Zitat von R.A. im Beitrag #25Das wollte ich bestimmt nicht ausdrücken. Denn "Schuld" hat ja sehr viel mit den Konsequenzen zu tun.
Zitat von R.A. im Beitrag #25Trotzdem haben sich Schmidt und andere Entscheider natürlich mit schuldig am Tode Schleyers gemacht, weil sie seinen Tod bewußt für die Staatsraison und das Wohl der Vielen in Kauf genommen haben. Aber das ist eben eine unvermeidliche Schuld bei einer juristisch und moralisch richtigen Entscheidung.
Jetzt verstehe ich Sie so, daß Schuld und Kausalität an Übeln ziemlich dasselbe seien. "Unvermeidliche Schuld" widerspricht ja sehr dem Konzept von Schuld, nämlich daß man sie wörtlich (!) um jeden Preis vermeidet. Hier sehe ich einen Unterschied zwischen Schuld und Kausalität.
Das Eintreten bestimmter Sachfolgen aus einem Katalog unerwünschter Folgen um jeden Preis zu vermeiden, ist kein sinnvolles Mittel, über das eigene Handeln zu wählen. Ich bin also kein Anhänger des Konsequentialismus. Im Gegenteil gibt uns die Frage nach Schuld und Unschuld die Freiheit, uns mit bestimmten (hypothetischen, befürchteten) Kausalitäten nicht befassen zu müssen. Es ist so ähnlich wie mit dem Paradox von Smiths "unsichtbarer Hand", daß man dadurch ihnen sogar noch gerechter werden kann.
Beispiel: Wenn ein Unternehmer seinen Arbeitnehmer kündigt, und dieser daraufhin komplett in Obdachlosigkeit & Suff abstürzt, dann trifft den Arbeitgeber überhaupt keine Schuld, auch wenn man die Entlassung als kausal für das Unglück des Arbeitnehmers betrachtet. Tatsächlich sind es vor allem die freiheitlichen Prinzipien des Eigentums und der Einwilligung, die den Unterschied ausmachen. Aus diesem Grunde kann der Arbeitgeber schuldlos trotz der womöglich sogar erwartbaren Folgen (etwa wenn die Kündigung wegen psychischer Labilität notwendig geworden ist) kündigen, sofern er das Verderben nicht beabsichtigt.
So eine Auffassung zum Kündigungsrecht ist natürlich nicht allgemein akzeptiert. Die Anhänger rigorosen Kündigungsschutzes sind traditionell eher Anhänger einer materialistischen Auffassung von Schuld, eben konsequentialistisch. Da ist dann endloses Bewerten von Sachfolgen ein eigener Wert ("Technikfolgenabschätzung"). Nur wird man Menschen nicht gerecht, wenn man sie nur im Spiel von Folgen sieht. Die Qualität ihres Lebens liegt in ihrer Entscheidungsfähigkeit, eben in ihrem Freien Willen, den Materialisten nicht kennen. Dahinter verschwimmen sogar Gewißheiten über die Konsequenzen, die man doch so gut meint, abgewogen zu haben.
Im Beispiel kann es sein, daß der Absturz des psychisch labilen Gekündigten gar nicht aufgehalten würde, wenn es einen rigorosen Kündigungsschutz gäbe: Faßte er die Kündigung als Kränkung auf, so ist eine Nichtkündigung, die der Gesetzgeber vorschreibt, kein Liebesbeweis; evtl. verschlimmert sich sein Leiden sogar, wenn es ihn unkündbar macht. Man meinte, mit einem konsequentialistischen Kündungungsschutzgesetz ein Übel zu beseitigen und schafft nur ein neues Übel, nämlich das, daß der Unternehmer nicht mehr frei über sein Eigentum verfügen kann.
Zitat von R.A. im Beitrag #25Ich wollte mit dem ganzen Absatz nur darstellen, daß Nicht-Handeln und dessen Konsequenzen ziemlich ähnlich "Schuld" bedeuten kann wie Handeln.
Von den Konsequenzen ist tatsächlich Nichtstun genauso eine Tat, aber bei der moralischen Schuldfrage ist es etwas anders. Wir können ja die Sache etwas spannender machen, indem wir für den Piloten noch ein eigenes Risiko einbauen, etwa notorisch unzuverlässige Triebwerke, die beim Abfeuern der Waffe einen Flammabriß bekommen können, so daß ein Absturzrisiko besteht (gab es übrigens tatsächlich bei manchen Flugmustern). Macht nunmehr 101 Tote Flieger gegen die 100.000 Menschen im Stadion. Ganz konsequentialistisch argumentiert sollte es an Ihrem Urteil nichts ändern. Tut es das? Oder macht es einen Unterschied, daß der Pilot nun sein eigenes Leben einsetzen muß?
Zitat von R.A. im Beitrag #25Die wesentliche Schuld der Terroristen bleibt immer. Aber wenn etwas Schlimmes passiert, können ja durchaus mehrere Leute schuld sein.
Zitat von R.A. im Beitrag #25Es lassen sich auch analoge Beispiele konstruieren, wo die Entscheidung des Piloten ähnliche Konsequenzen bei Handeln oder Nicht-Handeln hat, die eigentliche Bedrohung aber nicht durch Terroristen, sondern durch eine Naturkatastrophe entstanden ist.
Wenn Terroristen ihr kriminelles Handeln ausführen, würde ich auch nicht sagen, daß "etwas Schlimmes passiert", ganz wie eine Naturkatastrophe, sondern daß ganz bestimmte Personen etwas böses machen. Da ist auch der Unterschied: Eine Naturkatastrophe hat keinen Freien Willen und also auch keine Schuldfähigkeit hat. Von der Naturkatastrophe kann ich nicht erwarten, im letzten Augenblick Reue zu zeigen und ihren Schaden abzuwenden (wobei animistische Religionen durchaus so etwas erwarten und zu diesem Zweck dem jeweiligen Donnergott Opfer zur Besänftigung bringen). Terroristen hingegen haben diese Freiheit sowohl zur bösen Tat wie auch zur guten Tat bis zum letzten Augenblick. Reuige Terroristen sind sogar gar nicht so selten. Wieso soll das keine Rolle bei der Schuldfrage spielen?
Zitat von Emulgator im Beitrag #26Hier sehe ich einen Unterschied zwischen Schuld und Kausalität.
Natürlich gibt es den. Ohne Kausalität keine Schuld. Wenn ich das Licht einschalte bin ich nicht schuldig am folgenden Vulkanausbruch, weil es keine Kausalität zwischen beiden Ereignissen gibt. Ich kann daher Ihren Ausführungen nicht wirklich folgen.
Zitat Von den Konsequenzen ist tatsächlich Nichtstun genauso eine Tat, aber bei der moralischen Schuldfrage ist es etwas anders.
Eben diesen Unterschied sehe ich nicht. Man kann auch durch Nicht-Handeln Schuld auf sich laden.
Zitat Oder macht es einen Unterschied, daß der Pilot nun sein eigenes Leben einsetzen muß?
Die Schuld wird geringer, weil man moralisch nicht gezwungen ist sich selber zu opfern. Aber sie bleibt, ist ja nur ein gewisses Risiko.
