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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 27 Antworten
und wurde 4.050 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

14.02.2020 19:37
Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Ich habe in Zettels Raum ja schon einmal einen Gedankenspaziergang veröffentlicht. Nunmehr ergeht sich der promeneur solitaire in den Dekaden bundesrepublikanischer Geschichte - Merkel-Bashing und ein Loblied auf die alte CDU dürfen nicht fehlen -, wobei er jedoch gegen das Grundgebot verstoßen hat, dass man über alles predigen darf, nur nicht über 10 Minuten. Das verehrte Publikum möge sich bezüglich des Artikelumfangs also in Nachsicht üben.

DrNick Offline




Beiträge: 809

14.02.2020 21:33
#2 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat
Denn seit der Kölner Silvesternacht, so scheint es jedenfalls aus der Vogelperspektive, kann sich das System Merkel nur noch über Pyrrhussiege freuen, sonst würde es nicht so hysterisch auf jede wirkliche oder vermeintliche Beeinträchtigung seiner Vormachtstellung reagieren.



Das klingt ein wenig so, als würde die Hysterie strategisch als letztes Mittel eingesetzt, das einem überhaupt noch bleibt. Das mag in manchen Fällen auch so sein (die Äußerungen über die Werte-Union, die man in den letzten Tagen hören konnte, mögen in diese Kategorie fallen), aber ich fürchte es ist viel schlimmer: Viele Leute sind wirklich hysterisch, weil sie meinen, die Moral stehe auf ihrer Seite (und zwar nur dort).

Das ist im übrigen auch kein rein deutsches Phänomen: In vielen westlichen Ländern hat sich in den letzten Jahren eine Haltung durchgesetzt, die es unmöglich macht, in einem Andersdenkenden etwas anderes als einen Feind zu sehen. Zugleich sinkt die Empörungsschwelle immer weiter ab: "coloured people" statt "people zu colour" zu sagen, kann heute schon zu einem mittleren Skandal führen.

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

15.02.2020 00:07
#3 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Eine interessante Betrachtung, lieber Noricus. Aber mir fehlt da etwas.

Ja, Angela Merkel ist der Tiefpunkt der deutschen Nachkriegspolitik, sie ist der Liebling der Bobos und zugleich die größte Totengräberin von konservativen oder auch schlicht nur rationalen Standpunkten. Nur: Sie ist nicht alleine. Ich finde man verkürzt sich immer ein wenig, wenn man rein in Angela Merkel diesen Tiefpunkt sieht, bzw. sie so singulär herausstellt. Auch wenn sich Adolf-Vergleiche immer ein bisschen verbieten (ich könnte ersatzweise auch Stalin, Pol Pot oder auch nur Walter Ulbricht aus dem Zylinder ziehen), Hitler wäre kaum in der Lage gewesen auch nur ein halbes Dutzend Menschen zu ermorden, wenn er nicht eifrige Helfer gehabt hätte, bzw. genügend Leute, die ihn gewähren ließen.

Und genau das trifft auch auf die CDU und Merkel zu, bzw. auf den größten Teil des deutschen, politischen Betriebes. Man kann von Ökostalinisten nicht erwarten, dass sie sich Merkel entgegenstellen (man kann von solchen im besten Falle erwarten, dass sie ihr restliches Leben möglichst wenig Schaden anrichten), aber was ist mit dem angeblich so konservativen Teil der Republik, bzw. auch und gerade der CDU? Inzwischen hat Merkel die meisten Schaltstellen der Macht mit Speichelleckern und Hofschranzen besetzt, aber die waren ja nicht immer da, bzw. es gab durchaus noch ein paar Vertreter, die noch aus früheren Zeiten stammten, bzw. nicht von ihr besetzt werden können.
Wolfgang Schäuble hatte mehrfach die Möglichkeit Merkel zu stoppen und er ist auch nicht derart blöd oder blind, dass er nicht sehen könnte was für eine Frau das ist und wo das hinführen wird. Er zog es vor zu schweigen und nichts zu tun. Horst Seehofer hatte mindestens einmal, eher zweimal die Möglichkeit den ganzen Budenzauber zu stoppen. Freilich war er zu feige dazu. Was eigentlich auch symptomatisch für die halbe CDU ist. Hat diese sich gewehrt, als ihnen Merkel auf dem Parteitag offen(!) ins Gesicht sagte, sie wolle den gerade gefallenen Beschluss zur doppelten Staatsbürgerschaft nicht umsetzten? Hat sie sich gewehrt als Merkel ebenso auf offenen Bühne die Deutschlandflagge mit angewidertem (!) Gesicht entsorgt hat? Hat sie sich überhaupt je gewehrt? Wer den Durchmarsch von Merkel verstehen will, der muss auch die Schwäche der CDU betrachten.
Außerhalb der CDU siehts nicht viel besser aus. Wo waren die anderen "Rationalisten" als Merkel den Energieirrsinn beschließen lies, bzw. den ESM? Sie haben mitgemacht, schlicht und einfach. Ich habe noch einen zweiseitigen Brief von meiner Kreisvorsitzenden hier liegen, die mir als Reaktion auf meinen Austritt nach dem ESM lang und breit erklärte wie wichtig und sinnvoll dieser wäre. Ich glaube da würde sie sich heute für schämen (zumindest wäre das zu hoffen). Auch die FDP hat immer brav die Klappe gehalten.
Und wo waren denn die ehrwürdigen Zeitungen, unsere angeblich so neutrale und tolle Berichterstattung als Merkel 2015 die Schleusentore öffnete? Sie haben gejubelt, von der sich selbst so neutral gebenden Zeit über die angebliche konservative FAZ bis zur Welt. Vom neuen Süddeutschland oder dem Spargel gar nicht angefangen. Sie haben alle mitgemacht. Und jetzt, nachdem die Katastrophe mehr und mehr sichtbar wird, wollen sie es alle nicht gewesen sein.

