Nun hat man schon in fast allen EU-Staaten auf ein Referendum zum Vertrag von Lissabon verzichtet, nach den Erfahrungen mit den uneinsichtigen Franzosen und Niederländern.
Die Iren aber dürfen noch einmal so entscheiden, als seien sie der Souverän. Und es sieht so aus, als könnten sie nein sagen.
Undankbares Volk das. Wie kaum ein anderes Land Europas verdankt Eire seinen Aufstieg zur Prosperität den Zahlungen aus der EU.
Nachtrag: Inzwischen steht die Verkündung des Ergebnisses unmittelbar bevor, und Barroso hat sich bereits auf einer Pressekonferenz geäußert. Mit einer bemerkenswerten Chuzpe.
In Antwort auf:Here, Brendan O’Neill argues that the attack on Irish voters who are thinking of rejecting the Lisbon Treaty exposes the anti-democratic elitism at the heart of the EU. Further below, Kevin Rooney says the Lisbon referendum has re-ignited political debate in Ireland.
Ach, hätten wir doch auch so ein Gesetz, daß das Volk gefragt werden muß, wenn seine Souveränität auf dem Spiel steht! Aber keine Regierung auf diesem Kontinent traut ihren Konstituenten noch über den Weg...
Und so sicher wie das Amen wird nach der - hoffentlich! - Ablehnung die Erklärung folgen, diese beruhe auf Unwissenheit, auf Hinterwäldlertum und irrationalen Ängsten der Mehrheit.
Dabei gibt es reichlich Gründe, jede weitere "Vertiefung" der europäischen Integration abzulehnen, die jeder sachlichen Debatte standhalten. Dazu gehört, daß bereits der jetzige Zustand in vielerlei Hinsicht eine massive Fehlentwicklung darstellt, die dringend rückgängig zu machen und keinesfalls etwa weiter voranzutreiben ist.
Ein mir aus beruflichen Gründen etwas vertrauterer Aspekt ist etwa, daß der Europäische Gerichtshof (EuGH) zunehmend jede Bindung an Recht und Gesetz ablegt und sich anscheinend als Kollegium freischwebender "Richterkönige" begreift.
So schreibt etwa Jahn in der heutigen Ausgabe der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 2008, S. 1788-1789):
Zitat Durch die Hintertür der Grundfreiheiten dringt die EU mit Unterstützung des EuGH schleichend in die letzten Politikfelder der Mitgliedstaaten ein, etwa ins Strafrecht und die direkte Besteuerung. Die Begründung dafür läßt mitunter jede rationale Abwägung vermissen. Anerkannte und tradierte Auslegungsregeln ... bleiben auf der Strecke: Was auch nur im entferntesten unter eine EU-Norm subsumierbar ist, wird dieser unterworfen. Geradezu erschreckend ist, wie drastisch sich renommierte Ordinarien in ebenso respektablen Fachzeitschriften äußern müssen, um das Ausmaß der Luxemburger Amtsanmaßungen noch adäquat benennen zu können. So spricht Hailbronner (Die Unionsbürgerschaft und das Ende rationaler Jurisprudenz durch den EuGH? in: NJW 2004, S. 2185-2189) anläßlich der judikativen Ausweitung von Sozialleistungen von "mystischen Formulierungen"; der EuGH bleibe ein "Mindestmaß an rationaler Begründung" schuldig; das Gericht verletze "abenteuerlich, unhaltbar und nachgerade skurril" die Grundregeln juristischer Methodenlehre.
Die in dem zitierten Aufsatz von Hailbronner aus dem Jahr 2004 im einzelnen dargestellten Beispiele aus der Rechtsprechung des EuGH sind mir gut erinnerlich; schon damals habe ich mich nach der Lektüre gefragt, was die Reaktion meiner Ausbilder gewesen wäre, wenn ich - damals Referendar - mir erlaubt hätte, derartige "Begründungen" in einem Urteilsentwurf zu fabrizieren.
Kurz gesagt: erst erläßt, in Ermangelung einer demokratischen Legislative, eine als solche niemandem verantwortliche EU-Exekutive Normen, die - kraft Anwendungsvorrangs - ohne weiteres selbst die nationalstaatlichen Verfassungen verdrängen, und dann hält sich die EU-Judikative nicht einmal an diese Normen gebunden.
Daß die sog. Verfassung der EU, die jetzt unter der Bezeichnung "Vertrag von Lissabon" in Irland zur Abstimmung steht, zur Lösung dieses fundamentalen Problems nichts beiträgt, hat bereits Roman Herzogdargelegt.
Zitat von FAB.Dabei gibt es reichlich Gründe, jede weitere "Vertiefung" der europäischen Integration abzulehnen, die jeder sachlichen Debatte standhalten. Dazu gehört, daß bereits der jetzige Zustand in vielerlei Hinsicht eine massive Fehlentwicklung darstellt, die dringend rückgängig zu machen und keinesfalls etwa weiter voranzutreiben ist.
Soso. Die Tatsache, dass der jetzige Integrationsstand "in vielerlei Hinsicht eine massive Fehlentwicklung darstellt, die dringend rückgängig zu machen und keinesfalls weiter voranzutreiben ist", ist also einer der "reichlichen Gründe", "jede" weitere Integration abzulehnen. Und diese Begründung soll also "jeder sachlichen Debatte standhalten"?
Kurz gesagt: "Jede" weitere Vertiefung ist abzulehnen, weil der jetzige Zustand zum Teil eine massive Fehlentwicklung darstellt, die keinesfalls weiter voranzutreiben ist.
Diese Argumentation bewegt sich auf dem Niveau von "Jede weitere Zuwanderung ist abzulehnen, weil der jetzige Zustand zum Teil eine massive Fehlentwicklung darstellt." Dann bleibt der indische Computerexperte eben draußen.
