Theologischer Aschermittwoch in "Zettels Raum"! In seinem neuen Beitrag wirft Ludwig Weimer einen Blick auf die Lutherfeierlichkeiten dieses Jahres voraus und fragt nach dem Zustand der christlichen Ökumene.
Zitat von Kallias im Beitrag #1Theologischer Aschermittwoch in "Zettels Raum"! In seinem neuen Beitrag wirft Ludwig Weimer einen Blick auf die Lutherfeierlichkeiten dieses Jahres voraus und fragt nach dem Zustand der christlichen Ökumene.
Danke, Herr Weimer, dass Sie uns hinter die Kulissen der Jongleure schauen lassen, hinter die Artistik, die sich seit 500 Jahren als eine Riesenluftnummer entfaltet hat; nach dem Ereignis, das doch als Reform in der Kirche so wichtig und - so scheint es in der Rückschau - nur einem Menschen auferlegt war. Sie zitieren - pointiert - dessen Einsicht am Ende seines Lebens:
Zitat Wir müssen die Zeichen der Zeit verstehen und uns an den Kopf greifen statt als Luftikusse mit dem Erbe zu jonglieren. Martin Luther wollte die Kirche nicht spalten, sondern reformieren. Das sagen jetzt alle, sonst könnten wir die Spaltung ja nicht feiern. Aber Luther war ehrlicher als wir Heutigen. Am 18. Februar 1546 ist er gestorben. Man fand einen Zettel (in Latein) auf seinem Schreibtisch:
„Den Vergil in den Bucolica und Georgica kann niemand verstehen, wenn er nicht fünf Jahre Hirt oder Bauer gewesen ist. Den Cicero in seinen Briefen versteht niemand (so meine ich), wenn er nicht zwanzig Jahre in einem großen Staatswesen tätig gewesen ist. Die heiligen Schriften meine niemand genügend geschmeckt zu haben, wenn er nicht hundert Jahre mit den Propheten Gemeinden geleitet hat. - Wir sind Bettler. Das ist wahr.“
Ludwig Weimer
Aber was bedeutet denn Luthers Einsicht: "Wir sind Bettler" auf dem gefächert dargestellten Hintergrund vom Wirken eines Hirten/Bauern und von dem eines Staatsmanns in seinem Bereich für das Anliegen der Reform?
Ich lasse die Frage unbeantwortet stehen und bleibe mit einer weiteren Frage noch einmal im Jonglierbereich : Was bedeutet auf dem Hintergrund der Einsicht des einsamen Reformators noch die Luftnummer des Jahres 2017: die revidierte Ausgabe der Luther-Bibel neben der revidierten "Einheitsübersetzung" der deutschsprachigen katholischen Bischöfe, die eben auch 2017 (diesmal offenbar separat) erschienen ist? Will in der neuen Luther-Bibel nur etwa Luthers Sprache aufpoliert - eine Reliquie sozusagen - gerettet werden?
Ich schaute mir im Vergleich die neue "Einheitsübersetzung" an, punktuell, um herauszubekommen, ob sich darin - an der näheren Erfassung des Inhalts der Bibel - nicht nur (oberflächlich) sprachlich etwas geändert hat. Ich schlug Hebr. 11,1 auf. Und siehe da, da steht tatsächlich etwas anderes als in der vorangegangenen "EÜ", die sich an dieser Stelle an Luther etc. orientiert hatte und an der sich z.B. Josef Ratzinger/Benedikt XVI. in seiner Enzyklika "Spe salvi" mit seiner philologischen Kenntnis und seinem großen Wissen um die Tradition abgearbeitet hat. Es geht in der Stelle um den Glauben, der nach der Aussage des Hebräerbriefs die Basis (hypostasis/substantia) ist für die unsichtbare Hoffnung: Der Glaube sei das objektive Argument der christlichen Hoffnung. Vorher stand:
Zitat
11,1: Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht. - Also etwas Subjektives.
Reform der Kirche? Das kann nicht Aufgabe eines Einzelnen sein. Das kann auch nicht nur Revision der Bibelübersetzung sein - von einem, von mehreren, von vielen. Nicht nur um ein neues Verständnis kann es gehen. - Woher soll das Verständnis kommen?
Aus dem sozusagen letzten Wort Luthers "Wir sind Bettler" kann man in der Tat mehr machen als eine Fastenpredigt.
Das Entscheidende, die Lösung (in alter Sprache: Erlösung) haben wir überkommen, als Geschenk, als Geschenk von Juden. Das fällt nicht nur den Deutschen schwer. Bettler sein will niemand, schon gar nicht bei denen. Aber nur diese Haltung als Lebensform macht offen für das Andere, Fremde, jene Lösung 'anders als erwartet'. Bettler sein? Wir sind zu stolz, hochmütig dafür.
Im Fall des Ökumene-Problems glauben wir es besser zu wissen als die Bibel. Einheit des Gottesvolkes gehe nicht, wissen wir. Allenfalls eine "versöhnte Christenheit" sei möglich. Weihrauch als Friedenspfeife? Ich habe gestern gelesen:
"Aus Sicht des vatikanischen Ökumene-Verantwortlichen, Kardinal Kurt Koch, kann das gemeinsame Reformationsgedenken eine Chance für die Ökumene sein. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass das Jahr 2017 'nicht der Abschluss, sondern der Neubeginn des ökumenischen Ringens um die volle Gemeinschaft zwischen Lutheranern und Katholiken sein wird'. Das sagte der Schweizer Kardinal am Sonntagabend an der römischen Gregoriana-Universität in einem Vortrag zum Thema 'Reformation und katholische Kirche' (Newsletter von Radio Vatikan - 28.2017)".
Also votiert zumindest der Katholik noch für eine volle Gemeinschaft, was immer das genau beinhaltet. 1) Das Maß wäre ja der Wille Jesu, nachzulesen in Joh 17. 2) Eine Israel-Theologie dürfte freilich nicht fehlen, also eine Zuordnung des Neuen zum Ersten Bund.
Das wird aber bei dem Reformationsgedenken, scheint es, überhaupt nicht gesehen, es scheint nur um eine konfessionelle Versöhnung (nicht mal: Einheit) zu gehen.
