Zitat von Florian im Beitrag #21Diesen "modernen Lebensstandard" und dieses moderne Lebensgefühl hatten unsere Eltern und Großeltern in gerade mal 20 Jahren von 1949 bis 1970 aufgebaut. In dieser kurzen Zeit gab es einen gewaltigen materiellen, geistigen und gesellschaftlichen Wandel.
Das ist richtig.
Man sollte aber nicht vergessen, daß die "normale Entwicklung" durch Nazis, Krieg und Wiederaufbau massiv gestört wurde. Die Weimarer Republik war in einigen Bereichen schon verblüffend "modern", das wurde gesellschaftlich ab 1933 heftig zurückgedreht und (zivil-)technischer Fortschritt und Lebensstandard sind durch den Krieg und die Kriegsfolgen ohnehin suspendiert worden. Daß Deutschland in den 50ern so schnell wieder an den alten Stand anknüpfen konnte, ist ja zu Recht als "Wirtschaftswunder" bezeichnet worden. Die (technischen und gesellschaftlichen) Grundlagen dafür waren aber schon vorhanden. Dann noch die Auswirkungen von DDR und Wiedervereinigung.
Eigentlich haben wir erst in den letzten 20 Jahren wieder eine "normale" Entwicklung wie in den anderen entwickelten Staaten.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #22Aus meiner persönlichen Erfahrung waren die 70er und 80er Jahre deutlich liberaler was Geisteshaltung angeht als das hier und jetzt.
Da wäre ich sehr unsicher. Ich habe eher den Eindruck, daß es einen viel engeren Bereich an "zulässigen" Meinungen gab. Innerhalb dieses Bereichs konnte natürlich frei diskutiert werden (wie heute), aber sehr viele heute übliche Meinugen lagen weit außerhalb des Bereichs.
Es ist wohl eher so, daß heute (vor allem durch das Internet) viel mehr Meinungen Verbreitung (und damit auch Ablehnung) finden. Um mal im näheren Umfeld von Zettels Raum zu bleiben: Libertäre Vorstellungen waren in den 70er Jahren völlig unvorstellbar (obwohl sie in den USA existierten). Heute sind sie zwar immer noch extreme Minderheit, aber man kann sie immer wieder treffen (wo sie dann heftige Diskussionen verursachen). Und ähnliches gilt für andere exotische Denkschulen.
So mal als Beispiel: Auch damals wurde darüber gestritten, ob die GEZ-Gebühren zu hoch oder zu niedrig seien. Und ob nicht die Sender ein bißchen sparen oder das Geld für andere Inhalte verwenden sollten. Aber das ganze Rundfunk- und Fernseh-System als solches wurde nicht diskutiert, da gab es Konsens bzw. die Abwesenheit alternativer Ideen. Heute gibt es ein ganz breites Spektrum an sehr kontroversen Meinungen. Vom Ausbau des ÖR-Systems durch Internet-Angebote oder gar Einstieg in den Printbereich bis hin zur kompletten Abschaffung bzw. Privatisierung. Wobei die beiden Extremmeinungen von der jeweiligen Gegenseite als echte Gefahr für die Demokratie gesehen werden.
Zitat von Krischan im Beitrag #23Versetze jemanden aus dem Jahr 1890 nach 1950, und er wird die Welt nicht wiedererkennen ...
...
Zitat Dagegen: Versetze jemanden aus 1950 nach 2010 - soviel Unterschied ist da nicht.
Da ist schon etwas dran. Übrigens war der Unterschied zwischen 1830 und 1890 wohl noch drastischer.
Andererseits: Der Unterschied zwischen 1950 und 2010 ist vielleicht nicht so auffällig, aber auch ziemlich tiefgreifend. Weil der Fernseher von 1950 und der Computerschirm von 2010 für den Zeitreisenden auf den ersten Blick ähnlich aussehen - aber eine sehr unterschiedliche Wirkung haben. Wir führen schon ein deutlich anderes Leben als unsere Großeltern, und weitere heftige Änderungen sind absehbar.
Zitat aber jemand aus den 50ern würde sich heute noch genauso gut zurechtfinden.
Ja und Nein. Natürlich würde er schnell lernen, mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Aber die (vor allem durch die Technik!) sehr veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse würden ihn schwer fordern. Umgekehrt würde der Zeitreisende von 1890 im Jahre 1950 zwar einige neue technische Errungenschaften lernen müssen, käme aber gesellschaftlich noch ganz gut zurecht.
Zitat Ich habe oft das Gefühl, als wären wir als Gesellschaft saturiert, wir bauen die Innovationen in der Qualität aus, besser, billiger, aber für wirklich Neues, für Risiko fehlt uns größtenteils der Mut. Zumindest in Deutschland scheint mir das so.
Das haben die Leute 1960 teilweise ähnlich behauptet. Dieses Gefühl war auch ein Grund für die 68-Bewegung. Vielleicht ist das Gefühl aber unberechtigt. Viele Menschen haben m. E. weniger Angst vor Veränderungen als früher üblich. Sie wechseln viel häufiger den Job, den Wohnort, das Land, den Beruf, den Partner. Wenn sie sich selbständig machen, dann oft nicht wie in den 50er Jahren auf einer bewährten Schiene, sondern mit einer neuen Idee in einem Start-Up.
Zitat Ja, es mag Inseln der Innovation geben, wahrscheinlich auch eher bei privatwirtschaftlichen Akteuren - eine gesellschaftliche Relevanz erzeugt das leider nicht.