Oder: "Jedes weitere Gesetzgebung ist abzulehnen, weil der jetzige Zustand zum Teil eine massive Fehlentwicklung darstellt." Na gut, bei den Libertären würde man sich damit natürlich Freunde machen.
Wenn das aber die hieb- und stichfesten Argumente der Euroskeptiker sein sollen, dürfen sie sich über folgende Argumentationsweise nicht beschweren:
"Dabei gibt es reichlich Gründe, jede weitere "Vertiefung" der europäischen Integration zu befürworten, die jeder sachlichen Debatte standhalten. Dazu gehört, daß bereits der jetzige Zustand in vielerlei Hinsicht eine massiven Fortschritt darstellt, der dringend weiter voranzutreiben und keinesfalls etwa rückgängig zu machen ist."
Danke für den Hinweis darauf, daß das Wort "jede" mißverständlich ist und in diesem Zusammenhang weiterer Begründung bedürfte, wenn ich meine Aussage so apodiktisch stehen lassen wollte. Ein bedauerlicher Flüchtigkeitsfehler meinerseits.
Bitte ersetzen Sie "jede weitere Vertiefung" durch "die beabsichtigte Vertiefung".
Weiterführend wäre es jetzt, Beispiele für Gebiete zu nennen, auf denen eine weitere Vertiefung von Ihnen befürwortet wird. Was sind denn die indischen Computerexperten der EU?
Als ehemaliger Bürger der DDR bin ich der Meinung, daß man schonmal anfangen sollte, Witze zu sammeln.
Ein abgedunkeltes Vernehmungszimmer. Der EU-Polizist klärt einen befragten EU-Bürger darüber auf, daß er keinesfalls lügen dürfe. Der Befragte protestiert: “Ich kenne meine Rechte!” Antwort des Polizisten: “Lüge Nummer eins.”
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Zitat von FAB.Danke für den Hinweis darauf, daß das Wort "jede" mißverständlich ist und in diesem Zusammenhang weiterer Begründung bedürfte, wenn ich meine Aussage so apodiktisch stehen lassen wollte. Ein bedauerlicher Flüchtigkeitsfehler meinerseits.
Bitte ersetzen Sie "jede weitere Vertiefung" durch "die beabsichtigte Vertiefung".
Nun gut. "Dabei gibt es reichlich Gründe, die beabsichtigte Vertiefung der europäischen Integration abzulehnen, die jeder sachlichen Debatte standhalten. Dazu gehört, daß bereits der jetzige Zustand in vielerlei Hinsicht eine massive Fehlentwicklung darstellt, die dringend rückgängig zu machen und keinesfalls etwa weiter voranzutreiben ist."
Dadurch wird das Argument aber leider nicht sinnvoller, zumindest solange es so vage gehalten ist.
Im Weiteren kritisieren Sie u.a. den Mangel an Transparenz und demokratischer Legitimation in der Normensetzung der EU. Warum lehnen Sie dann aber den Vertrag ab, der u.a. sowohl die demokratische Wahl des Kommissionspräsidenten als auch die Ausweitung der parlamentarischen Mitentscheidungsbefugnisse beinhaltet?
Zitat von FAB.Weiterführend wäre es jetzt, Beispiele für Gebiete zu nennen, auf denen eine weitere Vertiefung von Ihnen befürwortet wird. Was sind denn die indischen Computerexperten der EU?
Die indischen Computerexperten haben in der Tat nichts mit der EU zu tun. Ich habe mir erlaubt, die von Ihnen gebrauchte Diskussionsfigur, von der sie sich ja jetzt verabschiedet haben, auf anderen Bereiche anzuwenden, um ihre Schwäche zu verdeutlichen.
Habe gerade Jo Leinen im TV bewundern dürfen, der gefragt wurde, wie's denn nach dem irischen Nein weitergehen sollte. Er antwortete, der Ball liege nun im irischen Feld (gelungenes Bild, nicht wahr?) und in der nächsten Woche habe die irische Regierung in Brüssel den anderen zu erklären, was denn die Iren dazu bewegt habe und wie man's denn nun besser machen könne. Als wäre die irische Regierung ein Abgesandter der EU, der etwas wesentliches verbockt hat und sich nun dafür zu verantworten hätte! Schöner kann man kaum darstellen, was einen großen Teil der Iren zum Nein getrieben haben dürfte! Und, wollen sie nun einen weiteren Durchlauf veranstalten? Solange, bis das Erbenis "stimmt"? Barruoso hat ja schon auf einer Pressekonferenz gesagt, man möge trotz des Referendums einfach mit der Ratifizierung weitermachen. Recht hat er, man sollte dem Willen des "Großen Lümmels" (Heine) nicht allzuviel Beachtung schenken - am Ende bildet er sich noch ein er sei der Souverän!
In Antwort auf:Es sind nicht die Völker, die mit ihrer Ablehnung Europa zu zerstören im Begriff sind. Es sind die Parlamentarier, es sind die Bürokraten, es sind alle diese Etatisten, die versuchen, auf der europäischen Ebene einen Machtapparat zu schaffen, der sich weitgehend der demokratischen Kontrolle entzieht.
Lieber Zettel, wo siehst Du für diese Anschuldigungen die Basis im Vertrag von Lissabon? In der erweiterten parlamentarischen Mitsprache bei der Gesetzgebung? In der Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament? In der verstärkten Einbeziehung der nationalen Parlamente? In den verbesserten Möglichkeiten, das Subsidiaritätsprinzip einzufordern und einzuklagen?
In Antwort auf:Es sollte ein Neuverhandeln des Vertrags gefordert werden, und es sollte von allen nationalen Regierungen und Parlamenten verlangt werden, diesen neuen Vertrag erst nach einem positiv ausgegangenen Referendum zu ratifizieren.
So einfach stehen die Dinge nicht. Dem stehen, wie Du weißt, zum Teil jahrhundertealte Verfassungsrechtsgrundsätze entgegen (Stichwort "Parlamentssouveränität" in GB).