Zitat Wenn Terroristen ihr kriminelles Handeln ausführen, würde ich auch nicht sagen, daß "etwas Schlimmes passiert", ganz wie eine Naturkatastrophe, sondern daß ganz bestimmte Personen etwas böses machen.
Wenn es um die Beurteilung der Terroristen geht, stimme ich ja zu. Aber für das Handeln des Piloten ist eigentlich völlig unwichtig, wie die Gefahr für das Stadion entstanden ist. Entscheidend ist nur, daß er die Gefahr bannen kann - aber dafür andere Leute opfern muß.
Zitat Eine Naturkatastrophe hat keinen Freien Willen und also auch keine Schuldfähigkeit hat.
Das ist richtig, hilft aber nichts bei der Frage, ob man den Opfern helfen sollte.
Zitat Reuige Terroristen sind sogar gar nicht so selten.
Selten genug (jedenfalls in Situationen, wo sie schon mitten bei der Attentatsdurchführung sind). Die Wahrscheinlichkeit, daß plötzliche Terroristen-Reue die Leute im Stadion rettet, ist so winzig, daß der Pilot darauf nicht bauen kann.
Zitat von R.A. im Beitrag #27Ohne Kausalität keine Schuld.
Aber heißt auch Unschuld, daß man nicht kausal gewirkt haben dürfe? Der Arbeitgeber im Beispiel hat kausal, aber nicht schuldhaft gewirkt. Wenn es also Unschuld ohne Kausalität gibt, wieso soll so ein Fall nicht auch zugunsten des Piloten greifen, der nicht schießt?
Zitat von R.A. im Beitrag #27Eben diesen Unterschied sehe ich nicht. Man kann auch durch Nicht-Handeln Schuld auf sich laden.
Ja, gibt es, es gibt aber auch Fälle, wo das Unterlassen dieselben Konsequenzen hätte wie ein böses Tun und trotzdem schuldlos ist. So wie hier.
Zitat von R.A. im Beitrag #27Die Schuld wird geringer, weil man moralisch nicht gezwungen ist sich selber zu opfern. Aber sie bleibt, ist ja nur ein gewisses Risiko.
Ich lasse mal die Frage beiseite, wie hoch die Flammabrißwahrscheinlichkeit sein muß --auch im Vergleich zur Wkeit, daß das Stadion tatsächlich getroffen wird-- sondern frage nur: Wenn man nicht gezwungen ist, sich selber zu opfern, wie kann man gezwungen sein, andere zu opfern? Warum darf der Pilot mit dem Leben anderer nicht so viel Sorgfalt üben wie mit dem eigenen Leben? Nennt man es nicht andersherum heldenhaft, sein Leben für andere zu riskieren?n
Zitat von R.A. im Beitrag #27Entscheidend ist nur, daß er die Gefahr bannen kann - aber dafür andere Leute opfern muß.
Etwas Fremdes der Vernichtung preiszugeben ist kein Opfer sondern kriminell. Selbst wenn es nur seine Sklaven wären, darf er nicht so über das Leben von Menschen verfügen. Das ist eben der Sinn des Eigentumsrechts (hier in seiner höchsten Ausprägung im Recht auf eigenes Leben). Wenn er schießt, disponiert er über die Menschen im Flugzeug. Wenn er nicht schießt, disponiert er aber nicht über die Menschen im Stadion, sondern die Terroristen, die anschließend auch die volle Schuld daran haben.
Zitat von R.A. im Beitrag #27Das ist richtig, hilft aber nichts bei der Frage, ob man den Opfern helfen sollte.
Soweit ich verstanden habe (habe die Fernsehsendung nicht gesehen, weil es m.E. nur ein Aufguß irgendwelcher Anlaßdiskussionen von profilierungsbedürftigen CDU-Politikern von vor ein paar Jahren ist. Realistisch ist die Frage sowieso nicht, aber weil interessante eigenständige Denkfiguren dabei offenbar werden, lasse ich das mal beiseite.) sind die Menschen in dem Stadion noch gar nicht Opfer.
Zitat von R.A. im Beitrag #27Die Wahrscheinlichkeit, daß plötzliche Terroristen-Reue die Leute im Stadion rettet, ist so winzig, daß der Pilot darauf nicht bauen kann.
Muß er auch nicht. Die Frage ist ja, ob er die Menschen im Flugzeug totschießen soll und nicht, ob er die im Stadion lebendschießen kann.
Um einmal auf die Philosophie und die Kernfrage aus R. A.s Beitrag zurückzukommen:
Zitat Es [ging] um die Frage, ob man den Tod einer kleinen Anzahl von Menschen in Kauf nehmen darf, um eine viel größere Anzahl von Menschen zu retten.
Dazu gibt es viel klarere Gedankenexperimente als "Terror". Und je nach Gedankenexperiment fallen die Antworten unterschiedlich aus: Eines lautet (Unrechtsurteil zur Besänftigung des Mobs):
Zitat Sie sind Richter in einem Rechtssystem, in dem Richter über die Frage „schuldig“ oder „nicht-schuldig“ urteilen. Sie haben einen Angeklagten vor sich, dem ein Verbrechen zur Last gelegt wird, das erhebliche Empörung in der Öffentlichkeit ausgelöst hat. Im Verlauf des Prozesses wird Ihnen klar, dass der Angeklagte unschuldig ist. Die überwältigende Mehrheit der Öffentlichkeit hält ihn jedoch für schuldig. Folglich glauben Sie, dass es bei einem Freispruch zu Unruhen käme, in deren Verlauf mehrere Menschen (unschuldig) ums Leben kommen und viele verletzt werden. Nehmen wir an, dass auf das Verbrechen zwingend die Todesstrafe steht. Sollen Sie den Angeklagten verurteilen?
Michael Huemer schreibt dazu:
Zitat Die meisten Leute – einschließlich praktisch aller, die an Rechte glauben – sagen, dass die Antwort nein lautet. Wenn dies die richtige Antwort ist, dann müssen wir folgern, dass es falsch ist, die Rechte (insbesondere das Recht auf Leben) eines Menschen zu verletzen, selbst wenn man dadurch mehrere ähnlich schwere Rechtsverletzungen verhindern könnte. Dies liegt daran, dass Rechte als akteursbezogene Beschränkungen wirken: Selbst keine Rechte zu verletzen, ist jedem Menschen auferlegt, nicht aber herbeizuführen, dass die Gesamtzahl aller Rechtsverletzungen in der Welt sinkt. So etwas wie Prämisse (1) ["Es ist falsch, jemanden zu ermorden, selbst um dadurch mehrere andere Tötungen zu verhindern."] ist ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal einer rechtebasierten Moraltheorie gegenüber einer konsequentialistischen Theorie.
Beim Weichenstellerproblem sind dagegen die meisten dafür, dass man die Weiche umstellen darf, so dass der Straßenbahnwagon statt fünf Personen nur eine tötet. Huemer findet als Unterscheidungsmerkmal, dass im ersten Fall eine neue Gefahr geschaffen wird und im zweiten Fall bloß eine bestehende Gefahr umgeleitet wird.
Michael Huemer ist Vertreter ethischer Intuition, d. h. er geht nicht von einer umfassenden Theorie aus, wie z. B. dem Utilitarismus, sondern sagt, dass wir über konkrete Fälle viel sicherere Urteile fällen können und uns von dort aus zum Abstrakten hocharbeiten müssen.