Diese These paßt nicht gut zu den vielen aktuellen Diskussionen über befürchtete Auswirkungen von Innovationen. Die massive veränderte Arbeitswelt, die neuen Kommunikationsformen, die Fragen der Privatsphäre ...
Internet ist eben nicht nur "Katzenvideos". Sondern eine vorher ungeahnte Fülle von Informationsmöglichkeiten, die klassische Medien und Eliten heftigst in Schwierigkeiten bringen. Die großen politischen Themen heute (Aufstieg von "Rechtspopulisten", Globalisierung, Einwanderung) sind ganz wesentlich Folge von Globalisierung und technischem Fortschritt und ihr Verlauf wird maßgeblich vom Internet beeinflußt.
Zitat von R.A. im Beitrag #28 Ja und Nein. Natürlich würde er schnell lernen, mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Aber die (vor allem durch die Technik!) sehr veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse würden ihn schwer fordern. Umgekehrt würde der Zeitreisende von 1890 im Jahre 1950 zwar einige neue technische Errungenschaften lernen müssen, käme aber gesellschaftlich noch ganz gut zurecht.
Lieber R.A., das ist ein interessanter Aspekt, danke für den Denkanstoß. Und ja, ich habe etwas polemisch formuliert, natürlich ist mir der Wert der Vernetzung bewusst, und es ist mehr als Katzenvideos. Wahrscheinlich ist der Zugang und die Verfügbarkeit von Informationen und wie wir damit umgehen DER entscheidende Unterschied zur Welt von vor 50 Jahren.
Welche gesellschaftlichen Verhältnisse genau meinen Sie denn? Insbesondere die, die zwischen 1890 und 1950 so statisch geblieben seien? Und die, die sich in den letzten 60 Jahren geändert hätten? Soviele sind das nicht - totale rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung der Frau, ja, aber die war 1950 in den wesentlichen Punkten bereits da, wo sie heute ist. Akzeptanz anderer Lebensformen und sexueller Orientierungen, ja, da ist viel passiert. Was noch? Andere Arbeitswelt - mag sein, kommt auf den Arbeitsbereich an. Kultur, Medien? Ja schon, aber nicht gravierend. Der Zirkus ist der gleiche, nur mit anderen, schnelleren Nummern...
Zitat von DrNick im Beitrag #24Strauß - als Kanzlerkandidat - wurde von Linken mit ziemlich genau derselben Haltung bekämpft, mit der man heute die AfD bekämpft.
Zitat von R.A. im Beitrag #27Ich habe eher den Eindruck, daß es einen viel engeren Bereich an "zulässigen" Meinungen gab.
Mir ging es nicht um den politischen Meinungsstreit, sondern um den täglich gelebten, privaten, zwischenmenschlichen Umgang.
Menschen waren freizügiger im Zugestehen anderer Sichtweisen. Gleich, ob sie diese tolerierten oder nicht. Dass man eine Diskussion unter guten Bekannten zum Beispiel lediglich dadurch sprengt, indem man behauptet Co2 sei kein Gift, ist eine Enstirnigkeit, die mir von damals nicht bekannt ist.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #22Aus meiner persönlichen Erfahrung waren die 70er und 80er Jahre deutlich liberaler was Geisteshaltung angeht als das hier und jetzt. Meine teilweise grün/sozilistischen Anwandlungen wurden ebenso akzeptiert, wie meine reaktionären Phasen. Ich hatte dezidiert "links positionierte" Lehrer mit welchen man ohne jeglichen moralischen Impetus trefflich streiten konnte.
Daß diese Zeit wirklich so viel liberaler war, würde ich einmal bestreiten. Strauß - als Kanzlerkandidat - wurde von Linken mit ziemlich genau derselben Haltung bekämpft, mit der man heute die AfD bekämpft. Und auch auf der Gegenseite sah es m.E. nicht viel anders aus.
Da möchte ich widersprechen.
Ich kann mich noch gut an den Wahlkampf 1980 erinnern - seinerzeit trat Strauß auch im Stadion unserer Kreisstadt auf. Als damals ziemlich linker Teenager war ich natürlich unter den Gegendemonstranten. Wir haben sicherlich einigen Lärm gemacht.
Aber niemals wären m.E. selbst ausgesprochene Linke damals auf die Idee gekommen, einen CDU-Wahlkämpfer mit einer Holzlatte zusammenzuschlagen. Und niemals hätten sie dem örtlichen CDU-Vorsitzenden das Auto abgefackelt. Diese extremen Umgangsformen sind neueren Datums.
Klar, das "F-Wort" kam uns gerade auf Strauß bezogen schon damals rasch über die Lippen. Und zu meinem Glück traf ich wenig später während eines Urlaubs auf einen klugen jungen Mann - passenderweise kein Deutscher, sondern ein Däne - der mir den Kopf mit der Bemerkung gerade rückte: "Wenn du schon einen konservativen Christdemokraten als Faschisten bezeichnest, welches Wort bleibt dir dann noch, wenn du mal mit echten Faschisten zu tun hast?"
Heute weiß ich, wie man im Jahre 2017 echte Faschisten bezeichnet: als Antifa...
Zitat von Florian im Beitrag #21Es gab von den 1970ern bis heute schon noch gewaltige Steigerungen der Lebensqualität. [...] Was in der Rückschau wirklich faszinierend ist...
... ist ganz sicher nicht mit materiellen Vergleichen zu begreifen.
Aus meiner persönlichen Erfahrung waren die 70er und 80er Jahre deutlich liberaler was Geisteshaltung angeht als das hier und jetzt. Meine teilweise grün/sozilistischen Anwandlungen wurden ebenso akzeptiert, wie meine reaktionären Phasen. Ich hatte dezidiert "links positionierte" Lehrer mit welchen man ohne jeglichen moralischen Impetus trefflich streiten konnte.