In Antwort auf:Eben wird gemeldet, auch Steinmeier habe gesagt, daß der Prozeß der Ratifizierung weitergehen solle. Sie verstehen nichts, diese Leute. Sie merken nicht, welche Stimmung sie quer durch Europa erzeugen werden, wenn sie jetzt als Regierungen sich über den Willen des irischen Volks hinwegsetzen.[/quote
Und andersherum, lieber Zettel? Weil vielleicht eine Million Iren ihr Recht auf ein "No" wahrnehmen, soll dieses "No" für alle, alle anderen bindend sein? Ist das demokratischer?
Kurz gesagt: Lieber Zettel, die allermeisten Sachen, die Du, andere hier und anderswo und auch ich an der EU zu kritisieren haben, werden meines Erachtens entweder nicht verändert (Veränderungswut) oder eher verbessert (Transparenz, demokratische Legitimation, sogar ein Austrittsrecht würde es geben). Vielleicht ist der Vertrag nicht der Weisheit letzter Schluss, aber zum Status quo böte er doch Verbesserungen.
Erweiterte parlamentarische Mitsprache bei der Gesetzgebung? Nun ja - durch das Europäische Parlament. Dieses ist und bleibt kein demokratisch gewähltes Parlament, so daß seine Mitwirkung von sehr zweifelhaftem Wert ist.
Wahl des Kommissionspräsidenten durch das EP - nun ja. Das EP darf den prospektiven Kommissionspräsidenten, der ihm vom Europäischen Rat präsentiert wird, abnicken - genau wie bisher. In der Sache ändert sich da nichts.
Verstärkte Einbeziehung der nationalen Parlamente - nun ja. Entwürfe von Rechtsakten der EU werden den nationalen Parlamenten zugeleitet, diese können Stellungnahmen abgeben. Da wird sicherlich viel Papier produziert werden.
Verbesserte Möglichkeiten, das Subsidiaritätsprinzip einzuklagen? Nun ja - die Mitgliedstaaten können gegen Rechtsakte klagen, wenn sie der Meinung sind, daß diese gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen. Über die Klage entscheidet der EuGH, der traditionell die Kompetenzen der EU ausdehnt, so weit es irgend geht - und teilweise darüber hinaus, ich verweise insofern auf die oben von mir zitierten sachkundigen Einschätzungen, die, soweit ich das beurteilen kann, zutreffen.
Was immer der Vertrag an kleinen, überwiegend kosmetischen Verbesserungen bringt, kann nicht die Zunahme an Fremdbestimmung aufwiegen, die aus der weitgehenden Einführung des Mehrheitsprinzips bei den Abstimmungen im Rat folgt. Diese Fremdbestimmung erstreckt sich auf den gesamten Bereich der Zuständigkeiten der EU. Und der umfaßt - ja nun, eigentlich so ziemlich alles. Die einschlägigen Bestimmungen sind nach meinem Dafürhalten so vage gefaßt, daß ich als Jurist nicht mal wüßte, wie ich auch nur anfangen sollte, den eröffneten Zuständigkeitsbereich einzugrenzen. Und, wie gesagt: zuständig für die Auslegung dieser Vorschriften ist der EuGH. Und der will nicht eingrenzen, sondern entgrenzen. Jedenfalls hat er die teilweise äußerst phantasievollen Begründungen für eine Zuständigkeit der EU im Einzelfall noch immer abgenickt.
Durch den Vertrag wird, nachdem die nationale Legislative ohnehin so gut wie keinen Einfluß auf die EU hat, nun auch der bisherige Einfluß der nationalen Exekutive nochmals verringert. Insgesamt wird die Entwicklung dahin, daß über das in Deutschland geltende Recht zunehmend ohne realen deutschen Einfluß entschieden wird, verstärkt. Die Institutionen, die statt dessen dieses Recht setzen, genießen nicht mein Vertrauen.
In Antwort auf:Here, Brendan O’Neill argues that the attack on Irish voters who are thinking of rejecting the Lisbon Treaty exposes the anti-democratic elitism at the heart of the EU.
Dieser Druck, lieber Thomas, scheint sozusagen nach hinten losgegangen zu sein, wenn du mir den Kalauer erlaubst.
Denn in den Begründungen für ein "nein" spielte es ja keine geringe Rolle, daß man sich nicht unter Druck setzen lasse.
Das ist Männerstolz vor Fürstenthronen. Sowas hat man als freier Ire im Blut.
Herzlich, Zettel
RexCramer
(
gelöscht
)
Beiträge:
13.06.2008 21:59
#12 RE: Barrosos Chuzpe (alter Titel: Die Iren zählen)
In Antwort auf:Die Chuzpe in diesem Satz liegt natürlich darin, daß Barroso so tut, als hätten auch achtzehn Völker dem Vertrag von Lissabon zugestimmt.
Sie haben nicht. Es gibt auch keinen Hinweis, daß sie hätten, wenn man sie denn gefragt hätte.
der Sozialdemokrat/Sozialist und "CDU-Vize Rüttgers warnte, die EU dürfe sich nicht lähmen lassen", wie es im ARD-Videotext heißt. Weiter: "99 Prozent der Europäer können ihre Zukunft nicht davon abhängig machen, daß weniger als ein Prozent den Fortschritt blockieren."
Da bleibt mir glatt die Spucke weg. 99 %? Woher weiß er das? Hat er sie alle gefragt? Wenn es so wäre, müßten die Regulierer, Bürokraten & Steuererhöher ja keine Angst vorm Volk haben. An der einzigen Stelle, wo das Volk tatsächlich gefragt wurde, hat es sich dagegen entschieden. Aber allen anderen, die sich erst gar nicht äußern durften, soll diese Entscheidung nun auch noch weggenommen werden? Wie stellt er sich das vor, sie "können ihre Zukunft nicht davon abhängig machen?" Soll deren Regierung nun in Brüssel antreten, um Instruktionen zu empfangen, wie so ein Ergebnis in Zukunft verhindert werden kann? Interessiert ihn überhaupt, was das Volk will? Vielleicht sieht das Volk das ja gar nicht als Fortschritt, sondern fühlt sich gerade gelähmt durch die Flut von Vorschriften durch die EU und befürchtet nur noch mehr davon!?