Natürlich fragt jetzt jeder: Und die Muslime? Aber zuerst müsste man erinnern: Europa hatte drei Wurzeln, verdichtet in den Städten Athen, Rom und Jerusalem. Jerusalem wird meist vergessen - oder antisemitisch als heute aggressiv und unmenschlich zitiert. Ich erinnre mich an einen Gassenhauer hinter vorgehaltener Hand im Dorf meiner Kindheit. Der lautete, ich nehme etwas den unterfränkischen Dorf-Dialekt mit:
"Es worn emol drei Jude. Ju ju ju, -den -den -den, Ju ju ju, -den -den -den. Es worn emol drei Juden.
Die zoche nach Jerusalem. Jeru Jeru, -salem, -salem, Jeru Jeru, -salem, -salem. Die zoche nach Jerusalem.
Dort sen se o begraben. Begra begra, -ben -ben -ben, begra begra, -ben -ben -ben - un schtrecke den Oarsch nach Bethlehem." - Entschuldigung! Rhetorisch geschickt der antisemitische Höhepunkt. Das christliche Volk - wohl nicht erst nur unter Hitler - wusste fast nichts über das Judentum, aber dies: dass die Juden den Geburtsort des Messias verachten würden. Es gab in der Gegend eine Reihe von Dorf-Synagogen, die deutschen Juden waren Pferdehändler. In meinem Dorf hatte es historisch nur zwei Juden gegeben, wie das Heimatbuch weiß, beide waren aber hinausgeekelt worden. Als Kind hörte ich von drei Gefährlichen, vor denen wir uns hüten sollten: dem Zigeuner, dem Juden mit der langen Nase und dann "dem Russen", der vielleicht vor den Amerikanern hier wäre.
Zitat „Eine Zweistaatenlösung macht keinen Sinn. Wir wollen unter israelischer und gleichberechtigter Demokratie in Palästina leben“, fordert Scheich Abu Khalil al Tamimi im Interview mit Israel Heute-Chefredakteur Aviel Schneider. Tamimi ist geistlicher Führer der Salafisten und Mitglied des islamischen Scharia-Gerichtshofes in den Palästinensergebieten. „Palästinenser haben Angst davor, die Wahrheit und ihre Gefühle vor der Kamera auszusprechen“, sagt er.
Israel Heute: Erfahren Sie innerhalb der palästinensischen Bevölkerung Unterstützung?
Tamimi: Ja. Die große Mehrheit will in einem Staat mit Juden unter demokratischer Herrschaft zusammenleben. Selbst wenn ich mit palästinensischen Extremisten rede, höre ich diesen Tenor. Sogar der Koran spricht davon, dass eines Tages die Juden in der letzten Phase des Weltdaseins ins Heilige Land einkehren werden. Glauben Sie mir, viele Palästinenser sagen mir, dass ein Leben in Israel viel besser sei als in den Autonomiegebieten und arabischen Ländern. Die Hamas aber wird keinen Kompromiss mit Israel dulden…
Die Zweistaatenlösung ist also out?
Eine Zweistaatenlösung ist für beide Völker einfach nicht möglich, das macht keinen Sinn in unserer Zeit, erst recht nicht im Heiligen Land. Daher ist die Einstaatenlösung die einzige Friedenschance für beide Völker. Das weiß auch Palästinenserchef Mahmud Abbas, aber der wird von internationalen Mächten gezwungen, die Zweistaatenlösung zu befürworten…
Man traut seinen Augen kaum, das ist in "Israel heute" im Reformations-Jubiläums-Jahr 2017 zu lesen!
Gleichberechtigte Demokratie. Ach so. Wieviele wahlberechtige Einwohner hat Israel und wieviel wahlberechtigte Palist.... äh, Verzeihung, noch nicht so lange Israelis gäbe es dann?
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #5Gleichberechtigte Demokratie. Ach so. Wieviele wahlberechtige Einwohner hat Israel und wieviel wahlberechtigte Palist.... äh, Verzeihung, noch nicht so lange Israelis gäbe es dann?
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #3Also votiert zumindest der Katholik noch für eine volle Gemeinschaft, was immer das genau beinhaltet.
Zur vollen Gemeinschaft braucht es vermutlich nur zwei Schritte: die Nichtkatholiken müssten den Papst als Primus inter Pares und Symbol für die Einheit anerkennen, und die Katholiken müssten die Lehre vom Primat des Papstes widerrufen. Alles andere könnte dann unter "versöhnte Verschiedenheit" fallen. Solange das Primat aufrechterhalten wird, bleibt der Papst das Symbol für die Spaltung der Kirche und damit bleibt auch die sonstige Verschiedenheit unversöhnt. Freilich gibt es tausend Kleinigkeiten, bei denen man sich näherkommen kann... darum geht dann auch - zurecht - bei der Ökumene.
Zitat von Kallias im Beitrag #7[quote="Ludwig Weimer"|p140063]Also votiert zumindest der Katholik noch für eine volle Gemeinschaft, was immer das genau beinhaltet.
L. Weimer: "Zur vollen Gemeinschaft braucht es vermutlich nur zwei Schritte: die Nichtkatholiken müssten den Papst als Primus inter Pares und Symbol für die Einheit anerkennen, und die Katholiken müssten die Lehre vom Primat des Papstes widerrufen. Alles andere könnte dann unter "versöhnte Verschiedenheit" fallen...."
Einspruch. - Wenn es so einfach wäre, dann hätten wir den Salat. Wenn ich mir nur die katholischen Theologinnen als ÜberläuferIinnen vorstelle ... Oder verbietet es Franz dann. Oder wer?
Zitat von Kallias im Beitrag #7Zur vollen Gemeinschaft braucht es vermutlich nur zwei Schritte: (...)
Ich (Katholik) hatte vor einiger Zeit mal eine nette Diskussion mit ein paar Protestanten.
Von den Protestanten kam der Vorwurf, die Katholiken würden sich gegen eine engere Ökumene sperren. Und zwar nur wegen oberflächlichen Bedenken. Im Kern sei doch alles "christlicher Glaube", da sollte man doch über so oberflächliche Unterschiede bei Eucharistie oder Bibelauslegung hinwegsehen können.
