Aber generell dürfen Private m. E. alles geheim halten, wenn nicht ein sehr starkes und berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit überwiegt. Und das sehe ich hier nicht.
Zitat Aber der Aufhänger war ja, daß man lieber an der Regulierungsnostalgie festhält anstatt das Marktgeschehen durch Transparenz zu fördern und so die Mißstände, die man sieht, sich selbst beheben zu lassen.
Das stimmt natürlich.
Zitat Für Absolventen ist die Studienwahl doch schon gelaufen?
Ich meinte die Schulabsolventen :-)
Zitat Außerdem ist es doch erst recht schwierig, die Einkommensunterschiede zwischen den Berufsgruppen zu kennen, wenn die Gehälter gar nicht preisgegeben werden dürfen?
Da gibt es doch sehr viele öffentliche Quellen - von den Tariflisten bis hin zu vielen Befragungen und Studien. Es ist m. E. für Abiturienten kein Problem, sich leicht und umfassend über die Verdienstmöglichkeiten der verschiedenen Studiengänge zu informieren. Auf die letzte Nachkommastelle kommt es ohnehin nicht an, bis zum Studienabschluß wird es bestimmt wieder Verschiebungen geben.
Zitat von R.A.Nostalgie ist eine politische Bankrotterklärung.
Das kann man derzeit ganz gut in Großbritannien beobachten.
Was mir gerade noch auffällt: Dieses Phänomen beschränkt sich natürlich nicht nur auf die bisher diskutierten Beispiele USA, Deutschland und GB. Es ist wohl ein allgemeiner Trend in den westlichen Demokratien. Deswegen muß man wohl den Blick etwas lösen von regionalen Faktoren wie z. B. Merkels Politik - da muß es allgemeinere Ursachen geben.
Und die wesentliche Ursache, die mir dabei einfällt, ist die neue Unübersichtlichkeit wegen Globalisierung und beschleunigtem technischen Wandel.
Das könnte sich teilweise auch wieder regulieren - wenn die Leute gelernt haben, mit den neuen Gegebenheiten umzugehen und insbesondere durch intelligente Nutzung der globalisierten Informationsquellen wieder mehr Übersicht zu bekommen.
Zitat von R.A. im Beitrag #18Aber generell dürfen Private m. E. alles geheim halten, wenn nicht ein sehr starkes und berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit überwiegt. Und das sehe ich hier nicht.
Der Marktmechanismus ist in meiner Vorstellung in höchstem öffentlichen Interesse. Damit er funktioniert, hat man extra Kartellämter, die sogar in die Eigentumsfreiheit eingreifen können, indem der Kauf eines Mitbewerbers verboten wird. (Das hat inzwischen sogar Herr Gabriel gelernt. )
Zitat von R.A. im Beitrag #18Da gibt es doch sehr viele öffentliche Quellen - von den Tariflisten bis hin zu vielen Befragungen und Studien. Es ist m. E. für Abiturienten kein Problem, sich leicht und umfassend über die Verdienstmöglichkeiten der verschiedenen Studiengänge zu informieren. Auf die letzte Nachkommastelle kommt es ohnehin nicht an, bis zum Studienabschluß wird es bestimmt wieder Verschiebungen geben.
Fragt sich natürlich, woher diese Quellen ihre Informationen herhaben. Recht gute Informationen gibt es tatsächlich bei hoher Marktliquidität, also die Ausbildungsberufe mit ihrem festen Berufsbild (Handwerk, angestellte Ärzte). Da gibt es auch einen hohen Organisierungsgrad, d.h. man muß am Ende sogar gar nicht viel verhandeln. Schwieriger ist es mit den Nischenberufen, die typischerweise von Orchideenabsolventen besetzt werden oder eine hohe fachliche Spezialisierung benötigen. Da gibt es dann den enttäuschten Spruch vom "Akademikerprekariat". Wenn man Bekannte fragen könnte, wäre das natürlich viel einfacher.
Das eigentliche was ich in dem Beitrag noch vermisse sind die Schlagworte Kulturpessimusmus und progressiv. Als ob Entwicklung nur immer in eine Richtung bewegen kann, die je nach Leseart im Allgemeinen als fortschrittliche definiert wird und alle, die eine vielleicht etwas andere Sicht der Dinge haben, in der Vergangenheit verhaftet sind und Angst vor der Zukunft haben.