Ich muß sagen, ich war immer ein Fan der europäischen Integration aus verschiedenen Gründen, trotz sehr vieler Konstruktionsfehler. Aber wie diese immer abgehobeneren Politiker sich inzwischen aufführen, mißfällt mir immer mehr. Nicht mehr zu Europawahlen zu gehen aus Protest, hatte ich schon lange beschlossen. Paar Denkzettel gab es schließlich für die EU durch das Volk schon, aber offenbar hat man bisher absolut nichts begriffen. Davon, die Menschen mitzunehmen, kann überhaupt keine Rede mehr sein, sondern ihre Meinung ist offenbar nur noch lästig. Es reicht.
Das schlimmste, was uns in diesem Zusammenhang passieren kann, ist eine "Steuerharmonisierung", um "Steuer-Dumping" zu verhindern. Dann wäre der Wettbewerb auf diesem Gebiet weitgehend ausgeschaltet und es könnte die Steuer- und Abgabenlast bedenkenlos erhöht werden, denn die Konkurrenz träfe es gleichermaßen. Und sollte es dann noch irgendwo ein Problem geben, kommt die EU neuen Regelungen und dem dicken Scheckbuch und verteilt Subventionen nach Gottes Gnaden, um alles irgendwie auszugleichen. Willkommen im Sozialismus. Mir wird speiübel.
Zitat von FAB.Erweiterte parlamentarische Mitsprache bei der Gesetzgebung? Nun ja - durch das Europäische Parlament. Dieses ist und bleibt kein demokratisch gewähltes Parlament, so daß seine Mitwirkung von sehr zweifelhaftem Wert ist.
Warum nicht demokratisch gewählt?
Zitat von FAB.Wahl des Kommissionspräsidenten durch das EP - nun ja. Das EP darf den prospektiven Kommissionspräsidenten, der ihm vom Europäischen Rat präsentiert wird, abnicken - genau wie bisher. In der Sache ändert sich da nichts.
Es ist schon jetzt so, dass die Kommission nur "abnickt". Siehe die Nominierung von Rocco Buttiglione wie überhaupt die Investitur der Kommission Barroso.
Zitat von FAB.Verstärkte Einbeziehung der nationalen Parlamente - nun ja. Entwürfe von Rechtsakten der EU werden den nationalen Parlamenten zugeleitet, diese können Stellungnahmen abgeben. Da wird sicherlich viel Papier produziert werden.
Ich bin da optimistischer, zumal es ja nicht "nur" Stellungnahmen sind. Das müsste man natürlich in der Praxis sehen.
Zitat von FAB.Verbesserte Möglichkeiten, das Subsidiaritätsprinzip einzuklagen? Nun ja - die Mitgliedstaaten können gegen Rechtsakte klagen, wenn sie der Meinung sind, daß diese gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen. Über die Klage entscheidet der EuGH, der traditionell die Kompetenzen der EU ausdehnt, so weit es irgend geht - und teilweise darüber hinaus, ich verweise insofern auf die oben von mir zitierten sachkundigen Einschätzungen, die, soweit ich das beurteilen kann, zutreffen.
Auch da ist meine Einschätzung optimistischer. Übrigens waren die "sachkundigen Einschätzungen" mit Blick auf die damalige Rechtsprechung des BVerfG nach der 94er kleinen "Verfassungsreform" in Bezug auf die Änderung des Art. 72 GG genauso.
Zitat von FAB.Was immer der Vertrag an kleinen, überwiegend kosmetischen Verbesserungen bringt, kann nicht die Zunahme an Fremdbestimmung aufwiegen, die aus der weitgehenden Einführung des Mehrheitsprinzips bei den Abstimmungen im Rat folgt.
Zu den "kosmetischen Verbesserungen" zählt im Übrigen auch, dass das deutsche Stimmgericht sich im Rat von 8 auf 17 Prozent quasi verdoppelt, wenn ich mich nicht irre.
Zitat von FAB.Diese Fremdbestimmung erstreckt sich auf den gesamten Bereich der Zuständigkeiten der EU.
Das ist eine Grundsatzfrage, ob Sie akzeptieren, dass einige Entscheidungen unter Beteiligung des EP auf den von Ihnen bestellten EP getroffen werden. Ich werde als bayerischer Staatsangehöriger auch seit Jahren von Dunkeldeutschland fremdbestimmt. Hier bin ich Ihrer Meinung, dass das Subsidiaritätsprinzip geachtet werden muss, wofür ja erstmals ernsthafte Vorkehrungen getroffen werden.
Zitat von FAB.Und der umfaßt - ja nun, eigentlich so ziemlich alles. Die einschlägigen Bestimmungen sind nach meinem Dafürhalten so vage gefaßt, daß ich als Jurist nicht mal wüßte, wie ich auch nur anfangen sollte, den eröffneten Zuständigkeitsbereich einzugrenzen.
Das ist das Wesen von Verfassungsrecht, und als solches kann man Primärrecht, denke ich, schon analog bezeichnen.
Zitat von FAB.Durch den Vertrag wird, nachdem die nationale Legislative ohnehin so gut wie keinen Einfluß auf die EU hat, nun auch der bisherige Einfluß der nationalen Exekutive nochmals verringert. Insgesamt wird die Entwicklung dahin, daß über das in Deutschland geltende Recht zunehmend ohne realen deutschen Einfluß entschieden wird, verstärkt. Die Institutionen, die statt dessen dieses Recht setzen, genießen nicht mein Vertrauen.
Ich persönlich brauche keine deutsche Politik, ich persönlich brauche sachangemessene Politik auf der sachangemessenen Ebene.