Huemer ist der Ansicht, dass man Rechte verletzen darf, um extrem negative Konsequenzen zu verhindern, ohne sich auf einen genauen Kipppunkt festzulegen (1:5 ist jedenfalls zu niedrig, 1:1000 diskutabel).
Sie schreiben: "Von den Konsequenzen ist tatsächlich Nichtstun genauso eine Tat, aber bei der moralischen Schuldfrage ist es etwas anders."
Das empfinde ich geradezu als bizarr. Neben einem Schwimmbecken zu stehen und einem Kind beim Ertrinken zuzusehen und sich dann zufrieden über den Bart zu streichen und zu sagen, man habe keine (Mit)Schuld am Tod des Kindes, weil man es ja nicht reingestossen habe, wird Ihnen vermutlich nicht viel Sympathie einbringen.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Schöner Beitrag (und schöne Diskussion hier). Ich möchte auch ein bischen Senf beigeben:
1. Die ganze Debatte dreht sich ja im Wesentlichen um die Annahme, dass der Pilot die Maschine abgeschossen hat und sich nun die Frage stellt ob er jetzt ein Mörder (oder Totschläger) ist oder nicht, respektive ob er zu bestrafen ist. Was ist eigentlich mit dem umgekehrten Fall, dass der Soldat die Maschine hätte fliegen lassen und nun wären ein paar Tausend (oder noch mehr) Menschen tot? Ist er dann nicht schuldig? Unser Strafgesetzbuch kennt durchaus auch den Mord, bzw. Totschlag durch Unterlassung. Und ich würde in dem Kontext auch die Frage stellen: Wie kann jemand mit entsprechend teurer Ausbildung und sauteurem Gerät, es zulassen, dass die Maschine da einschlägt? Die Herren Baum und Co ("Putin-Pazifisten") machen es sich ja gerne sehr einfach, die Unterlassung zur grundsätzlich richtigen Strategie zu erheben. Aber das Gesetz sieht das eben nicht so und kennt durchaus auch das Unterlassen von Handlungen als Ursache für Bestrafung (siehe eben Totschlag durch Unterlassung, aber auch das Nichtanzeigen von Straftaten oder die unterlassene Hilfeleistung).
2. Ich glaube was nicht direkt immer so klar ist, dass es sich zwar durchaus um einen "übergesetzlichen" Notstand handeln mag, deswegen aber nicht zwangsnotwendig zu einem unlösbaren. Die Unlösbarkeit tritt eigentlich vor allem dadurch zustande, dass wir in der deutsche Rechtstradition dem unbedingten Glauben anhängen, alles mit Gesetzen regeln zu können. Das ist aber bei Dillemata, wie diesen eben eines ist, gar nicht möglich, wenn das Handeln ebenso Schuld mit sich bringt wie das Nichthandeln. Das ist meines Erachtens ein ganz gewaltiger Vorteil des Präzedenzrechtes, wie es beispielsweise die Amerikaner anweden. Die Amerikaner können den Piloten in einer vergleichsweise willkürlichen Entscheidung sowohl frei wie auch schuldig sprechen. Und der Staat muss dafür kein Gesetz machen. Das Urteil des Verfassungsgerichtes war vor allem der Logik geschuldet, dass ein universelles Gesetz zum Töten von Menschen nicht existieren kann, ohne im direkten Widerspruch zur Verfassung zu stehen. Der umgekehrte Fall steht aber genauso wenig drin. Weil es eben genauso wenig möglich ist. Das ist aber eine Grenze, die sich aus dem Rechtssystem ergibt, sie muss deswegen nicht zu einer ethisch unlösbaren Situation führen.
3. Aus den vorgehenden Überlegungen würde ich folgern, dass es keiner universelle Antwort geben kann, auch keine, die beantwortet wo der "Kipp-Punkt" denn genau liegt. Man kommt am Ende immer beim Einzelfall an. Und das ist auch gar nicht schlimm, denn GENAU DESHALB, ist es gut, dass wir noch Schöffengerichte kennen. Genau deshalb ist es gut, dass Recht immer noch von Menschen gesprochen wird und nicht von Computern.
4. (dann bin ich auch fertig): Wir müssen gar nicht so weit gehen irgendwelche theoretischen Fußballstadien gegen Flieger abzuwägen. Eine sehr ähnliche Entscheidung ist vor einigen Jahren getroffen worden. Und das Opfer hiess Hanns-Martin Schleyer. Damals hat die Bundesregierung nicht nur die Erstürmung der Landshut befohlen, sondern auch die Übergabe des geforderten Lösegeldes aktiv verhindert. Die Folgen sind bekannt. Schmidt wurde nie angeklagt. Meines Wissens hat die Familie von Schleyer auch nie irgendetwas ähnliches gefordert. Ich frage mich ob Herr Baum auch den Überlebenden von Mongadischu ins Gesicht sagen möchte, dass man besser mal nix gemacht hätte.
Zitat von Llarian im Beitrag #31 Eine sehr ähnliche Entscheidung ist vor einigen Jahren getroffen worden.
Es gibt, um mal auf historisch gegebene Fälle zu rekurrieren, drei Fälle, in denen genau diese Entscheidung getroffen worden ist & zu Konsequenzen geführt hat: im ersten Fall rein moralisch vom Hohen Roß herab, in den beiden anderen vorm Militärgericht. Fall B & C sind vielleicht nicht vom jedem als satisfaktionsfähig gesehen, weil es sich um das Militärrecht der Sowjetunion handelt. Dennoch galt da ein Recht, & es ist zur Anwendung gekommen: und zwar im Anwendungsfall des hier hypostasierten Abschuß einer Privatmaschine. In beiden Fällen hat es zur Verurteilung des Letztverantwortlichen, nämlich des ranghöchsten erreichbaren Offiziers geführt - und zwar infolge konträrer Entscheidungen. Fall B war im Oktober 1983 der Abschuß von Korean Airlines 008 über dem militärischen Sperrgebiet von Sachalin; die These des befehlshabenden Obersten, er sei mit seiner Entscheidung allein gelassen worden (weil zur Zeit um 3 Uhr morgens in Moskau kein ranghöherer Vorgesetzter erreichbar gewesen sei) & er davon habe ausgehen müssen, mehr als 90 Minuten stures Kurshalten über auf allen Karten als off limits ausgewiesene Sperrzone trotz beständigen Anfunkens habe ihm keinen Spielraum gelassen, hat das Militärgericht nicht gelten lassen. Fall C war 1987 Matthias Rust, den 2 Abfangjäger auf seinem Weg nach Moskau mehr als 2 Stunden im Visier hatten. Kein Abschuß. Die Begründung, aus den verfügbaren Informationen habe nicht ausgeschlossen werden können, daß es sich um eine russische Maschine handelte, die Pestizide ausbrachte, hat ebenfalls nicht verfangen. M.R. würde wohl heute im vergleichbaren Fall selbst über Berlin vom Himmel geholt. So rein theoretisch. Praktisch ist das eh' ein Glasperlenspiel, weil ich rundheraus bezweifle, daß die technisch überhaupt zu einem Abschuß in der Lage wären: Uschis Besenstilcombo mit einsatzfähigen Luft-Luft-Raketen? & b) ein deutscher Soldat von heute nicht im Traum auch nur auf die Idee käme, hier Ernst zu machen, selbst wenn die glaubhaft machen, sie hätten einen Nuklearsprengsatz an Bord. Überhaupt: mit welchen Flugzeugen? "Nominell" haben die noch 20 einsatzfähige Maschinen vor Ort. Im ganzen Land. Rechne in praxi die Hälfte weg. Diese Truppe ist seit Jahrzehnten eisern darauf konditioniert worden, in solch einem konkret auftretenden Fall zu versagen, sowohl mental als auch materiell. Oberst Klein schickt Grüße aus Kundus: da haben 2 amerikanische Jets gefeuert. Älteren Semestern ist das Bohei noch in Erinnerung. In dieser Truppe werden Kampfpanzer mit "hochschwangerengerechter Bestuhlung" ausgerüstet: die sind nicht etwa zur Evakuierung von bedrohten Zivilisten vorgesehen oder geeignet, sondern hier gibt es im Fall des Ernsteinsatzes das absolut reale Risiko, ohne Vorwarnung durch einen Thermitsprengkopf bei 2500° zu Asche zu werden. Wer allen Ernstes einplant, in solchen Positionen Frauen im 8. Monat einzusetzen, der gehört (jedenfalls in einer Gesellschaft mit einem Funken Anstand) selbst, unbesehen, vor ein Militärgericht.
