Schon das Wort "Nationalfeiertag" kommt uns Deutschen schwer über die Lippen. Und über die Art, wie wir diesen Tag "feiern", kann jemand aus einem Land, in dem es normaler zugeht nur, den Kopf schütteln: verdruckst, trist, ohne Nationalstolz.
Es ist schon seltsam, wie sehr anscheinend die beiden Diktaturen, die wir in Deutschland ertragen mußten, unsere Nation aus der Bahn geworfen haben.
Feiern? Den Tag der Einheit? Jammerossis kamen und eine Billion hats gekostet - dafür haette es Dagnys berüchtigte 24-Spurige Autobahn an die Adria auch gegeben. Und die läge mir näher, die Adria
in meinem Umfeld nannte man den Tag der deutschen Einheit zeitweise auch den Volkstrauertag. Nation ist eine Sache, aber die deutsche Einheit ? Soli ? SED ? Oder wie Dagny gerade schreibt: Jammerossis ?
Ehrlich, ich wüsste nicht, was ich feiern sollte. Politisch war die Einheit etwas ausserordentlich beeindruckendes, eine friedliche Revolution, die man sonst so nirgendwo gesehen hat. Aber persönlich kostet sie mich Unmengen an Geld und eine SED im Bundestag, demnächst vielleicht in der Regierung. Mangelndes Nationslgefühl ist nur eine Seite der Medaille, die deutsche Einheit als Aufhänger ist die andere.
Zitat von Zettel (in Zettels Raum)Was unseren Nationalstolz angeht, was das Gefühl nationaler Gemeinsamkeit angeht, scheinen wir Deutsche auch fast zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereingung und weit mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Nazizeit immer noch gehemmt, verdruckst, ja depressiv zu sein.
Hallo lieber Zettel,
ich finde das eigentlich normal, dass wir Deutschen keinen ausdrücklichen Nationalstolz haben - und zwar wegen der Nazizeit. Nationalstolz schließt doch den Rückblick auf die Vergangenheit eines Volkes ein: dass man auf eine im Großen und Ganzen glorreiche Geschichte zurückblicken kann. Es ist mir als Deutsche, als Angehörige eines Volkes also, das in jüngster Vergangenheit eines der monströsesten Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu verantworten hat, unmöglich, ein fröhliches, fähnchenschwenkendes Gefühl des Nationalstolzes zu entwickeln. Dabei fühle ich mich nicht persönlich schuldig, und bin ansonsten auch mit meiner Nationalität zufrieden. Aber das Eine betrifft die Gruppe, das andere den Einzelnen. Und ersteres ist natürlicherweise für Deutsche problematisch.
Wäre es nicht irgendwie pervers, wenn wir Deutsche ein ungetrübtes Verhältnis zu den Deutschen als Volk hätten? Ich glaube, dass die Deutschen da ein eigenes Selbstverhältnis finden müssen, das anders aussieht als z.B. der ungezwungene Nationalstolz eines konservativen Amerikaners.
In Antwort auf:Zitat Dagny Feiern? Den Tag der Einheit? Jammerossis kamen und eine Billion hats gekostet - (...)
Ich denke wir können gar nicht mit nationalen Stolz bei der Deutschen "Einheit" ankommen, weil die BRD auch vorher nicht wirklich Nationalstolz war. Seit den Zeiten des Wirtschaftswunders, als das Pflänzlein stolz auf diese Nation und was sie leistet, leise zu spriessen begann, wurden wir mit schöner Regelmäßigkeit daran erinnert, das wir schön leise und bescheiden zu sein haben. Wiedergutmachung wurde jahrzehntelang geleistet und selbst heute noch abverlangt. (Ich erinnere einfach mal an Polens Beitritt in die EU und das (erweiterte) Stimmrecht welches von Herrn Kaczynski in bekannter Weise gefordert wurde). Keinem anderen Land der Welt hat man eine dunkle Epoche so nachgetragen wie uns. International wurde ja befürchtet das im Zuge der Wiedervereinigung, Deutschland wieder "zu groß" werden könne. Übrigens bedeutet Wiedervereinigung auch, das das ehemalige DDR-Volksvermögen komplett in den gemeinsamen Kassen gelandet wäre.
Weiterhin hat uns die Einwanderung und hier eine ganz besondere Migrantengruppe vor die Frage von Nationalstolz gestellt. Mit keinem Wort durfte hier eine vernünftige Eingliederung/Einbürgerung zum Wohle Deutschlands betrieben oder gefordert werden. (Keiner Nation hängt so sehr der Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit nach, wie hier in Deutschland). Die Folgen sehen wir heute. Während jede Nation halbwegs darauf geachtet hat, das Kultur und Sprache ihres Landes umgesetzt wird, hat Deutschland die Sozialkassen für alle geöffnet. "Wie könnten wir auch Forderungen stellen"?
Seit Jahren wird der Bürger immer politikverdrossener, wieso? Wir müßten uns zunächst mal mit unserer Politik identifizieren können. Dabei nutzt es nichts, daß wir Exportweltmeister sind, wenn der Bürger davon nicht partizipiert. Das ist es aber nicht allein. Unsere Politik und deren Ausführenden ergehen sich in jeder Art von Gängelung des Bürgers, die überhaupt denkbar ist. Alle Möglichkeiten des Abzockens, werden dem Bürger auferlegt. Nur punktuell wird etwas Geld "ins Volk gestreut" um die größten Auswüchse der Unzufriedenheit zu verhindern.
Zudem ist die uns eigene Mentalität, des ehrlichen, fleissigen, zuverlässigen deutschen Bürger und Arbeitnehmer derart ins Wanken gekommen, weil die Basis (nicht zuletzt über das "beispielhafte" Vorleben unserer Politiker) entzogen wurde. Die Identifikation mit sich selbst, aufgrund geleisteter Arbeit, ist dem Bürger überwiegend genommen worden. Der Stolz und die Anerkennung zum deutschen Produkt beigetragen zu haben, gibts auch nicht mehr, weil viele Firmen nicht mehr Deutsch sind oder deren Manager lieber die preiswerte Rotation bevorzugen.
Wir werden sogar dazu angehalten, nur an uns selbst zu denken, aufgrund X-beliebiger Beispiele. Überall gilt: Ich und kein WIR. Nur wenn es um Steuern geht, fordert der Staat unser Wir-Gefühl zum Wohle für Alle. Wie einst die Solidargemeinschaft innerhalb der Krankenversicherungen. Wir alle fanden das gut und richtig. So anständig im Denken mit Wir-Gefühl waren die meisten Bürger immer. Aber dannhat man seitens der Politik damit begonnen immer mehr Bevölkerungsschichten gegeneinander aufzuhetzen, die Raucher gegen die Nichtraucher, die Dünnen gegen die Dicken, die Rentner gegen die Berufstätigen, die Schwulen gegen die Heteros, die Gutverdienenden gegen die Schlechtbezahlten, die Jungen gegen die Alten, hat man den Menschen diese Brille verpaßt, durch welche man nur von Feinden umgeben ist und nicht von Menschen, mit denen man gut zusammenleben möchte.
Das Wertesystem was man uns anerzogen hat, gilt schon lange nicht mehr. Stück für Stück bröckelt die Substanz unserer Leitkultur. Man denke nur an die unheilvolle Debatte, die dieses Wort ausgelöst hat. Keiner Nation wäre in den Sinn gekommen, sich dafür zu entschuldigen, das es eine nationale Kultur hat. Aber es ist insofern wieder richtig gewesen, da wir unsere Kultur, unsere Werte, unsere Anständigkeit beim verlassen des Hauses und mit dem zuschlagen der Tür, Tag für Tag aufs neue abgeben.
Zitat von Llarianin meinem Umfeld nannte man den Tag der deutschen Einheit zeitweise auch den Volkstrauertag. Nation ist eine Sache, aber die deutsche Einheit ? Soli ? SED ? Oder wie Dagny gerade schreibt: Jammerossis ?
Lieber Llarian, wenn meine Eltern es nicht 1946 geschafft hätten, mit zwei kleinen Kindern und Oma in den Westen zu entkommen, dann wäre ich auch ein Ossi geworden, und, wer weiß, vielleicht ein Jammerossi.
Niemand konnte es sich ja aussuchen, am Aufbau des Sozialismus mitwirken zu dürfen; oder fast niemand.
Für mich ist Deutschland nie wirklich geteilt gewesen. Daß das Brandenburg Fontanes, das Weimar der Klassik in einem anderen Land liegen sollte - das war für mich nie vorstellbar.
Ich habe zu denen gehört, für die Deutschland bei der Öffnung der Mauer das "glücklichste Volk der Welt" gewesen ist, wie das Momper damals formuliert hat.
Natürlich ist es nicht so gelaufen wie erhofft - aber wäre denn ein Weiterbestehen der Teilung besser gewesen?
Zitat von Llarian Mangelndes Nationslgefühl ist nur eine Seite der Medaille, die deutsche Einheit als Aufhänger ist die andere.