Meine Antwort war dann: Na, wenn die Unterschiede so klein und unbedeutend sind, dann spricht doch eigentlich auch nichts gegen eine Wiedervereinigung. Nachdem es ja die Protestanten waren, die sich vom katholischen Glauben abgespalten haben (und zwar nach eigenem Bekunden wegen unbedeutender Kleinigkeiten), dann können die gerne wieder zum katholischen Glauben zurück kehren. Wäre auch die pragmatischere Vereinigungs-Lösung. Denn auf katholischer Seite gibt es wenigstens eine klare Lehre. Während auf protestantischer Seite es ja dutzende Einzelkirchen gibt, die sich auch nicht immer so ganz einig sind (man vergleiche mal Baptisten, Mormonen, Anglikaner). Eine Angleichung auf einen gemeinsamen katholischen Nenner wäre daher nicht nur die historisch korrekte Lösung sondern auch die pragmatischere. Wir Katholiken würden uns sehr darüber freuen, Gleichnis vom verlorenen Sohn, usw.
Da war dann aber der Aufschrei meiner Gesprächspartner groß...
Zitat von Florian im Beitrag #9Baptisten, Mormonen, Anglikaner
In diesem Fall möchte ich leichten... Protest ...anmelden.
Zitat Mormons are not Protestants. They’re also not Catholics or Orthodox Christians. Mormons belong to a smaller branch of the Christian tree called “Restorationism.” Restorationists believe that Christ’s true gospel was lost to the world after the death of His apostles. His original Church was restored in our days through modern-day communication from God.
There are other restorationist Christian denominations as well, but Mormons are arguably the most well known.
Das ergibt sich aus der Glaubensdoktrin der Kirche der Heiligen der Letzten Tage (LDS). Die geoffenbarte Form der Christologie geht demzufolge auf die Erscheinungen von Petrus, Jakobus (d.Ä.), Johannes & Johannes dem Täufer in Engelsform zurück, die dem Gründer Joseph Smith offenbarten, daß die ursprüngliche christliche Lehre ein gutes Jahrhundert vor unserer Zeitenwende dem ein gutes halbes Jahrtausend vorher nach Amerika ausgewanderten Stamm der Nephiten zuteil wurde. (Die Verfälschung in den 4 Evangelien des NT erfolgte durch den schädlichen Einfluß der griechischen Philosophie.) Diese Form ist im Lauf der Zeit (das Übliche: Sündhaftigkeit & innerer Zwist) verlorengegangen & dann durch den Engel Moroni Smith wiederum überbracht worden; die Niederschrift ist das Buch Mormon.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Kallias im Beitrag #7Zur vollen Gemeinschaft braucht es vermutlich nur zwei Schritte: die Nichtkatholiken müssten den Papst als Primus inter Pares und Symbol für die Einheit anerkennen, und die Katholiken müssten die Lehre vom Primat des Papstes widerrufen.
Wenn es so wäre, gäbe es schon eine Einheit mit dem orthodoxen Christentum.
Es besteht ja auch eine Trennung zwischen Orthodoxen und Protestanten, die letztere nicht einfach von den Katholiken geerbt haben. Die Differenzen der Reformatoren zu Rom sind in Bezug auf die Orthodoxen ja eigentlich gegenstandslos: Weil die Orthodoxie keine Erbsündenlehre kennt, entfällt die theolog. Notwendigkeit der "Rechtfertigungslehre", ebenso gibt es in der ostkirchlichen Tradition keine Fegefeuerlehre, folglich auch keinen Ablaß und damit auch diesen Reibungspunkt zum Protestantismus nicht. Hier muß man sich bewußt machen, daß Luther, Melanchton und Freunde zwar das Griechische beherrschten, aber über die Lehren der griechischen Kirche völlig unwissend waren. So erfanden sie Neuerungen vor allem im Bereich der Sakramente, die sie bis heute auch vom griechischen Strang der apostolischen Kirchen trennen.
"Die Katholiken müssten die Lehre vom Primat des Papstes widerrufen" (Kallias).
Als Katholik kann man nur von sich einen Beitrag verlangen. Abgesehen davon, dass viele freie Kirchen erwarten würden, die Katholiken würden das Evangelium und die Apostelgeschichte ernster nehmen, sind der Primat des Bischofs von Rom und vielleicht die Mariendogmen Hindernisse, Hindernisse auch für die Ostkirchen.
Als Schüler von Joseph Ratzinger habe ich miterlebt, wie dieser als Kardinal in Rom vorschlug, die römisch-katholische Kirche solle allen Folgendes sagen: Was nach eurerer Trennung dogmatisch formuliert wurde, könnt ihr gar nicht mehr verstehen, weil ihr nicht mehr in unserer Kirche lebtet. Wenn ihr euch mit uns versöhnen wollt, braucht ihr diese Dogmen nicht als Vorbedingung zu akzeptieren. Wenn wir wieder zusammenleben, werdet ihr die Geschichte verstehen. Ängstliche Kreise haben das Argument dagegengesetzt und Ratzinger gestoppt: "Das würde bedeuten, dass das zweite Jahrtausend nicht mehr so wichtig ist wie das erste?!" Ratzinger hat dann versucht, Theologen zu sammeln, die exegetisch und dogmatisch den Nachweis finden, dass der Bischof von Rom nur zusammen mit der Gemeinde von Rom den Primat und das Charisma der 'Unfehlbarkeit' in Sachen Dogmenformulierung hat (theologisch auf der Basis, dass in Rom die Gräber von Petrus und Paulus die Gemeinde erinnern, was die Wahrheit kosten kann). Aber leider reichten die Forschungsergebnisse nicht aus. In Wirklichkeit bedeutet das auch: die Katholiken der Diözese Rom sind auch nicht besser als anderswo, das Gedächtnis an die Märtyrer geht nicht so tief, und der Papst lebt lebt ja auch nicht mit ihnen in der Versammlung zusammen, so dass diese Qualität entstünde, die theologisch nötig wäre. Ich erzähle es, obwohl ich sagen müsste: alles Utopie, solange der Glaube zur 'Religion' abgesunken bleibt, weil es zeigt, wie kreativ Joseph Ratzinger dachte und hoffte.