Fall A ist im August 1945 aufgetreten, als mehrere 10.000 (erwartete) Tote in Hiroshima & Nagasaki gegen Millionen von kalkulierten Opfern für die nächsten zwei Jahre für den Fall den Durchführung der Operation Downfall (= der allierten Invasion des ostasiatischen Festlands & Japans) abgewogen worden sind. PS. "eisern darauf konditioniert" - Als wenn ich's geahnt hätte.
Zitat von Finanznachrichten.de 21.10., 18:01 UhrEin Team im eigens eingerichteten Stab "Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion" soll Karrierehürden abbauen, die auf der sexuellen Identität von Soldaten fußen, berichtet der "Spiegel" in seiner am Samstag erscheinenden Ausgabe. Zudem tüftelt die zehnköpfige Arbeitsgruppe an einer Kampagne, um einen Imagewechsel zu erreichen und die Truppe nach außen stärker als modernen und offenen Arbeitgeber darzustellen. Die Idee für die Initiative stammt von Staatssekretärin Katrin Suder, die von der Unternehmensberatung McKinsey ins Ministerium kam. Von der Leyen hat intern kürzlich vorgegeben, Vielfalt müsse in der Truppe "nicht nur toleriert, sondern erwünscht" sein; das gelte auch für Menschen mit Behinderung oder einem anderen kulturellen oder ethnischen Hintergrund.
Behinderung. Erwünscht. Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Leute: euer Laden ist nicht als Kindergarten in Sachen der Modetorheit "Inklusion" hingestellt, sondern mit dem Auftrag, im Fall des Falles dieses Land und seine Menschen zu verteidigen. Mit Schießgewehr in echt. Mit Knallbumm & Umfall. Und Nichtwiederaufsteh'. Sucht euch lieber die Ministerien aus. Analphabetismus, Null Ahnung vom RL & ein IQ <70 sollten für die Besetzung von Ministerposten zwingend vorgeschrieben werden. Da merkt man wenigstens keinen Unterschied mehr.
Zitat von FAZ, 06.02.2015Den dafür erforderlichen Grenzwert für die Schussgasbelastung im Fahrgastraum des Puma hatten die peniblen Prüfer der Beschaffungsbehörde in Koblenz jedenfalls entsprechend verschärft. Eine drohende „Fruchtwasserschädigung bei der weiblichen Puma-Besatzung“ ist seitdem zwar strikt ausgeschlossen. ... Richtig teuer aber wurde es, als Tester der Bundeswehr monierten, dass die Schwarzweißmonitore im Innenraum des Puma zu ungenaue Bildwiedergaben für die Panzerbesatzung lieferten. Die daraus resultierende Umrüstung auf Farbbildschirme, die die Militärs prompt in Auftrag gaben, zog wiederum beträchtliche Mehrkosten nach sich. Noch 2013 kursierte für das Prestigeprojekt der Bundeswehr eine Mängelliste mit rund 1000 Positionen, die etliche Schwachstellen bei Elektronik und Stabilität markierte.
Bereits zu Projektbeginn galt der Puma mit einem Stückpreis von 7 Millionen Euro als der teuerste Schützenpanzer im Westen. Gegenwärtig dürfte der Systempreis, der Kosten für Bewaffnung und Zusatzausrüstung einschließt, rund 10 Millionen Euro erreichen.
Zitat fedchan "Die Rechtsordnung des Grundgesetzes kann nicht billigen, dass 1. geschieht. Das ist meiner Wahrnehmung nach auch offensichtlich: In meinem Kollegenkreis war vor dem Urteil völlig klar, dass das BVerfG so entscheiden würde." Frank2000 Mir ist weiterhin unklar, wieso. Können Sie dieses Postulat wenigsten ansatzweise begründen?
Die Sicherheit der Prognose basierte darauf, dass zu jener Zeit unter Juristen der Fall „Jakob von Metzler“ intensiv diskutiert wurde. Wir erinnern uns: Die Polizei bedroht einen Entführer mit Folter, um das Leben eines entführten Kindes zu retten. Aufgrund dieses Falles war in jenen Tagen im allgemeinen juristischen Präsenzbewusstsein, dass die Rechtsordnung des Grundgesetzes Menschen über die Klinge springen lässt, um den absoluten Schutz der Menschenwürde in der Ausprägung des Folterverbots sicherzustellen.
Die dogmatische Begründung dafür, dass die Rechtsordnung des Grundgesetzes die Tötung Unschuldiger nicht gestatten kann, ist gar nicht so einfach. Ich probiere es mal: Klar ist, dass dies aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde abgeleitet wird, wobei anscheinend das BVerfG im Zusammenhang mit dem Luftsicherheitsgesetz die sog. „Objektformel“ benutzt: Der Mensch darf nie Objekt staatlichen Handelns sein, sondern muss immer Subjekt bleiben, also staatliches Handeln beeinflussen können. Der Geiselnehmer könnte aufgeben und damit den finalen Rettungsschuss verhindern; insofern wird durch den finalen Rettungsschuss nicht der Subjektscharakter des Geiselnehmers verletzt. Die Menschen in der Maschine haben jedoch keinen Einfluss auf das staatliche Handeln: Sie erleiden den Abschuss völlig passiv.
Näher erläutern ließe sich die Objektformel in Abgrenzung zum Totalitarismus: Totale Herrschaft strebt danach, namentlich durch Terror die komplette Persönlichkeit zu „löschen“, um einen neuen Menschen zu schaffen. Damit respektiert der totalitäre Herrscher nicht das Bestehen einer Persönlichkeit, die er in seinem Kernbereich nicht antasten darf. Vielmehr benutzt er den alten Menschen lediglich als Rohstoff für den neuen und verdinglicht ihn damit. Ich darf meinen Mitmenschen aber nicht als Rohstoff betrachten; er muss Person bleiben, die einen unantastbaren Kernbereich hat. Und zu dem Gegenübertreten von Mensch und Mensch gehört es, dass ich einen Kern an Autonomie respektiere.