Ja, man konnte m.E. in der Tat viel besser auch über sehr kontroverse Themen reden. Wobei damals schon einige linke Lehrer und an meiner Schule zumindest besonders Lehrerinnen eine Tendenz zu Gesinnungsnoten hatten. Ein eher konservativer Freund meiner Schwester durfte bspw. erleben, dass ihm seine reichlich linke Geschichtslehrerin für ein m.E. gelungenes Referat über das Dritte Reich eine ziemlich schlechte Note verpasste, weil er konsequent den Begriff "Nationalsozialisten" verwendet hatte. Dies erklärte die Dame zu einem "reaktionären Kampfbegriff" o.ä., korrekt hätte er gefälligst "Faschisten" schreiben müssen...
Zitat Wir haben heute dagegen einen geistigen und moralischen Muff, welcher im Vergleich dazu erdrückend wirkt. Zu vielen Themen ist es heute unmöglich Gegenargumente anzubringen, ohne aufgrund moralisch induzierter Entrüstung die Diskussion zu sprengen. Selbst bei wissenschaftlichen Themen.
Das empfinde ich auch so, und mache dafür primär den Aufstieg der Grünen und ihres ausgemachten "Gut vs Böse"-Weltbilds verantwortlich. Hat nicht bereits in den 80ern jemand - mir fällt leider nicht mehr ein, wer... - den Grünen "moralischen Rigorismus" vorgeworfen?
Zitat von Krischan im Beitrag #29Und ja, ich habe etwas polemisch formuliert
Klar, das war auch sehr amüsant und regte zum Widerspruch und damit zum Nachdenken an. Generell ist das ja ein diffuses Thema, bei dem es wenig meßbare Aspekte gibt und daher viel anekdotische Evidenz herhalten muß.
Zitat Welche gesellschaftlichen Verhältnisse genau meinen Sie denn? Insbesondere die, die zwischen 1890 und 1950 so statisch geblieben seien?
Ich würde mal sagen: Der Umgang der Menschen miteinander war noch recht ähnlich. Starke Hierarchien, formaler Umgang, sehr von Konventionen geprägt. Deutlich getrennte Schichten und Milieus mit eher wenig Mobilität. Klare Erwartungen, wie sich Menschen zu verhalten haben, sowohl als Mitglied der definierten Elite wie in der Familie oder Freizeit.
Zitat totale rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung der Frau, ja, aber die war 1950 in den wesentlichen Punkten bereits da, wo sie heute ist.
Die rechtliche Gleichstellung gab es weitgehend, aber die Rollenerwartungen waren doch deutlich anders und Männer und Frauen haben sich auch entsprechend verhalten, incl. Sexualmoral.
Zitat Akzeptanz anderer Lebensformen und sexueller Orientierungen, ja, da ist viel passiert.
Auch, aber da halte ich gar nicht für so wichtig. 90% sind halt immer noch hetero und kümmern sich letztlich wenig darum, ob die Minderheiten nun geheim miteinander verkehren oder offiziell "heiraten".
Zitat Andere Arbeitswelt - mag sein, kommt auf den Arbeitsbereich an.
Da sehe ich aber nun gewaltige Unterschiede! Ein großer Teil der Bevölkerung arbeitet in Einsatzbereichen, die gab es vor 50 Jahren noch gar nicht. Sowohl in der Fabrik wie im Büro haben sich Form und Inhalt der Arbeit stark geändert. Einen Zeitreisenden aus 1950 irgendwo einzuarbeiten wäre bei den meisten Berufen sehr schwer.
Zitat Kultur, Medien? Ja schon, aber nicht gravierend. Der Zirkus ist der gleiche, nur mit anderen, schnelleren Nummern...
Im Prinzip ja. Jedenfalls in den Kulturbereichen, die es damals schon gab. Viele sind aber komplett neu. Wobei: Auch bei ganz klassischen Sachen wie z. B. Museen hat sich viel verändert. Die Präsentation von 1890 war 1950 durchaus noch angemessen. Ein modernes Museum sieht aber ganz anders aus als eines selbst von 1970.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #30Dass man eine Diskussion unter guten Bekannten zum Beispiel lediglich dadurch sprengt, indem man behauptet Co2 sei kein Gift, ist eine Enstirnigkeit, die mir von damals nicht bekannt ist.
Möglich, aber ich zweifele. Unter guten Bekannten sollte das eigentlich auch heute kein Problem sein. Und umgekehrt gab es natürlich auch damals absolute Reizthemen - die waren halt andere. Z. B. war es nicht populär, den Einsatz der Amis in Vietnam zu loben, die Sozialpartnerschaft abschaffen zu wollen oder den Inzest zu legalisieren. OK, Letzteres ist auch heute noch weit vom Konsens, wird aber vergleichsweise unbekümmert immer wieder aufgebracht.
Zitat von R.A. im Beitrag #33 Da sehe ich aber nun gewaltige Unterschiede! Ein großer Teil der Bevölkerung arbeitet in Einsatzbereichen, die gab es vor 50 Jahren noch gar nicht. Sowohl in der Fabrik wie im Büro haben sich Form und Inhalt der Arbeit stark geändert. Einen Zeitreisenden aus 1950 irgendwo einzuarbeiten wäre bei den meisten Berufen sehr schwer.