In Antwort auf:Es sind nicht die Völker, die mit ihrer Ablehnung Europa zu zerstören im Begriff sind. Es sind die Parlamentarier, es sind die Bürokraten, es sind alle diese Etatisten, die versuchen, auf der europäischen Ebene einen Machtapparat zu schaffen, der sich weitgehend der demokratischen Kontrolle entzieht.
Lieber Zettel, wo siehst Du für diese Anschuldigungen die Basis im Vertrag von Lissabon? In der erweiterten parlamentarischen Mitsprache bei der Gesetzgebung? In der Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament? In der verstärkten Einbeziehung der nationalen Parlamente? In den verbesserten Möglichkeiten, das Subsidiaritätsprinzip einzufordern und einzuklagen?
Darf ich Sie, lieber FTT, auf das aufmerksam machen, was Roman Herzog und Lüder Gerken zur Entwicklung Europas geschrieben haben?
Was Sie nennen, das ist (mit Ausnahme des letzten Punkts, bei dem ich aber keinen entscheidenden Fortschritt sehe) eine Fortentwicklung im Sinn der Föderalisten, aber ein Rückschritt im Sinn der Intergouvernmentalisten. Zu diesen rechne ich mich.
Die letzten Erweiterungen Europas hätten meines Erachtens erfordert, erndlich die Überlegungen anzustellen, die die Väter der US-Verfassung angestellt haben und die man in den Federalist Papers, einer ungemein spannenden Lektüre, nachlesen kann: Erstens, wie sollte die Machtbalance zwischen der Union und den Staaten aussehen? Zweitens, wie läßt sich auf beiden Ebenen Macht kontrollieren und beschneiden?
Beide Diskussionen sind überhaupt nicht geführt worden, weder zur Zeit der Giscard-Kommission noch jetzt bei den Verhandlungen zum Vertrag von Lissabon.
Hätte man sie geführt, hätte man sie auch auf nationaler Ebene geführt, dann wäre vermutlich eine intergouvernmentalistische Lösung herausgekommen; denn ich sehe nirgendwo in Europa eine Mehrheit dafür, weiter Kompetenzen nach Brüssel zu verlagern.
Die Diskussion wurde nicht geführt, und jetzt bekommt man die Quittung.
Zitat von FTT
In Antwort auf:Es sollte ein Neuverhandeln des Vertrags gefordert werden, und es sollte von allen nationalen Regierungen und Parlamenten verlangt werden, diesen neuen Vertrag erst nach einem positiv ausgegangenen Referendum zu ratifizieren.
So einfach stehen die Dinge nicht. Dem stehen, wie Du weißt, zum Teil jahrhundertealte Verfassungsrechtsgrundsätze entgegen (Stichwort "Parlamentssouveränität" in GB).
Die Dinge, lieber FTT, stehen nie so einfach, wie ich sie in einer "Meckerecke" hinstelle. Sie vor mich hinstelle, um sie schön aufzuspießen zu können.
Was die Souveränität der Parlamente angeht - ich kenne nicht die Bestimmungen in den einzelnen Ländern; aber die Möglichkeit einer Befragung des Volks, auch wenn ihr Ergebnis für das Parlament nicht bindend ist, dürfte es in den meisten Ländern geben.
Zitat von FTT
In Antwort auf:Eben wird gemeldet, auch Steinmeier habe gesagt, daß der Prozeß der Ratifizierung weitergehen solle. Sie verstehen nichts, diese Leute. Sie merken nicht, welche Stimmung sie quer durch Europa erzeugen werden, wenn sie jetzt als Regierungen sich über den Willen des irischen Volks hinwegsetzen.[/quote
Und andersherum, lieber Zettel? Weil vielleicht eine Million Iren ihr Recht auf ein "No" wahrnehmen, soll dieses "No" für alle, alle anderen bindend sein? Ist das demokratischer?
Es entspricht zunächst einmal der Rechtslage. Wenn ein Land nicht ratifiziert, kann der Vertrag nicht in Kraft treten.
Und nein, für alle soll das Nein der Iren natürlich nicht gelten. Nur - wenn sogar die bekannt europafreundlichen Iren mit Nein gestimmt haben, dann sollte das für alle anderen Regierungen eine ernsthafte Aufforderung sein, sich bei ihren eigenen Wählern zu versichern, ob sie überhaupt diesen Vertrag wollen.
Was ich befürchte, das ist, daß man jetzt tricksen wird.
So, wie man es schon getan hat, als man die Verfassung in Vertrag umbenannt hat und nach dieser Umbenennung alle Länder darauf verzichteten, noch einmal das Volk zu befragen. Bis eben auf Irland.
Insofern steht das Votum in Irland in der Tat nicht nur für Irland. Es begründet zumindest die Vermutung, daß auch in den anderen Ländern der Vertrag nicht dem Volkswillen entspricht. Er begründet damit die Forderung, einen neuen Vertrag - denn den wird es geben müssen, wenn man nicht trickst - den Völkern vorzulegen. Wenn es eine Frage gibt, zu der das Volk sich unmittelbar äußern sollte, dann ist es die Frage seiner Verfassung.
Aber ich fürchte, man wird diesen Weg nicht gehen. Man wird taktieren, wie man immer taktiert hat.
Das alles, lieber FTT, führt stracks in eine Legitimitätskrise, wie Westeuropa sie seit dem Beginn der Einigung mit der Montanunion nicht erlebt hat.
Es besteht die große Gefahr, daß der ganze europäische Gedanke - den ich unbedingt bejahe - durch Gewurschtel, durch Tricksereien, durch die Arroganz der Macht diskreditiert wird.
Zitat von RexCramerDavon, die Menschen mitzunehmen, kann überhaupt keine Rede mehr sein, sondern ihre Meinung ist offenbar nur noch lästig. Es reicht.