Und ein sehr gutes Beispiel findet sich auch in deinem Text. Wo waren denn die Verteidiger von Diskussion und freier Rede als Sarrazin gekreuzigt wurde? Als das Kernersche Fernsehgericht Eva Herrmann aburteilte? Und wo sind sie heute, wenn die Springer Presse (angeblich konservativ, was ein Witz) ihre neuesten Kampagne gegen Uwe Tellkamp auf die Schiene setzt? Sie sitzen alle da und schweigen.

Der Kulturkampf, den wir erleben hat nicht nur etwas damit zu tun, dass wir eine machtgeile, rücksichtslose wie prinzipienlose Trulla auf dem Kanzlersessel haben, die alles tut, was ihr die Linkspresse gerade einflüstert, sondern auch damit, dass all diejenigen, die etwas dagegen tun könnten, die Zähne nicht auseinander kriegen. Und allmählich muss man sich fragen ob die fähigen Kanzler der Nachkriegsgeschichte einfach historische Glücksfälle waren. Was wäre wenn jemand wie Merkel in den 70er Jahren Kanzler geworden wäre? Hätte es damals mehr Gegenwind gegeben oder wäre man auch damals still dabei gesessen. Weil, wenn letzteres der Fall ist, kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass Deutschland, Jahrzehnte nach dem Fall des dritten Reiches, immer noch ein perfektes Volk von Mitläufern ist.

Das sich die größten Mitläufer als Widerstandskämpfer des dritten Reiches sehen, hat dabei eine nicht gerade kleine ironische Note.

Johanes Offline




Beiträge: 2.414

15.02.2020 12:33
#4 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Ja, es gibt ein Problem mit der mangelhaften Aufarbeitung der DDR und so weiter.

Das Problem des Kulturkampfes kann aber weder mit der speziellen deutschen Situation, noch mit Merkel zu tun haben. Wir haben den Kulturkampf in der gesamten westlichen Welt, einschließlich Ausläufer in westlich beeinflusste Gruppen weltweit. Wenn das ernsthaft Merkels Schuld sein soll, dann müsste diese Frau fast die gesamte Welt beeinflussen können.

Das Problem hängt meines Erachtens mit dem Scheitern der sozialistischen Utopie zusammen.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

15.02.2020 18:47
#5 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von DrNick im Beitrag #2

Zitat
Denn seit der Kölner Silvesternacht, so scheint es jedenfalls aus der Vogelperspektive, kann sich das System Merkel nur noch über Pyrrhussiege freuen, sonst würde es nicht so hysterisch auf jede wirkliche oder vermeintliche Beeinträchtigung seiner Vormachtstellung reagieren.


Das klingt ein wenig so, als würde die Hysterie strategisch als letztes Mittel eingesetzt, das einem überhaupt noch bleibt. Das mag in manchen Fällen auch so sein (die Äußerungen über die Werte-Union, die man in den letzten Tagen hören konnte, mögen in diese Kategorie fallen), aber ich fürchte es ist viel schlimmer: Viele Leute sind wirklich hysterisch, weil sie meinen, die Moral stehe auf ihrer Seite (und zwar nur dort).



Sie haben mich missverstanden: Es gibt tatsächlich einerseits geheuchelte und andererseits authentische Hysterie. Ein unangefochtener Kulturhegemon braucht nicht hysterisch zu sein, weil die Abweichler ihn nicht zu gefährden vermögen.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

15.02.2020 19:26
#6 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #3
Eine interessante Betrachtung, lieber Noricus. Aber mir fehlt da etwas.


Damit kann ich leben, lieber Llarian, und zwar aus zwei Gründen:

1. Der Artikel ist ohnehin schon sehr lang. Weitere Inhalte hätten ihm wahrscheinlich nicht gutgetan.

2. Vieles von dem, was Du schreibst, ist meines Erachtens offenkundig. Natürlich hätte Merkel niemals reüssiert, wenn sie nicht in massiver Weise aktive Unterstützung erhalten und das konservativ-liberale Lager ihr Tun nicht zumindest geduldet hätte. Das würde wohl kaum jemand bestreiten.

Eine interessantere Frage ist doch, wie Merkel in diese Position der Unangefochtenheit gelangen konnte. Ist es nicht bemerkenswert, dass Merkel mit ihrem Linksschwenk genau dann begonnen hat, als sie sich aller innerparteilichen Konkurrenten entledigt hatte? Zumindest in den konservativen Parteien war es nämlich ein Novum, dass diese über nur eine kanzlertaugliche Kraft verfügten. Sogar in der CSU unter Strauß gab es die sog. Kronprinzen und auch Kohl ließ neben sich Parteifreunde zu Bundesministern oder Ministerpräsidenten reifen, die ihm gefährlich werden konnten. Auch Merkel hat er gefördert. Anders formuliert: In der Kohl-CDU lauerten so einige potenzielle Königsmörder, denen man auch das Königsamt zugetraut hätte, wenn sich für sie die Gelegenheit zum erfolgreichen Regizid geboten hätte. Dies wirkte für den starken Mann der CDU in ungemeiner Weise disziplinierend, weil er - um nicht seine Konkurrenten zum Dolchzücken zu animieren - die Partei hinter sich versammeln musste, was ihm nur dann gelang, wenn er selbst die Mitte der Partei repräsentierte, aber auch die Links- und Rechtsaußen in seine Regierung integrierte bzw. diese auch einmal einen Punkt machen ließ.

Diese Einschränkung ihrer Beinfreiheit hat Merkel von Anfang an beseitigen wollen: Solange es noch innerparteiliche Mitbewerber gab, tönte Merkel leidlich konservativ. Als sie alle anderen Thronprätendenten abserviert hatte, konnte sie ihre Politik der Beliebigkeit, deren einzige Ziele Machterhalt und Machtsicherung durch Multiplikatoren-Applaus sind, völlig ungerührt ins Werk setzen. In der CDU gab es vielleicht nach wie vor potenzielle Königsmörder, aber das Königsamt traute diesen niemand zu. Und deshalb schluckten im Kanzlerwahlverein auch all jene, die wegen bestimmter ideeller Werte und politischer Präferenzen in die CDU eingetreten waren, die sich zunehmend grün einfärbende Kröte.

