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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 31 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Martin Offline



Beiträge: 4.129

14.11.2019 07:21
#26 RE: "Vorwärts zum wahren Sozialismus!" Herr K legt die Karten auf den Tisch Antworten

Da gerade zufällig auf diesen Artikel von Tiziano Terzani von 1981 gestoßen bin, denke ich er passt als Rückblick in den wahren Sozialismus hierher: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14329051.html Es bleibt auch immer wieder beeindruckend, wie China in der kurzen Zeit eine echte Transformation geschafft hat.

Gruß
Martin

Xanopos Offline



Beiträge: 217

14.11.2019 12:32
#27 RE: "Vorwärts zum wahren Sozialismus!" Herr K legt die Karten auf den Tisch Antworten

Danke für den interessanten Link.

Zitat
Die Mandschurei zog Abenteurer und Geschäftsleute aus der ganzen Welt an, Weißrussen strömten hier zu Tausenden ein, gefolgt von europäischen Juden.


Mit Weißrussen dürften wohl keine geografischen Weißrussen gemeint sein: https://en.wikipedia.org/wiki/White_%C3%...%C3%A9#In_China

Eine Bekannte von mir stammt aus der Gegend und war zum Erscheinen des Artikel ein kleines Kind.

Zitat
"erst die Kinder der Kinder meiner Kinder in den Genuß kommen würden", wie ein Arbeiter sagt.


Kann man sich als Europäer kaum vorstellen, wie sich China verändert hat.

Krischan Offline




Beiträge: 642

15.11.2019 15:35
#28 RE: "Vorwärts zum wahren Sozialismus!" Herr K legt die Karten auf den Tisch Antworten

Zitat von Xanopos im Beitrag #27
Danke für den interessanten Link.

Zitat
Die Mandschurei zog Abenteurer und Geschäftsleute aus der ganzen Welt an, Weißrussen strömten hier zu Tausenden ein, gefolgt von europäischen Juden.

Mit Weißrussen dürften wohl keine geografischen Weißrussen gemeint sein: https://en.wikipedia.org/wiki/White_%C3%...%C3%A9#In_China



Nein, natürlich sind die nicht aus Weißrussland, sie sind vielmehr Mitglieder der "Weißen Partei" https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fe_Armee , die den Bürgerkrieg verloren hat. Und deren letzte Rückzugposten waren in Sibirien.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

15.11.2019 20:39
#29 RE: "Vorwärts zum wahren Sozialismus!" Herr K legt die Karten auf den Tisch Antworten