Mehr als ein "Aufhänger" ist es ja nicht. In Holland und im UK feiert man den Geburtstag der Königin, in der Schweiz Legende vom Rütlischwur. In Frankreich feiern selbstverständlich auch die erzkatholischen Konservativen aus der Vendée den Nationalfeiertag mit, obwohl für sie der Sturm auf die Bastille so ungefähr der Tiefpunkt der französischen Geschichte ist.
Also, auf den "Aufhänger" kommt es doch gar nicht an. (Ich war dafür, beim 17. Juni zu bleiben; schon weil er im Sommer liegt).
Meine These, lieber Llarian, ist, daß ein Volk, das seinen Nationalfeiertag nicht richtig feiern kann, nicht mit sich selbst im Reinen ist.
Dieser Mangel an einem normalen Nationalgefühl in Deutschland hat etwas Neurotisches; und zwar in einem präzisen freudianischen Sinn: Ein Teil der eigenen Identität wird verdrängt und bricht sich Bahn in Form von Symptomen.
Es gibt vermutlich kein Land auf der Welt, in dem soviel Angst herrscht - vor Kernkraftwerken, vor Gift in Lebensmitteln, vor der Globalisierung, vor Kampfhunden, dem Waldsterben seligen Angedenkens, der Klimakatastrophe, vor dem falschen Spielzeug, Übergewicht und dem Weltuntergang.
Ein solches Maß an Ängstlichkeit ist Ausdruck mangelnder Selbstsicherheit. Und ein Volk, das sich selbst mit seiner Geschichte, seiner Kultur, seiner nationalen Identität nicht bejaht, das ist selbstunsicher.
In Antwort auf:Zitat Ex-Blond Wäre es nicht irgendwie pervers, wenn wir Deutsche ein ungetrübtes Verhältnis zu den Deutschen als Volk hätten? Ich glaube, dass die Deutschen da ein eigenes Selbstverhältnis finden müssen, das anders aussieht als z.B. der ungezwungene Nationalstolz eines konservativen Amerikaners.
Wieso das denn, liebe Ex-Blond. Wieso sollten wir anders als die konservativen Amerikaner empfinden? Wenn man die Historie Amerikas betrachtet, dann gibts schon diverse Ähnlichkeiten. Nur weil jeder zweite Satz mit "wir sind ein freies Land" beginnt, heißt das noch lange nicht, das es immer so war.
In Antwort auf:Lieber Llarian, wenn meine Eltern es nicht 1946 geschafft hätten, mit zwei kleinen Kindern und Oma in den Westen zu entkommen, dann wäre ich auch ein Ossi geworden, und, wer weiß, vielleicht ein Jammerossi.
Ossi ist nicht gleich Jammerossi. Es kann ja keiner was dafür, wo er geboren wird. NUR: Das ist 20 Jahre her. Es gibt Kinder, die wachsen mit einem silbernen Löffel im Munde auf, es gibt Kinder aus Monacco, es gibt reiche Erben. Es gibt Menschen, die soviel mehr haben, als ich je haben werde. Aber heule ich deswegen ? Das Problem des "Jammerossis" (bewusst stereotyp) ist, dass er meint, er habe mehr verdient aufgrund seiner Existenz, aufgrund seiner Zugehörigkeit zum deutschen Volke. Und das ist das schlimme. Es ist eine Mentalität, und die hat nichts damit zu tun, wer es vor 61 noch rüber geschafft hat. Das Problem des Jammerossis ist aus meiner (absolut subjektiven) Sicht eine Mischung aus Anspruchshaltung und Undankbarkeit. Was sich übrigens wunderbar in nahezu allen Positionen der SED wiederfindet.
In Antwort auf:Ich habe zu denen gehört, für die Deutschland bei der Öffnung der Mauer das "glücklichste Volk der Welt" gewesen ist, wie das Momper damals formuliert hat.
Politisch kann ich das auch sehen, aber persönlich ? Sagen Sie mir, was MIR die deutsche Einheit an positivem gebracht hat !
In Antwort auf:Natürlich ist es nicht so gelaufen wie erhofft - aber wäre denn ein Weiterbestehen der Teilung besser gewesen?
Ja und nein. Es gab 1989 keine Alternative, es ist unsinnig was anderes anzunehmen. Die ganze Konstruktion der BRD wäre eine Lüge gewesen, von der Verfassung ganz abgesehen. Aber es wäre vom theoretischen Standpunkt her besser gewesen, die DDR vollständig zusammenbrechen zu lassen. Ich glaube, das viele Probleme, die wir heute haben, daher rühren, dass man unbedingt weich auffangen wollte und die Folgen des Sozialismus abmildern wollte, wo man nur konnte. Verschwörungstheoretiker würden bereits darin einen Beleg dafür sehen, dass Politiker nicht wollen, dass die Folgen des Sozialismus zu offen gezeigt werden. :)
In Antwort auf:Also, auf den "Aufhänger" kommt es doch gar nicht an.
Im Moment noch. Zumindest wenn der noch so präsent ist. Wenn die Amis ihren 4.Juli feiern, dann ist das historisch längst losgelöst, das ist zwei Jahrhunderte her. Bei uns ist es knapp 20 her und die Folgen des Aufhängers sind vielen Leuten auf ihren Gehaltsabrechnungen noch sehr präsent.
Zitat von ex-blondich finde das eigentlich normal, dass wir Deutschen keinen ausdrücklichen Nationalstolz haben - und zwar wegen der Nazizeit. Nationalstolz schließt doch den Rückblick auf die Vergangenheit eines Volkes ein: dass man auf eine im Großen und Ganzen glorreiche Geschichte zurückblicken kann. Es ist mir als Deutsche, als Angehörige eines Volkes also, das in jüngster Vergangenheit eines der monströsesten Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu verantworten hat, unmöglich, ein fröhliches, fähnchenschwenkendes Gefühl des Nationalstolzes zu entwickeln.
Im Frühjahr, liebe ex-blond, hatten wir hier eine Diskussion über historische Schuld und das, was sich - meines Erachtens - zum Beispiel für das Verhältnis zu Israel daraus ergibt. Ich bin der Meinung, daß man unter diese Schuld keinen Strich ziehen kann, und daß sich daraus - und nicht nur daraus, sondern zum Beispiel auch aus der engen Verbindung zwischen der deutschen und der jüdischen Kultur - ein besonderes Verhältnis zu Israel notwendig ableitet.
Ich bin aber auch der Meinung, daß die Katastrophe des Nazismus nicht unseren Blick auf die deutsche Geschichte, die deutsche Kultur, die deutsche nationale Identität prägen sollte.
In der Nachkriegszeit stand das zu Recht im Vordergrund. Es ist ein Thema, das mich mein ganzes bewußtes politisches Leben lang beschäftigt hat.
Aber ich halte es - genauer habe ich das in dem verlinkten Thread beschrieben - für ganz und gar irrig, die deutsche Geschichte gewissermaßen von der Nazizeit her zu rekonstruieren. Es führt kein sozusagen logischer Weg von Luther über Wilhelm II zu Hitler.
Die deutsche Geschichte war nicht besser und nicht schlechter als die der anderen europäischen Länder. Und andere, allen voran Rußland, haben mit dem Kommunismus eine vergleichbare Katastrophe erlebt (nein, damit will ich die Monströsität des Holocaust in keiner Weise "relativieren"; das eine Verbrechen macht ja das andere um keinen Deut geringer).
Also, liebe ex-blond, ich habe da vielleicht eine etwas ungewöhnliche Position (die auch manche in der Blogokugelzone manchmal zu irritieren scheint):
Ich gehöre zu denen die für Israel, die USA, unsere westlichen Werte eintreten (in Blogs gesprochen: die mir am nächsten stehenden Blogs sind, neben B.L.O.G., das Antibürokratieteam und die FdoG).
Ich sehe diese Parteinahme für die USA und Israel aber nicht als im Gegensatz zu einem normalen Verhältnis zu meiner deutschen Identität stehend, sondern aus meiner Sicht sind das zwei einander ergänzende und miteinander übereinstimmende Haltungen.
Übrigens bin ich zu dieser Haltung erst durch Aufenthalte im Ausland gekommen. Erst als ich das normale Verhältnis von Holländern, Franzosen, Amerikanern zu ihrer nationalen Identität kennengelernt und verstanden habe, wurde mir allmählich bewußt, wie seltsam meine eigene damalige Haltung war, meine deutsche Identität herunterzuspielen, zu negieren, am besten zu leugnen.
Zitat von ZettelDieser Mangel an einem normalen Nationalgefühl in Deutschland hat etwas Neurotisches; und zwar in einem präzisen freudianischen Sinn: Ein Teil der eigenen Identität wird verdrängt und bricht sich Bahn in Form von Symptomen. Und ein Volk, das sich selbst mit ... seiner nationalen Identität nicht bejaht, das ist selbstunsicher.
Hier wird "nationale Identität" als definierte Größe vorausgesetzt. Darüber, was diese ausmacht, resp. ausmachen soll, herrscht aber erhebliche Uneinigkeit.