Ich teile diese Ansicht nicht nur nicht, ich halte sie für grundfalsch. Denn selbstredend kann es eine ganze Menge Fehlentwicklungen geben und man ist keinesfalls darauf angewiesen auf der schiefen Bahn konsequent weiter zu gehen. Da wird dann zwar gerne argumentiert, man könne das Rad nicht zurück drehen, aber selbst dieser Vergleich hinkt, denn natürlich kann man Räder zurückdrehen und Fehlentwicklungen korrigieren. Natürlich kann man (gerade in der Technik) Pandoras Büchse nicht immer schliessen, wie schon bei Dürrematt so treffend steht, kann ein einmal gedachter Gedanke nicht zurückgenommen werden. Das heisst aber noch lange nicht das nicht auch deutlich Gegenbeispiele existieren.
Nehmen wir gleich ein ordentlich "umstrittenes" Beispiel. Die AfD (und ich ebenso) wünschen uns wieder Freibäder, in denen man in aller Regel sicher ist, in der kleine Mädchen von 14 Jahren nicht kultursensibel betastet werden (um es harmlos auszudrücken). Das ist derzeit nicht der Fall, wie man der Presse an etlichen Stellen deutlich entnehmen kann, wenn man nicht gerade selber in der Situation ist im richtigen Alter und des richtigen Geschlechts zu sein. Das ist eine glasklare Fehlentwicklung. Der Wunsch das wieder "zurückzudrehen" ist nicht nostalgisch sondern naheliegend. Und es ist durchaus möglich. Wenn man denn will. Wenn also jemand Trumps Slogan ausleiht und verkündet "Lasst uns die Freibäder wieder sicher machen", dann kündet das nicht von rückwärtsgewandtheit, sondern von gesundem Menschenverstand.
Ich könnte Dutzende von Beispielen nennen, wo sich, zumindest aus meiner Perspektive, massive Fehlentwicklungen zeigen. Und ich glaube auch, dass man die sehr wohl (!) selektiv zurückdrehen kann, im Gegenteil, ich würde eher dazu neigen zu sagen, dass die Annahme das nicht zu können eine typische Schutzbehauptung ist, die gerne verwendet wird, um Fehlentwicklungen zu verteidigen und damit der Diskussion zu entziehen. So hat die Entwicklung des Iphones (so man diese positiv sieht) nichts mit der Frage zu tun, ob man die sichere Energieversorgung eines Landes zerstört. Die Möglichkeit einen Flugurlaub zu machen, hängt nicht damit zusammen, dass man hunderte von Milliarden im Ausland versenkt. Und die Möglichkeiten die das Internet bietet (nach meinem Dafürhalten ein weit größerer Fortschritt als alle genannten Beispiele), basiert nicht darauf, dass wir heute mehr Steuern zahlen als vor 30 Jahren. Oftmals versucht auch die Politik Glauben zu machen, man könne das eine nicht ohne das andere haben ("Rosinenpickerei"). Das ist aber Quatsch mit Sauce. Natürlich kann man das. Wie viele unserer Nachbarn ja auch gerne beweisen. Es gibt in Frankreich kaum weniger Iphones als in Deutschland, aber dafür mussten die nicht Trittin jedes Jahr einen neuen Eiswagen spendieren. Und auch Norweger fliegen in den Urlaub, ohne das griechische Schneeballsystem zu finanzieren. Und ja, das Internet funktioniert in Ländern, die kaum die Hälfte von dem umverteilen, was in Deutschland noch als zu wenig gilt. Wir könnten eine Menge aus unserer Vergangenheit lernen, wie man manche Dinge richtig macht, allein, wir tuns nicht. Wenn also AfD und Trump in die achtziger Jahre zurückwollen, dann meinen die damit wohl eher nicht, dass man alle Flugzeuge abschaffen sollte, sondern eher, dass man manches vom Kopf wieder auf die Füße stellt. Das man Energie erst einmal da erzeugt wo sie wirtschaftlich vernünftig ist. Das man Geld nur an jemanden vergibt, der es einem irgendwann wieder zurückgeben kann. Und der vielleicht nur soviel Steuern nimmt, dass die Wirtschaft auch mal ein paar Prozent im Jahr und nicht in einer Dekade wächst.
Zitat von Llarian im Beitrag #21Das eigentliche was ich in dem Beitrag noch vermisse sind die Schlagworte Kulturpessimusmus und progressiv. Als ob Entwicklung nur immer in eine Richtung bewegen kann, die je nach Leseart im Allgemeinen als fortschrittliche definiert wird und alle, die eine vielleicht etwas andere Sicht der Dinge haben, in der Vergangenheit verhaftet sind und Angst vor der Zukunft haben.