Insofern negiere ich in letzter Konsequenz den Personencharakter der Passagiere, sondern betrachte sie als Teil des Flugzeugs, wenn ich die Maschine abschieße. Aber wenn ich nicht zwischen Passagier (Mensch) und Flugzeug (Sache) unterscheide, verletze ich das Gebot, die Menschenwürde zu beachten.
Zitat von fedchan im Beitrag #33Näher erläutern ließe sich die Objektformel in Abgrenzung zum Totalitarismus: Totale Herrschaft strebt danach, namentlich durch Terror die komplette Persönlichkeit zu löschen, um einen neuen Menschen zu schaffen. Damit respektiert der totalitäre Herrscher nicht das Bestehen einer Persönlichkeit, die er in seinem Kernbereich nicht antasten darf. Vielmehr benutzt er den alten Menschen lediglich als Rohstoff für den neuen und verdinglicht ihn damit. Ich darf meinen Mitmenschen aber nicht als Rohstoff betrachten; er muss Person bleiben, die einen unantastbaren Kernbereich hat. Und zu dem Gegenübertreten von Mensch und Mensch gehört es, dass ich einen Kern an Autonomie respektiere.
Wenn man diese Überlegung etwas weiterspinnt, wäre dem Staat aber noch weit mehr untersagt: Nicht nur die "Löschung" einer Persönlichkeit, sondern auch jede Form der manipulierenden Beeinflussung derselben. Wer z.B. einen Verbrecher resozialisieren möchte, behandelt ihn ja nicht mehr als autonome Person, die sich für das Verbrechen entschieden hat, sondern als Rohstoff, der nun zum einem nützlichen Glied der Gesellschaft umgeformt werden soll.
Und dann könnte man auch einmal über staatliche Schulen nachdenken, denen die Aufgabe zukommt, "Werte" zu vermitteln, über Zwangsversicherungen, "Nudges" jeder Art, Ekelbildchen auf Zigarettenschachteln usw. usf.
Zitat Wenn man diese Überlegung etwas weiterspinnt, wäre dem Staat aber noch weit mehr untersagt: Nicht nur die "Löschung" einer Persönlichkeit, sondern auch jede Form der manipulierenden Beeinflussung derselben. Wer z.B. einen Verbrecher resozialisieren möchte, behandelt ihn ja nicht mehr als autonome Person, die sich für das Verbrechen entschieden hat, sondern als Rohstoff, der nun zum einem nützlichen Glied der Gesellschaft umgeformt werden soll.
Das würde ich nicht sagen und zwar aufgrund einer Zusammenschau von Ziel und Methode.
Methode des Totalitarismus ist der Terror: Der Mensch in der nichttotalitären Gesellschaft weiß, was ihm widerfährt, wenn er Straftaten begeht, und soll dadurch motiviert werden, sich an das Recht zu halten. Entscheidet er sich dafür, Straftaten zu begehen, kann er das tun, muss dann aber mit den Konsequenzen leben. Der rechtstreue Bürger bleibt von Strafen verschont. Anders im Terror: Er ist gerade durch seine Unberechenbarkeit gekennzeichnet. Ich weiß nicht, was ich tun oder unterlassen muss, damit mich das NKWD nicht holt. Der Persönlichkeitskern besteht u. a. aus dem Urvertrauen und wird stabilisiert durch einen Katalog ungefähren Wissens, was ich eben tun oder unterlassen muss, damit man mir nichts tut. Gerade hier setzt der Terror an.
Daher ist etwa ein autoritäres Regime nicht zwingend totalitär: Im autoritären Regime ist viel verboten, was in einer liberalen Gesellschaft erlaubt ist, aber im Prinzip kann ich meine Ruhe vor dem Staat haben, wenn ich mich denn der Herrschaft unterwerfe und tue, was sie sagt. Den autoritären Herrscher juckt es im Prinzip nicht, was ich privat über ihn denke, und er ist zufrieden, wenn ich öffentlich mitspiele. Der totalitäre Herrscher akzeptiert diesen Deal nicht: Er will mein Denken verändern, mein Sein. Ich muss den Großen Bruder ehrlich und aufrichtig von ganzem Herzen lieben.
Das Ziel des Totalitarismus ist damit, den innersten Vorbehalt aufzuheben. Es gibt keine private Meinung mehr. Man darf sich nicht seinen Teil denken.
Insofern: Der Täter, der resozialisiert werden soll, wird nicht mit Terror überzogen. Schon deshalb wird durch Resozialisierungsbemühungen seine Menschenwürde nicht verletzt. Daneben geht es auch nicht darum, seinen letzten innen Vorbehalt zu zerstören, letztlich also die Person zu brechen. Vielleicht geht es darum, die innersten Auffassungen durch Argumentation/Manipulation zu verändern; das verstößt aber m. E. erstmal nicht gegen die Menschenwürde.
Zitat Und dann könnte man auch einmal über staatliche Schulen nachdenken, denen die Aufgabe zukommt, "Werte" zu vermitteln, über Zwangsversicherungen, "Nudges" jeder Art, Ekelbildchen auf Zigarettenschachteln usw. usf.
Volkspädagogik ist in einer liberalen Gesellschaft immer problematisch und ich halte es auch für vertretbar, ein staatliches Zwangsschulsystem als mit einem freiheitlichen Regierungssystem nicht in Einklang zu bringen. Solange kein Terror praktiziert, sondern nur Übel beim Nichtmitspielen in Aussicht gestellt werden, bin ich aber vorsichtig, die Menschenwürde als verletzt anzusehen.
Zitat von fedchan im Beitrag #35 Methode des Totalitarismus ist der Terror: Der Mensch in der nichttotalitären Gesellschaft weiß, was ihm widerfährt, wenn er Straftaten begeht, und soll dadurch motiviert werden, sich an das Recht zu halten. Entscheidet er sich dafür, Straftaten zu begehen, kann er das tun, muss dann aber mit den Konsequenzen leben. Der rechtstreue Bürger bleibt von Strafen verschont. Anders im Terror: Er ist gerade durch seine Unberechenbarkeit gekennzeichnet.
Das scheint mir ein etwas zu enges Verständnis der Methoden totalitärer Herrschaft zu sein. Ein Staat, der sämtliche Lebenbereiche zu kontrollieren versucht, ist für mich ein totalitärer Staat - und zwar auch dann, wenn in ihm relative (Un-)Rechtssicherheit herrscht.
Zitat von fedchan im Beitrag #35 Volkspädagogik ist in einer liberalen Gesellschaft immer problematisch und ich halte es auch für vertretbar, ein staatliches Zwangsschulsystem als mit einem freiheitlichen Regierungssystem nicht in Einklang zu bringen. Solange kein Terror praktiziert, sondern nur Übel beim Nichtmitspielen in Aussicht gestellt werden, bin ich aber vorsichtig, die Menschenwürde als verletzt anzusehen.
Die Würde, die einem Menschen zukommt, verdankt sich doch (zumindest wenn ich hier mal Kant folge, der - soweit ich weiß - ja auch bei der Entstehung des GG eine gewisse Rolle gespielt hat) seinem Status als autonomes Vernunftwesen. Diese Würde wird natürlich dann angetastet, wenn ich eine Person als bloßes Instrument, d.h. als Ding behandele, aber auch schon dann, wenn ich erwachsene Menschen ungefähr so behandele, wie es unmündigen Kleinkindern oder zu dressierenden Tieren gegenüber angebracht wäre.