Je nun, das trifft für einen Teil der Bevölkerung wohl zu, gerade die in ingenieurs- und technikaffinen Berufsbildern. Gilt das auch für den Handwerker? Teilweise, aber ein Maurer baut noch so wie früher. Für den Bauern, ja, zum Teil, aber auch hier nicht übermäßig. Für den Industriearbeiter "am Band" gilt auch das nur zum Teil. Also da möchte ich schon eine Trennlinie ziehen.
Natürlich findet man immer große Differenzen, äußerlich, aber sind die inhaltlich wirklich so stark gerechtfertigt? Und sicher ist auch die Periode zwischen 1800 und 2000 von einer enormen Schöpferkraft, geradezu einer Explosion, und von enormen Umwälzungen gekennzeichnet, nicht umsonst behaupten ja Philosophen, die geistig-moralische Entwicklung des Menschen ist von der wissenschaftlich-technischen Entwicklung abgehängt worden. Ein Bauer um 1500 und ein Bauer um 1700 - kaum Unterschiede. Ein Baucher um 1800 und ein Bauer im Jahre 2000 - Welten dazwischen.
Gleichwohl, und das war meine Ausgangsthese, in den letzten Jahrzehnten hat sich wissenschaftlich-technisch viel verfeinert, viel elaboriert - grundlegend Neues ist nicht dazugekommen (außer Internet).
Zitat von Krischan im Beitrag #25Sobald jemand Fragen stellt, den Konsens dessen, was "man" sagt oder nicht, verlässt, wird derjenige zum Paria erklärt. Inhaltliche Auseinandersetzung ist selten das Ziel, eher die Ausgrenzung und Verächtlichmachung abweichender Meinungen.
Das ist schon richtig, aber wie erklärt sich dieses doch recht neue Phänomen? M.E. ist die Erklärung sehr einfach: Seit der letzten Bundestagswahl sind im deutschen Parlament (abgesehen von einigen Querulanten wie Bosbach) weder konservative noch auch liberale Ideen nennenswert repräsentiert. Dazu kommt noch eine Presse- und Medienlandschaft, in der es im wesentlichen genauso aussieht. Kurz: Die "Linke" hat in den großen Medien sowie in der Exekutive und Legislative in vielen Bereichen so etwas wie einen totalen Sieg errungen, und dieser Sieg soll jetzt durch Stigmatisierung der verbliebenen Gegner auf Dauer gestellt werden.
Daß man Menschen, die einem gedanklich sehr fern stehen, für "Narren und Ketzer" hält (wie Wittgenstein das mal ausgedrückt hat), scheint mir fast so etwas wie eine anthropologische Konstante und insofern nichts Neues zu sein. (Vgl. dazu übrigens "The Oatmeal": http://theoatmeal.com/comics/believe). Neu ist m.E. nur die Dominanz bestimmter Meinungen in bestimmten Bereichen. Früher mußte sich ein Linker - z.B. im Parlament - mit dem konservativen Gegner auseinandersetzten, weil es hinreichend viele sichtbare Konservative gab; heute kann man sich als Linker einbilden, daß alle Andersdenkenden moralisch verdorben oder dumm sind.
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #31Aber niemals wären m.E. selbst ausgesprochene Linke damals auf die Idee gekommen, einen CDU-Wahlkämpfer mit einer Holzlatte zusammenzuschlagen. Und niemals hätten sie dem örtlichen CDU-Vorsitzenden das Auto abgefackelt. Diese extremen Umgangsformen sind neueren Datums.
Ja, Antifa und Co. sind neu, aber waren die Angehörigen der RAF keine Linken?
Nachdem ich nun viele Monate mit Interesse und Gewinn Gast in Zettels Raum und Zettels kleinem Zimmer war, habe ich mich nun auch angemeldet . Mir gefallen das Niveau und der sachliche Ton auch bei kontroversen Meinungen. Zum Thema: Ich weiß nicht, ob man in den 70er und 80er Jahren liberaler war. Ich fühlte mich damals, und auch früher, eher als links-liberal stehend. Diese Meinung konnte man immerhin vertreten, ohne angegriffen zu werden. Inzwischen bin ich, ja, wie soll man sagen, konservativer geworden. Da ich den Eindruck habe, dass meine Umgebung deutlich nach links abgedriftet ist, habe ich in Bezug dazu einen deutlichen, relativen "Rechtsruck" gemacht, obwohl ich mich persönlich immer noch als tolerant und offen empfinde. Über vieles kann man aber tatsächlich kaum noch offen sprechen, weil es Dinge sind, die den Charakter von Glaubensartikeln angenommen haben. Dazu gehören zum Beispiel die Themen CO2 und Energie. P.S. ich habe noch einige Schwierigkeiten mit dem Zitieren, muss noch üben, bitte um Nachsicht.
Jetzt kannst du sagen, dass sei anekdotische Evidenz und ausserdem ein Beispiel anhand des extremen Reizthemas "Zuwanderung". Für mich ist es die repräsentative Beschreibung eines zeitgeistigen Sentiments.
Mir wurden noch keine Freundschaften deswegen gekündigt aber die moralische Entrüstung inklusive des "persönlich beleidigt seins" verdichtete sich zum Beispiel bei Themen wie Atomkraft, Klimawandel, Zuwanderung, 3. Welt oder Kapitalismus in Gesprächen unter Bekannten so sehr, dass ich das Thema abbrach und heute ganz allgemein nicht mehr anspreche. Es ist dabei nicht, dass man mir nicht zustimmt, sondern was man mir deswegen oftmals unterstellt.