Das "Deutschland" jedenfalls, das sich selbst am 3.10. "feiert", ist - in meiner Wahrnehmung - so von schlecht verhehltem Selbsthaß und einem manifesten Todeswunsch (d.i. der offenkundige Wunsch, als Volk aufzuhören zu existieren) durchdrungen, daß ich diese Form nationaler "Identität" beim besten Willen nicht bejahen kann. Wie sollte denn auch ein (hoffentlich) halbwegs geistig gesundes Individuum, das bei allen Selbstzweifeln und im Bewußtsein der eigenen Unvollkommenheiten die eigene, individuelle Existenz am Ende des Tages doch freudig bejaht, sich als Teil eines Kollektivs betrachten können, welches sich vor allem durch pathologische Selbstverneinung definiert und eifrig die eigene Selbstauslöschung betreibt?
Der 3.10. ist der Feiertag des offiziellen Deutschlands und also notwendig mit dessen durchdringendem Gestank von gewollter und selbstgewählter Würdelosigkeit behaftet. Sich im Schmutz zu wälzen, ist nicht die beste Methode, rein zu werden. Die freundliche Einladung, beim kollektiven Wälzen mitzutun, ignoriere ich darum auch weiterhin und nutze den Tag lieber dazu, einige liegengebliebene Akten abzuarbeiten, derweil das Telephon so angenehm stille schweigt.
Stehe ich mit dieser Haltung alleine, oder ist das verallgemeinerungsfähig und damit eine Erklärung für den offenbar weithin fehlenden Elan beim Begehen dieses "Feiertages"?
Die Empfehlung, es den Franzosen und überhaupt allen anderen nachzumachen, und sich einen Nationalstolz zuzulegen, ist schon ein wenig paradox. Würden wir uns auf unsere traditionellen Stärken besinnen und daraus einen Stolz schöpfen, würden wir umgekehrt gerade dadurch die anderen nachahmen; die Negation einer Paradoxie ist schon wieder eine. In Verwirrung schlag nach bei Kant.
Zitat von Kant[Der Deutsche] lernt, mehr als jedes andere Volk, fremde Sprachen, ist [...] Großhändler in der Gelehrsamkeit, und kommt im Felde der Wissenschaften zuerst auf manche Spuren, die nachher von anderen mit Geräusch benutzt werden; er hat keinen Nationalstolz; hängt, gleich als Kosmopolit, auch nicht an seiner Heimat. In dieser aber ist er gastfreier gegen Fremde, als irgendeine andere Nation (wie Nola beklagt); diszipliniert seine Kinder mit Sittsamkeit zur Strenge, wie er dann auch, seinem Hange zur Ordnung und Regel gemäß, sich eher despotisieren, als sich auf Neuerungen (zumal eigenmächtige Reformen in der Regierung) einlassen wird. -- Das ist seine gute Seite. Seine unvorteilhafte Seite ist sein Hang zum Nachahmen und die geringe Meinung von sich, original sein zu können; vornehmlich aber eine gewisse Methodensucht [...] zwischen dem, der herrschen und dem, der gehorchen soll, eine Leiter anzulegen, woran jede Sprosse mit dem Grade des Ansehens bezeichnet wird, der ihr gebührt, und der, welcher kein Gewerbe, dabei auch keinen Titel hat, wie es heißt, nichts ist; welches [...] andern Völkern lächerlich vorkommen muß, und in der Tat als Peinlichkeit und Bedürfnis der methodischen Einteilung [...] die Beschränkung des angeborenen Talents verrät.
Das ist ein wahrhaft deutscher Text zum Nationalfeiertag, wie er so in Aporien, Paradoxien, Paralogismen und Antinomien schillert, daß einem ganz schwindlig wird, und dessen Beschreibungen doch auch ganz einfach damals wie heute nahezu wörtlich zutreffen; von der Sittsamkeit der Kinder mal abgesehen, zu der sie nicht mehr erzogen, sondern die sie sich wohl gerade deswegen selber anzueignen scheinen.
Vor allem nichts Neues unter der deutschen Sonne. Die Nazis sind nur heute die einfachste Begründung für den abwesenden Nationalstolz, wir könnten auch sagen, daß wir schon immer so waren, wenn es nicht so lahm klingen würde.
Dahinter verbirgt sich das, was man heute "Einführung in die Psychologie" nennen würde. Es ist wenig originärer Kant darin, sondern es ist, grob gesagt, die literarische Verwurstung einer Standard-Vorlesung, die er immer wieder hat halten müssen - so, wie er über Physik, Astronomie, Logik und ich weiß nicht was hat lesen müssen. So war das eben damals, vor der Humboldt'schen Universitätsreform.
Das Büchlein durchläuft die gesamte Psychologie, wie sie damals auf der Grundlage vor allem von Christian Wolff (von dem übrigens die Unterzeile von ZR stammt) gelehrt wurde. Wissenschaftsgeschichtlich sehr interessant.
Und weil's so schön ist, noch etwas daraus zur Charakterisierung von uns Deutschen:
Zitat von Kant, "Anthropologie in pragmatischer Hinsicht"Die Deutschen stehen im Ruf eines guten Charakters, nämlich dem der Ehrlichkeit und Häuslichkeit; Eigenschaften, die eben nicht zum Glänzen geeignet sind.
Der Deutsche fügt sich unter allen civilisirten Völkern am leichtesten und dauerhaftesten der Regierung, unter der er ist, und ist am meisten von Neuerungssucht und Widersetzlichkeit gegen die eingeführte Ordnung entfernt.
Sein Charakter ist mit Verstand verbundenes Phlegma, ohne weder über die schon eingeführte zu vernünfteln, noch sich selbst eine auszudenken.
Da Phlegma (im guten Sinn genommen) das Temperament der kalten Überlegung und der Ausdaurung in Verfolgung seines Zwecks, imgleichen des Aushaltens der damit verbundenen Beschwerlichkeiten ist: so kann man von dem Talente seines richtigen Verstandes und seiner tief nachdenkenden Vernunft so viel wie von jedem anderen der größten Cultur fähigen Volk erwarten; das Fach des Witzes und des Künstlergeschmacks ausgenommen, als worin er es vielleicht den Franzosen, Engländern und Italiänern nicht gleich thun möchte.
"... vielleicht nicht gleichtun möchte", hat Kant das nicht hübsch formuliert?
In Antwort auf:Zitat Zettel (Zumal heute Abend einer meiner Lieblingsfilme im TV läuft; "Das Leben der Anderen", ARD, 20.15).
Lieber Zettel, diesen Film habe ich nun gestern Abend gesehen und bin zutiefst besorgt. Wie kann es sein, das zur Zeit eine Verklärung dieser Tatsachen über "die Linke" und darüber hinaus von vielen "Ehemaligen DDR-Bürgern" betrieben wird? Und ich frage mich, ob wir, bei aller politischen Einwirkung bis ins Privatleben, nicht ebensolche Verhältnisse teilweise schon wieder ansteuern. Sind zu viele der "Ehemaligen" an unserer Gesetzgebeung beteiligt, für die es anhand der tatsächlich geschehenen Verbrechen, nur einen Witz bedeuten kann, wenn man uns das Rauchen verbieten will. (Sorry eine noch unwichtigere und oberflächlichere Maßregelung per Gesetz fällt mir grad wieder nicht ein) Oder ist es schon wieder diese Salamitaktik leise und schleichend ein Volk in den Würgegriff zu kriegen.
Es ist mir unverständlich, daß aus eben diesem Teil der "neuen Bundesländer" nicht ein Aufschrei und Aufrütteln an uns alte Bundesländer ergeht - die wir seit jahrzehnten eingelullt in Sorglosigkeit leben konnten. Wir sollten doch eigentlich voneinander lernen und nicht in die nächste Katastrophe schliddern. Bemerkenswert ist überhaupt der Verdrängungsmechanismus. Wieso hat es fast 20 Jahre gedauert bis Filme über dieses Denunziantentum und eine verbrecherische Staatsmacht gedreht wurden? Und woher weis man, daß diese Menschen, die es jahrzehnte praktizierten ihr Umfeld in die Pfanne zu hauen, nicht heute die gleiche Taktik anwenden zum persönlichen Vorteil. Nun kann man sagen, das wird es immer geben. Ja, stimmt, aber wenn ein ganzes Volk dazu erzogen wurde, dann ist es eben mehr als ein paar Ausnahmen, die von einer Gesellschaft immer mitgetragen werden müssen.
Ich habe seit der Wiedervereinigung in vielerlei Hinsicht (nicht zuletzt im Berufsleben) eine stark vermehrte Ellenbogen-Gesellschaft wahrgenommen. Das ist natürlich nur eine subjektive Meinung, aber entstanden aus objektiver Beobachtung. Das hatte für mich etwas von "Euch ist es immer gut gegangen, jetzt sind wir dran". Das war die Zeit, als Löhne und Gehälter sich drastisch reduziert haben, weil es "Billigangebote" der ehemaligen DDR-ler zu hauf gab. Das ist meines Erachtens der Grund warum wir in Deutschland sogar noch hinter Österreich in der Lohnentwicklung liegen.
