Zitat von Martin im Beitrag #25Ihr Kriterium 'Herrschaft ausüben über die Aktien' scheint nicht dabei zu sein.
Das Kriterium der tatsächlichen Herrschaftsausübung ist nicht meines, sondern jenes des Gesetzes. Ich sehe wirklich nicht, wie dies mit dem bloßen Abschluss des Kaufvertrages, also des Verpflichtungsgeschäfts, erfüllt sein soll. Genau das ist meine Kritik an dem genannten BFH-Urteil.
In dieser Entscheidung hat der BFH den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei einem Cum-Ex-Geschäft aufgrund der Gestaltung des Gesamtvertragskonzeptes verneint. In der Rn. 31 heißt es:
Zitat von BFH, Urteil vom 16.4.2014, I R 2/12Die Klägerin mag die Voraussetzungen des Einkünftetatbestands des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 2002 n.F. durch den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien vor dem Ausschüttungsbeschluss im Zeitpunkt des jeweiligen schuldrechtlichen Anschaffungsgeschäfts im Zusammenhang mit den sog. cum/ex-Geschäften prinzipiell erfüllen können [es folgt dann unter anderem ein Verweis auf ältere Entscheidungen, auch die bisher diskutierte]
Auf mich wirkt das so, als ob die Münchner Richter das von ihnen selbst eröffnete weite Feld wieder einzäunen möchten.
Wenn ich den Kommentar richtig verstanden habe, argumentiert er, dass der von einem Journalisten benutzte Begriff "Betrug" unzutreffend sei, weil es sich ja um das Ausnutzen einer Gesetzeslücke handele. Kein Betrug, da keine illegale Aktion. Ich ignoriere hier mal, dass Journalisten und normale Bürger "Betrug" meistens nicht im Sinne eines Gesetzesbruches benutzen. Bereicherung auf Kosten des Staates (und damit anderer Steuerzahler) kann daher, auch wenn nicht gesetzeswidrig, als Betrug bezeichnet werden.
Mich interessiert mnehr die Logik des hier vertretenen Argumentes. Ich kann zwar verstehen, dass man sich auf einem mehrheitlich neo-liberalen Blog/Forum über Schaden für den Staat freut und die Ideologie, die diesen Schaden verdammt, kritisiert. Aber ist das, was hier passiert, nicht auch aus Markt Gesichtspunkten problematisch. Es handelt sich ja hier nicht um ein Wirken gegen den Staat und sein Steuerrecht, um die Wirkmächte des Marktes zu sichern. Was z.B. der Fall ist, wenn ein Industriebetrieb seine Steuerlast mit Tricks senkt, da er damit seine Prduktivität (niedrigere Stückkosten) sichert. Was hier passiert, ist doch das Benutzen des Staates zur Bereicherung. Ohne Staat keine Steuern; ohne Steuergesetze keine Gesetzeslücke; ohne das, kein "Betrug". Hier wird der Markt gerade ausgehebelt. Von daher müsste doch auch ein Neo-Liberaler von Betrug sprechen können.
Ich kenne eigentlich keinen marktwirtschaftlichen Vertreter, der freiwillig mit dem Begriff "Betrug" arbeiten würde. Statt dessen wird zB von "Marktunvollkommenheiten", "Marktverzerrung" oder "Informationsasymetrie" gesprochen. Tatsächlich finde ich die beschriebenen Vorgehensweisen auch sehr grenzwertig - und das obwohl ich der Bonner VWL-Fakultät entstamme. Ähnlich wie bei Hochfrequenzhandel oder den berühmt-berüchtigten "Neuen Börsenprodukten" sehe ich auch aus ökonomischer Sicht da Herausforderungen.
Solche Vorgehensweisen führen dazu, dass in erheblichem Ausmaß Kapitel (=Investitionen) und Gewinne in einer Volkswirtschaft umgelenkt werden. Das kann nicht wirkungslos sein. In einer Zeit, in der selbst die Lebensdauer von Staaten unterhalb von zwei Generationen zu liegen scheint, ist möglicherweise die Anpassungsgeschwindigkeit des Marktes zu gering, um solche Vorgehensweisen mittels unsichtbarer Hand in eine effiziente und stabile Lage zu bewegen.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #27Von daher müsste doch auch ein Neo-Liberaler von Betrug sprechen können.
Keine Ahnung, ob ich als Neoliberaler durchgehe oder einer sein will, aber ich halte es tatsächlich für Betrug. Und zwar Betrug des Staates an seinen Bürgern durch überkomplexe und damit unüberschaubare und in ihren Auswirkungen unklare Gesetzgebung. Wer den Dschungel pflanzt, muss sich nicht wundern, wenn am Ende Dschungel rauskommt.
Und es sieht ja zusätzlich so aus, wie wenn diese besagte Gesetzeslücke schon lange erkannt war, aber trotzdem nichts unternommen wurde. Klassisches Staatsversagen.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #27Ich kann zwar verstehen, dass man sich auf einem mehrheitlich neo-liberalen Blog/Forum über Schaden für den Staat freut und die Ideologie, die diesen Schaden verdammt, kritisiert.
Ich freue mich nicht, wenn der Staat Schaden nimmt, lieber Agotbronn. Ich habe nur eine Abneigung gegen einen derartigen Skandaljournalismus, der sich in reiner Agitation ergeht und nonchalant außer Acht lässt, dass die Cum-Ex-Geschäfte in einem Klima vorgenommen wurden, in dem die Rechtsprechung des BFH, namhafte Stimmen in der finanzrechtlichen Literatur und die Untätigkeit der exekutiven und der legislativen Staatsgewalt zu der Ansicht berechtigten, dass Cum-Ex-Geschäfte zwar einen strengen Geruch haben, aber nicht rechtswidrig sind.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #27 Mich interessiert mnehr die Logik des hier vertretenen Argumentes. Ich kann zwar verstehen, dass man sich auf einem mehrheitlich neo-liberalen Blog/Forum über Schaden für den Staat freut und die Ideologie, die diesen Schaden verdammt, kritisiert.
Lieber Agotbronn,
haben Sie in dieser Diskussion Freude über die kritisierten cum/ex-Geschäfte wahrgenommen? Ich nicht. Ich sehe eher Verwunderung und Neugier darüber, wie die Regierungen aller Farbkombinationen die Gesetzgebung derart schleifen lassen, obwohl anscheinend zufriedenstellendere Lösungsansätze zu existieren scheinen, die schon lange bekannt sind. Umgekehrt halte ich es für verquer, argumentativ aus dem Steuer-optimierenden Bürger einen Volksschädling zu machen, eine Aussage, die sich zwischen den Zeilen herauslesen lässt.
Dass sich die (internationale) Finanzindustrie in den letzten ca. 15 Jahren in unsere Gesetzgebung zum Nachteil des deutschen Staates eingebracht hat war hier schon öfter Thema. Cum/ex ist möglicherweise ein Beispiel dafür. Leider bringt da aber der ZEIT-Artikel keinen Erkenntnisgewinn, da eine plausible Stellungnahme der Volksvertreter fehlt.
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