Meiner Meinung nach kann keine Ökumene von oben gebaut werden; es ist viel schwerer; es muss an kleinen Orten Neues wachsen, als Zeichen und Mutmacher, und dies geht nur über eine gelebte theologische Reform. Bestimmte Personen und Kreise haben so das Ganze immer wieder belebt.
....alles Utopie, solange der Glaube zur 'Religion' abgesunken bleibt (Ludwig Weimer)
Für mich ist Religion dies,was den Menschen eigen ist, das Streben nach "Höherem", auch über sich hinaus...die Sehnsucht, dies zu erkennen und benennen zu können. Die verschiedenen Religionen zeigen verschiedene Wege dafür auf. Es ist nun jedem frei, seine Richtung zu wählen, wo er den größten Wahrheitsgehalt für sich finden kann, wonach er dann sein Leben ausrichtet und sein Glaube wächst. – Sehen Sie das Christentum in einer anderen Lage und in wieweit?
Ihre Definition von Religion teile ich voll. Der Unterschied, und deshalb habe ich 'Religion', also in halben Gänsefüßchen, geschrieben, beruht darauf, dass ich den jüdischen und den christlichen Glauben nicht unter die Religionen rechne, sondern als etwas Eigenes betrachte. Joseph Ratzinger hat in Paris einmal formuliert, im Christentum sei Aufklärung Religion geworden. Er meinte damit: Das Christentum ist im Erbe des Judentums die Aufklärung Gottes über das Elend des Menschen und über den Weg, der herausführt.
Ein Augustinus hatte noch formuliert "wahre Religion", er hatte noch nicht den modernen Begriff "Aufklärung". Für mich sind Judentum und Christentum religionskritische Wahrheiten, also gottgeschenkte "Aufklärungen". Man kann die Bezeichnungen nicht mehr ändern. Unsere Kinder haben in den Schulen eben "Reli". Aber das ist theologisch eigentlich unkorrekt. Auch in der Wissenschaft gibt es heute fast überall einen relativierenden Pluralismus: Alle Religionen seien keine volle Wahrheiten, sondern nur Brillen, und die Wahrheit sei überhaupt unzugänglich. Das zestört aber die Überzeugung, von der man früher lebte, dass es dem Menschen möglich war, die Wahrheit zu finden, - weil Gott sie ihm mitteilen wollte.
Heute scheint das niemand mehr so wichtig, ob wir die Wahrheit fanden oder nicht. Hauptsache, wir haben eine Religion, so wie wir Seife und Cremes brauchen, hier als Hygiene für die Seele, als Trost für Leid und Orientierung und als Antwort auf die Sinnfrage. Ich persönlich halte das für äußerst wichtig, ob ein Jude, namens Jesus, die Suche nach der Wahrheit vollendete oder nicht (nicht im Sinn, dass wir nun Gott kennen wie den Inhalt unserer Hsandttasche, sondern: Gottes uns erlösenden Willen zu kennen). Israel hatte Jesus 15oo Jahre vorgearbeitet. Diese Würde Israels ist für mich ein Wunder. Der Antisemitismus bedeutet im Grunde: Wir wollen keine zehn Gebote vom Sinai, wir wollen zurück und leben wie die Tiere, ohne Sündenbegriff und ohne Hemmungen.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #12Als Schüler von Joseph Ratzinger habe ich miterlebt, wie dieser als Kardinal in Rom vorschlug, die römisch-katholische Kirche solle allen Folgendes sagen: Was nach eurerer Trennung dogmatisch formuliert wurde, könnt ihr gar nicht mehr verstehen, weil ihr nicht mehr in unserer Kirche lebtet.
Das mag bei vielen Dogmen von der theologischen Sorte der Fall sein, aber die Sprache der Herrschaft ("Jurisdiktionsprimat") ist wohl allgemeinverständlich.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #12Ratzinger hat dann versucht, Theologen zu sammeln, die exegetisch und dogmatisch den Nachweis finden, dass der Bischof von Rom nur zusammen mit der Gemeinde von Rom den Primat und das Charisma der 'Unfehlbarkeit' in Sachen Dogmenformulierung hat (...) Ich erzähle es, obwohl ich sagen müsste: alles Utopie, solange der Glaube zur 'Religion' abgesunken bleibt, weil es zeigt, wie kreativ Joseph Ratzinger dachte und hoffte.
Ja, interessant. Da ist vermutlich nichts zu retten. Das Papsttum hat in den vergangenen zwei Jahrhunderten zwei große Wendungen genommen: das 1. Vaticanum machte aus dem Papst eine komische Figur, vergleichbar Adolf Hennecke oder Chuck Norris. Joh. Paul II. gelang es dann überraschend, das Ansehen des Papsttums wieder zu heben. Durch ihn wurde die Rolle eines Primus inter Pares der Christenheit wenigstens wieder denkbar. Aber was das Primat betrifft, führt kein Weg am Wort "Irrtum" vorbei. Ich weiß, die katholische Kirche mag dieses Wort nicht. Andererseits leidet sie auch mehr als alle anderen unter der Spaltung.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #12Meiner Meinung nach kann keine Ökumene von oben gebaut werden; es ist viel schwerer; es muss an kleinen Orten Neues wachsen, als Zeichen und Mutmacher, und dies geht nur über eine gelebte theologische Reform. Bestimmte Personen und Kreise haben so das Ganze immer wieder belebt.
Muss man denn die Frage der Wiedervereinigung unbedingt im Zusammenhang mit der viel schwierigeren Frage der Wiederbelebung sehen?