Das ist, lieber RexCramer, halt das Verhalten von Herrschenden, deren Macht keiner ausreichenden Kontrolle unterliegt.
Es hat auf europäischer Ebene nie auch nur den Versuch gegeben, Macht zu kontrollieren. Das schien auch zu Anfang gar nicht nötig zu sein, weil das Europa der Sechs ja nur ein Bund souveräner Staaten war. Die Machtbalance fand horizontal statt; eine vertikale war nicht erforderlich, weil die Kommission ja gar keine originäre Macht hatte, sondern im Auftrag der Regierungen handelte. Das Europäische Parlament war anfangs eine mehr folkloristische Veranstaltung. Es ist ja kein Zufall, daß man kein Problem darin sah, es in Straßburg zu installieren, weit weg von der Exekutive.
Das wäre ein Treppenwitz gewesen, wenn es diese Exekutive hätte kontrollieren sollen. Aber auf diesen Gedanken kam man eben im Europa der Sechs gar nicht.
Dann ist Europa allmählich gewachsen; und es ist wildwüchsig ein Machtzentrum in Brüssel entstanden. Weitgehend kontrolliert von den Franzosen, die als Absolventen der ENA ihren Kollegen aus den anderen Ländern weit überlegen waren und sind. Und diese haben ihr etatistisches Denken nach Europa exportiert.
Aller dieser zentralistische Wahnwitz, bis zur Regulierung der Zahl der Rollstuhlfahrer pro Bus, ist reinstes französisches Staatsdenken; so wurde das dort schon zur Zeit des Sonnenkönigs gehandhabt, nur ohne Bus und Rollstuhl.
Zitat von RexCramerDas schlimmste, was uns in diesem Zusammenhang passieren kann, ist eine "Steuerharmonisierung", um "Steuer-Dumping" zu verhindern. Dann wäre der Wettbewerb auf diesem Gebiet weitgehend ausgeschaltet und es könnte die Steuer- und Abgabenlast bedenkenlos erhöht werden, denn die Konkurrenz träfe es gleichermaßen.
Ja, das liegt in der Logik der Entwicklung.
Die Kommission sieht sich ja als Hüterin des Wettbewerbs.
Sie ist das so, wie der Schäfer der Hüter des Wettbewerbs zwischen seinen Schafen ist, wer den dicksten Büschel Gras ergattert.
gerade hat der Präsident des Europäischen Parlaments im "Nachtmagazin" gesagt, man erwarte jetzt von der Regierung Irlands eine Stellungnahme, wie sie mit dem Problem umzugehen gedenkt. Aha, wenn das Volk nicht so abstimmt, wie deren "Vertreter" sich das vorstellen, dann ist das also ein "Problem". Sehr interessant. Er hat dann zwar noch nachgeschoben, daß man natürlich den Willen der Wähler respektiere, aber angesichts solcher Formulierungen ist das nicht mehr wert als eine billige Floskel.
Eine kurze Entgegnung, bevor ich mich der Nachtlektüre und -ruhe zuwenden werde.
Zitat von ZettelWas Sie nennen, das ist (mit Ausnahme des letzten Punkts, bei dem ich aber keinen entscheidenden Fortschritt sehe) eine Fortentwicklung im Sinn der Föderalisten, aber ein Rückschritt im Sinn der Intergouvernmentalisten. Zu diesen rechne ich mich.
Gut, vielleicht ein Fortschritt im Sinne der Föderalisten, was aber nicht gleichbedeutend mit "einem Machtapparat (...) der sich weitgehend der demokratischen Kontrolle entzieht", ist. Gegen die Errichtung einea solchen helfen die aufgezählten Punkte, denke ich, schon.
Zitat von ZettelDie letzten Erweiterungen Europas hätten meines Erachtens erfordert, erndlich die Überlegungen anzustellen, die die Väter der US-Verfassung angestellt haben und die man in den Federalist Papers, einer ungemein spannenden Lektüre, nachlesen kann: Erstens, wie sollte die Machtbalance zwischen der Union und den Staaten aussehen? Zweitens, wie läßt sich auf beiden Ebenen Macht kontrollieren und beschneiden?
Die Federalist Papers sind natürlich eine geniale Lektüre: Der Versuch Mehrheiten möglichst zu atomisieren und gegeneinander zu brechen. Bevor man aber den Mangel an Inspiration im EU-Konvent kritisiert, gebietet es meiner Meinung nach die Ehrlichkeit, dass man den Unterschied zwischen der amerikanischen und der europäischen Verfassungsgebung anerkennt: Hier ein weitgehendes tabula rasa für ein weitgehend homogenes Volk von der Größe Irlands, dort ungefähr zwei Dutzend Staaten mit ungefähr so vielen Sprachen und bereits etablierten existierenden Institutionen und Verfahren.
Zitat von ZettelWas die Souveränität der Parlamente angeht - ich kenne nicht die Bestimmungen in den einzelnen Ländern; aber die Möglichkeit einer Befragung des Volks, auch wenn ihr Ergebnis für das Parlament nicht bindend ist, dürfte es in den meisten Ländern geben.
Bei uns zumindest ist die Zulässigkeit einer solchen Umgehung umstritten. De facto ist eine solche Befragung ja nicht unverbindlich.
Ansonsten bin ich nicht der Meinung, dass man den Reformvertrag jetzt auf Biegen und Brechen durchdrücken sollte. Nachwievor halte ich aber daran fest, dass das, was bei uns am Reformvertrag kritisiert wird, nicht unbedingt mit dem Vertragsinhalt in Verbindung steht oder teilweise eher gelindert worden wäre. Auch bei den Iren, die man in den Straßeninterviews hört (bei aller Vorsicht für diese Art Evidenz!), ist der Tenor der, dass viele beklagen, dass ihnen nicht erklärt worden sei, worüber sie eigentlich abstimmen sollten.