Natürlich gab es schon immer Reizthemen aber die emotionale Reaktion auf solche unterscheidet sich. In den 80er hat man eher gedacht: "Naja, der ist eben ein bisschen verschroben. Lass ihn halt." Heute denkt man eher: "Bah! Was ein fiesser Charakter."
Noch einmal annekdotische Evidenz: - In kenne viele dem Katholizismus sehr zugewandte Menschen und Homosexulität in den 70ern war strafbar. Trotzdem wäre da nie jemand auf die Idee gekommen, einen Menschen am Kriterium der sexuellen Orientierung zu bewerten. - Ich hatte in früher Jugend einige grüne und sozialistische Anwandlungen, die in meinem konservativ geprägten Umfeld eher belächelt wurden. Doch habe ich deswegen nie Ablehnung gespürt.
Wenn ich heute dagegen bekenne, dass ich aus Oppurtunitätsgründen ernsthaft darüber nachgedacht habe AfD zu wählen oder dass ich Klimakatastrophe und Atomangst für postfaktische Angstpflege halte, sehe ich Menschen, die mich eigentlich nett finden, das Kreuzzeichen machen.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nocheiner im Beitrag #37Nachdem ich nun viele Monate mit Interesse und Gewinn Gast in Zettels Raum und Zettels kleinem Zimmer war, habe ich mich nun auch angemeldet .
Herzlich willkommen im kleinen Zimmer, lieber nocheiner.
Zitat von nocheiner im Beitrag #37P.S. ich habe noch einige Schwierigkeiten mit dem Zitieren, muss noch üben
Das ist ganz einfach. Sie makieren den Text, welchen sie zitieren wollen mit gedrückter rechter Maustaste und drücken auf das Feld "Zitat vormerken" über dem Beitrag. Dies kann man auch mehrfach wiederholen.
Wenn Sie nun antworten finden sie ein Feld "Alle einfügen". Darauf drücken und alle Zitate erscheinen im Antwortfeld und können von Ihnen nun kommentiert werden.
Herzlich
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Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #39Das ist ganz einfach. Sie makieren den Text, welchen sie zitieren wollen mit gedrückter rechter Maustaste und drücken auf das Feld "Zitat vormerken" über dem Beitrag. Dies kann man auch mehrfach wiederholen.
Wenn Sie nun antworten finden sie ein Feld "Alle einfügen". Darauf drücken und alle Zitate erscheinen im Antwortfeld und können von Ihnen nun kommentiert werden.
Zitat von nocheiner im Beitrag #37Nachdem ich nun viele Monate mit Interesse und Gewinn Gast in Zettels Raum und Zettels kleinem Zimmer war, habe ich mich nun auch angemeldet
Sehr schön, herzlich willkommen!
Zitat Ich fühlte mich damals, und auch früher, eher als links-liberal stehend. Diese Meinung konnte man immerhin vertreten, ohne angegriffen zu werden. Inzwischen bin ich, ja, wie soll man sagen, konservativer geworden. Da ich den Eindruck habe, dass meine Umgebung deutlich nach links abgedriftet ist, habe ich in Bezug dazu einen deutlichen, relativen "Rechtsruck" gemacht, obwohl ich mich persönlich immer noch als tolerant und offen empfinde.
Das ist wohl eine ganz typische Entwicklung, ähnliches könnte ich von mir behaupten.
Zitat Über vieles kann man aber tatsächlich kaum noch offen sprechen, weil es Dinge sind, die den Charakter von Glaubensartikeln angenommen haben.
Man kann natürlich noch offen über diese Themen reden - aber man bekommt eben auch heftigen Widerspruch.
Und ich glaube nicht, daß das früher anders war. Nur waren wir da halt auf der anderen Seite. Wenn man jung und von sich überzeugt ist, tritt man meist auch ziemlich offensiv auf und geht mit Widerspruch nicht unbedingt wertschätzend um.
Wenn damals z. B. jemand die Oder-Neiße-Grenze in Frage stellte oder voreheliche Beziehungen mißbilligte - dann war der für uns junge "Links-Liberale" ein reaktionärer Käskopp und da haben wir fröhlich draufgehauen. Der wird dann auch das Gefühl gehabt haben, daß das Meinungsklima so überhaupt nicht liberal und tolerant ist und daß man nicht offen über gewisse Themen reden kann.
Zitat von R.A. im Beitrag #41Wenn man jung und von sich überzeugt ist, tritt man meist auch ziemlich offensiv auf und geht mit Widerspruch nicht unbedingt wertschätzend um.
Das sollte man sicher auch heute bei Diskussionen mit jungen Menschen bedenken.
Dann hake ich mich mal beim Beitrag von Carlo M. Dimhofen ein, versuche aber, inzwischen beigetragene Aspekte zu berücksichtigen...
Zunächst zum Thema Brillen und der Erwiderung von R.A.: Es gibt nun allerdings auch einen deutlichen Unterschied zwischen "Kassengestellen" früher und heute. Die von heute kann man tragen, ohne dass sie als solche erkannt werden. Der entscheidende Punkt dürften aber die Gläser sein. Ich weiß nicht mehr, was meine Eltern damals für meine erste Brille berappen mussten, und ich weiß auch nicht mehr, was sie von der Kasse erstattet bekamen. Ich meine nur, mich daran erinnern zu können, dass es ein nicht zu vernachlässigender Prozentsatz der Gesamtkosten war. Heute bemühe ich meine Krankenkasse erst gar nicht mehr, wenn ich mir eine neue Brille zulege...