Vielleicht lohnt es sich, zwischen Einheit und Einigkeit zu unterscheiden. Einheit ist ein Oben-Thema. Ob sich eine große Zahl von Menschen als Angehörige desselben Vereins verstehen, entscheidet sich üblicherweise im Großen, nicht im Kleinen. Man kann freilich auch versuchen, die Einheit von unten, von der Einigkeit her, aufzubauen, wie die Quäker das tun. Dafür müsste man die meisten christlichen Gemeinschaften aber erstmal umkrempeln. Deswegen meine ich, am einfachsten ist die Einheit wiederherzustellen, indem sich der größte Teil der Christenheit auf den Papst als symbolisches Oberhaupt einigt. Dann sitzen sie erstmal alle im selben Boot und können sich über den Rest brüderlich verbunden weiterzanken.
Zum "Jurisdiktionsprimat" von meiner Seite eine Ergänzung:
Der Protestantismus scheint die Einzelperson in ihrer Beziehung zum Geist Gottes viel höher zu stellen und besser zu würdigen als der Katholizismus, bei dem es scheinbar um einen sturen unreflektierten Gehorsam gegenüber dem Lehramt der Kirche als Gemeinschaft, versinnbildet im Papst und im Katechismus, geht. Nun weiß man aber, dass der Konvertit und Kardinal John Henry Newman gesagt hat: Nein. Wenn er einen Toast ausbringen müsste, würde er den ersten auf das Gewissen ausbringen und dann erst einen zweiten auf den Papst. Es ist nämlich so: Auch der Katholik darf nur seinem Gewissen folgen, selbst wenn es sich irren würde. Er muss sich allerdings beraten lassen, wenn es einen Konflikt gibt. Er hört auf den Rat der anderen Brüder und Schwestern in der Kirche. Wenn dieser Rat nicht überzeugt, darf, ja muss er bei seinem Urteil bleiben. Die katholische Kirche hat nicht eine monarchische Verfassung, sondern wie eine Ellipse zwei Brennpunkte: das Amt (also Papst und Bischöfe) und die Versammlung mit ihrem Rat (Im Kleinen: den Mitbruder, als Institution: Gemeindeversammlung, Synode, Konzil. De facto ist leider die Gemeindeversammlung weithin ausgestorben wie das Bewusstsein überhaupt, „Gemeinde“ zu sein und nicht nur Volksreligion von Individualisten.) Und nun das Entscheidende: Im Zweifelsfall entscheidet letztlich nicht die Mehrheit einer Versammlung, Synode, selbst nicht die eines Konzils, sondern die Unterschrift eines Einzelnen: des Papstes. Denn die Kirche muss im Namen des Heiligen Geistes, der oft nur auf der Seite von verfolgten Mahnern war, auf den Glauben, das Gewissen, das Herz eines echten Hirten setzen. Sie kann die Wahrheit nicht dem Willen der Mehrheit ausliefern. In diesem Sinn ist sie zuhöchst einig mit dem protestantischen Prinzip des Einzelgewissens. Die Geschichte Jesu mit den Diskussionen in seinem Kreis von Jüngern, die ihm zu einem anderen Weg, am Kreuz vorbei, rieten, ist das beste Lehrstück dafür. Es gibt in der ‚katholischen Ellipse‘ also den Vorrang der Person vor der Demokratie.
Zu: Ob man die Frage der Wiedervereinigung unbedingt im Zusammenhang mit der viel schwierigeren Frage der Wiederbelebung sehen müsse.
Mir scheint, das derzeit bevorzugte Konzept „Versöhnte Verschiedenheit“ ist ein resignativer Frieden, der fruchtlos ist: Man streitet nicht mehr, man lernt aber auch nichts mehr dazu. Nationen können sich so versöhnen, aber Kirchen auf diesem Niveau? Sie haben, lieber Kallias, natürlich recht mit Ihrem Hinweis auf das Schwierigere. Ich meine mit der Würdigung der örtlich-kleinen Reformen, die als Zeichen dem Ganzen den Mut erhalten, dass damit wenigstens die Qualität der Wahrheitssuche der Christen repräsentiert, also präsent bleibt. Ich befürchte das Ende des von Ihnen erhofften Weiterzankens, wenn man den Willen Jesu als zeitbedingte Utopie herunterinterpretiert. Ein christlicher Religionspluralismus wäre äußerst friedlich, aber er wäre ein neuer innertheologischer Antijudaismus, denn Jesus wäre kein Finder einer Lösung gewesen, sondern auch nur ein Sucher. Die Würde des Alten Israel und der Bibel wäre dahin. Auch hier wäre keine neue Welt entdeckt worden, sondern nur eine rosa Brille. Daher habe ich auf die wahre ökumenische Frage hingewiesen, das Verhältnis der Kirchen zum Judentum. (Maximilian Gottschlich hat das in "Unerlöste Schatten. Die Christen und der neue Antisemitismus“ , 2015 politisch beschrieben.) Ludwig Weimer
Zitat Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #12 Meiner Meinung nach kann keine Ökumene von oben gebaut werden; es ist viel schwerer; es muss an kleinen Orten Neues wachsen, als Zeichen und Mutmacher, und dies geht nur über eine gelebte theologische Reform. Bestimmte Personen und Kreise haben so das Ganze immer wieder belebt.
Kallias: Muss man denn die Frage der Wiedervereinigung unbedingt im Zusammenhang mit der viel schwierigeren Frage der Wiederbelebung sehen?
Vielleicht lohnt es sich, zwischen Einheit und Einigkeit zu unterscheiden. Einheit ist ein Oben-Thema. Ob sich eine große Zahl von Menschen als Angehörige desselben Vereins verstehen, entscheidet sich üblicherweise im Großen, nicht im Kleinen. Man kann freilich auch versuchen, die Einheit von unten, von der Einigkeit her, aufzubauen, wie die Quäker das tun. Dafür müsste man die meisten christlichen Gemeinschaften aber erstmal umkrempeln. Deswegen meine ich, am einfachsten ist die Einheit wiederherzustellen, indem sich der größte Teil der Christenheit auf den Papst als symbolisches Oberhaupt einigt. Dann sitzen sie erstmal alle im selben Boot und können sich über den Rest brüderlich verbunden weiterzanken.
Der Bayrische Rundfunk erinnerte am 30. Juli 2015 in seiner Sendung "Kalenderblatt" an das Ereignis in München, dass dort die "erste protestantische Gemeinde im katholischen München gegründet" worden sei.