Zitat von FTTBevor man aber den Mangel an Inspiration im EU-Konvent kritisiert, gebietet es meiner Meinung nach die Ehrlichkeit, dass man den Unterschied zwischen der amerikanischen und der europäischen Verfassungsgebung anerkennt: Hier ein weitgehendes tabula rasa für ein weitgehend homogenes Volk von der Größe Irlands, dort ungefähr zwei Dutzend Staaten mit ungefähr so vielen Sprachen und bereits etablierten existierenden Institutionen und Verfahren.
Gewiß ist das ein großer Unterschied, lieber FTT. Aber man hat das, was die Väter der US-Verfassung (ja nicht nur Madison und Hamilton) geleistet haben, ja nicht einmal versucht.
Ich habe das vorhin in der Antwort an RexCramer skizziert: Man hatte zunächst ein Europa der Sechs, in dem sich die Verfassungsfrage natürlich gar nicht stellte, weil man ja nicht mehr war als ein Staatenbund. Alles andere ist naturwüchsig passiert.
Die Giscard-Kommission, der Konvent wären die Gelegenhteit gewesen, das Versäumte nachzuholen. Spät, aber vielleicht nicht zu spät. Und dann haben die Wähler von Frankreich und den Niederlanden den Regierungen nochmal eine Chance gegeben, es hinzurkriegen.
Stattdessen hat sich Sarkozy durchgesetzt, der von vornherein auf eine "kleine Lösung" gesetzt hat ("traité simplifié").
Statt den Aufschub zu nutzen, jetzt doch noch die längst erforderliche große, europaweite Debatte in den Medien, unter den Bürgern darüber zu führen, was man mit Europa eigentlich will, wohin das alles denn führen soll, hat man nachgerade Kabinettspolitik veranstaltet, in der Hoffnung, sich auf Regierungsebene auf ein Vertragswerk zu einigen und das dann möglichst geräuschlos am Bürger vorbei durchzubringen.
Das konnte nicht gutgehen. So etwas ist historisch nie gut gegangen. Die Einigung Deutschlands, die Einigung Italiens sind geglückt, weil sie von unten her erfolgt sind; weil es eine breite nationale Bewegung gegeben hatte.
Das gab es auch in Europa in den fünfziger, vielleicht noch den sechziger Jahren. Man hat es verpuffen lassen und versucht seither eine Einigung von oben nach unten.
Wären die USA so entstanden, wie man jetzt Europa zu schaffen versucht, dann wären sie nicht von 13 auf 50 Staaten angewachsen, sondern in Nordamerikan gäbe es heute eine Staatenvielfalt wie in Mittel- und Südamerika. Vielleicht hätte es auch Beitritte mit anschließender Sezession und dem einen oder anderen Sezessionskrieg gegeben.
Man kann ein solches Staatengebilde nicht ohne die sowohl rationale als auch emotionale Zustimmung der Bevölkerung schaffen. Tut man es dennoch, wie es die Kommunisten getan haben, dann zerfällt es, sobald der Zwang, unter dem es entstanden ist, nachläßt.
Ein Europa, lieber FTT, das gegen den Willen seiner Bevölkerung durchgepaukt wird, wäre ein so verheerender Irrweg wie vor zweihundert Jahren der Versuch Bonapartes, Europa zu einen.
Sein Ergebnis war bekanntlich der Nationalismus des 19. Jahrhunderts.
zur britischen Parlamentssouveränität siehe auch hier: http://www.samizdata.net/blog/archives/2..._quote_361.html In GB sind in den letzten Jahren in beispielloser Weise Bürgerrechte eingeschränkt und Souveränitätsrechte an die EU abgegeben worden. Ersteres hat jetzt sogar zum Rücktritt des Abgeordneten Davis geführt, letzteres zu Forderungen, die Gehälter der Abgeordneten zu kürzen, da sie ja immer weniger zu entscheiden hätten...
Für die Kompetenzen die die Union hat mag da ja eine marginale Demokratisierung rauskommen. Nur: Mit der Integration der beiden anderen Säulen werden eben ganz neue Entscheidungen auf die undemokratischen Unionsinstitutionen übertragen, die derzeit noch auf nationaler Ebene demokratisch entschieden werden. Unterm Strich bleibt eindeutig ein Demokratieverlust übrig.
Übrigens ist die wirklich undemokratische Institution ja auch nicht der Ministerrat sondern die eher gestärkte Kommission.
Ansonsten ist an den positiven Punkten erstaunlich viel Augenwischerei. Die "Wahl" des Kommissionspräsidenten durch das Parlament ist z.B. eine Umbenennung des bisherigen Verfahrens und die Einbeziehung der nationalen Parlamente ist eine Anhörung die an den eigentlichen Entscheidungsstrukturen nichts ändert. Im wesentlichen können die Parlamente also -wie bisher- Briefe nach Brüssel schreiben, die Brüssel -wie bisher- ignorieren kann.
Zitat von gelegentlicher BesucherFür die Kompetenzen die die Union hat mag da ja eine marginale Demokratisierung rauskommen. Nur: Mit der Integration der beiden anderen Säulen werden eben ganz neue Entscheidungen auf die undemokratischen Unionsinstitutionen übertragen, die derzeit noch auf nationaler Ebene demokratisch entschieden werden.
So sehe ich das auch. Statt Kompetenzen auf die nationale Ebene zurückzuverlagern, wie es für ein solches Mammut-Europa richtig gewesen wäre, werden die Brüsseler Institutionen weiter gestärkt.
Zitat von gelegentlicher BesucherÜbrigens ist die wirklich undemokratische Institution ja auch nicht der Ministerrat sondern die eher gestärkte Kommission.
Ein Zwitter aus Exekutive und Legislative, der geradezu von einem Anti-Montesquieu ersonnen worden sein könnte.