Was ihre Nachfolgeplanung betraf, so bewies Merkel auch wieder größtes Geschick bezüglich der Sicherung ihrer Position. Eine Zeit lang galt ja von der Leyen als Kronprinzessin, also eine Politikerin, die in sämtlichen ihrer Ministerämter versagt und verbrannte Erde hinterlassen hatte und die so weit hinter der politischen Statur Merkels zurückblieb, dass ein vorzeitiger Putsch der Niedersächsin schlechterdings denkunmöglich war. Dass AKK, zuvor eine bessere - sit venia verbo - Oberbürgermeisterin, nicht das Kreuz hatte, um im Berliner Haifischbecken zu bestehen, hat die Kanzlerin mit der ihr zweifellos eigenen Menschenkenntnis antizipiert. Es mag in diesem Zusammenhang von Interesse sein, dass sie einen Jens Spahn so weit wie möglich schnitt und blockierte. (Spahn verdankt seinen Aufstieg dem mächtigen NRW-Landesverband.)

Es stimmt schon: Niemand ist Merkel in den Arm gefallen. Aber diese hat auch alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sie - zumindest geraume Zeit - für die CDU und auch die CSU tatsächlich alternativlos war, weil sie gegen blasse SPD-Kandidaten ganz sicher die Oberhand behielt und es sonst niemanden in der Union gab, bei dem dies der Fall gewesen wäre.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

15.02.2020 19:35
#7 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #4
Das Problem des Kulturkampfes kann aber weder mit der speziellen deutschen Situation, noch mit Merkel zu tun haben. Wir haben den Kulturkampf in der gesamten westlichen Welt, einschließlich Ausläufer in westlich beeinflusste Gruppen weltweit. Wenn das ernsthaft Merkels Schuld sein soll, dann müsste diese Frau fast die gesamte Welt beeinflussen können.


Sie haben Recht. Allerdings verläuft dieser Kulturkampf nicht überall gleich. Sie können noch nicht einmal die Situation in Deutschland mit jener des diesem sonst so ähnlichen Österreich vergleichen, wo die sog. Rechtspopulisten ja schon auf Bundes- und Landesebene (mit)regiert haben.

Zitat von Johanes im Beitrag #4
Das Problem hängt meines Erachtens mit dem Scheitern der sozialistischen Utopie zusammen.


Das sehe ich auch so.

HR2 Offline



Beiträge: 915

16.02.2020 20:11
#8 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #6


Eine interessantere Frage ist doch, wie Merkel in diese Position der Unangefochtenheit gelangen konnte. Ist es nicht bemerkenswert, dass Merkel mit ihrem Linksschwenk genau dann begonnen hat, als sie sich aller innerparteilichen Konkurrenten entledigt hatte? Zumindest in den konservativen Parteien war es nämlich ein Novum, dass diese über nur eine kanzlertaugliche Kraft verfügten. Sogar in der CSU unter Strauß gab es die sog. Kronprinzen und auch Kohl ließ neben sich Parteifreunde zu Bundesministern oder Ministerpräsidenten reifen, die ihm gefährlich werden konnten. Auch Merkel hat er gefördert. Anders formuliert: In der Kohl-CDU lauerten so einige potenzielle Königsmörder, denen man auch das Königsamt zugetraut hätte, wenn sich für sie die Gelegenheit zum erfolgreichen Regizid geboten hätte.


Helfen Sie mir mal auf die Sprünge. Mir fallen für die Vergangenheit als potentielle Merkelmörder ad hoc nur Merz und Koch ein.
Im Grunde Schwächlinge, die es mit Merkel nie aufnehmen konnten/wollten? Merkel hatte während ihrer Regentschaft nie starke Konkurrenz.

Am CDU-Horizont sehe ich nur Jens Spahn, dem ich das nötige Rüstzeug als Merkel-Nachfolger zutraue. Aber das ist Zukunft.

HR2 Offline



Beiträge: 915

17.02.2020 01:01
#9 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Merkels Wille zur Macht ist heute schon legendär.
Wer traut sich in ihre Fußstapfen?

Martin Offline



Beiträge: 4.129

17.02.2020 11:22
#10 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #9
Merkels Wille zur Macht ist heute schon legendär.
Wer traut sich in ihre Fußstapfen?


Wenn sich jemand an der Macht nur festklammert, dann sehe ich darin keinen Willen zur Macht. Es geht auch nicht um Fußstapfen, es geht darum, wem man die Aufräumarbeit zutraut.

'Macht' würde bedeuten, dass sie eigene Positionen formuliert und durchsetzt. Sie hält sich aber an der 'Macht', indem sie die eigene Partei zwingt, Positionen anderer zu schlucken oder mit ihr unterzugehen. Sie ist feige, was andere als 'in Ruhe Abwarten' interpretieren. Oder hat sie sich in den letzten zwei Wochen öffentlich hingestellt und sich zu dem von ihr angerichteten Desaster geäußert? Warum akzeptiert die Republik, dass sie so feige abtaucht?

Gruß
Martin

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.551

17.02.2020 11:42
#11 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #10
Sie ist feige, was andere als 'in Ruhe Abwarten' interpretieren.