Zitat fedchan Methode des Totalitarismus ist der Terror: Der Mensch in der nichttotalitären Gesellschaft weiß, was ihm widerfährt, wenn er Straftaten begeht, und soll dadurch motiviert werden, sich an das Recht zu halten. Entscheidet er sich dafür, Straftaten zu begehen, kann er das tun, muss dann aber mit den Konsequenzen leben. Der rechtstreue Bürger bleibt von Strafen verschont. Anders im Terror: Er ist gerade durch seine Unberechenbarkeit gekennzeichnet.
DrNick Das scheint mir ein etwas zu enges Verständnis der Methoden totalitärer Herrschaft zu sein. Ein Staat, der sämtliche Lebenbereiche zu kontrollieren versucht, ist für mich ein totalitärer Staat - und zwar auch dann, wenn in ihm relative (Un-)Rechtssicherheit herrscht.
Die spezifische Herrschaftsmethode des Totalitarismus als theoretisches Herrschaftsmodell ist der Terror, so wie ich ihn zu skizzieren mich bemühte, wobei ich dabei aus dem Gedächtnis zu umschreiben versuchte, was Hannah Arendt dazu in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft schreibt. Soweit ich mich erinnere, sagt sie aber auch, dass es einen vollentwickelten Totalitarismus in der Praxis nicht gegeben hat; die Sowjetunion der 30er Jahre sei dem am nächsten gekommen. Trotzdem würde ich nicht zögern, die Sowjetunion und das Dritte Reich als totalitäre Regimes zu bezeichnen.
Insofern würde ich zustimmen, dass ein Staat, „der sämtliche Leben[s]bereiche zu kontrollieren versucht“, sehr vorsichtig gesagt totalitäre Züge zeigt. Ob er auch die Herrschaftsmethoden des theoretischen Totalitarismus (vollumfänglich) anwendet, ist daneben aber eine andere Frage.
Zitat
Zitat fedchan Volkspädagogik ist in einer liberalen Gesellschaft immer problematisch und ich halte es auch für vertretbar, ein staatliches Zwangsschulsystem als mit einem freiheitlichen Regierungssystem nicht in Einklang zu bringen. Solange kein Terror praktiziert, sondern nur Übel beim Nichtmitspielen in Aussicht gestellt werden, bin ich aber vorsichtig, die Menschenwürde als verletzt anzusehen.
DrNick Die Würde, die einem Menschen zukommt, verdankt sich doch (zumindest wenn ich hier mal Kant folge, der - soweit ich weiß - ja auch bei der Entstehung des GG eine gewisse Rolle gespielt hat) seinem Status als autonomes Vernunftwesen. Diese Würde wird natürlich dann angetastet, wenn ich eine Person als bloßes Instrument, d.h. als Ding behandele, aber auch schon dann, wenn ich erwachsene Menschen ungefähr so behandele, wie es unmündigen Kleinkindern oder zu dressierenden Tieren gegenüber angebracht wäre.
Politisch würde ich auch so argumentieren. Der Grundgesetzgeber meint aber mit der unantastbaren Menschenwürde etwas anderes und zwar namentlich in Reaktion auf den real existierenden Totalitarismus, den man noch frisch in Erinnerung hatte. Sehr hart gesagt: Man schrieb nicht deshalb die Unantastbarkeit der Menschenwürde ins Grundgesetz, weil die Nazis in volkspädagogischer Absicht Diskriminierungsverbote oktroyiert oder einen Veggie-Day eingeführt hätten.
Zitat von fedchan im Beitrag #37Der Grundgesetzgeber meint aber mit der unantastbaren Menschenwürde etwas anderes und zwar namentlich in Reaktion auf den real existierenden Totalitarismus, den man noch frisch in Erinnerung hatte.
Das ist sicher richtig, ich habe mir allerdings gerade einmal ein paar Entscheidungen des BVerfG angeschaut, und was dort zum Thema "Würde" steht, ist nichts anderes als popularisierter Kant, inklusive Verweis auf die Selbstzweckformel:
Zitat Achtung und Schutz der Menschenwürde gehören zu den Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes. Die freie menschliche Persönlichkeit und ihre Würde stellen den höchsten Rechtswert innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung dar [...]. Der Staatsgewalt ist in allen ihren Erscheinungsformen die Verpflichtung auferlegt, die Würde des Menschen zu achten und sie zu schützen. Dem liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich zu entfalten. [...] Der Satz, "der Mensch muß immer Zweck an sich selbst bleiben", gilt uneingeschränkt für alle Rechtsgebiete; denn die unverlierbare Würde des Menschen als Person besteht gerade darin, daß er als selbstverantwortliche Persönlichkeit anerkannt bleibt.
Wenn ich das nicht als bloße Verfassungs-Lyrik betrachte, sondern seinem Gehalt nach ernstnehme, dann verstößt ein "Nanny-Staat" klarerweise gegen das Menschbild des Grundgesetzes.
Zitat DrNick Das scheint mir ein etwas zu enges Verständnis der Methoden totalitärer Herrschaft zu sein. Ein Staat, der sämtliche Lebenbereiche zu kontrollieren versucht, ist für mich ein totalitärer Staat - und zwar auch dann, wenn in ihm relative (Un-)Rechtssicherheit herrscht. ________________________________________ Zitat fedchan … wobei ich dabei aus dem Gedächtnis zu umschreiben versuchte, was Hannah Arendt dazu in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft schreibt … Trotzdem würde ich nicht zögern, die Sowjetunion und das Dritte Reich als totalitäre Regimes zu bezeichnen.
Insofern würde ich zustimmen, dass ein Staat, „der sämtliche Leben[s]bereiche zu kontrollieren versucht“, sehr vorsichtig gesagt totalitäre Züge zeigt. Ob er auch die Herrschaftsmethoden des theoretischen Totalitarismus (vollumfänglich) anwendet, ist daneben aber eine andere Frage. ________________________________________ Zitat DrNick Die Würde, die einem Menschen zukommt, verdankt sich doch (zumindest wenn ich hier mal Kant folge, der - soweit ich weiß - ja auch bei der Entstehung des GG eine gewisse Rolle gespielt hat) seinem Status als autonomes Vernunftwesen. Diese Würde wird natürlich dann angetastet, wenn ich eine Person als bloßes Instrument, d.h. als Ding behandele, aber auch schon dann, wenn ich erwachsene Menschen ungefähr so behandele, wie es unmündigen Kleinkindern oder zu dressierenden Tieren gegenüber angebracht wäre. ________________________________________
Lieber fedchan und lieber DrNick, ihre beiden Aussagen führen ja zum gleichen Fazit. Nur die Herangehensweise differiert. Sehr interessante Diskussion übrigens und ich freue mich, wieder einmal von euch zu lesen.
Der in jüngster Vergangenheit als Definition eines „totalitären Staates“ (laut H.A.: … die Sowjetunion und das Dritte Reich als totalitäre Regimes zu bezeichnen.) werden wir in absehbarer Zeit eine dritte Variante zufügen müssen, nämlich das Gutmenschen-wirwissenwasbesserfüreuchist-Moral-Regime, welches durchaus totalitäre Züge aufweist und sich oft (oder immer öfter) schwerlich am Gesetz entlang orientiert sondern an einer selbstdefinierten Moral, die für alle den Geltungsbereich darstellen soll.