Sicher stimmt es, dass unser Konsum meist qualitativ viel hochwertiger ist als früher. Aber unsere Arbeit ist es eben auch, dank des Kapitaleinsatzes und der damit verbundenen Steigerung der Produktivität (die ohne Powerpoint noch viel höher ausgefallen wäre...), die dann höhere Arbeitseinkommen ermöglichte. Dennoch weiß ich aus damaligem Erleben, dass man mit einem Gehalt zwar nicht locker, aber doch ohne zu großen Verzicht über die Runden kommen konnte. Mein Vater war nur ein kleiner Angestellter im Öffentlichen Dienst und meine Mutter meist Hausfrau. Wir wohnten zwar im Gegensatz fast zum gesamten Rest der Straße nur zur Miete, unternahmen aber dafür die weitesten Reisen - bis nach USA und Kanada Mitte der 70er. Wir hatten den letzten Farbfernseher, das älteste Telefon und nicht so oft ein neues Auto, aber wirklich verzichten mussten wir auf nichts. Ich bezweifle, dass Vergleichbares heutzutage mit einem Gehalt im mittleren Öffentlichen Dienst zu machen wäre. Auf dem Land geht das, sagt R.A., und da mag er Recht haben, aber es muss inzwischen schon verdammt viel Land sein. In München z.B. sind alle Preise innerhalb S-Bahn-Reichweite auf Stadtniveau. Das Land um Augsburg ist auch das Land aus Münchner Sicht...
Das auch an dieser Stelle kongeniale Drängen von Kapital und modernem, linken Zeitgeist auf den Einbezug der Frau in den kapitalistischen Verwertungsprozess als einen der höchsten Ausweise von Freiheit und Emanzipation hatte selbstverständlich Konsequenzen für das Gehaltsniveau.
Mir scheint hier bei manchem geschätzten Kommentator auch zu sehr nach dem Verbuchen eines Freiheitsgewinns die Analyse zu enden. Denn mehr Freiheit ist so gut wie immer auch gleichbedeutend mit mehr Unsicherheit. Und mehr Raum für den Einzelnen kann auch gleichbedeutend sein mit dem Verlust an sozialer Bindung. Der Mensch braucht beides, und das Problem ist immer die Balance. Kommentatoren wie Carlo und auch ich haben den Eindruck, dass diese für immer mehr Menschen nicht mehr gegeben scheint, und dass für diese der Trend immer mehr in die unwillkommene Richtung zeigt. Eins der Gemeinsamkeit herstellenden Bänder war und ist dann eben doch die Nation, innerhalb derer man sich als Gemeinschaft begreift, die für einander einsteht (ich könnte mir kleinteiligere Solidargemeinschaften vorstellen, aber die historische Entwicklung ging eben in diese Richtung) - und genau dieses Band wird durch die Offene-Grenzen-Politik, die, das sollten wir nicht vergessen, im Grunde weiterhin gilt (dazu demnächst mal ein neuer "Biss") und nur dank der Bemühungen anderer Länder nicht die chaotischen Zustände von 2015 verursacht, massiv attackiert. Die AfD profitiert hier also von einer durch aktuelle Politik zusätzlich angefeuerten Grundstimmung, die im Grunde tatsächlich antikapitalistisch ist. Deswegen musste Lucke raus - Liberale sind zwar auch aus guten Gründen Euro-Gegner, aber aus Sicht der für die AfD wichtigen Wähler aus den falschen. Das ist etwas, das z.B. ich auch erst viel zu spät begriffen habe.
Was das Klima der politischen Diskussion betrifft, so stimme ich all jenen zu, die es in den 70er und 80er Jahren freier empfunden haben. Natürlich ist man damals nicht mit Samthandschuhen miteinander umgegangen, aber der entscheidende Unterschied aus meiner Sicht ist: Man ist miteinander umgegangen. Auf die Idee, andere Meinungen von Diskussionen auszuschließen, wäre damals wirklich keiner gekommen, geschweige denn darauf, Menschen, die sich mit diesen Ideen identifizieren, auf alle erdenkliche Art und Weise Steine in den Weg ihres Alltags zu legen. Und sie oder ihr Eigentum in irgendeiner Form zu beschädigen? 1933! Ja, Strauß wurde damals sehr angegriffen (nota bene: Er bot auch reichlich Anlass dazu...), aber man konnte sich für seine Politik aussprechen, ohne zum Paria zu werden. Ich erinnere mich noch gut daran, dass an der Schule ein Kommunist und ich irgendwie immer im selben Boot saßen, weil wir beide in der Regel gegen den linken Mainstream argumentierten, uns auch selbst untereinander fetzten, aber immer voller Respekt vor einem, der sich über dieselben Dinge Gedanken machte wie man selbst. Und ich erinnere mich, wie bei der Diskussion über die mündliche Notenvergabe (gibt es das heute eigentlich noch?) sich einer aus dem Mainstream unter dem Nicken seiner "Genossen" für eine hohe Note für mich aussprach, weil ich zwar nicht seine, aber immerhin eine Meinung vertreten hätte, und das auch argumentativ. Ich finde, das charakterisiert den Zeitgeist in dieser Hinsicht damals recht gut.