Das trifft den Kern des "Phänomens Merkel". Sie ist ja - in schlicht jedem anderen Belang, den man anführen kann - rein negativ. Eine Leerstelle. Freilich eine, auf die alles mögliche projiziert worden ist - angefangen von ihrem schattenhaften Ruf als "Physikerin." Sie hat nie etwas wirklich vertreten (außer, am Kurs, der opportun erschien, mit erschreckender Sturheit festzuhalten). Sie hat niemals durch irgendeine Sachkenntnis auf einem der Felder, die sie umgepflügt hat, geglänzt. Ihr Geplapper war immer das eines Naivlings. Die einzige Konstante war ein nachgerade mörderischer Machtinstinkt, mit der Betonung auf "Instinkt." Sie ist die fleischgewordene Version jener Fabelfiguren, die ahnungsfrei und mit trägem Verstand ihre Umwelt glauben machen, in ihnen sei der Weltgeist wirkend: wie Forrest Gump, der Doktor Allwissend oder der Gärtner Mr. Chance in Jerzy Kosinskis Being There. (Chance war bekanntlich die letzte große Rolle von Peter Sellers; da er zwei Jahrzehnte zuvor mit Hrundi V. Bakshi in Blake Edwards The Party eine identisch angelegte Figur gespielt hat, schlage ich vor, ihn auch bei der irgendwann anstehenden Hollywoodbebilderung Frau Merkel geben zu lassen.)



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Eloman Offline



Beiträge: 239

17.02.2020 14:38
#12 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Leider ist Peter Sellers schon verstorben. Aber selbst Oliver Welke vom Staatskabarett war, wie man in der Heute-Show vom letzten Samstag sehen und hören konnte, aufgefallen, dass Merkels Verhalten in der Thüringen-Causa mit Demokratie nicht vereinbar ist.

moise trumpeter Offline



Beiträge: 236

19.02.2020 20:57
#13 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #11
Zitat von Martin im Beitrag #10
Sie ist feige, was andere als 'in Ruhe Abwarten' interpretieren.


Das trifft den Kern des "Phänomens Merkel". Sie ist ja - in schlicht jedem anderen Belang, den man anführen kann - rein negativ. Eine Leerstelle. Freilich eine, auf die alles mögliche projiziert worden ist - angefangen von ihrem schattenhaften Ruf als "Physikerin." Sie hat nie etwas wirklich vertreten (außer, am Kurs, der opportun erschien, mit erschreckender Sturheit festzuhalten). Sie hat niemals durch irgendeine Sachkenntnis auf einem der Felder, die sie umgepflügt hat, geglänzt. Ihr Geplapper war immer das eines Naivlings. Die einzige Konstante war ein nachgerade mörderischer Machtinstinkt, mit der Betonung auf "Instinkt." Sie ist die fleischgewordene Version jener Fabelfiguren, die ahnungsfrei und mit trägem Verstand ihre Umwelt glauben machen, in ihnen sei der Weltgeist wirkend: wie Forrest Gump, der Doktor Allwissend oder der Gärtner Mr. Chance in Jerzy Kosinskis Being There. (Chance war bekanntlich die letzte große Rolle von Peter Sellers; da er zwei Jahrzehnte zuvor mit Hrundi V. Bakshi in Blake Edwards The Party eine identisch angelegte Figur gespielt hat, schlage ich vor, ihn auch bei der irgendwann anstehenden Hollywoodbebilderung Frau Merkel geben zu lassen.)


Sie ist Fafner, sie liegt auf dem Hort und besitzt. Etwas anfangen kann sie mit Ring, Hort und Helm nicht wirklich.
Irgendwann kommt Siegfried mit Notung vorbei.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.02.2020 11:07
#14 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #8
Im Grunde Schwächlinge, die es mit Merkel nie aufnehmen konnten/wollten? Merkel hatte während ihrer Regentschaft nie starke Konkurrenz.

Am Anfang ihrer Regentschaft galt Merkel selber als völlig schwache Übergangskandidatin. Da war eigentlich jeder halbwegs prominente CDUler starke Konkurrenz für sie.
Es hat schon eine Weile gebraucht, bis sich das langsam verschoben hat.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.02.2020 11:11
#15 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von DrNick im Beitrag #2
Das ist im übrigen auch kein rein deutsches Phänomen: In vielen westlichen Ländern hat sich in den letzten Jahren eine Haltung durchgesetzt, die es unmöglich macht, in einem Andersdenkenden etwas anderes als einen Feind zu sehen.

Das ist leider richtig. Eine "Gemeinsamkeit der Demokraten" gibt es inzwischen in fast allen westlichen Ländern nicht mehr. Es wird allgemein emotionalisiert, polarisiert und der Respekt vor Regeln und demokratischen Traditionen sowie die Bereitschaft zum sachlichen Kompromiß sind stark geschwunden.

Es ist insgesamt die Frage, wie die Gesellschafts- und Regierungsform "Demokratie" damit fertig wird.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

20.02.2020 13:18
#16 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #15
Zitat von DrNick im Beitrag #2
Das ist im übrigen auch kein rein deutsches Phänomen: In vielen westlichen Ländern hat sich in den letzten Jahren eine Haltung durchgesetzt, die es unmöglich macht, in einem Andersdenkenden etwas anderes als einen Feind zu sehen.

Das ist leider richtig. Eine "Gemeinsamkeit der Demokraten" gibt es inzwischen in fast allen westlichen Ländern nicht mehr. Es wird allgemein emotionalisiert, polarisiert und der Respekt vor Regeln und demokratischen Traditionen sowie die Bereitschaft zum sachlichen Kompromiß sind stark geschwunden.



Diese zunehmend verfeindeten Grabenkämpfe sind umso erstaunlicher, weil die Differenzen in der Sache ja nicht größer geworden sind.
Die sachlichen Differenzen zwischen den einzelnen Lagern waren früher eher größer als heutzutage.

In den USA war der größte innenpolitische Streitpunkt der letzten Jahre z.B. Obamacare. Um diese Frage wurde ein riesiges Fass aufgemacht und es kam zu bittersten Auseinandersetzungen.
Natürlich war das eine einschneidende Reform. Aber im Ernst: Die technischen Details der Krankenversicherung sollten ein Land doch nun wirklich nicht an den Rand eines Bürgerkriegs führen.