Zitat von Xanopos im Beitrag #27

Mit Weißrussen dürften wohl keine geografischen Weißrussen gemeint sein


Oha. Mein Beritt. (Pun intended; wenn man bedenkt, daß die Truppen der Weißen unter Koltschak, Semjonow und Ungern-Sternberg in der Gegend als Kavallerie unterwegs waren.) Hauptpunkt der russischen Emigration war Harbin/Charbin, weil das der erste große Bahnhof nach der Gabelung der Transsib war. Harbin war war Fertigstellung der Südtrasse 1913 schon so etwas wie der russische Knotenpunkt an der Südtraverse nach China mit gut 65000 Einwohnern. Im Lauf des Bürgerkriegs kamen noch mal zwischen 100.000 und 200.000 dazu. Es war das drittgrößte Zentrum der Emigration hinter Berlin und Paris. Genaue Zahlen hat niemand, obwohl die jede Menge Papier gefüllt haben. 1920-22 war die Stadt japanisch besetzt; das war der westliche Außenposten der Interventionsarmee, deren Hauptkontingent in Wladiwostok stand. Ein großer Teil davon ist Mitte der 30er in die UdSSR zurückgekehrt, weil es eine nominelle Amnestie gab, gut 25.000 sind nach Shanghai gegangen. Unter anderem Sapajou (das Pseudonym für Georgii Afksentiewitsch Sapoinikow), der in den 20ern und 30ern der Hauptkarikaturist für die größte englischsprachige Zeitung Shanghais, die North China Daily News, war. Wenn ich Jazz- und Schlagerstücke aus dem "alten Shanghai" einbinde, die bei Pathé erschienen sind, sind die Musiker immer weiße Russen; viele von denen hatten eine klassische Konzertausbildung mitgebracht; in der chinesischen Großstadt-Literatur aus Shanghai sind "die russische Klavierlehrerin" oder "der russische Geigenlehrer" Standardfiguren wie "der russische Taxifahrer" im Westen (im Shanghai waren die Taxiunternehmen fest in chinesischer Hand). In Harbin selbst war freilich der Hund verfroren (darf man wörtlich nehmen; es wird im Winter gern 20-25 Grad unter Null; die haben ein in ganz China hochberühmtes Eisskulpturen-Festival). Als einzige literarische Hervorbringung sind mir vor einiger Zeit mal zwei dünne Bände Memoiren einer russischen Emigrantin, die mit 5 Jahren mit ihrer Familie dort strandete und die nächsten 10 Jahre dort festhing, über die prekären, immer bedrängten und absolut ungewissen Zustände in jenen Jahren in die Finger gefallen, auf Russisch Ende der 1970er in einem kleinen kalifornischen Diaspora-Verlag (Name entfallen, jedenfalls nicht Ardis) erschienen, und das auch nur, weil ich gezielt nach "Харбин эмиграция" gesucht hatte, weil mich diese Überlieferungslücke so wunderte. Für die russischen Kulturszenen in Paris & Berlin (die sich zueinander standen wie Köln & Düsseldorf) existierte die östliche Diaspora schlicht nicht.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.11.2019 11:26
#30 RE: "Vorwärts zum wahren Sozialismus!" Herr K legt die Karten auf den Tisch Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #29
Für die russischen Kulturszenen in Paris & Berlin (die sich zueinander standen wie Köln & Düsseldorf) ...

Interessant. War das einfach nur automatisiertes Konkurrenzverhalten oder war die Mentalität unterschiedlich (weil vielleicht Paris und Berlin unterschiedliche Typen Mensch anzogen)?

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

16.11.2019 15:14
#31 RE: "Vorwärts zum wahren Sozialismus!" Herr K legt die Karten auf den Tisch Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #30
War das einfach nur automatisiertes Konkurrenzverhalten oder war die Mentalität unterschiedlich (weil vielleicht Paris und Berlin unterschiedliche Typen Mensch anzogen)?



Wie immer: beides. Mit einer Pareto-Verteilung zugunsten von Punkt 1. Es gab ja Leute, die den Standort gewechselt haben, in der Regel westwärts, Mereschkowski zum Bleistift. Oder Nikolai Berdjajew (die saßen als Philosophen, zumal als Geschichtsdeuter, aber immer außen), oder Nabokov, der aber nur Reisegast war. Die Pariser Szene hatte viel von den Klubs und Zirkeln an sich, die eben auch die frz. Kulturszene ausmachten; der Berliner Kosmos war eine Parallelgesellschaft mit allem Drum + Dran, mit Selbsthilfegruppen, Bildungseinrichtungen, ziemlich abgeschottet gegen den Rest der Stadt, wobei die meisten gegen "die Berliner" einen ziemlichen Impetus hatten. In Nabokovs Berliner Erzählungen gibt es dazu herrliche Polemiken gegen diese vulgären, ungehobelten Banausen. Ein Русский Париж hat es, im Gegensatz zum Русский Берлин, nie gegeben. Karl Schlögel hat die zahlreichen Facetten des Berliner Kosmos in seinem neuesten* Buch Das russische Berlin. Eine Hauptstadt im Zeitalter der Extreme (Suhrkamp, 2019) auf 600 Seiten recht detailliert auseinandergefaltet; man ist doch erstaunt, was es da alles gab. Bei Berlin kamen zwei Besonderheiten hinzu: zum einen zwei-drei Kieze, die "Rußland waren" (v.a. das Märkische Viertel); zum anderen, daß "nach Rapallo" ein gutes Drittel der russischen Diaspora Sowjetbürger waren (Ehrenburg, Eisenstein, Alexander Blok etwa), deren Verhältnis zu den "Weißen" entsprechend eisig war (obwohl es da, in den Klubs und Klüngeln der Kulturszene, neutrale Territorien gab, wo der Komment gewahrt wurde. Ein ähnliches Spannungsverhältnis gibts bis heute bei den beiden vietnamesischen Exilantengruppen bei uns: die Westler sind Boat People & deren nachkommen; die Ostler sind Kinder der Druschba narodniki zwischen Ho-Chi-Minh-Stadt und Berlin-O.**)