Damit bin ich dann wieder beim Nationalstolz:
Zitat von Kant, "Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" -------------------------------------------------------------------------------- Die Deutschen stehen im Ruf eines guten Charakters, nämlich dem der Ehrlichkeit (...) --------------------------------------------------------------------------------
Ich finde man sollte - vorausgesetzt o. g. Eigenschaften zu besitzen - erstmal stolz auf sich selbst empfinden. Das kann man aber nur, wenn diese Wertigkeit als richtig empfunden wird, dazu muß sie einem beigebracht und vorgelebt werden. Jeder Mensch fühlt sich doch da am richtigen Ort, wo er verstanden wird, wo gleiche Ziele und Werte angestrebt werden und dann, erst dann kommt ein Wir-Gefühl und daraus kann dann eine Gemeinsame Überzeugung und Nationalstolz entstehen.
In Antwort auf:Wie kann es sein, das zur Zeit eine Verklärung dieser Tatsachen über "die Linke" und darüber hinaus von vielen "Ehemaligen DDR-Bürgern" betrieben wird? [...] Es ist mir unverständlich, daß aus eben diesem Teil der "neuen Bundesländer" nicht ein Aufschrei und Aufrütteln an uns alte Bundesländer ergeht
Weil Sie einen Fehler machen, liebe Nola, und zwar ihre Emfindung der Freiheit auf alle anderen zu übertragen. Es gibt diesen doofen Satz: In der DDR war nicht alles schlecht. Ich erweitere das um eine wichtige Nuance: In der DDR war es nicht für alle schlecht. Es ist ein Fehler zu glauben in der DDR hätte es meinetwegen 10.000 Bonzen gegeben und 13 Millionen Opfer, entsprechend müssten 13 Millionen Opfer berechtigte Sorge vor der SED haben. Es ist eine traurige Erkenntnis, aber für Millionen Menschen ist Freiheit auf der Prioritätenliste ziemlich weit unten, weit unter Konsum und oftmals noch viel weiter als unter Sicherheit. Für solche Menschen ist eine Stasi, eine Mauer oder eine diktatorische Regierung vermutlich nicht angenehm, aber dafür bekamen sie Sicherheit, Versorgung und jemand der ihnen sagt, was sie tun sollen. Es ist aus einer liberalen Weltsicht absurd, aber für viele Menschen ist das attraktiv. Das was Ihnen und mir, liebe Nola, als Katastrophe erscheint, ist für andere erstrebenswert. Und unter dieser Prämisse ist dann auch die Verklärung naheliegend. So schlimm war das ja nicht mit der Stasi, etc.
In Antwort auf:Wie kann es sein, das zur Zeit eine Verklärung dieser Tatsachen über "die Linke" und darüber hinaus von vielen "Ehemaligen DDR-Bürgern" betrieben wird? [...] Es ist mir unverständlich, daß aus eben diesem Teil der "neuen Bundesländer" nicht ein Aufschrei und Aufrütteln an uns alte Bundesländer ergeht
Zitat:Weil Sie einen Fehler machen, liebe Nola, und zwar ihre Emfindung der Freiheit auf alle anderen zu übertragen. Es gibt diesen doofen Satz: In der DDR war nicht alles schlecht. Ich erweitere das um eine wichtige Nuance: In der DDR war es nicht für alle schlecht.
Da ist was dran, lieber Llarian, das höre ich hier in Niedersachsen andauernd.
In Antwort auf:Es ist ein Fehler zu glauben in der DDR hätte es meinetwegen 10.000 Bonzen gegeben und 13 Millionen Opfer, entsprechend müssten 13 Millionen Opfer berechtigte Sorge vor der SED haben.
Ein paar mehr Bonzen werden es wohl gewesen sein, aber, so ähnlich habe ich tatsächlich gedacht. Selbst wenn nur jeder zweite oder dritte überwacht wurde, Gründe dafür waren ja teils "willkürlich" ohne besonderen Verdacht und wenn es ein mißgünstiger Nachbar gewesen war, aber damit zu leben, daß man täglich damit rechnen müßte, verhört, erpresst und inhaftiert zu werden, hat was von Horror-Film. Für mich ist dieser Gedanke unerträglich, über meine besten Freunde verhört zu werden - Vater, Bruder oder Verwandte zu denunzieren, und damit leben zu müssen.
In Antwort auf:Es ist eine traurige Erkenntnis, aber für Millionen Menschen ist Freiheit auf der Prioritätenliste ziemlich weit unten, weit unter Konsum und oftmals noch viel weiter als unter Sicherheit. Für solche Menschen ist eine Stasi, eine Mauer oder eine diktatorische Regierung vermutlich nicht angenehm, aber dafür bekamen sie Sicherheit, Versorgung und jemand der ihnen sagt, was sie tun sollen.
Diese Überlegung hat was, lieber Llarian, so unvorstellbar das auch ist. Insbesondere jetzt, wo die Sozialkassen leer sind.
In Antwort auf:Es ist aus einer liberalen Weltsicht absurd, aber für viele Menschen ist das attraktiv. Das was Ihnen und mir, liebe Nola, als Katastrophe erscheint, ist für andere erstrebenswert. Und unter dieser Prämisse ist dann auch die Verklärung naheliegend. So schlimm war das ja nicht mit der Stasi, etc.
Ich glaube Frank hatte hier schon geschrieben, das es dafür vermutlich besser gewesen wäre, wenn der Sozialismus richtig platt gewesen wäre. Vielleicht haben die meisten bis heute noch nicht erkannt, das eine Wiedervereinigung nur der wirtschaftlichen Pleite zu verdanken gewesen ist. Man hätte also auf wesentlich mehr verzichten müssen, als nur auf Südfrüchte.
Zitat von NolaWie kann es sein, das zur Zeit eine Verklärung dieser Tatsachen über "die Linke" und darüber hinaus von vielen "Ehemaligen DDR-Bürgern" betrieben wird?
Ich weiß es nicht, liebe Nola. Wir haben darüber ja schon oft diskutiert. Die Erinnerung verklärt; das dürfte ein Grund sein. Die Kommunisten sind gute Propagandisten, das ist wohl ein anderer.
Zitat von NolaUnd ich frage mich, ob wir, bei aller politischen Einwirkung bis ins Privatleben, nicht ebensolche Verhältnisse teilweise schon wieder ansteuern.
Das kann ich nicht sehen, überhaupt nicht.
Ich werde, liebe Nola, immer a bisserl zornig, wenn ich solch einen Vergleich lesen - nehmen Sie es mir nicht übel.
Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat mit einer freien Wirtschaft, mit freien Wahlen, einer unabhängigen Justiz, mit der Möglichkeit, jeden Verwaltungsakt gerichtlich nachprüfen zu lassen. Niemand wird willkürlich verhaftet. Niemand muß befürchten, daß er - wie es in dem Film geschildert wird - nicht mehr auf der Bühne stehen, nicht mehr schreiben darf, weil er politisch mißliebig ist. Niemand muß fürchten, daß sein Sohn oder seine Tochter den Studienplatz verliert, weil er etwas falsches sagt.
Einen größeren Unterschied zwischen unserem Rechtsstaat und dem Unrechtsstaat DDR, in dem nicht die Justiz, sondern das Politbüro beispielsweise über Todesurteile entschied, in dem auf allen Ebenen die Willkür der Herrschenden entschied und nicht das Recht, kann es kaum geben.
Natürlich, liebe Nola, gibt es bei uns Dinge, die nicht in Ordnung sind; wir sind ja kein Staat in einem idealen Wolkenkuckucksheim. Aber ich kann auch nicht den Schatten einer Ähnlichkeit mit den Verhältnissen in einer kommunistischen Dikatur sehen.
Die Kommunisten wollen eine solche Diktatur wieder errichten, da sind wir uns einig. Es ist für mich schwer zu begreifen, daß so viele Menschen das nicht sehen. Daß sie einer politischen Strömung, zu der seit Lenin die Lüge so gehört wie zum Gottesdienst das Amen in der Kirche, abnehmen, daß ihre Vertreter diesmal die Wahrheit sagen, wenn sie sich zum Grundgesetz bekennen.
Also, liebe Nola - in der Beurteilung der Gefahr, die von dieser Partei ausgeht, die sich gerade anschickt, in Hessen einen Fuß in die Tür zur Macht zu kriegen, sind wir uns einig.
Zitat von LlarianEs ist ein Fehler zu glauben in der DDR hätte es meinetwegen 10.000 Bonzen gegeben und 13 Millionen Opfer, entsprechend müssten 13 Millionen Opfer berechtigte Sorge vor der SED haben. Es ist eine traurige Erkenntnis, aber für Millionen Menschen ist Freiheit auf der Prioritätenliste ziemlich weit unten, weit unter Konsum und oftmals noch viel weiter als unter Sicherheit. Für solche Menschen ist eine Stasi, eine Mauer oder eine diktatorische Regierung vermutlich nicht angenehm, aber dafür bekamen sie Sicherheit, Versorgung und jemand der ihnen sagt, was sie tun sollen.