Auch in Deutschland sind sich selbst Grüne und AfD in den meisten wirklich wichtigen Punkten einig.
(Nur mal ein Beispiel: Keiner von beiden fordert die Verstaatlichung der Schwerindustrie oder die Kollektivierung der Landwirtschaft. In den 50er Jahren wurden solche wirklich fundamentalen Fragen aber durchaus noch zwischen CDU und SPD ausgefochten. Ohne dass sich die beiden deshalb derart gegenseitig als persona non grata abqualifiziert hätten, wie das heutzutage der Fall ist.
Weder AfD noch Grüne fordern eine Änderung der Staatsform, etwa eine Einführung der Monarchie. Solche grundsätzlichen Fragen werden z.B. in Australien durchaus disktiert.
Weder AfD noch Grüne fordern die Freigabe von Schusswaffen oder die Wiedereinführung der Todesstrafe - beides Fragen, die in anderen Demokratien durchaus Streitpunkte sind.
Sowohl AfD als auch Grüne wollen die Sozialversicherungssysteme im wesentlichen unverändert erhalten - in anderen Ländern wird über solche Punkte durchaus gestritten)

Oder noch ein anderes Beispiel:
Ganz selbstverständlich fordern deutsche Demokraten, dass sich doch bitte Israelis mit der Hamas an einen Tisch setzen und "im Gespräch bleiben" sollen.
(Obwohl letztere nach wie vor die totale Vernichtung von ersteren in ihrem Programm stehen haben).
In Deutschland wird es hingegen von Grünen als Zumutung betrachtet, sich mit einem AfD-Abgeordneten zu unterhalten - obwohl die AfD natürlich nicht die Liqudierung aller Grünen in ihrem Programm hat).

Und noch ein Beispiel:
Man betrachte aktuell die Vorwahl-Diskussionen der Demokraten in den USA. Da wird sich verbal bis auf Blut gestritten und der andere als Mensch diskreditiert. Dies wohlgemerkt innerhalb der eigenen Partei und angesichts von oft nicht allzu großen politischen Differenzen.

Woher kommt diese Verbitterung zwischen Politikern, die - zumindest historisch oder im internationalen Vergleich betrachtet - sich in ihren politischen Ansichten gar nicht so massiv unterscheiden?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.02.2020 17:00
#17 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #16
Diese zunehmend verfeindeten Grabenkämpfe sind umso erstaunlicher, weil die Differenzen in der Sache ja nicht größer geworden sind.
Die sachlichen Differenzen zwischen den einzelnen Lagern waren früher eher größer als heutzutage.

Das ist leider richtig.

Zitat
Natürlich war das eine einschneidende Reform. Aber im Ernst: Die technischen Details der Krankenversicherung sollten ein Land doch nun wirklich nicht an den Rand eines Bürgerkriegs führen.

Kein gutes Beispiel: Bei Obamacare ging es nicht um irgendwelche Verwaltungsdetails, sondern um Grundsatzfragen. Einerseits die Frage, wie stark der Staat in die Selbstbestimmung der Bürger mit zwangsverordneten Versicherungen eingreifen darf. Und vor allem auch um die Grundsatzfrage, ob die Zentrale in Washington mit solchen Maßnahmen die föderale Struktur und die Rechte der Bundesstaaten zurückdrängen darf.

Zitat
Auch in Deutschland sind sich selbst Grüne und AfD in den meisten wirklich wichtigen Punkten einig.


Grundsätzlich richtig. Wobei die Beispiele halt solche sind, die ohnehin nicht groß strittig sind und daher ist die Einigkeit zwischen Grünen und AfD nebensächlich.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

20.02.2020 18:44
#18 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #17

Zitat
Auch in Deutschland sind sich selbst Grüne und AfD in den meisten wirklich wichtigen Punkten einig.

Grundsätzlich richtig. Wobei die Beispiele halt solche sind, die ohnehin nicht groß strittig sind und daher ist die Einigkeit zwischen Grünen und AfD nebensächlich.




Nicht strittig in Deutschland im Jahr 2020.
Aber durchaus strittig in Deutschland in früheren Jahrzehnten oder Jahrhunderten.
Und auch heute noch strittig in anderen Ländern.

Das ist ja, was ich meine:
Eigentlich sind wir uns im aktuellen Deutschland im wesentlichen ja sehr einig.
Uneinigkeit besteht nur in Punkten, die (historisch oder aus dem Blickwinkel anderer Länder aus gesehen) ziemliche Petitessen sind.
Und doch führen diese Petitessen zu einer schier unglaublichen Verbitterung gegeneinander.

In vielen Fällen scheint es sogar so, dass wir anderen Deutschen selbst kleinste Meinungs-Abweichungen kaum mehr zugestehen wollen, die wir ansonsten als kulturelle Diversität locker akzeptieren.
(Ein deutscher Politiker wird medial gekreuzigt, wenn er einen kleinen sexistischen Witz macht. Dass ein paar Straßen weiter in Berlin moslemische Frauen von ihren Männern zur Verschleierung angehalten werden, stört hingegen niemanden).

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.004

20.02.2020 18:48
#19 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #16
Woher kommt diese Verbitterung zwischen Politikern, die - zumindest historisch oder im internationalen Vergleich betrachtet - sich in ihren politischen Ansichten gar nicht so massiv unterscheiden?


Das Verhalten von Politikern ist m.E. nur ein Symptom der allgemein aggressiveren politischen Stimmung, welche ich auf die Vernetzungsmöglichkeiten seit Entstehung des Web 2.0 zurückführe, denn seitdem läuft diese Entwicklung.

Zur Erläuterung:

Danisch führt die Entstehung und Radikalisierung der bekannten, politischen Sekten (Gender, Klima) gerne auf die Dynamik in Gruppen von Menschen zurück. Ich kann der Theorie durchaus was abgewinnen: Man sucht Gleichgesinnte für's eigene Wohlsein, und versucht dann automatisch in der Gruppe einen höheren Status zu erlangen indem man auf die Ideen der anderen Mitglieder noch einen draufsetzt. Das Web 2.0 hat es den Leuten sehr einfach gemacht, ohne viel Aufwand und z.T. in Anonymität die passende Gruppe zu finden und sich dort aufzuspielen. Man führt die politischen Debatten dann in seiner Echokammer, in der man für Radikalität Applaus erntet, anstatt im realen Freundes- und Familienkreis, in dem man schon grundsätzlich einen anderen Ton anschlagen würde und wo die Möglichkeit besteht, dass es Andersdenkende gibt mit denen man keinen Streit möchte. So weit so gut.