Natürlich hat R.A. Recht, wenn er auf das größere heutzutage verfügbare Meinungsspektrum verweist, aber den entscheidenden Punkt macht er da eben mit der Erwähnung der Libertären, die auch meiner Meinung nach in deutschen Diskussionen vor Aufkommen des Internets nicht anzutreffen waren. Es gab sie zwar wohl schon - ein Schulfreund von mir war es, ein Prof von mir (Walter Krämer) war es - aber ihre Ideen waren noch nicht so allgemein zugänglich, weil vor allem im angelsächsischen Raum diskutiert. Und heute existieren libertäre Ideen außerhalb des Internet in Deutschland weiter praktisch nicht. Na super. Und sonst? Vielleicht gab es den Internet-Feminismus noch nicht, überhaupt den Poststrukturalismus oder Dekonstruktivismus, aber das werden wir hier wohl weniger als Verlust empfinden. Will sagen: Die heute maßgeblichen Meinungen wurden auch damals schon behandelt. Nur eben freier.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Werwohlf im Beitrag #43Deswegen musste Lucke raus - Liberale sind zwar auch aus guten Gründen Euro-Gegner, aber aus Sicht der für die AfD wichtigen Wähler aus den falschen. Das ist etwas, das z.B. ich auch erst viel zu spät begriffen habe.
Werter Werwolf,
vielen Dank für den interessanten Beitrag.
Erlauben Sie mir bitte eine Anmerkung:
Lucke selber hatte in einem Interview (irgendwann lange vor der BTW, wenn ich mich recht erinnere) mal herausposaunt, er wäre nicht liberal (weil er konservativ wäre). Das empfand ich seinerzeit als außerordentlich arm und absolut unverständlich. Ähnlich seltsam wie er später zu ALFA-Zeiten dann mal meinte, Böhmermann (von dem ich prinzipiell ja auch nicht viel halte) als "feige Drecksau" bezeichnen zu müssen (aufgrund dessen Erdogan-Gedichts). Mal ehrlich: Was soll sowas? Ich habe mir zu AfD-Zeiten im Bundestagswahlkampf auch mal eine seiner Reden angetan (Hamburg Gänsemarkt). Ich kann nicht gerade sagen, dass ich sonderlich beeindruckt gewesen wäre.
Lucke musste meines Ermessens nicht zwingend raus, sein Anspruch auf den alleinigen Vorsitz auf - gefühlt - Lebenszeit war hingegen unhaltbar. Es gibt auch nach wie vor einen starken wirtschaftsliberalen Flügel in der AfD, von daher ist es im Nachhinein jedenfalls schade, dass ein großer Teil des Lucke-Flügels die Partei verlassen hat.
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #31Und zu meinem Glück traf ich wenig später während eines Urlaubs auf einen klugen jungen Mann - passenderweise kein Deutscher, sondern ein Däne - der mir den Kopf mit der Bemerkung gerade rückte: "Wenn du schon einen konservativen Christdemokraten als Faschisten bezeichnest, welches Wort bleibt dir dann noch, wenn du mal mit echten Faschisten zu tun hast?"
Nicht jeder hat das Glück, einen Dänen zu treffen. Gestern war ich für knapp zwei Minuten in einem Programm mit Dieter Nuhr, der Trump dankte. Er habe (ich zitiere aus der Erinnerung) in Holland Wilders verhindert und die Nazis der AfD würden sich bereits gegenseitig bekämpfen(er drückte das etwas anders aus). Das sollte wohl ironisch sein. Ich habe in meinem Leben einige echte Nazis und deren Sprüche erlebt, insbesondere in den 50er und 60er Jahren. Diese möchte ich hier nicht zitieren, weil sie wirklich widerlich waren. Da war die Zuordnung klar. Ich frage mich, warum man mit manchen Zuweisungen so großzügig umgeht. Ich weiß nicht, wie häufig schon irgendwelche Lager als Konzentrationslager bezeichnet worden sind. Ich frage mich, ob diese Menschen jemals Auschwitz oder Bergen Belsen oder andere Konzentrationslager gesehen haben. Jedes Lager, in dem Menschen gegen ihren Willen unter primitiven Bedingungen eingepfercht sind, ist schlimm, vielleicht auch unerträglich. Aber warum immer der Vergleich mit dem Konzentrationslager? So erscheint es mir auch mit dem Begriff Nazi zu sein. Man kann Gruppierungen oder Parteien nicht mögen, entschieden dagegen sein, vielleicht auch sagen, dass sie einem unsympathisch sind. Wir haben doch alle ein deutsches Vokabular zur Verfügung, dass es uns ermöglichen sollte, eine politische Gruppierung, eine uns nicht passende oder gar unsympathische Partei, eine Gruppe oder auch andere Menschen zu charakterisieren. Es gibt Menschen, die man auch heute als Nazis (der Begriff passt mir besser als Faschisten) bezeichnen kann und sollte. Viele habe ich aber - Gott sei Dank - in meinem Leben nicht getroffen. Ganz nebenbei, Nuhr fand ich in den zwei Minuten sehr schwach. Satire, die darauf abzielt 90% der Zuhöhrer auf seiner Seite zu haben, ist schwach.
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #31Aber niemals wären m.E. selbst ausgesprochene Linke damals auf die Idee gekommen, einen CDU-Wahlkämpfer mit einer Holzlatte zusammenzuschlagen. Und niemals hätten sie dem örtlichen CDU-Vorsitzenden das Auto abgefackelt. Diese extremen Umgangsformen sind neueren Datums.
Ja, Antifa und Co. sind neu, aber waren die Angehörigen der RAF keine Linken?
Sicher waren sie das, zumindest in ihrem Selbstbild. Allerdings wurde ihnen das Links-Sein von nicht wenigen moderaten Linken abgesprochen. Zudem waren RAF, 2. Juni etc. zahlenmäßig eine vergleichsweise kleine Gruppe von Desperados, selbst wenn man die Sympathisantenszene mit einrechnet. Die heutige "Antifa" ist m.E. deutlich größer, und kann mangels ernsthaftem staatlichem Druck viel offener agieren als seinerzeit selbst die Sympathisanten der Terrororganisationen.