1799 brachte Kurfürst Max Josef eine "Lutherische" mit auf den Thron: die badische Prinzessin Friederike Karoline Wilhelmine. Und sie brachte damals Pfarrer Schmitd sozusagen als den in katholischen Landen am Thron üblichen Hofgeistlichen mit. Und das war rechtens, denn es stand schon als Bedingung in ihrem Ehevertrag, dass sie ihre Konfession behalten dürfe. Diese Frau und ihr "Hofkaplan" setzten allmählich durch, dass die protestantischen Gottesdienste, die in der Hofkapelle, abwechselnd mit den katholischen stattfanden, auch für die Öffentlichkeit zugänglich wurden und dass schließlich am 30. Juli 1808 die erste "protestantische Gemeinde" bewilligt wurde.
Was da im Internet steht, finde ich so erhellend, denn die Situation dauert an, sie besteht bis heute - in Deutschland, in Rom und auf der ganzen Welt. Da betreut in zwei und mehreren Lagern eine Obrigkeit eine Herde, und die schart sich um die Obrigkeit. In den 60-er Jahren haben Pasolini und Bunuel mit ihren großartigen Filmen bildreich auf diese Situation hingewiesen. So fanden sie das christliche Leben in ihrer Umgebung vor und bildeten es in ihrem Genre ab: als enges Miteinander von Harmlosen und als Drohkulisse für diejenigen, die so nicht leben wollten. Die so nicht leben konnten!? Das schien die bestimmende, aufregende Frage zu sein, die damals auch die Öffentlichkeit ergriff. Die "Religionsfreiheit" war längst ausgerufen und in die Verfassungen geschrieben, aber der einzelne Mensch, jeder!, auch der sog. Gläubige, fühlte sich in seiner Umgebung eingeschnürt. Die Aufklärung über die Bestimmtheit des Menschen als freies Wesen war noch nicht wirksam, aber auch das "Selbstverschuldete" an diesem Zustand noch verdrängt.
In dieser Situation trat das 2. Vatikanische Konzil zusammen und sprach sich erstmals offiziell und endgültig in einem Dokument für die Freiheit eines jeden Menschen in religiösen Dingen aus. Aber es entsteht auch ein Dokument über die Kirche, das mit den Worten "Lumen gentium" beginnt: Die Kirche als "Licht der Völker". - Hochmut, Drohkulisse, endgültige Vereinnahmung aller? - Alles andere als dies. In diesem Dokument kommt zum Vorschein, einerseits, dass man Kirche nicht machen kann, weder von oben, noch von unten; andererseits dass jeder Mensch dazu berufen sein kann, mit seinen ganzen Kräften an dieser Kirche zu bauen. Und wenn es diese Kirche gibt, könne sie auch Licht für die (für alle) Völker und für alle Religionen sein. Schön gesagt. - Aber hier wird ein anderes Politikum beschrieben als im Kalenderblatt des BR. Die "Hierarchie" der Kirche stellt sich endgültig nicht als ein erweitertes Panoptikum gesellschaftlicher Machthaber dar. Sie orientiert sich an dem Juden Jesus, der im Evangelium von sich und seiner Kirche sagt, dass sein Reich nicht von der Welt sei, obwohl mitten in ihr. Und an dieser Person kann sich jeder orientieren. Es bleibt natürlich die Frage nach den Konfessionen. Aber nur anscheinend. Denn sie finden ebenso die Antwort in dem einen Dokument: über die Kirche des Jesus in seiner eigenen Hoheit. Dafür müssen sich "oekumenisch" betrachtet Zeugen finden, Personen wie Kardinal Newman oder Dietrich Bonhoeffer, vielleicht hätte er sich der einen Kirche mit ihrer dienenden Hierarchie angeschlossen, wenn er länger gelebt hätte. Edith Stein fällt mir noch ein; sie schloss sich in der bedrängenden Zeit des NS der Gemeinschaft des Karmel an, suchte vorher Rat bei einem Benediktinerabt von Maria Laach. Sie wollte als emanzipierte Christin leben - nach ihrer selbstbewussten Konversion. Sie schrieb ihre Meinung bezüglich ihres Volkes auch an den Papst. Erhielt die Antwort damals noch über eine kirchliche Amtsperson. Das 2. Vatikanische Konzil stand noch aus.
Nachtrag: Mir ist noch Kardinal Jean-Marie Lustiger eingefallen, ebenfalls Konvertit aus dem Judentum und 1954 Zum katholischen Priester geweiht. Er war Studentenpfarrer in Paris und wurde dort 1981 zum Erzbischof berufen. Seine Predigten wurden im Nachhinein aufgeschrieben. Er predigte nämlich sozusagen freihändig, nur mit der Bibel oder den Texten der Liturgie in der Hand. Von ihm ist der Satz überliefert: die Kirche stecke noch in den Kinderschuhen. Das Evangelium, so wie es gelebt würde, sei längst nicht ausgeschöpft, es sei allenfalls auf dem Wege verstanden zu werden. - So ist es immer noch im Luther-Jahr 2017. Es wird jongliert, statt einzugestehen: Wir können es nicht. Einer hat es vor 500 Jahren versucht; zurecht ist er in manchen Punkten standhaft geblieben, leider hat er viel erleiden müssen, aber leider ist statt der ersehnten Reformation eine erneute Deformation der Kirche eingetreten, die doch, wie die eine Person Jesu, auch nur eine sein kann - sichtbar und als solche auch wahrnehmbar und handlungsfähig. Was wäre das für eine Freude, wenn dieser Schritt erreicht wäre. Es müsste noch gar kein Purzelbaum sein, um in der Analogie von den Kinderschuhen zu bleiben.