Problematisch wird das Ganze dann, wenn diese Gruppen gefragt sind Kompromisse zu finden, weil das völlig unmöglich ist. Jeder ausserhalb der eigenen Gruppe wird als Feind betrachtet. Die und wir. Ein Stammeskrieg.

Logischerweise färbt diese Kultur auch auf Politiker ab; sei es weil sie selbst Teil einer extremen Gruppe sind oder sich von dieser bestätigt sehen (Trump, Farage, Greta und dergleichen), weil sie sich extremen Anfeidungen ausgesetzt sehen (der Mainstream-Politiker) oder auch nur, weil die ganze Thematik über die Medien an sie herangetragen wird. Wenn ich auf meiner FB-Seite jeden Tag Anfeindungen von AfD-Sympathisanten lese, projeziere ich diese irgendwann auch auf die Mitglieder dieser Partei. Dann kommt es zu den typischen Überreaktionen und Entgleisungen ("Gesindel"), die früher oder später einfach keine Debatte mit dem politischen Gegner mehr zulassen. Das eigentliche Thema der Debatte spielt dann auch keine Rolle mehr, egal ob Weltpolitik oder Müllgebühr: Wir und die, Freund und Feind.

Dieses Phänomen lässt sich ja wirklich in allen Ländern feststellen, in denen die Bevölkerung halbwegs freien Zugang zum Internet hat. Davor war es einfach schwerer für politische Bewegungen so eine Dynamik zu entwickeln.

Abifiz Offline




Beiträge: 41

20.02.2020 23:09
#20 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Ich stimme der These meines Vorredners F.Alfonzo zu, insoweit ja auch sie einen mächtigen Absturz ins Tribale ausdrücklich erfaßt. Inwieweit das Internet mit-ursächlich daran kräftig beteiligt sei, kann ich noch nicht beurteilen, weil der Gedanke dazu mir noch zu neu ist. Abwegig erscheint er mir jedoch gar nicht. Ich werde darüber brüten und irgendwann über dessen üppige oder eher anorektische "Früchte" hier berichten.

Zum Absturz in die Stammeskriege: Als Neu-Erscheinung betrifft er den Westen. Als Erscheinung höhlt er die Demokratie vollständig aus. (Mögliches Ende der Demokratie für mehrere Generationen??!!)
Paradoxe Mit-Ursache: Etliche ursprünglich sehr sinnvolle befreiend-emanzipatorische Bewegungen mit schließlichem Ausgang in den Haß.
Kern-Mit-Ursache: Der Selbsthaß.
Der Haß des "Westens" / im "Westen" auf den Westen. Der personale Haß der Westler auf sich selber als Westler. Gepaart mit (zuweilen wahnhaft phrenetisch...) galoppierendem Narzißmus: So - z.B. - zeugen die Westler immer weniger Kinder (demographischer Total-Absturz / vorausberechenbares Ende der Fahnenstange), weil Kinder eine Last und eine Bremse sind; weil Kinder kosten; weil es eh in Äquatorialguinea/Papua-Neu-Guinea/Guyana/Bangladesch viel zu viele Kinder gibt; weil man eh mit sich selber genug auf dem Kerbholz hat; weil man falsch erziehen könnte; weil man sich vom Konsum (??!!) abwenden will; weil sie CO2 produzieren; weil es nur im Interesse des Kapitals wäre; weil eine gelingen-wollende pralle Apokalypse keiner Kinder bedarf; weil der Kampf gegen rechts Vorrang hat; weil Kinder so was von altmodisch sind; weil...; weil...; weil... Weil!!

Narzißmus bedeutet ("bedeutet mit": es gibt ja wohl auch andere Ursachen...) das Versiegen echter Liebe in welcher Form auch immer.

Selbsthaß bedeutet Trieb zur Selbstbestrafung. (Metaphorisch) als Trieb zum Tode zu erkennen.

Stammeskriege; Unwille zum Aufbauenden, Versöhnenden, Fruchtbaren, Sinnvollen, sinnvoll (auch sinnvoll verzehrend) Suchenden, Liebevollen zu sich selber und dem Gegenüber, zum Konsistenten überhaupt; Selbst-Fragmentierung und zunehmender Verlust der Fähigkeiten anzusprechen, sich ansprechen zu lassen, verstehend zu lesen, sich befruchten zu lassen als schroffe Bahn in den Tod.


***************************************


Und dennoch: einiges an den Fragmentierungen um den Haß erscheint mir besonders deutsch.

Bedaure, aber seit ungefähr sechsundzwanzig, siebenundzwanzig Jahren spüre zumindest ich persönlich ein mähliches Wuchern des furor teutonicus; ein doch auch partikulär deutsches breites Verebben des Rationalen; eine deutsche tendenzielle Unbedingtheit zum rauhen Chiliasmus; mit der Kündigung des Friedens auch den Durst zum "Gemetzel" als eigentlichen Durst zum "Endlösungsförmigen".

Und bange sehe ich die Rückkehr der "deutschen Frage" darinnen, daß die besonders deutsche - verleugnete virulente - Sehnsucht zur Barbarei und der deutsche Wille zur Entwestlichung sich nach und nach zur Kenntlichkeit zu verzerren scheinen.



