Hätte sich Schröder sowas bieten lassen? Oder anders gefragt: Macht die Glos-Posse nicht deutlich, dass wir eine Frau im Kanzleramt haben, die nicht auf den Tisch haut und einen Minister mit "ES ENTSCHEIDE i c h WER MINISTER IST UND SONST GARNIEMAND!" zusammenstaucht?
Zitat von ZettelWenn man den heutigen Abendnachrichten glauben kann, dann möchte die Kanzlerin durchaus Glos gehen lassen. Aber wenn ein Mann, der in Bayern einer Regionalpartei vorsitzt, das nicht will, dann kann sie das nicht. Eine Kanzlerin, die ihr Kabinett gar nicht "bildet", sondern die nehmen muß, wen man ihr schickt.
Und Sie meinen allen Ernstes, lieber FTT, das sei "schon immer so gewesen"?
Ich meine allen Ernstes, dass es in der Bundesrepublik schon immer so war, dass die Parteien, wie es jemand anderes hier schon schrieb, im Prinzip frei über die Besetzung "ihrer" Ministerposten frei verfügen können. Darauf bezieht sich meine ganze Argumentation. Der Fall ohne Präzedenz, und da stimme ich Ihnen zu, ist in meinen Augen, dass irgendwie der Eindruck entsteht, Seehofer könnte über den Rücktritt entscheiden.
Ich glaube, lieber FTT, das müssen wir gemeinsam zu klären versuchen. Jedenfalls finde ich es interessant, daß wir da so unterschiedliche Erinnerungen haben.
Ich will, wenn ich Zeit haben, gern nach Belegen für meine Erinnerung suchen. Die "Spiegel"-Jahrgänge habe ich bis Mitte der sechziger Jahre komplett im Regal stehen, und inzwischen steht ja ihr gesamter Inhalt auch im Web zur Verfügung. Vielleicht finden Sie ja auch Belege für Ihre Erinnerung?
Mir ist aus den fünfziger bis siebziger Jahren noch nicht einmal die Formulierung in Erinnerung, daß eine Partei diesen und jenen für ein Ministerium auswählt oder ihn für dieses Ministerium bestimmt oder ihn in dieses entsendet. Sondern der Kanzler bildete sein Kabinett aufgrund von Verhandlungen mit den Parteien, in denen über die Personalia entschieden wurde. Niemals hätte Adenauer es akzeptiert, daß, sagen wir, die DP einen ihrer strammen Rechtsaußen ins Kabinett "schickte", die sie ja wahrlich hatte. Den gemäßigten Hellwege, den gemäßigten, wenn auch extravaganten Seebohm nahm er in sein Kabinett auf. Natürlich nicht ohne Absprache mit der zuständigen Kommission der DP; aber das ist, wie schon geschrieben, eben etwas ganz anderes.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von ZettelKeineswegs. Kabinettsumbildungen sind in GB etwas völlig Normales, ohne Skandal. Unzufrieden sind die Leute natürlich immer mehr oder weniger. Adenauer hat seine Kabinette wiederholt umgebildet, Schmidt und Kohl haben es getan.
In den sehr lesenswerten Memoiren habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Reshuffles bei ihr aus den von mir genannten Anlässen erfolgt sind. Auch die ganzen Kabinettsumbildungen unter Chirac, die ich jetzt im Gedächtnis habe, fallen darunter. Warum sollte man auch das "winning team" ändern?
Da gibt es viele Gründe; auch ein Trainer stellt ja seine Mannschaft um, ohne dazu durch einen Skandal oder dergleichen gezwungen zu sein. Natürlich ist das Ziel, daß es danach besser ist als zuvor. Aber es ist eine freie Entscheidung des Kanzlers, nicht eine Entscheidung der Parteien. Darum geht es mir, lieber FTT.
Zitat von FTT_2.0Dass durchgehend 10 bis 20 Prozent der Wähler "Anti-System-Parteien" wählen, halte ich für ein von mehreren Zeichen, dass auf der anderen Rheinseite ein ganz erheblicher Unwillen mit "dem politischen System" vorliegt.
Fraglos. Wenn man alle extremistischen Parteien zusammennimmt, kann man bei einigen Wahlen sogar in die Nähe von 30 Prozent kommen. Aber hier diskutieren wir ja darüber, wer die Minister beruft und entläßt.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von ZettelDamit verlagert sich die Willensbildung vom Souverän zu einer kleinen Gruppe, nämlich die Mitglieder der Parteien und deren Vertreter.