Mir scheint, Ihr habt beide recht, aber auf unterschiedlichen Ebenen. Konkrete und spezifische politische Entscheidungen und Entwicklungen kann und soll man korrigieren und zurücknehmen. Energiewende ist so ein Beispiel oder natürlich auch die Merkelsche Willkommenstortur. Die Globalisierung dagegen nicht, hier kann Politik nur sozusagen gestaltend begleiten (oder sich halt raushalten). Die AfD z. B. aber bedient z. T., das sehe ich wie R.A., illusionäre Wünsche, wieder in das Puppenhaus Bundesrepublik (Arnulf Baring) der Vorwendezeit zurückkehren zu können, und das ist nicht nur unredlich, sondern im Kern völlig unpolitisch.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #22Die Globalisierung dagegen nicht, hier kann Politik nur sozusagen gestaltend begleiten (oder sich halt raushalten).
Wirklich? Globalisierung ist kein Naturereignis. Wie weit ein Land dabei mitmacht, hat es zu großen Teilen selbst in der Hand. Dass dies selten geschieht, ist darauf zurückzuführen, dass die entsprechenden Wohlstandsverluste nicht riskiert werden. Aber wenn bei der Mehrheit der Eindruck vorherrscht, die Gewinne und Verluste durch die Globalisierung (ja, es gibt beides) seien extrem ungleich verteilt, dann kann das dazu führen, dass der Wunsch zum Ausstieg Realität wird. Und wenn der Eindruck dann auch gar nicht so falsch war, dann könnte das sogar dazu führen, dass es insgesamt als positiv betrachtet wird.
Nichts, aber auch gar nichts ist alternativlos.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Doeding im Beitrag #22Die Globalisierung dagegen nicht, hier kann Politik nur sozusagen gestaltend begleiten (oder sich halt raushalten).
Wirklich? Globalisierung ist kein Naturereignis. Wie weit ein Land dabei mitmacht, hat es zu großen Teilen selbst in der Hand. Dass dies selten geschieht, ist darauf zurückzuführen, dass die entsprechenden Wohlstandsverluste nicht riskiert werden. Aber wenn bei der Mehrheit der Eindruck vorherrscht, die Gewinne und Verluste durch die Globalisierung (ja, es gibt beides) seien extrem ungleich verteilt, dann kann das dazu führen, dass der Wunsch zum Ausstieg Realität wird. Und wenn der Eindruck dann auch gar nicht so falsch war, dann könnte das sogar dazu führen, dass es insgesamt als positiv betrachtet wird.
Nichts, aber auch gar nichts ist alternativlos.
Hmm. Und wie kann das dann im Ergebnis anders aussehen als in Nordkorea? Ernst gemeinte Frage.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #24Und wie kann das dann im Ergebnis anders aussehen als in Nordkorea?
Es gibt auch eine ganze Reihe anderer Länder außer Nordkorea, die bei der Globalisierung außen vor sind & bleiben. Burma beispielsweise; Bergkönigreiche, die den Schlüssel umgedreht & weggeworfen haben wie etwa Bhutan; der Islamgürtel, da wo die Götter kein Öl im Boden versteckt haben; der größte Teil Afrikas sowieso. Die Frage, ob das wirklich greifen wird, stellt sich für Inseln ohne ökonomisches Hinterland; die Karibik & Mikro/Makronesien werden absehbar immer zu den Armenhäusern des Planeten gehören; plus alles jenseits 65° Nord/Süd. Das war aber schon immer so & spricht somit überhaupt nicht dagegen, daß der Rest der Welt auf einer Linie schwingt & den Baldwin-Effekt ausnützt. Galt schon stets für alle Streusandbüchsen überall: Cristo si è fermato a Eboli, vom Outback bis zur Mongolei.
Im Hinterkopf behalten: was hier unter "Globalisierung" fährt, ist nichts als der gute alte Kapitalismus, der seit 200 Jahren im Gang ist & dessen "ausschließliche Nachteile" über dessen Kanäle in die Köpfe zu transportieren, von Zeitung über Schwallschauen bis Klassenzimmer die Aufgabe der vom ihm erst genährten Sumpfblüten ist. Der Sozialismus war als Globalisierungsunternehmen angelegt wie auch die beiden Grünen Totalitarismen: top down, per Oktroi; im Fall der Ökofexe per Weltregierungsbeschluss. Man kann statt "Kapitalismus" auch "einzig bekannter wertschöpfender Prozess" sagen, aber dann sind alle Sumpfblütler schwer beleidigt.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
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