Meine sehr kluge Signatur befindet sich noch in der Herstellungsphase. Falls keine gravierenden Inkompatibilitätsprobleme auftauchen werden, rechne ich mit ihrer Lieferung für das 1. Quartal 2034. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

21.02.2020 01:07
#21 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #16
In den USA war der größte innenpolitische Streitpunkt der letzten Jahre z.B. Obamacare. Um diese Frage wurde ein riesiges Fass aufgemacht und es kam zu bittersten Auseinandersetzungen.
Natürlich war das eine einschneidende Reform. Aber im Ernst: Die technischen Details der Krankenversicherung sollten ein Land doch nun wirklich nicht an den Rand eines Bürgerkriegs führen.

Ich stimme R.A. zu, das ist kein gutes Beispiel. Zumal der Streit um Obamacare nicht primär in der Politik geführt wurde sondern auch ganz massiv auf der Strasse. Obamacare ist nicht nur eine Krankenversicherung sondern ebenso ein gigantisches Umverteilungsprogramm.

Zitat
Weder AfD noch Grüne fordern eine Änderung der Staatsform, etwa eine Einführung der Monarchie. Solche grundsätzlichen Fragen werden z.B. in Australien durchaus disktiert.
Weder AfD noch Grüne fordern die Freigabe von Schusswaffen oder die Wiedereinführung der Todesstrafe - beides Fragen, die in anderen Demokratien durchaus Streitpunkte sind.
Sowohl AfD als auch Grüne wollen die Sozialversicherungssysteme im wesentlichen unverändert erhalten - in anderen Ländern wird über solche Punkte durchaus gestritten)


Da sind schon mehr als Detailsunterschiede. Die Grünen sprechen es nicht offen aus, aber die Demokratiefestigkeit ist dort sehr, sehr begrenzt. Die Grünen sind die Partei, die nahezu standardmäßig zu außerparlamentarischen Mitteln greifen um Dinge, die sie politisch nicht durchgesetzt bekommen, anderweitig zu erzwingen. Sie unterschieden sich da deutlich von anderen Parteien, insbesondere aus dem konservativen Spektrum. Was die Todesstrafe und die AfD angeht so wäre ich da vorsichtig, das ist einfach kein aktuelles Thema, aber auf die Mehrheiten würde ich mich nicht verlassen wollen. Und was die Sozialsicherungssysteme angeht, so gibt es auch hier sehr, sehr deutliche Differenzen. Die AfD sieht als Zielgruppe des Sozialstaates eine gänzlich andere als die Grünen. Die Grünen betrachten die Deutschen als das Sozialamt der Welt, das ist ein himmelweiter Unterschied. So klein sind die Unterschiede dann nicht.

Zitat
Woher kommt diese Verbitterung zwischen Politikern, die - zumindest historisch oder im internationalen Vergleich betrachtet - sich in ihren politischen Ansichten gar nicht so massiv unterscheiden?


Ich behaupte nicht diese Frage beantworten zu können, aber es scheinen mir zwei Dinge wenigstens eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen:

1. Die deutsche Politik (auch die internationale, aber die deutsche dem voran) hat sich deutlich professionalisiert (und das meine ich nicht im positiven Wortsinne). Nach dem zweiten Weltkrieg und auch noch Jahrzehnte danach war die Politik nicht von Berufspolitikern durchsetzt sondern mit ganz unterschiedlichen Personenkreisen, einfach weil es nach dem Krieg ja auch keine solche "Kaste" gab. Das waren vielfach gestandene Persönlichkeiten, die auch durchaus Erfahrung außerhalb des politischen Betriebes hatten und nicht ihre Ausbildung mit dem Ziel Politik begonnen haben. Vergleichen wir hier die USA ist es dort (noch) anders: Von einem Präsidenten (und auch von einem Senator) wird erwartet, dass er im Leben schon was erreicht und gezeigt hat. Obama war der erste Abweichler davon (und seine Wahl war im Wesentlichen rassistischen Gründen zu verdanken). Entsprechend wurde unter ihm das Land aber deutlich polarisierter. In der Bundespolitik gibt es fast keinen Politiker mehr, der wirklich mal etwas anderes als Politik gemacht hat. Das hat dem Betrieb nicht gut getan. Wer sein ganzes Leben durch eine Brille schaut, neigt zur Verbitterung.

2. Der Kollektivismus hat international, aber ebenso vor allem in Deutschland, in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Und das Problem beim kollektiven Denken ist, dass es naturgemäß aggressiv ist. Kollektivisten mögen nicht nur den Individualismus, respektive Liberalismus, nicht, sie mögen andere Kollektivisten auch nicht, wenn die nicht dem selben Dogma angehören. Wieder nach dem zweiten Weltkrieg hatte der Kollektivismus erst einmal keine gute Lobby: Der rechte Kollektivismus hatte gerade die halbe Welt in Brand gesetzt und knappe 50 Millionen Menschen dabei umgebracht, der linke Kollektivismus schickte sich gerade an die andere Hälfte in Ketten zu legen (und tat das dann auch). Spätestens mit dem Mauerbau hatten in Deutschland weder linke noch rechte Kollektivisten wirklich gute Karten und das war doppelt doof für sie, denn sie unterstützen sich ja nicht nur gegenseitig in ihrer Wirkung, die Abwesenheit des vermeintlichen Feindes beraubt einen auch dem Feindbild und macht das eigene Weltbild unattraktiver. Nach dem Untergang der DDR legte sich dann der linke Morgentau übers Land, denn die schlechte Lobby geriet mehr und mehr in Vergessenheit. Und gleichzeitig fand der linke Kollektivismus einen faszinierenden Mechanismus: Er brauchte keinen rechten Feind, um ein Feindbild zum Aufbau zu nutzen, es reichte völlig diesen herbei zu phantasieren. Und im selben Maße änderte sich dann auch der Ton. Durch den Erfolg der Linken wiederum (und die von ihr jetzt betriebene Politik, die sie wieder durchsetzen kann), bildet sich in der Gegenbewegung wieder ein rechtes Kollektiv. Und beide hassen einander.