Man könnte jetzt noch Herrn Juncker zitieren mit: „… und wenn es keinen Aufschrei gibt, machen wir weiter wie bisher, bis es kein zurück mehr gibt“. Diese Aussage ist ja nicht nur bezeichnend für die „krumme Bananengesetzgebung“ innerhalb der EU sondern für ein totalitäres Bestreben, bis in den letzten verbleibenden Rest von Privatsphäre hineinzuregieren. Denn wenn „ein Aufschrei“ erfolgt, wird dieser (nicht zuletzt durch derzeitige Volksvertreter) im Sinne der „neuen Moral“ bekämpft, entkräftet durch weitere selbstgeschaffene Moraldefinitionen bis hin zu Repressalien (beruflich und privat) gegen den Souverän welches sogar in öffentliche Beleidigung (Pack) ausgeartet ist.
Hierbei ist es unerheblich, welches der beiden oben genannten totalitären Regimes wie viel Tote und menschenverachtende Verbrechen zu verantworten hat . Da gibt es in der Beurteilung überhaupt keine Diskussion. Ausschlaggebend innerhalb dieser Diskussion ist zunächst aber der Begriff von „totalitären Regimes“ gewesen und deren Methoden die Bevölkerung zu lenken. Diese Gradwanderung zwischen „Gut und Böse“ sollte jedoch niemals Sache selbsternannter Moralisten sondern auf dem bisherigen bewährten GG oder einer Verfassung basieren.
In der Nachkriegszeit des WKII war das größte Gespenst als Bedrohung für die Bevölkerung zum ersten die „Nazis“ und zum zweiten der „Kommunismus“ und beide Bedrohungen hatten und haben ihre absolute Berechtigung sowie das Volk eine Berechtigung hat in keine dieser beiden totalitären Regimes gepresst zu werden. Dagegen hat man sich lange erfolgreich wehren können.
Wenn aber „Staatsräson“ sich aus beiden Regimes der Methoden von Hirnwäsche und Druck bedient um eine neue selbst geschaffene Moral, die nicht mal in Gesetze gegossen werden braucht, weil Moral als über-gesetzlich, unantastbar gilt und ja auch so definiert wird und als alleingültige Ersatzreligion der Bevölkerung gelten soll, dann gehen wir wieder den Blendern und Überzeugungsfanatikern auf den Leim, die innerhalb ihrer Moral sich unantastbar fühlen und agieren.
Und noch ein letzter Satz (dann hör ich auch schon wieder auf). Der globale Anspruch dieser Moral „und alle Menschen werden Brüder“ ist nur insofern tauglich, in dem ein Mensch den anderen Menschen erkennt genauso wie es in der Bibel über Jesus Christus nach zu lesen ist. Es hat an seiner Gültigkeit nichts verloren und ist für mich immer noch allgemeingültig.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Klumpfuß im Beitrag #29Um einmal auf die Philosophie und die Kernfrage aus R. A.s Beitrag zurückzukommen:
Zitat Es [ging] um die Frage, ob man den Tod einer kleinen Anzahl von Menschen in Kauf nehmen darf, um eine viel größere Anzahl von Menschen zu retten.
Dazu gibt es viel klarere Gedankenexperimente als "Terror". Und je nach Gedankenexperiment fallen die Antworten unterschiedlich aus: Eines lautet (Unrechtsurteil zur Besänftigung des Mobs):
Vielen Dank für das Beispiel, das sehr schön ein wenig von möglicherweise das Urteil verzerrenden Einzelheiten ablenkt. Mich erinnert es übrigens ein bißchen an das Verfahren Hoher Rat ./. Jesus Christus vor Pontius Pilatus.
Was die Methode der Entscheidungsfindung angeht, sehe ich die Sache aber trotzdem etwas anders als Huemer. Sie zitieren:
Zitat Die meisten Leute – einschließlich praktisch aller, die an Rechte glauben – sagen, dass die Antwort nein lautet. Wenn dies die richtige Antwort ist, dann müssen wir folgern, dass es falsch ist, die Rechte (insbesondere das Recht auf Leben) eines Menschen zu verletzen, selbst wenn man dadurch mehrere ähnlich schwere Rechtsverletzungen verhindern könnte.
Hier wird also aus dem akzeptierten Einzelurteil durch Abstraktion von den Einzelheiten eine (möglicherweise passende) allgemeine Norm konstruiert und diese dann auf andere Fragestellungen angewendet. Das ist eine induktive Herangehensweise, weil von einem Einzelfall auf das Allgemeine geschlossen wird. Gegensätzlich dazu ist die deduktive Argumentation, die nur von allgemeinen Aussagen aufs spezielle schließt. Deduktiv ist die kontinentaleuropäisch-scholastische Tradition. Von den induktiven Herangehensweisen gibt es noch die, die auf die Konstruktion einer allgemeinen Norm verzichtet, und vom einen Einzelurteil nur über die eine feststehende allgemeine Norm der horizontalen Gerechtigkeit (essentiell gleiches muß gleich behandelt werden) zum anderen Einzelfall schließt. Hier spricht man von den Präzedenzfällen wie in der angelsächsischen Tradition.
Während Deduktion und gerechte Induktion ihre Tradition (so haben Forschungen an Protokollen des UN-Sicherheitsrates ergeben, daß Amerikaner eher induktiv, Russen eher deduktiv argumentieren) und Sinnhaftigkeit haben, ist die induktive Konstruktion von allgemeinen Normen ein erhebliches Problem. Scheinbar will man beide Argumentationsmuster miteinander vereinbaren, aber im Endeffekt denkt man doch immer an einen Einzelfall, den man "gefühlsmäßig" irgendwie entscheiden will. Da das Wort "Putin-Pazifist" gefallen ist: Bei Putin konnte man diese hybride Argumentation im Kontext der Ukraine deutlich erkennen: "Die Amerikaner haben XY mit Kosovo und weißnichtwem gemacht, also haben wir eine allgemeine Norm, und die wenden wir jetzt auf die Ukraine an." Als akzeptabele Argumentation taugt so etwas nicht, weil man sich am gewünschten Ergebnis orientiert, welche Unterschiede man weglassen will. So auch im Beispiel mit dem Stadion und dem Flugzeug. Natürlich sind 100.000 Tote ein größeres Unglück als 101 Tote. Aber Schuld und materialistisches Im-Kausalzusammenhang-mit-einem-Schaden stehen sind nicht dasselbe. Es ist zwar oft eine gute Näherung, aber bei solchen Dilemmata fällt der Irrtum auf.
Zitat Michael Huemer ist Vertreter ethischer Intuition, d. h. er geht nicht von einer umfassenden Theorie aus, wie z. B. dem Utilitarismus, sondern sagt, dass wir über konkrete Fälle viel sicherere Urteile fällen können und uns von dort aus zum Abstrakten hocharbeiten müssen.