Und die moderate Linke, ob in der SPD oder bei den Grünen, spricht den Radikalen das Links-Sein eben nicht ab. Im Gegenteil, manche Minister wie z.B. Schwesig bedienen die "Antifa" recht üppig aus Steuergeldern.
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #46Zudem waren RAF, 2. Juni etc. zahlenmäßig eine vergleichsweise kleine Gruppe von Desperados, selbst wenn man die Sympathisantenszene mit einrechnet.
Wie groß die heutige (gewaltbereite) Antifa-Szene ist, weiß ich nicht genau, aber ich würde bezweifeln, daß es sich bei der RAF plus Sympathisantenszene wirklich noch um eine "kleine Gruppe" handelt.
Sicher, die RAF i.e.S. umfaßte nur ein paar Dutzend Leute, aber dazu kam erstens eine Unterstützerszene, in der man sich zwar nicht selbst die Hände schmutzig machte, wohl aber bereit war, Terroristen mit Geld, Übernachtungsmöglichkeiten, juristischem Rat o.ä. unter die Arme zu greifen.
Und dann schließlich gab es damals in einigen Medien die Tendenz, die Taten der RAF systematisch zu verharmlosen (paradigmatisch die wirren Texte von Böll, aber auch der greise Sartre gehört in diese Kategorie) oder sogar den Staat zum eigentlichen Täter zu machen. Ich kann mich noch sehr gut an die Berichterstattung zum Thema Bad Kleinen erinnern, in der v.a. die Frage diskutiert wurde, ob Grams nicht "exekutiert" worden sei.
Zitat von DrNick im Beitrag #47Sicher, die RAF i.e.S. umfaßte nur ein paar Dutzend Leute, aber dazu kam erstens eine Unterstützerszene, in der man sich zwar nicht selbst die Hände schmutzig machte, wohl aber bereit war, Terroristen mit Geld, Übernachtungsmöglichkeiten, juristischem Rat o.ä. unter die Arme zu greifen.
Das sind die konzentrischen Unterstützerkreise. Im Zentrum die eigentlichen Täter/Terroristen Darum herum eine Zone, die selnbst keine Taten verübt, aber logistisch tätig ist Darum wieder eine Zone, die keine Gewalt ausübt, aber diese nicht misbilligt, wenn es um die richtige Sache geht. Ganz außen eine breite Zone, die gleichsam eine Pufferzone bildet. Dieser äußere Ring war - ohne, dass ich dies jetzt quantifizieren könnte - nach meiner Erfahrung zur RAF-Zeit recht breit. Ich kann mich da an einige Diskussionen erinnern. Ich kann mir vorstellen, dass es mit dem islamistischen Terror ähnlich ist.
Der von Wehrwohlf angesprochene Punkt der politischen Diskussion ist mir ganz ähnlich in Erinnerung.Damals diskutierten wir noch, wqaren sogar bereit, wenigstens Teile der Ansichten Anderer zu akzeptieren oder gar zuzustimmen. Es war nicht alles so ideologisch verbohrt oder zum Glaubensbekenntnis mutiert.
Ein (Landes-)Politiker meiner Zeit wie Gerhard Mayer-Vorfelder wurde zwar als VfB-Präsident im Stadion regelmässig wegen seiner tiefschwarzen Ansichten ausgepfiffen, konnte sich aber ansonsten sowohl bei (feindlichen) Fans und auf der Strasse sehr frei und ohne Anfeindungen bewegen; bin ihm in Stuttgart recht häufig begegnet, weil ebenfalls im Zentrum beruflich tätig.Der Mann wurde auch von seinen politischen Gegnern aus der Bevölkerung gegrüsst. Nebenbei wurde er auch immer wieder gewählt-sowohl Landtag als auch für den VfB, weil ihm selbst seine Gegner einen klaren Verstand bescheinigen mussten.
Ich zitiere mich nur ungern selbst - aber es ist nun mal die Wahrheit: kein Gesetz schütz vor Diskriminierung oder Mobbing. Nur Menschen tun das. Wenn die Mehrheit aber beschlossen hat, eine bestimmte Gruppe als vogelfrei zu betrachten, dann wird kein Gesetz dagegen helfen.
Neuste Fälle:
- Ein lokaler Radiosender wollte einen AfD-Politiker zu einer Diskussion einladen. Nachdem der Radiosender massive, glaubwürdige Terrordrohungen von links bekommen hat, wurde das AfD-Politiker wieder ausgeladen. Reaktion von Politik, Polizei, Journalisten oder Künstlern: KEINE
- Focus online Das Startbild des Artikels "Neuer Umfrage-Dämpfer für Schulz - SPD büßt deutlich ein, CDU legt zu" (vom 12.05.2017, 07:31 ) zeigt Balken mit den aktuellen Prozentangaben der angetretenen Parteien: 37% für die CDU, 27% für die SPD und so weiter. Über dieses Bild wurde ein Foto von Schulz gelegt. In diesem Bild fehlt die AfD, die mit aktuellen Umfragewerten von 10% (so auch die Angabe in Ihrem Artikel) an dritter Stelle steht. Ich gehe davon aus, dass die Focus-Redaktion hier bewusst die Grafik manipuliert hat.
Das sind keine Einzelfälle mehr. Gegen die AfD wird ein Pogrom durchgeführt. Der Rechtsstaat gilt für die AfD nicht mehr: und die Bevölkerung klatscht dazu, genau wie vor 70 Jahren. Die Deutschen können eben keine Demokratie.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
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