Auf Freiheit, lieber Llarian, im Sinn der Freiheit politischer Betätigung legen vielleicht viele Menschen wirklich keinen Wert.
Aber zwei andere Aspekte der Freiheit erscheinen den meisten, denke ich, doch wichtig: Einmal die Reisefreiheit statt des Gefühls, eingesperrt zu sein. Zweitens die Freiheit, sagen wir, des Meckerns.
Ich habe gestern wieder in irgendeiner Rundfunksendung so etwas gehört: Wie es in der DDR gang und gäbe war, die Kinder zu vergattern: Sag das aber bloß nicht in der Schule. (In "Das Leben der anderen" ist auch so eine Szene, wo Ulrich Mühe mit einem Kind im Aufzug steht und im Begriff ist, es über die politischen Ansichten seines Vaters auszufragen).
Eine Welt, in der das Lügen verlangt wird, sozusagen von morgens bis abends - das Lügen im Sinn des Verheimlichens, aber auch das Lügen in dem Sinn, daß man Dinge gegen seine Überzeugung sagen muß; und sei es auch nur das Nachplappern von Parolen.
Ich weiß nicht, ob das schon einmal jemand untersucht hat: Wie diese Atmosphäre der Verlogenheit, die das ganze Leben umfaßte, sich auf die Persönlichkeit und die Verfaßtheit "unserer Menschen" ausgewirkt hat.
Ich könnte mir denken, daß man darauf vor allem mit Passivität reagiert hat - bloß nichts Falsches sagen, bloß nichts Falsches tun.
Dieser Mangel an Initiative, dieser Mangel an Selbstbewußtsein bei den Ossis ist, denke ich, nicht nur der Planwirtschaft geschuldet, sondern auf einer viel allgemeineren Ebene dem ständigen Zwang, sich zu verstellen.
das, was ich im (spanischen) Fernsehen von unserem Nationalfeiertag zu sehen bekam, machte einen nur als erbärmlich zu bezeichnenden Eindruck. Unlustig aussehende Leute schlichen zwischen Würstchenbuden herum, die auch anläßlich der Eröffnung einer Vereinsschießbude hätten dastehen können. Vielleicht war's ja auch dem Wetter geschuldet, vielleicht dem übersättigten deutschen Temperament - der Eindruck war jedenfalls scheußlich. Der Einfallslosigkeit hätte man auch mit dem Standardmittel ebenjene zu übertünchen, dem Kindermalwettbewerb, nichts mehr abringen können. Wir sollten wieder den Volkstrauertag feiern - das können wir halt besser!
Lieber Zettel, ich weiß ja was Sie meinen. Sicherlich ist es auch überwiegend richtig, richtig ist aber auch, daß sich einige unten aufgeführte Beispiele von einer gesunden Demokratie entfernen.
In Antwort auf:Zitat Zettel Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat mit einer freien Wirtschaft, mit freien Wahlen, einer unabhängigen Justiz, mit der Möglichkeit, jeden Verwaltungsakt gerichtlich nachprüfen zu lassen. Niemand wird willkürlich verhaftet. Niemand muß befürchten, daß er - wie es in dem Film geschildert wird - nicht mehr auf der Bühne stehen, nicht mehr schreiben darf, weil er politisch mißliebig ist. Niemand muß fürchten, daß sein Sohn oder seine Tochter den Studienplatz verliert, weil er etwas falsches sagt.
wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat,
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (GG Art.38)
Die SPD versprach vor dem Landtagswahlkampf in Hessen, 27.01.2008, mit der Partei Die Linken nicht zu koalieren. Andrea Ypsilanti, SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl, wollte das Versprechen nach der Wahl nicht halten. Dagmar Metzger, hessische MdL der SPD, dachte darüber anders. Sie wollte das Versprechen halten und teilte dies fairerweise Frau Ypsilanti vor der Wahl mit. Die Parteispitze der SPP legte daraufhin Frau Metzger nahe, auf ihre Landtagsmandat zu verzichten. Frau Metzger wurde gemobbt, gedrängt, unter Druck gesetzt.
Hildegard Hamm-Brücher, FPD, die 1982 eine ähnliche Entscheidung gegen ihre Partei traf. Nach ihrer Gewissensentscheidung erhielt Frau Hamm-Brücher keinen Ausschuss-Sitz mehr, keine Redezeit, keine Beteiligung den sonstigen parlamentarischen Aufgaben.
Die 19 Abgeordneten der SPD, die keine deutschen Soldaten nach Mazedonien schicken wollten, erhielten dafür eine Sanktionsdrohung durch den Generalsekretär der SPD, Franz Müntefering. SZ, 4.9.2001, 13
Gerhard Schröder, SPD, drohte den sechs Abweichlern mit «Rausschmiss» aus der SPD, weil sie die Gesundheits-«Reform» als ungerechte, einseitige und damit unsoziale Abschiebung der Lasten auf die Kleinen ansehen. - Fritz Birkner, Rosenheimer Nachrichten, 05.10.2003
mit einer freien Wirtschaft,
Die Schufa speichert heikle Daten von über 64 Millionen Verbaucher ohne deren Wissen. Will ein Bürger Auskunft darüber, ob und was von ihm gespeichert ist, so kostet dies im Normalfall eine Gebühr von 7,80 Euro. "Die Datenqualität ist das Problem", so Helga Springeneer, Finanzexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. So schafft die Schufa ein "Hokuspokus zum Nachteil der Verbraucher" (Überschrift der SZ, 24.1.2008, S. 27)
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Der Index des "Economic Freedom of the World 2008" hat die wirtschaftliche Freiheit von 141 Ländern der Welt beurteilt. Deutschland verliert drei Ränge und findet sich jetzt auf Platz 17. Neben der Preisstabilität war der Schutz von Besitztümern wichtiges Kriterium. Deutschland schneidet vor allem bei der Rechtssicherheit und dem Freihandel gut ab, bei Arbeitsmarktregulierung und Staatsquote landet das Land dagegen auf den hinteren Rängen.
Das Bundesfinanzministerium blickt nach Informationen des Handelsblatts auch Kanzlerin Angela Merkel sorgenvoll auf mögliche Beteiligungen ausländischer Staatsfonds an deutschen Unternehmen. Im Auftrag der Regierungen kaufen sich diese Fonds zunehmend in westliche Unternehmen ein. In der vergangenen Woche hatte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann völlig überraschend die Bundesregierung aufgefordert, wichtige deutsche Industrien vor der Übernahme durch Staatsfonds zu schützen. Ackermann sprach von einem „neuen Staatskapitalismus“. Übernahmeziel seien vor allem deutsche Unternehmen. So hat erst kürzlich der Investmentfonds des Emirates Dubai gut zwei Prozent an der Deutschen Bank erworben.
Für die Deutsche Telekom AG hat die Bundesregierung in den vergangenen Monaten Angebote von russischen Firmen wie der Telekomgesellschaft Sistema erhalten, die eine Beteiligung an dem ehemaligen Monopolunternehmen anstreben. 24.06.2007 Handelsblatt
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Mehrere Krankenkassen, z. B. BKK Mobil Oil, wollten ihre Beiträge zum Juli 2005 senken. Das BVA Bundesversicherungsamt verweigerte die Genehmigung der Beitragssenkung in der gewünschten Höhe. SZ, 4.7.05, S. 21 1. Betragssenkung muss genehmigt werden! 2. Betragssenkung wird verboten!
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Der Praktiker Baumarkt (eine Metro Tochter) wollte nahezu für alle Artikel die Preise um 20 % senken. Das Landgericht Hamburg untersagte dies. Eine Konkurrent hat eine einstweilige Verfügung gefordert. Daraufhin wollte das Unternehmen bei einem Kauf von mehr als 50 Euro einen Rabatt von 20 % gewähren. Das Landgericht Hamburg untersagte dies. Niedrigere Preise in Deutschland verboten. SZ, 6.10.2003, S.21
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Ein Friseur darf keine Treueprämie an seine Kunden geben. Bei einem Abonnement über sieben Haartönungen darf er dem Kunden keine achte kostenlos geben! OLG Jena, 2 U 362/01 (Münchner Merkur, 31.10.2002, S.32) Saftige Preiserhöhungen sind dagegen jederzeit erlaubt.