Und das ist leicht eine trügerische Vermischung von Argumentationen. Es gibt auch keine "ethische Intuition". Entweder entscheidet man ethisch, also nach Reflexion und damit eben nicht intuitiv, oder man entscheidet intuitiv. Intuition spielt eine Rolle, aber in einer anderen Form: Intuitiv würde der Pilot nicht schießen, weil er Sichtkontakt zu den Menschen in der Maschine hat. Der Richter würde intuitiv eher verurteilen, wenn der Mob laut genug brüllt, und freisprechen, wenn es im Gerichtssaal ruhig ist. Für die Schwere der Schuld spielen diese Sachen eine Rolle, aber nicht für das Urteil an sich.
Zitat von DrNick im Beitrag #38Wenn ich das nicht als bloße Verfassungs-Lyrik betrachte, sondern seinem Gehalt nach ernstnehme, dann verstößt ein "Nanny-Staat" klarerweise gegen das Menschbild des Grundgesetzes.
Sie sollten vom BVerfG keine dogmatische Konsistenz erwarten. Die Argumentation mit der Personalität ist so völlig richtig, insbesondere gehört ja zur Schuld wenigstens eine gewisse persönliche Beziehung:
Zitat von Nola im Beitrag #39Und noch ein letzter Satz (dann hör ich auch schon wieder auf). Der globale Anspruch dieser Moral „und alle Menschen werden Brüder“ ist nur insofern tauglich, in dem ein Mensch den anderen Menschen erkennt genauso wie es in der Bibel über Jesus Christus nach zu lesen ist. Es hat an seiner Gültigkeit nichts verloren und ist für mich immer noch allgemeingültig.
Im Christentum spricht man deshalb vom "Nächsten". Der Nächste ist eben kein pars pro toto für alle Angehörigen der Menschheit, die so fern stehen, daß man mit denen gar nichts zu tun haben kann. Wir in Deutschland haben deshalb auch keine Schuld daran, daß unser Wohlstand kausal eine kurdische Familie zu einem Handeln veranlaßt hat, durch das ihre Kinder im Mittelmeer ertranken und nicht von einer Seerettung gerettet wurden, die wir unterließen, aus unserem Überfluß zu finanzieren.
Allerdings ignoriert das BVerfG auf gerne Argumentationen, wenn das Ergebnis nicht paßt. Zur Reaktion gegen den real existierenden Totalitarismus gehört auch ein Vorbehalt gegenüber der Freiheit, weil die Totalitaristen in der WRV die Freiheit hatten, selbige zu bekämpfen. Hier ein Aufsatz dazu.
Zitat von Emulgator im Beitrag #40Es gibt auch keine "ethische Intuition". Entweder entscheidet man ethisch, also nach Reflexion und damit eben nicht intuitiv, oder man entscheidet intuitiv.
Der Begriff ethische Intuition ist ein wenig irreführend. Gemeint ist nicht das Bauchgefühl sondern eine verstandesmäßige Intuition, wie beispielsweise die mathematische Intuition, die uns etwa sagt, was wir als Beweisschritte anerkennen.
In kürzester Form verteidigt sie Michael Huemer hier auf auf Cato-Unbound im Abschnitt II. Intuition and Common Sense. (Und ausführlich in seinem Buch ''Ethical Intuitionism'')
Er lehnt Deduktion gar nicht prinzipiell ab, sondern meint, dass die Moralphilosophie noch nicht auf diesem Stand ist:
Zitat Once we have established such a theory, we can deduce further consequences from it. But in moral and political philosophy, no such general theory has been established. We are—or should be—still in the stage of reasoning from concrete judgments to modest generalizations.
Zitat Man kann von einer konkreten Behauptung (etwa „Ted Bundys Morde waren verwerflich.“) sehr viel stärker überzeugt sein als von einer abstrakten Theorie (etwa „Es ist stets verwerflich, als erster Gewalt gegen eine andere Person anzuwenden.“)
Subjektivisten meinen dagegen, unsere moralischen Urteile wären in Wahrheit ausschließlich durch unsere Gene, unsere Emotionen und unsere Kultur geprägt. Moralische Intuitionisten leugnen diese Einflussfaktoren nicht, glauben aber, dass sie das moralische Urteilsvermögen nur überlagern. So schreibt Huemer:
Zitat […] an Intuition soll nicht unkritisch appelliert werden. Viele Intuitionen sind fehlerhaft und verzerrt durch Gefühle und andere Vorlieben Anzeichen für den Umstand, dass eine Intuition verzerrt ist, bestehen unter anderem darin, (a) dass sie mit einer politischen Weltanschauung zusammenhängt, beispielsweise wenn Sozialdemokraten eher zu ihr neigen als Konservative; (b) dass sie mit bestimmten Gefühlen einhergeht; und (c) dass sie zu paradoxen Ergebnissen führt oder anderen Intuitionen widerspricht, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit durch Vorlieben beeinflusst sind.
Peter Singer lässt als Kritiker moralischer Intuition am Ende von Ethics and Intuitions auch diese Stoßrichtung offen, scheint aber den großen theoretischen Entwurf zu bevorzugen (wo immer der auch herkommen soll).
Zitat von Klumpfuß im Beitrag #42Gemeint ist nicht das Bauchgefühl sondern eine verstandesmäßige Intuition, wie beispielsweise die mathematische Intuition, die uns etwa sagt, was wir als Beweisschritte anerkennen.
Hmmm, die Richtigkeit von Beweisschritten leitet sich eigentlich streng deduktiv (von Axiomen) ab, wobei man natürlich praktisch von bewiesenen Sätzen ausgeht. Mathematische Intuition erkenne ich insofern an, als daß vor der Beweisführung eine Strategie gewählt werden muß, die hinterher funktioniert. Mathematiker entwerfen erst eine grobe Beweisskizze, bei der einige Zwischenschritte noch unklar sind, man intuitiv aber hofft, sie auch noch beweisen zu können.
Womit ich gut leben kann, ist das Konzept moralischer Intuition, sprich die Gewissensentscheidung.
Zitat von Klumpfuß im Beitrag #42Er lehnt Deduktion gar nicht prinzipiell ab, sondern meint, dass die Moralphilosophie noch nicht auf diesem Stand ist:
Zitat Once we have established such a theory, we can deduce further consequences from it. But in moral and political philosophy, no such general theory has been established. We are—or should be—still in the stage of reasoning from concrete judgments to modest generalizations.
Der Gedanke ist nicht ganz falsch, allerdings hat man sich mit dem Philosophieren ja schon darauf geeinigt, daß Moral überhaupt wichtig ist. Was ist die einheitlich akzeptierte Theorie, die zu diesem Schluß geführt hat? Warum kann man sie nicht für den Rest (oder zumindest einen Teil) unserer Moralphilosophie/Ethik verwenden? Ich glaube, ein Dissens in den Prämissen, in der Ausgangstheorie, ist nicht wirklich schlimm, weil daraus nicht zwingend ein Dissens im Ergebnis folgt, und selbst wenn, ist das keine Katastrophe. Für viel gefährlicher halte ich es, während seines induktiven Schließens gar nicht mehr zu merken, daß man sich nur noch bestimmte Ergebnisse wünscht. Ja, 100 Tote sind ein leichteres Unglück als 100.000 Tote, und jeder wünscht sich lieber das leichtere Unglück. Aber das heißt ja nicht, daß man alles tun müsse, um diesem Wunsch nachzuhelfen.
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