Zitat von Simon im Beitrag #17 1799 brachte Kurfürst Max Josef eine "Lutherische" mit auf den Thron: die badische Prinzessin Friederike Karoline Wilhelmine. Und sie brachte damals Pfarrer Schmitd sozusagen als den in katholischen Landen am Thron üblichen Hofgeistlichen mit. Und das war rechtens, denn es stand schon als Bedingung in ihrem Ehevertrag, dass sie ihre Konfession behalten dürfe. Diese Frau und ihr "Hofkaplan" setzten allmählich durch, dass die protestantischen Gottesdienste, die in der Hofkapelle, abwechselnd mit den katholischen stattfanden, auch für die Öffentlichkeit zugänglich wurden und dass schließlich am 30. Juli 1808 die erste "protestantische Gemeinde" bewilligt wurde.
Insgesamt war der kleinkarierte Umgang mit der protestantischen Karoline aber für das katholische Bayern kein Ruhmesblatt.
(Ein Beispiel aus Wikipedia:) Königin Karoline starb am 13. November 1841 in München und wurde an der Seite ihres Gemahls in der Münchner Theatinerkirche beigesetzt. Ihre Beisetzung verlief so würdelos, dass es anschließend zu Protesten kam. Auf Anordnung des Erzbischofs Lothar Anselm von Gebsattel war der gesamte katholische Klerus des Kollegiatstiftes in weltlicher Kleidung erschienen. Die evangelische Geistlichkeit durfte den Sarg nur bis zur Kirchentür geleiten, wo Ludwig Friedrich Schmidt die Beerdigungspredigt hielt. Danach löste sich der Leichenzug auf, und der Sarg wurde ohne Gebet in die Gruft gebracht.
Aber immerhin: der Münchner Karolinenplatz ist nach ihr benannt.
Zitat von Simon im Beitrag #17 1799 brachte Kurfürst Max Josef eine "Lutherische" mit auf den Thron: die badische Prinzessin Friederike Karoline Wilhelmine. Und sie brachte damals Pfarrer Schmitd sozusagen als den in katholischen Landen am Thron üblichen Hofgeistlichen mit. Und das war rechtens, denn es stand schon als Bedingung in ihrem Ehevertrag, dass sie ihre Konfession behalten dürfe. Diese Frau und ihr "Hofkaplan" setzten allmählich durch, dass die protestantischen Gottesdienste, die in der Hofkapelle, abwechselnd mit den katholischen stattfanden, auch für die Öffentlichkeit zugänglich wurden und dass schließlich am 30. Juli 1808 die erste "protestantische Gemeinde" bewilligt wurde.
Insgesamt war der kleinkarierte Umgang mit der protestantischen Karoline aber für das katholische Bayern kein Ruhmesblatt.
(Ein Beispiel aus Wikipedia:) Königin Karoline starb am 13. November 1841 in München und wurde an der Seite ihres Gemahls in der Münchner Theatinerkirche beigesetzt. Ihre Beisetzung verlief so würdelos, dass es anschließend zu Protesten kam. Auf Anordnung des Erzbischofs Lothar Anselm von Gebsattel war der gesamte katholische Klerus des Kollegiatstiftes in weltlicher Kleidung erschienen. Die evangelische Geistlichkeit durfte den Sarg nur bis zur Kirchentür geleiten, wo Ludwig Friedrich Schmidt die Beerdigungspredigt hielt. Danach löste sich der Leichenzug auf, und der Sarg wurde ohne Gebet in die Gruft gebracht.
Aber immerhin: der Münchner Karolinenplatz ist nach ihr benannt.
Bedauerlich. Ja. - Gut, dass Sie das anmerken. Abscheulich. - Ich ahne schon, was sich darauf alles häufen lässt. Auf der
Auf der Seite des "Bayerischen Staatsministerium für Bildung..." fand ich noch folgende Charakteristik der späteren Königin Karoline, in der am Ende die Schändlichkeiten, die Sie, Florian, anmerken, tunlichst verschleiert sind:
Zitat Eine Charakteristik der Königin gibt August Graf von Platen 1808: „Als ich Page wurde war die Königin bereits über die ersten Jahre des Frühlings hinaus, doch blieb sie immer eine Dame von majestätischem Aussehen. Sie ist eine treue Mutter ihrer Kinder. Sie ist Protestantin und schenkt den Armen viel durch ihren Hofprediger. Sie zeichnet viel und liebt Lektüre, mit der sie sich gewöhnlich bis tief in die Nacht hinein beschäftigt. Sie ist eine Freundin der Musik. Sie ist gar nicht geziert und furchtsam wie andere Weiber [...]“. Hier kann man noch anfügen, dass die Königin wohl eine gefragte Ratgeberin ihres Mannes war und sich besonders mildtätig den Untertanen gegenüber zeigte.
Dabei war ihr durchaus ein selbstverständliches Repräsentationsbedürfnis zu eigen, das sich etwa im Umbau der Münchner Residenz zeigte. Karoline ließ ihre Räume „fürstlich“ verändern und einrichten, während Max Joseph bescheidenere „bürgerliche“ Räume bewohnte.
Nach dem Tod ihres Mannes, König Max I. Joseph, im Oktober 1825, wies der Thronfolger Ludwig I. seiner Stiefmutter die Marienfeste in Würzburg als Witwensitz zu. Allerdings wollte die Königinwitwe davon nichts wissen. Nach längeren Querelen ließ sie sich in München, im Park Biederstein, eine Villa errichten. 1829 zog sie dort ein.
Am 13. November 1842 starb Karoline. Bei ihrer Beerdigung kam es zu einem Eklat wegen Reibereien zwischen den Religionsgemeinschaften. Sie liegt in der Münchner Theatinerkirche begraben.
Ein Augustinus hatte noch formuliert "wahre Religion", er hatte noch nicht den modernen Begriff "Aufklärung". Für mich sind Judentum und Christentum religionskritische Wahrheiten, also gottgeschenkte "Aufklärungen".
Heute scheint das niemand mehr so wichtig, ob wir die Wahrheit fanden oder nicht. Hauptsache, wir haben eine Religion, so wie wir Seife und Cremes brauchen, hier als Hygiene für die Seele, als Trost für Leid und Orientierung und als Antwort auf die Sinnfrage.