* "neuesten" ist relativ. Es handelt sich um eine leicht erweiterte Neuausgabe der Buchs von 2007; und das ist eine Umarbeitung/Erweiterung von 1998. Das zeigt übrigens auch, was ich selbst als typisches Merkmal unserer [Post]-Gegenwart festmache: die merkwürdige weitgehende Stillstellung der Zeit in perpetuierter Gegenwart. In dem Zeitraum, den Schlögel behandelt, wäre nach 20 Jahren ein grundstürzender Wandel der Verhältnissse ein getreten, zwischen 1897-1917, 1917-1937, 1937-1957 hat sich der Kosmos hier unten, und zwar alle Bereiche betreffend, umgedreht. In diesen Jahren wäre eine Neuauflage absolut anachronistisch gewesen; es hätte eines ganz neuen Ansatzes bedurft. Wir haben zwar in unserem Nunc stans seit 2011, besonders aber seit 2015, eine solche Zäsur: aber die "alten Verhältnisse" laufen einfach ungestört weiter. Immerhin hat es mich dazu gebracht, endlich mal Berdjajews Bücher zu ordern und die Nase hineinzustecken.

** Facette zwei: Es fällt auf, daß es in Sachen Kunst/Kultur/Literatur keine vietnamesische Diaspora gibt; auch keine chinesische, auch keine russische (die Dissidenten rund um 1970 herum, Solschenizyn, aber auch Brodsky, bilden die letzte Kohorte). Tempi passati auch hier, bzw. neues Paradigma[TM]. Wobei ich im Hinblick auf die Exilzentren Berlin-Paris mal schlicht konstatiere, ohne daß ich ansatzweise festmachen könnte, wie das zustandekommt, daß mir die Hervorbringungen des Spreekosmos in aller Regel nicht ansprechen (mit Nabokovs russischem Oeuvre als die Ausnahme, dessen "Die Gabe" ich schlicht für einen der größten russischen Romane überhaupt halte), während das, was in Paris gedichtet, geschrieben, gemalt wurde, in aller Regel ganz auf meiner Wellenlänge funkt: die Gedichte Georgi Iwanows etwa (ein forchtbarer Herausgeber & Duodez-Literaturtyrann, der es geschafft hat, wirklich jeden gegen sich aufzubringen, aber ein herrlicher Poet), die von Alexej Remisow (der sich als wunderbar verschrobenes Gesamtkunstwerk inszenierte, ein Bruder im Geiste von Erik Satie oder Robert Walser) oder die Bilder von Konstantin Somow. De gustibus...



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.12.2019 10:41
#32 RE: "Vorwärts zum wahren Sozialismus!" Herr K legt die Karten auf den Tisch Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #31
Es fällt auf, daß es in Sachen Kunst/Kultur/Literatur keine vietnamesische Diaspora gibt; auch keine chinesische, auch keine russische ...

Meine Vermutung: Das hat im wesentlichen wirtschaftliche Gründe.
Die Exilanten nach 1917 kamen fast alle aus der reichen Oberschicht. Das wesentliche Vermögen blieb natürlich in Rußland, aber viele haben wohl auch einiges mitnehmen können (nach Paris eher als nach Berlin). Wovon wohl innerhalb der russischen Diaspora auch Künstler profitieren konnten, die selber wenig hatten.

Während die Flüchtlinge aus Vietnam, China, der späteren Sowjetunion wohl immer bettelarm ankamen und sich aufs Überleben konzentrieren mußten.

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