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Das Bundeskartellamt schreibt der Lufthansa die Preise vor und bekam vor Gericht recht. Die Deutsche Lufthansa muß auf der Strecke Frankfurt – Berlin die verbraucherfreundlichen Niedrigpreis Tickets stoppen und ihre Tickets um mindestens 30,50 Euro teurer als die Konkurrenz anbieten. Münchner Merkur, 12.4.2002, S.33
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"Die Politik der Dauerreglementierung ist gescheitert. Das müssen wir uns endlich eingestehen." Ex-Gesundheitsminister Horst Seehofer, CSU, zur Gesundheitspolitik. Spiegel 27/2001, S.24 (Paßt ebenfalls zur Wirtschaftspolitik)
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Gerold Reichenbach, SPD, MdB, lehnt den Zwang zur IHK-Mitgliedschaft ab: Jeder Unternehmer soll selbst entscheiden. 19.07.2006:
Der frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel betonte, das ein erster und wichtigster Schritt auf dem Weg zu einer Neuordnung der Verbändestrukturen sei, die Zwangsmitgliedschaft in den Kammern abzuschaffen. "Henkel attackiert geplante Verbändefusion", Wirtschaftswoche, 27.9.2006
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Nichtsdestotrotz ist unsere parlamentarische Vernunft weiterhin damit beschäftigt, als Grubenpferde der „freien“ Wirtschaft zu ackern. Und doch, die Verschuldung der öffentlichen Hand schreitet weiter voran. Anfang 2008 hatten Bund, Länder und Gemeinden zusammen 1.500.000.000 Euro Schulden angehäuft. + 0,5 % gegenüber dem Vorjahr. (SZ, 3.6.2008, S. 6) Unabhängig vom aktuellen "Weltuntergang", die Zahlen kennen wir ja nicht wirklich.
mit freien Wahlen,
Die SPD versprach vor dem Landtagswahlkampf in Hessen, 27.01.2008, mit der Partei Die Linken nicht zu koalieren. Andrea Ypsilanti, SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl, wollte das Versprechen nach der Wahl nicht halten.
einer unabhängigen Justiz,
?… Bundesverfassungsgericht eine von der Exekutive abhängige Justiz?
Das Richterwahlverfahren wird immer wieder kritisiert, insbesondere wird die mangelnde Transparenz des Verfahrens bemängelt und dass bei der Wahl neben der fachlichen Qualifikation auch die parteipolitische Ausrichtung der Kandidaten eine Rolle spielt. Dementsprechend forderten z. B. die Präsidenten der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs auf ihrer Jahrestagung 2002 unter anderem, dass die Bundesrichter in einem transparenten Verfahren ausschließlich aufgrund ihrer persönlichen und fachlichen Eignung zu berufen seien. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Böckenförde spricht von „Parteipatronage“ und „personeller Machtausdehnung der Parteien“.
Weiter wird die Unabhängigkeit von der Exekutive diskutiert: "… In der Empfehlung des Europarates über die Rolle der Richter und in den Kriterien der Europäischen Union über die Aufnahme neuer Mitgliedsländer heißt es: »Die für die Auswahl und Laufbahn der Richter zuständige Behörde sollte von der Exekutive unabhängig sein«. Das ist so in Frankreich, Spanien, Italien, Norwegen, Dänemark und in den Niederlanden – in Deutschland nicht. Deutschland wäre also, wäre es nicht schon Kernland der EU, ein problematischer Beitrittskandidat …" [1]
Die Bundesvertreterversammlung des Deutschen Richterbundes (DRB) forderte am 27. April 2007 [2] der Justiz die Stellung zu verschaffen, die ihr nach dem Gewaltteilungsprinzip und nach der im Grundgesetz vorgesehenen Gerichtsorganisation zugewiesen ist. Die Unabhängigkeit der Justiz werde zunehmend durch den Einfluss der Exekutive eingeschränkt. Auch die Neue Richtervereinigung [3] setzt sich für die Verwirklichung der Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive ein.
Diese Forderung ist mehr als 50 Jahre alt. Schon der 40. Deutschen Juristentag 1953 [4] hat diese Verwirklichung des Grundgesetzes angemahnt. (Wikipedia)
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Schon Helmut Kohl wollte keine Parlamentarier mehr nach Karlsruhe entsenden, Wolfgang Schäuble rang ihm dennoch die Zustimmung für den allseits geachteten Jürgen Schmude ab. Die SPD-Fraktion aber schob den von ihren Leuten präsentierten Schmude rücksichtslos beiseite – es müsse eine Frau sein: Herta Däubler-Gmelin.
Darauf der düpierte Schäuble: Die nicht! Die Wahl fiel dann auf Jutta Limbach.
Das für dieses Frühjahr angestrebte Vizepräsidentenamt von der SPD für Horst Dreier ist auch durch ein allgemeines Ränkespiel verhindert worden. (Die Vorwürfe hinsichtlich Folter und Gen-Forschung trafen so auch nicht zu, aber der gute Leumund war dahin und das Amt auch) Jedoch: Als Nachfolger von Herrn Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Winfried Hassemer wird Herr Prof. Dr. Andreas Voßkuhle (SPD)in den Zweiten Senat eintreten. Er ist ordentlicher Professor am Institut für Staatswissenschaften und Rechtsphilosophie und Rektor der Universität Freiburg und erhält am 7. Mai 2008 die Ernennungsurkunde durch den Bundespräsidenten.
Ach ja, alle parteipolitischen Ämter und Zuständigkeiten werden dann abgelegt. Warum nur werden sie dann im Turn immer mal mit CDU, mal SPD und mit Glück auch mal ein Grüner vorgeschlagen?
mit der Möglichkeit, jeden Verwaltungsakt gerichtlich nachprüfen zu lassen.
Was viel Geld kostet und nicht zwangsläufig bedeutet, dass nun auch jeder zu seinem Recht gelangt.
Niemand wird willkürlich verhaftet.
Hier möchte ich bewusst nichts schreiben.
Niemand muß befürchten, daß er - wie es in dem Film geschildert wird - nicht mehr auf der Bühne stehen darf,
Gari Kasparow, Gegner von Russlands Wladimir Putin, wurde bei der Sendung der ARD mit Sabine Christiansen – eine Sendung der Öffentlichen Medien – ausgeladen. Der Sender behauptete: "aus technischen Gründen". Aber es trifft wohl eher zu, das die Ausladung auf Einspruch des russischen Botschafters erfolgte. SZ, 14.12.2006,
Der christliche Medienverbund Kep will dem Fernsehpfarrer Jürgen Fliege die "Ordinationsrechte" entziehen lassen; er habe in einem Interview mit dem Magazin Penthouse eine vulgäre Ausdrucksweise verwendet. Süddeutsche Zeitung, 17.6.1999, Seite 23
Auftrittsverbot für Liedermacher Hans Söllner durch Ralf Felber, Ansbacher OB Ein für den 26.9.1998 in Ansbach geplantes Konzert wurde von Ralf Felber, SPD, OB von Ansbach, verboten. Er will Ansbach nicht mit dem Liedermacher, "bekannt für derbe Scherze und eher unkonventionelle Wortwahl" (SZ, 21.8.98), in Verbindung bringen. Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur, 21.8.1998
nicht mehr schreiben darf, weil er politisch mißliebig ist (oder wie es in der DDR hieß: "Druckgenehmigungsverfahren")
Der 1994 leitende Oberstaatsanwalt in Lübeck im Fall Barschel, Heinrich Wille, stellte die Ermittlungen 1998 ein. Jetzt hat er ein Manuskript Der Mord an Uwe Barschel – das Verfahren erstellt, das zur Frankfurter Buchmesse am 20. Todestags Uwe Barschels erscheinen sollte. Doch der Generalstaatsanwalt Schleswig-Holsteins, Erhard Rex, will die Veröffentlichung nur in der kostenlosen Schriftenreihe des Generalstaatsanwalts zulassen. Begründung: Wille dürfe nicht privat dienstliches Wissen vermarkten.
Wille legte Widerspruch gegen die Entscheidung von Generalstaatsanwalt Erhard Rex ein, dass er kein Buch über Barschel in einem kommerziellen Verlag veröffentlichen darf. Er besteht auf dem Recht zur freien Meinungsäußerung.
Bundesverfassungsgericht entschied gegen die Pressefreiheit. Das aufklärende Buch darf nicht erscheinen. Das Buch hätte im Oktober 2007 erscheinen sollen, wurde jedoch vom Generalstaatsanwalt von Schleswig-Holstein Erhard Rex gestoppt. Willes Buch enthalte mehrere Hinweise über mögliche Mordthesen im Fall Barschel. SZ, 16.7.2008, S. 6
Unverständlich, da andere Strafverfolger veröffentlichen durften. So der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger, Anklagevertreter in Prozessen gegen RAF-Mitglieder und der Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner über Korruption.