Ludwig Weimer
Ihre Antwort klingt sehr engagiert und einnehmend! Dass heute, wie Sie sagen, die Wahrheitsfrage in der Religion nicht so wichtig genommen wird, hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass kaum mehr nach Gott gefragt wird. Was aber das Religiöse am Christentum betrifft, so ist es, denke ich, trotzdem vorhanden und auch notwendig – eben als Triebfeder in der Frage nach Gott. Die Antwort, die dann in einer aufgeklärten Sichtweise gefunden wird, ist natürlich entsprechend wertvoll! Aber ohne dass jemand fragt, finden die guten Antworten keinen Platz! Ich denke, auch das Christentum muss immer wieder hören und lernen von anderen – ist es doch wie alle anderen Religionen „auf dem Weg“, will es wahrheitsmäßig lebendig bleiben. Wenn es denkt, ein Wahrheitsmonopol zu besitzen, ist es schon nicht mehr in der Wahrheit, weil diese immer wieder neu gefunden und entsprechend formuliert werden muss. – In dem Punkt kann ich nicht ganz folgen oder habe ich Sie nicht vollständig verstanden.
Religiöse, metaphysische, gläubige Wahrheiten beziehen sich auf eine ‚Welt‘ in der Welt, die naturwissenschaftlich nicht überprüft werden kann, sondern nur existentiell. Das heißt, man kann sie zur mit dem Leben erproben, wagen, erfahren. Wenn man weiß, dass jede solche Wahrheit deshalb immer nur eine Wahrheit für mich ist, wird man sie nie als Monopol betrachten. Wenn eine Kirche etwas als Wahrheit definieren zu können glaubt, dann deshalb, damit ein Streit beigelegt werden kann, es bedeutet die Einigung der Erfahrungen in einem umstrittenen Punkt.
Mein für Sie nicht nachvollziehbarer Punkt ist, meine ich, dass wir die grundsätzliche Offenheit der gefundenen Antworten, die ich mit Ihnen teile, versöhnen will mit einem zweiten Gedanken, den Sie – weil Sie andere Sorgen haben – noch nicht überdacht haben. Meine Frage bezieht sich auf die Pilatusfrage, die in Wirklichkeit ja eine Skepsis ist und nicht mit Fragezeichen, sondern Ausrufzeichen zu versehen ist: Was ist schon Wahrheit!
Ich frage: Wenn die Menschheit, wenn der Mensch absolut unfähig ist, die Wahrheiten zu finden, die sie und er braucht, dann wäre die Welt von einer erbarmungslosen ewigen Materie oder einem bösen Zufall geschaffen, aber keinesfalls von einem guten Gott als Geschenk uns zugedacht. Daher meine ich, darf und muss ein gläubiger Mensch davon ausgehen, dass der Geber der Welt uns auch die Gabe zur Findung der uns notwendigen Wahrheiten (alles andere darf Geheimnis bleiben) gegeben hat. Im andern Fall wären wir nur höhere Tiere. Andere als die Juden und Christen sehen die Welt als Leidensort (Buddhismus z.B.). Die Bibel ist dagegen optimistisch; sie sieht das Elend deutlich, aber glaubt an die Möglichkeit der Verbesserung und freut sich über die Schöpfung. Eine solche Haltung ist kein „Wahrheitsmonopol“, sondern auch viele Agnostiker und Atheisten freuen sich an der Welt.
Margot Käßmann beschreibt im Interview mit "katholoisch.de" gestern, warum sie eine Einigung zwischen Katholisch und Evangelisch langweilig fände. Die gegenseitige Hinterfragung der Positionen durch den Anderen bringe jede der Kirchen weiter. Der Auftrag zur Einmütigkeit ist ihr als ehemalige Bischöfin wohl unbekannt.
Ähnlich denken viele Engländer. Erst die Spaltung durch Heinrich den VIII und die darauf folgenden Auseinandesetzungen mit den katholischen Spanien und Frankreich habe England groß gemacht.
Religiöse, metaphysische, gläubige Wahrheiten beziehen sich auf eine ‚Welt‘ in der Welt, die naturwissenschaftlich nicht überprüft werden kann, sondern nur existentiell. Das heißt, man kann sie zur mit dem Leben erproben, wagen, erfahren.
Lieber Hr.Weimer, mir kommt vor, dadurch, dass ich zum Schluss meines Beitrags noch das Wort „Wahrheitsmonopol“ erwähnt hatte, brachte ich Sie für ihrer Antwort auf ein Gleis, wohin meine Frage es nicht meinte! - Ich will es nochmals versuchen! Es geht mir um den Begriff Religion, religiös und ich nicht sehen kann, warum Sie diese so negativ belegen. Ich bin auch Christin und wie Sie überzeugt, dass die Wahrheit für den Menschen zu finden ist (Sie sagen es ganz vorsichtig … „die, für ihn notwendige“!) – aber existenziell und nicht naturwissenschaftlich, wie Sie dies in ihrem ersten Satz ganz klar ausdrücken. – Hängt nicht „Wahrheit“ mit dem Bewusstsein der Existenz eines Gottes untrennbar zusammen?
Ich möchte noch einmal laienhaft versuchen darzustellen, wie ich es sehe: jede Religion geht von existentiell gefundenen Wahrheiten aus, die Anhänger finden und dann gesammelt mit der Zeit, wenn sich diese bewähren, eine Lehre formuliert wird, die diese Religion charakterisiert. Will eine Religion lebendig bleiben, muss sie diese in der Lehre formulierten Wahrheiten immer wieder existentiell als Wahrheit erfahren und vielleicht auch neu formulieren. – Dass dieser Vorgang möglich ist, braucht es immer wieder die Frage nach Gott, die religiöse Frage des Menschen! – Hat eine Religion keine Anhänger, die dies tun, sondern nur Mitläufer, wird sie sich nicht halten können und mit der Zeit absinken im Bewusstsein der Menschen. – So denke ich, ist der Begriff Religion und die damit angesprochene Suche des Menschen nach Gott, wesentlich, auch für das Christentum! Dies berührt ja zunächst nicht direkt die Antworten, die dann gefunden werden. Was ist der Grund, dass Sie den Begriff Religion so negativ sehen? Nehmen Sie damit nicht der Lehre den immer notwendigen Ansatzpunkt, um lebendig zu bleiben?
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