Beide Argumente lassen sich auf ein drittes, banaleres zurückführen: Dekadenz. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Welt alles andere als dekadent. Es regierten die Pragmatiker um das Überleben zu sichern. Um wieder aufzubauen. Um eine bessere Zukunft zu schaffen. Im Schatten dieses Wiederaufbaus sind ganz andere Strukturen gewachsen. Und sie werden getragen von Menschen, die gerne von Not, Krieg, Brutalität und Bedrohung phantasieren, aber das nur aus der Theorie kennen. Sie haben die Folgen von kollektivem Denken nie selber kennen gelernt, sie kennen nicht einmal mehr jemanden, der es getan hat. Oder simpel gesagt: Sie haben im wesentlichen keine Ahnung.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.260

21.02.2020 10:47
#22 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Aus meiner Sicht (bürgerlicher Liberaler) ist das absolut dominante Gesellschafts- und Herrschaftsmodell "irrationaler Kollektivismus unter autoritärer Führung ".

Eine FDGO nach meinem Wunsch ist die ABSOLUTE AUSNAHME. FDGO nach meinem Wunsch ist so in etwa:

Eine Republik als freiheitlicher, rechtsstaatlich-demokratischer Bundesstaat mit verfassungsmäßigen Minderheitenschutz, Länderhoheit (= Möglichkeit lokaler Lösungen auf der Ebene von für den Bürger überschaubaren Verwaltungseinheiten) und starker Sozialgesetzgebung, weitgehender Trennung von Staat und Kirche, verankertem Schutz für Ehe&Familie sowie starker Gewaltenteilung und verfassungsmäßig verankertem Verbot von Expansion&Angriffskriegen sowie einer klaren Regelung der Vergabe von Bürgerrechten (= Abwehr von ungesteuerter Einwanderung).

Eigentlich sollte jeder Mensch vor Glück platzen, der in der richtigen Zeit und am richtigen Ort geboren wird, um so etwas zu erleben. Denn die Masse der Menschen lebt in religiösen und sonstigen ideologischen Diktaturen, in Kollektivgesellschaften, in unsozialen Herrschaftskonstrukten mit Ausbeutung und Unterdrückung von Minderheiten & Andersdenkenden.

Statt dessen sehen wir Millionen Bürger, ganz besonders auf der "linken" Seite, die alles in ihrer Macht stehende tun, um diese geschichtlichen Glücksfälle zu untergraben, auszuhöhlen.

Ganz offensichtlich ist der Mensch als Spezies für eine Gesellschaft wie oben definiert (und meine Definition umfasst dramatisch mehr als nur Demokratie = "irgendwas mit Wahlen") nicht geschaffen.

Unser System wird scheitern, ist dabei zu scheitern, weil zu viele unserer Bürger so etwas nicht haben wollen.

___________________
Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.

HR2 Offline



Beiträge: 915

21.02.2020 15:58
#23 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #10
Zitat von HR2 im Beitrag #9
Merkels Wille zur Macht ist heute schon legendär.
Wer traut sich in ihre Fußstapfen?


Wenn sich jemand an der Macht nur festklammert, dann sehe ich darin keinen Willen zur Macht. Es geht auch nicht um Fußstapfen, es geht darum, wem man die Aufräumarbeit zutraut.

'Macht' würde bedeuten, dass sie eigene Positionen formuliert und durchsetzt. Sie hält sich aber an der 'Macht', indem sie die eigene Partei zwingt, Positionen anderer zu schlucken oder mit ihr unterzugehen. Sie ist feige, was andere als 'in Ruhe Abwarten' interpretieren. Oder hat sie sich in den letzten zwei Wochen öffentlich hingestellt und sich zu dem von ihr angerichteten Desaster geäußert? Warum akzeptiert die Republik, dass sie so feige abtaucht?

Gruß
Martin


Macht kann man auch um ihrer selbst Willen anstreben. Hierfür ist Merkel das beste Beispiel.
Dann ist die Triebfeder nicht die Sache, sondern Narzissmus. Und dieser ist bei Politikern
und Journalisten häufig die Hauptmotivation allen Tuns.
Zudem ist Merkel eine Frau. Frauen morden nicht mit Gewalt. Frauen morden mit Gift. ;)

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.004

21.02.2020 16:07
#24 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von Abifiz im Beitrag #20
Zum Absturz in die Stammeskriege: Als Neu-Erscheinung betrifft er den Westen.


Würde ich so nicht sagen. Auch in Asien gibt es diese Radikalisierung, in Ländern die mit der anglo-säx'schen Kultur überhaupt nichts zu tun haben.

Man spürt die Auswirkungen dieser Veränderung halt vor allem in Ländern wie Deutschland (auch die USA würde ich da mit anführen), die eine Konsens-Demokratie hatten, die darauf beruht dass Politiker niemals wirklich ins Konkrete gehen sondern sich alle Optionen offen halten, man weiss ja nie...

In Ländern wie bspw. Israel, die politisch schon immer in Extremen zerfleddert waren, ist das kein neues Phänomen. Die gehen da im Parlament schon seit 50 Jahren mit Axt und Beil aufeinander zu.

HR2 Offline



Beiträge: 915

21.02.2020 16:11
#25 RE: Zehn Jahre Kulturkampf Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #14
Zitat von HR2 im Beitrag #8
Im Grunde Schwächlinge, die es mit Merkel nie aufnehmen konnten/wollten? Merkel hatte während ihrer Regentschaft nie starke Konkurrenz.

Am Anfang ihrer Regentschaft galt Merkel selber als völlig schwache Übergangskandidatin. Da war eigentlich jeder halbwegs prominente CDUler starke Konkurrenz für sie.
Es hat schon eine Weile gebraucht, bis sich das langsam verschoben hat.


Korrektur: Es hat schon eine Weile gebraucht, bis Merkel das langsam verschoben hat.
Aber das ist gefühlt Ewigkeiten her und ich kann mich kaum an ihre Kontrahenten von damals erinnern.
Aber einer von ihnen ruft sich plötzlich wieder in Erinnerung: Röttgen. Die Bild fragt, ob er sich
nun an Merkel rächen will.

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