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Verbot des Romans "Mephisto" von Klaus Mann So hat es jedenfalls der Dritte Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg beschlossen. Im Sinne eines am 10. März 1966 verkündeten Urteils ist der Nymphenburger Verlagshandlung München verboten, Klaus Manns im Exil geschriebenen und erstmalig im Jahre 1936 in Amsterdam in deutscher Sprache publizierten Roman "Mephisto" zu vervielfältigen, zu vertreiben und zu veröffentlichen.(ZEIT Nr. 8/1966)
Als dann das Bundesverfassungsgericht 1971 über das Verbot von Klaus Manns Schlüsselroman „Mephisto“ zu entscheiden hatte, argumentierte zumindest ein Teil des Senats noch für die Freiheit der Kunst. „Spannungen zwischen dem in seiner Würde von jedem zu respektierenden Individuum und dem künstlerischen Anliegen gehören zum festen Bestandteil der Literatur“, hieß es in der richtungsweisenden Entscheidung von damals, „und wo sie in künstlerischen Romanen und Dramen hervorgetreten sind, beruhen Wirkung und Wert der Dichtung auf ihrem Rang als Kunstwerk, nicht auf der Einkleidung biographischer Erlebnisse.“
„Mephisto“ war die Abrechnung mit einem politischen Opportunisten, tief verstrickt ins „Dritte Reich“. Hinter dem Karrieristen Hendrik Höfgen verbarg sich der Schauspieler Gustaf Gründgens.(Deshalb hatte Gründgens Adoptivsohn die Buchveröffentlichung mit Erfolg zuerst verhindern können.)
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45 Wissenschaftler, Juristen (!), Polizeibeamte und Autoren (darunter Heinrich Breloer, Walter Kempowski, Wolf Biermann und Ralph Giordano) protestierten gegen das Verbot des Buchs Deutsche Gerechtigkeit von Roman Grafe
Hierzu Auszug Berliner Zeitung vom 20. März 2007 Zeitungen in diesem Land drohten bislang bis zu 250 000 Euro Strafe oder ersatzweise Ordnungshaft für den Fall, dass sie den Politoffizier X. Y., der im Stab des DDR-Grenzkommandos Treptow diente, bei seinem Namen nannten. Im Bereich dieses Kommandos war am 5. Februar 1989 der 20-jährige Chris Gueffroy erschossen worden. X. Y. hatte danach im Westen eine steile Karriere gemacht und bekleidet heute hohe Ämter bei der Bundespolizei und der Polizeigewerkschaft.
Als der Autor und Filmemacher Roman Grafe auf diese Tatsachen in seinem Buch "Deutsche Gerechtigkeit" über die Mauerschützen eher beiläufig hinwies, ließ der einstige Politoffizier das Buch aus dem Siedler Verlag per Landgericht Berlin verbieten. Er wollte sich nicht in einem Zusammenhang sehen mit Maueropfern und Todesschützen. Als Medien über den Rechtsstreit berichteten, ließ H. auch denen die Nennung seines Namens verbieten.
Gegen ein drohendes Buch-Verbot protestierten Künstler, Historiker und Politiker wie Erich Loest, Wolf Biermann, Ralph Giordano oder Wolfgang Thierse. In einem Aufruf der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte warnten sie davor, dass moralische Schuld von Verantwortlichen der SED-Diktatur nicht mehr benannt werden dürfe. Auch für diesen Aufruf erwirkte X. Y. eine Unterlassung.
Diesem Anonymisierungs-Spuk machte gestern das Kammergericht Berlin ein Ende. Der Ex-Politoffizier darf im Buch wie in Medienberichten wieder genannt werden. X. Y. sei selbst mit Vorträgen an die Öffentlichkeit gegangen, habe in einem TV-Film seine Biografie vorgestellt, so die Richter. (Berliner Zeitung März 2007)
Niemand muß fürchten, daß sein Sohn oder seine Tochter den Studienplatz verliert, weil er etwas falsches sagt.
Nein, befürchten muss man das nicht, dass ist wohl wahr, war ist aber auch, dass viele erst gar keinen Studienplatz haben werden, weil sie es nicht bezahlen können. Ob nun eine kommunistische Elite oder finanziell Privilegierte studieren macht dann keinen Unterschied.
Zitat von Nola... richtig ist aber auch, daß sich einige unten aufgeführte Beispiele von einer gesunden Demokratie entfernen.
Wie, liebe Nola, definieren Sie eine "gesunde" Demokratie? Aus meiner Sicht gehört zur Demokratie unabdingbar der Rechtsstaat; eine Demokratie ohne ihn wäre Willkürherrschaft der Mehrheit. So, wie umgekehrt ohne Demokratie der Rechtsstaat nichts wert ist; denn man kann ja - siehe Scharia - Unmenschliches in dieses Recht hineinschreiben.
Dieser demokratische Rechtsstaat funktioniert bei uns. Und dazu gehört auch, daß der Staat sich nicht in die Angelegenheiten des Einzelnen, nicht in die Angelegenheiten der Parteien einmischt.
Nehmen wir Ihr erstes Beispiel, liebe Nola:
Zitat von Nola Frau Metzger wurde gemobbt, gedrängt, unter Druck gesetzt.
Aber eben nicht von staatlichen Organen, wie das in der DDR der Fall gewesen wäre.
Dort hätte nicht eine Partei, die ja keine Machtbefugnisse hat, sie innerparteilich bedrängt, sondern sie wäre in Hohenschönhausen verschwunden. Sehen Sie nicht, liebe Nola, wie ganz unvergleichbar das ist?
Was hätte denn der Staat nach Ihrer Vorstellung tun sollen, damit es für Sie demokratisch zugegangen wäre? Hätte er der SPD untersagen sollen, Frau Metzger zu drängen? Und wie hätte das juristisch gehen sollen?
Frau Metzger ist in ihren Rechten nicht eingeschränkt worden. Sie hat selbstverständlich ihr Mandat behalten. Sie hat bei der Probeabstimmung in der SPD-Fraktion mit abgestimmt, mit nein. Sie hat weiter alle Rechte als Abgeordnete.
Seien Sie mir nochmals nicht böse, liebe Nola: Aber in dem Fall Metzger auch nur den Hauch einer Nähe zu DDR-Verhältnissen zu sehen, das kann ich nicht nachvollziehen.
Auch Ihre anderen Beispiele zu Abgeordneten zeigen doch nur, daß Politiker (auch) von ihrer Partei abhängig sind - ja wie denn auch anders?
Sie sind das im parlamentarischen System mehr als im US-System, in dem der einzelne Senator und Abgeordnete ein weit größeres Gewicht hat; sie sind das unter Verhältniswahlrecht mehr als unter Mehrheitswahlrecht.
Daß das in auch nur marginaler Weise unsere Demokratie einschränken oder gar zu einer Vergleichbarkeit mit Verhältnissen in einer Diktatur berechtigen würde, kann ich nicht sehen.
Der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verantwortlich. Das ist so, und das gilt uneingeschränkt. Außer kraft gesetzt würde dieser Grundsatz, wenn z.B. eine Partei einen Abgeordneten nötigen würde, sich zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten zu verpflichten.
Die "Grünen" haben etwas Ähnliches in der ersten Legislaturperiode, in der sie im Bundestag waren, versucht, indem sie alle Abgeordneten zum "Wegrotieren" nötigen wollten. Otto Schily hat sich einfach nicht daran gehalten und sein Mandat nicht zur Halbzeit niedergelegt.
Und was ist passiert? Nichts. Er blieb eben Abgeordneter. So, wie es das Grundgesetz vorsieht.
Das Grundgesetz ist nicht in Gefahr, in keiner Weise. So sehen ich das auch in Bezug auf Ihre anderen Beispiele. Keines tangiert den Rechtsstaat, keines tangiert die Demokratie.
Es gibt Bestrebungen, unsere Freiheit einzuschränken, das ist wahr. Darüber schreibe ich ja ständig; u.a. in den beiden Serien "Deutschland im Öko-Würgegriff" und "Überlegungen zur Freiheit".
Und es gibt zweitens - das ist eine ganz andere Ebene - nach wie vor eine kommunistische Partei, die den demokratischen Rechtsstaat beseitigen und ihn durch eine Dikatur à la DDR ersetzen wollen.
Aber das ändert alles nichts daran, daß wir in einem freiheitlichen Staat und in einem Rechtsstaat leben.
Herzlich, Zettel
PS: Wow, da haben Sie ja vieles zusammengetragen! Sammeln Sie solche Meldungen?
Dieser demokratische Rechtsstaat funktioniert bei uns. Und dazu gehört auch, daß der Staat sich nicht in die Angelegenheiten des Einzelnen, nicht in die Angelegenheiten der Parteien einmischt.
Das sieht nicht nur Nola anders als Sie.
Wenn man das Beispiel Hessen betrachtet, dann kann von Demokratie keine Rede sein. Er steht mit absoluter Sicherheit fest, dass die ganz maßgebliche Mehrheit aller hessischen Wähler bei Abgabe ihrer Stimme keine Beteiligung der Linken haben wollte. Es sieht nun alles danach aus, dass sie aber genau das bekommen was sie nicht gewählt haben.
Und wenn sie von einem Rechtsstaat sprechen, dann bestreite ich dies besonders. Dazu nur zwei Beispiele.
Erstens, ein Staat ist kein Rechtsstaat mehr, wenn er persönliche Kontodaten von einem ausländischen Verbrecher, das war dieser Verkäufer nämlich, er wurde gesucht, kauft. Dieser Vorgang war im höchsten Maße illegal und kriminell. Das waren typische Stasimethoden.