Eine "Parteiendemokratie" ist allerdings das, was die Väter des Grundgesetzes wollten, wie Sie wissen. Ob man das gut findet, ist eine andere Frage.
Was ich weiß, lieber FTT, ist, daß laut Grundgesetz die Parteien "an der politischen Willensbildung mitwirken". Nicht weniger, nicht mehr.
Das GG sieht nicht vor, daß Parteigremien Beschlüsse fassen oder aushandeln, die faktisch die Gesetzgebung binden. Natürlich müssen sich Koalitionspartner auf allgemeine Ziele verständigen. Aber sie müssen nicht bis in die Einzelheiten hinein (haben Sie sich mal so einen "Koalitionsvertrag" angesehen?) festlegen, was das Parlament zu beschließen hat.
Interessante Diskussion, lieber FTT. Ich glaube, es geht da in der Tat um Grundfragen unserer Demokratie.
Zitat von DagnyHätte sich Schröder sowas bieten lassen? Oder anders gefragt: Macht die Glos-Posse nicht deutlich, dass wir eine Frau im Kanzleramt haben, die nicht auf den Tisch haut und einen Minister mit "ES ENTSCHEIDE i c h WER MINISTER IST UND SONST GARNIEMAND!" zusammenstaucht?
Das Verblüffende, liebe Dagny, ist ja, daß die Kanzlerin nie auf den Tisch haut - aber am Ende ist es meist so, wie sie es haben will.
Anscheinend ist das ja auch jetzt wieder so. Wenn ich das, was jetzt am Abend gemeldet wird, richtig deute, hat sie ja Seehofer so weit, daß er der Demission von Glos zustimmt.
Sie ähnelt in meinem Augen a bisserl einem Schachspieler, bei dem man sich fragt, was jetzt dieser und jener Zug soll - und dann, zack, schnappt die Falle zu.
Schröder hingegen war kein Schachspieler, sondern ein Puncher.
Schachspieler oder Marionetten-Puppenspieler?? Wie Frau Merkel ihre Arbeit organisiert weiss ich natürlich nicht, aber ich kann mir auch vorstellen, dass manch einer gegenüber einer Frau mehr "Beisshemmung" hat.
str1977
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gelöscht
)
Beiträge:
08.02.2009 23:08
#30 RE: KKK: Glos bittet Seehofer um Entlassung ;-)
Es ist aber schon eine Unsitte überhaupt "zurückzutreten". Das hat keine Grundlage in Gesetz oder Verfassung.
Ein Minister wird ernannt und entlassen. Er kann um seine Entlassung bitten, der entsprochen oder die abgelehnt werden kann (letzteres war mal, in besseren Zeiten, die übliche Methode für einen unverzichtbaren Minister politisch Verantwortung zu übernehmen).
Natürlich kann man keinen Minister zwingen, sein Amt (gut) zu ausführen. Aber er hat eine Pflicht übernommen, die er nicht einfach unilateral loswerden kann.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von ZettelDie Kanzlerin hat jetzt meines Erachtens gar keine Wahl, als Glos zu entlassen. Es ist doch ausgeschlossen, daß mitten in dieser schweren Wirtschaftskrise jemand Wirtschaftsminister bleibt, der das nicht sein will.
Das geht sehr gut. Insbesondere bei diesem, an Wichtigkeit doch auf den hinteren Plätzen rangierenden Amt.
Außerdem: wann immer es heißt "gar keine Wahl", kann man sich sein: es gibt eine andere Wahl.
In Antwort auf:Die Kanzlerin sollte einen Fachmann wie, sagen wir, Hans- Werner Sinn in das Ministerium berufen.
Am besten sich selbst durch einen Fachmann ersetzen, durch jemanden, der mehr tut als nur die Kanzlerin zu geben. Und Herr Sinn könnte dann zeigen, daß ihm all sein Fachwissen auch nicht weiterhilft. Aber ich halte ihn für zu intelligent und seriös (anders als ein Augstein oder ein Bucerius), um sich darauf einzulassen.
Glosens Manöver ist zwar rechtlich gesehen Unfug, trägt aber der Situation unter Frau Merkel Rechnung.