Zitat von gelegentlicher BesucherAnsonsten ist an den positiven Punkten erstaunlich viel Augenwischerei. Die "Wahl" des Kommissionspräsidenten durch das Parlament ist z.B. eine Umbenennung des bisherigen Verfahrens und die Einbeziehung der nationalen Parlamente ist eine Anhörung die an den eigentlichen Entscheidungsstrukturen nichts ändert. Im wesentlichen können die Parlamente also -wie bisher- Briefe nach Brüssel schreiben, die Brüssel -wie bisher- ignorieren kann.
Während die Parlamente weiter die Direktiven aus Brüssel in nationale Recht "umsetzen" müssen; auch das die Karikatur eines demokratischen Gesetzgebungsverfahrens.
Wenn eine Gemeinschaft von einmal sechs Staaten sich zu jetzt 27 aufplustert, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sagt man, das kann nur noch ein Staatenbund sein, ein Europa der Vaterländer. Das ist die intergouvernmentalistische Position, die einen "Rückbau" von Europa impliziert.
Die andere Antwort ist, daß just wegen der Größe dieses Gebildes die Zentrale gestärkt werden muß, wenn sie denn ihre Aufgaben erfüllen soll. Da ist logisch, wenn man ihr denn die Aufgabe, einen de-facto-Zentralstaat "Europa" zu regieren, zuerkennen will.
Soweit ich sehe, haben beim Vertrag diejenigen gesiegt, die diese zweite Position vertreten (die "Föderalisten"). Die von ihnen in der Tat erreichte, wenn auch bescheidene "Demokratisierung" auf der Ebene der europäischen Institutionen bedeutet zugleich, daß diese gestärkt werden und damit die Entscheidungsprozesse weiter von den Ländern und deren Völkern weg und hin nach Brüssel verlagert werden.
ich kann Ihre Schlussfolgerung, die einzige Lösung für die derzeitige Verfassungskrise sei die institutionelle Verankerung des Intergouvermentalismus, nicht nachvollziehen. Denn dies würde voraussetzen, dass es den Iren bei ihrer Ablehnung des Reformvertrages um eine Fundamentalkritik an den derzeitigen zentralistischen Fehlentwicklungen innerhalb Europas gegangen wäre. Ausgehend von meiner bisherigen Lektüre (die aber zugebenermaßen noch nicht sonderlich gründlich ausgefallen ist ) neige ich eher der Interpretation zu, dass es in Irland am Freitag, wie auch bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden zuvor, ein gravierendes Informationsdefizit gab: Den Iren war die Sache nicht geheuer und meiner Ansicht nach unredliche Euroskeptiker schürten ihre Ängste nur zu gerne. So las ich bspw. von euroskeptischer Propaganda, die behauptete bei einer Ratifizierung des Vertrages müsste das irische Volk in Zukunft für die Verteidigung Europas in den Krieg ziehen.
So wird auf dem Rücken Europas Politik betrieben und das regt mich, gelinde gesagt, auf.
Aber ich schweife ab: Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass im Moment eine schädliche Kompetenzenzentralisierung nach Brüssel feststellbar ist, die unbedingt abzustellen ist. Ob dies nun im Rahmen einer Verankerung der staatlichen Souveränität geschieht, wie sie die Intergouvermentalisten fordern oder im Rahmen einer klaren Kompetenzentrennung, wie es die Agenda der Föderalisten ist, ist meines Erachtens zunächst einmal gleich. Hauptsache ist, sie geschieht endlich und dem bürokratischen Wildwuchs und der Gesetzeskonkurrenz wird endlich Einhalt geboten.
Abgesehen davon, bin ich persönlich eher dem Lager der Föderalisten zuzuordnen, denn eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die institutionelle Verankerung des gesamt- und zwischeneuropäischen Solidaritätsprinzips halte ich für Meilensteine bei der politischen Entwicklung Europas. Ich denke aber, dass sich die redlichen Intergouvermentalisten und Föderalisten in diesen Punkten durchaus treffen können, denn letztlich haben wir doch alle das selbe Ziel? Ein blühendes Europa, in Frieden und Fortschritt geeint, um einmal pathetisch zu werden.
Zitat von augustinDen Iren war die Sache nicht geheuer und meiner Ansicht nach unredliche Euroskeptiker schürten ihre Ängste nur zu gerne. So las ich bspw. von euroskeptischer Propaganda, die behauptete bei einer Ratifizierung des Vertrages müsste das irische Volk in Zukunft für die Verteidigung Europas in den Krieg ziehen.
Das ist ja auch korrekt dargestellt. Zum Projekt EU gehört auch eine europäische Interventionsarmee, die ich übrigens befürworte. Nach den Bedingungen des Vertrages hätte man die Iren mit doppelter Mehrheit zwingen können, sich an dieser Armee und ihren Einsätzen zu beteiligen. Die EU hätte also den Neutralitätsstatus der Iren abgeschafft. Übrigens könnte wohl nach den Bedingungen des Vertrages auch eine Mehrheit auf EU-Ebene alle Kosten eines solchen Einsatzes oder irgendwelcher anderen EU-Projekte auf einen isolierten Staat abschieben und ihn so ausbluten lassen bzw. zum EU-Austritt zwingen. Denn die übergangenen Parlamente dürfen zwar gegen ihre Entmachtung (innerhalb von acht Wochen ab EU-Beschluß) protestieren, über die Stichhaltigkeit des Protestes entscheidet aber dieselbe Mehrheit, die den Beschluß gefasst hat. Die Parlamente werden also weitestgehend entmachtet und können höchstens noch über die Entsendung eines Vertreters in den EU-Ministerrat entscheiden.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Zitat von califaxDas ist ja auch korrekt dargestellt. Zum Projekt EU gehört auch eine europäische Interventionsarmee, die ich übrigens befürworte. Nach den Bedingungen des Vertrages hätte man die Iren mit doppelter Mehrheit zwingen können, sich an dieser Armee und ihren Einsätzen zu beteiligen. Die EU hätte also den Neutralitätsstatus der Iren abgeschafft.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.