Zweites Beispiel.
· Die anwaltliche Schweigepflicht hat man zwischenzeitlich in Deutschland in weiten Teilen zu Grabe getragen. Unauffällig wurde in Deutschland kurz vor Weihnachten 2001 von der SPD das "Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz" - StVBG - verabschiedet. In dessen Art. 2 Nr. 3 ist eine neue Bestimmung der "Abgabenordnung" - AO - enthalten, nämlich § 370a AO. Wehe, ein Rechtsanwalt weiß, dass das Finanzamt von seinem Mandanten eigentlich Euro 84.396,00 an Steuern kriegen müsste, wegen im Ausland verdienter Guthabenzinsen oder Mieteinnahmen in den letzten Jahren. Dies ist nämlich nach neuer Rechtslage so etwas ähnliches wie Terrorismus, auf jeden Fall ist das "Geldwäsche". Bei einem derart "spektakulären Verbrechen", offenbar viel schlimmer als heimtückischer Mord und sexuelle Misshandlung von Kleinkindern, musste das Schweigerecht des Anwaltes in Deutschland weichen und abgeändert werden, in eine Pflicht zur Anzeige des eigenen Mandanten. Damit noch nicht genug, darf der Anwalt von dieser Anzeige seinem Mandanten allerdings nichts verraten.
Ach so definiert der Rechtsstaat nun Schweigepflicht.
Nein, nein lieber Zettel, diese Dinge sind exakt so perfide und hinterhältig wie das Vorgehen des alten Staatsapparates der DDR. Nichts, aber auch gar nichts hat dies mit Rechtsstaatlichkeit zu tun und kaum ein Bürger weiß überhaupt, dass sein Anwalt zu einem staatlich vergatterten Spitzel umfunktioniert wurde.
Es gibt Bestrebungen, unsere Freiheit einzuschränken, das ist wahr.
Zitat von M.Schneidereine Pflicht zur Anzeige des eigenen Mandanten. Damit noch nicht genug, darf der Anwalt von dieser Anzeige seinem Mandanten allerdings nichts verraten.
Gibt es hierzu einen Verweis zu einer Darstellung von einschlägigen Einzelheiten? Woraus genau ergibt sich eine Anzeigepflicht?
§ 370a AO enthielt die Strafvorschrift bzgl. gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und ist zum 01.01.2008 aufgehoben worden.
§ 261 StGB ist zumindest mir bislang nur insoweit als Problem geläufig, als die Annahme von Honorarzahlungen, bei denen der Anwalt positiv weiß, daß das Geld aus einer Straftat (wie zB Steuerhinterziehung) herrührt, Geldwäsche sein kann (BGH v. 04.07.2001; BVerfG v. 30.03.2004).
Zitat von Nola... richtig ist aber auch, daß sich einige unten aufgeführte Beispiele von einer gesunden Demokratie entfernen.
Wie, liebe Nola, definieren Sie eine "gesunde" Demokratie? Aus meiner Sicht gehört zur Demokratie unabdingbar der Rechtsstaat; eine Demokratie ohne ihn wäre Willkürherrschaft der Mehrheit.
Lieber Zettel, die vorangegangen Beispiele sind ja nur Puzzle-Teilchen die letzlich deutlich machen, daß eine Demokratie entgegen ihren Grundsätzen ausgelegt wird.
Zu einer gesunden Demokratie gehört – wie Sie schon sagten unabdingbar der Rechtsstaat – nur sollte es auch so in den Gesetzen auch so verbrieft bleiben und eingehalten werden. Als Fundament für Rechtsprechung und nicht zuletzt eben im GG festgehalten.
Nun stellen wir aber seit einiger Zeit fest, das unser Grundgesetz „modernen Zeiten“ bzw. den Erfordernissen der EU angepasst wird, meistens so, dass der Deutsche Bürger davon kaum etwas merkt. Selbst wenn man unterstellt, das dieser es nicht verstehen würde, muss der Rechtsstaat es pflichtgemäß laut und deutlich und für jeden erkennbar in die Öffentlichkeit bringen. Nicht durch Halbsätze in den Medien, wonach dann der Bürger im Internet rumwuseln muss, um die genaue Bestimmung seiner Lebensgrundlage (GG) zu erfahren. Also ich finde da mangelt es an absoluter Aufklärung des Staates gegenüber den Bürgern.
Außerdem sehe ich es als verfassungswidrig an, dass bei grundlegender Änderung unserer nationalen Ziele, keine Volksbefragung stattfindet. (Siehe EU-Vertrag) Noch schlimmer, daß die Volksvertreter, welche in unserem Namen abstimmen diesen Vertrag nichtmal zur Gänze kannten, und auch dieser nicht für die Bürger einsehbar war.
Im Bundestag gab es eine Abstimmung zur Volksbefragung – die, wie wir wissen, mit einem Nein über unsere Köpfe hinweg abgeschmettert wurde. Also wurde es ganz selbstverständlich, dass 83 Mio Bürger keinerlei Kenntnis, über ihre künftigen Lebensbedingungen innerhalb der EU erhalten. Das ist zwar immer noch Demokratie, weil unsere gewählten Volksvertreter für uns entscheiden, aber GESUNDE DEMOKRATIE ist das eben nicht.
In Antwort auf: So, wie umgekehrt ohne Demokratie der Rechtsstaat nichts wert ist; denn man kann ja - siehe Scharia - Unmenschliches in dieses Recht hineinschreiben.
Lieber Zettel, das hier erste Bestrebungen stattfinden diverse Gesetze und Rechtsprechung damit halbwegs zu vereinen, wissen wir doch. Was für uns GG und Demokratie ist, wird in anderen Ländern/Kulturen durch die Scharia ersetzt. Für eine gesunde Demokratie gibt es da nichts, aber auch gar nichts anzunähern. Richterliche Urteile in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Scharia finden aber schon lange statt. Also krankt hier unsere Demokratie.
In Antwort auf:Auch Ihre anderen Beispiele zu Abgeordneten zeigen doch nur, daß Politiker (auch) von ihrer Partei abhängig sind - ja wie denn auch anders?
Der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verantwortlich. Das ist so, und das gilt uneingeschränkt. Außer kraft gesetzt würde dieser Grundsatz, wenn z.B. eine Partei einen Abgeordneten nötigen würde, sich zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten zu verpflichten.
Lieber Zettel, das wiederspricht sich. Allein schon das Wort Abhängigkeit impliziert doch schon, daß keine nur dem eigenen Gewissen verpflichtete Abstimmung stattfinden kann. Die "Verpflichtung" zum Fraktionszwang wird praktiziert, daß wissen wir doch nun alle, auch wenn es sich noch - im eben nicht gesunden - demokratischen Rahmen bewegt.
In Antwort auf:Das Grundgesetz ist nicht in Gefahr, in keiner Weise. So sehen ich das auch in Bezug auf Ihre anderen Beispiele. Keines tangiert den Rechtsstaat, keines tangiert die Demokratie.
Das GG ist nur solange nicht in Gefahr, wenn keine andersgearteten "Demokratien" da hinwirken können. Bei 27 Mitgliedsstaaten der EU, die teilweise zur Demokratie (umgelernt) verpflichtet werden mußten und den daraus resultierenden Kompromissen, die wiederum in den Ländern umgesetzt werden (müssen), sehe ich eine erhebliche Gefahr.
In Antwort auf:Aber das ändert alles nichts daran, daß wir in einem freiheitlichen Staat und in einem Rechtsstaat leben.
Deshalb, lieber Zettel, bin ich eben so vehement am Meckern, damit das auch so bleibt. Weil ich eben keinem Parteienzwang oder einer Institution und keinem Gruppenzwang verpflichtet bin, nur meinem Gewissen und dem GG.
WEHRET DEN ANFÄNGEN !
In Antwort auf:PS: Wow, da haben Sie ja vieles zusammengetragen! Sammeln Sie solche Meldungen?
Na ja, das ist immer ein bißchen so, man weiß, das man es schon mal gelesen hat und da war doch mal .... ja und dann ist es natürlich mit Arbeit verbunden das alles wieder zu finden.
Das,lieber M.Schneider, möchte ich mal gleich nutzen, die Einwirkung der EU in nationale Gesetze zu untermauern. Danke für diese Steilvorlage!
@ Zettel
In Antwort auf:Auszug Internet-Kanzlei (Siehe Hinweis M.Schneider)
Von der anwaltlichen Verschwiegenheit zur Verpflichtung, seine eigenen Mandanten zu denunzieren
Und schon wieder ein neues Gesetz, das dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten Hohn spricht. Anfang 2008 war es in Kraft getreten. Es kommt aus dem Haus von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und setzt eine EU-Richtlinie um. Natürlich geht das Gesetz wieder einmal über die Anforderungen, die die EU-Richtlinie aufstellt, hinaus. Unrühmliche deutsche Gründlichkeit bei der Abschaffung von Freiheitsrechten, die noch vor wenigen Jahren als unantastbar galten.
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