In Antwort auf:Was will Seehofer den machen? Die Regierung stürzen? Wohl bekomms!
Man bedenke aber, daß ohne die CSU Frau Merkel nicht Kanzlerin wäre. Dann hätte jener polternde Schröder am Wahlabend doch noch recht behalten.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von Floriansicher war das ein Formfehler von Glos. Faktisch wird aber schon seit Jahrzehnten so verfahren.
Ja, leider. Ich habe versucht,mich zu erinneren, wann das eigentlich einriß. Jedenfalls bin ich ziemlich sicher, daß es das bis einschließlich den Kabinetten Kohl nicht gab.
Aber, aber. Natürlich gabs das unter Kohl. Oder meinen Sie, der Kanzler habe halt Möllemann protegiert und deshalb zum Vizekanzler gemacht?
Nein, das Parteien Ressorts beanspruchen dann Personen vorschlagen ist schon seit Jahrzehnten so. Natürlich muß der Kanzler immer noch zustimmen, daß ist auch heute noch so.
In Antwort auf:Aber das letzte Wort hatte eben der Kanzler.
Das letzte Wort hatte und hat der Präsident. Das vorletzte hatte und hat der Kanzler bzw. die Kanzlerin. NUR DAS entspricht dem Grundgesetzt. Das andere widerspricht ihm nicht, liegt außerhalb.
Nennen Sie nur mal ein Beispiel, wo ein vorgeschlagener Minister vom Kanzler gestoppt wurde?
In Antwort auf:Minister werden nicht von Parteien ins Kabinett entsandt, sondern sie werden vom Kanzler vorgeschlagen und vom Präsidenten ernannt.
Und wer schlägt eigentlich Kanzler zur Wahl vor?
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von ZettelDazu gehört nicht nur die Besetzung der Ministerien, sonder der ganze Unfug des "Koalitionsvertrags". Ich wundere mich, daß das noch niemand vor das BVerfG gebracht hat.
Gesetze werden bekanntlich von den gewählten Abgeordneten gemacht. Der "Koalitionsvertrag" schränkt dieses Recht massiv ein, indem er für eine ganze Legislaturperiode bereits festlegt, welche Gesetze eingebracht werden sollen. Und diejenigen, die das festlegen, sind dafür in keine Weise demokratisch legitimiert.
So, so. Das BVG soll also die Vertragsfreiheit aushebeln?
So ein Vertrag beschränkt mitnichten die Abgeordneten, wenn diese wirklich wollen.
Schaffen sie doch gleich die Fraktionen mit ab.
Diejenigen, die das "festlegen" sind genauso gewählt wie die anderen.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von FTT_2.0ich glaube, Sie schießen hier deutlich über das Ziel hinaus bzw. daran vorbei, wie man will.
Vielleicht untersuchen Sie die Schießscheibe noch mal, lieber FTT, ob Sie nicht vielleicht doch das Einschußloch finden?
Ich sehe nur Löcher in der Wand!
In Antwort auf:Nein, es war nicht immer so. Vielleicht hat das ja schon mal jemand untersucht; sonst wäre es, wie gesagt, ein schönes Dissertationsthema: Wie aus der Selbstverständlichkeit, daß der Kanzler bei der Regierungsbildung mit allen Parteien redet und ihre Wünsche entgegennimmt, eine de-fact-Recht der Parteien wurde, "ihre" Ministerien zu besetzen, ohne daß der Kanzler auch nur ein Vetorecht hat.
Natürlich hat der Kanzler ein Vetorecht, weil alleine seine Zustimmung ja formell nötig ist. Wenn er/sie es nicht braucht, weil er/sie nur Kanzlerdarsteller/in und überaus konfliktscheu ist, dann ist das kein formales, strukturelles Problem.
In Antwort auf:Aber wenn ein Mann, der in Bayern einer Regionalpartei vorsitzt, das nicht will, dann kann sie das nicht. Eine Kanzlerin, die ihr Kabinett gar nicht "bildet", sondern die nehmen muß, wen man ihr schickt.
Sie könnte schon, wenn sie wirklich wollte. Aber was will sie schon wirklich (außer an der Macht bleiben)?
In Antwort auf:Möllemann ist ein gutes Stichwort. Er trat im Januar 1993 als Wirtschaftsminister wegen der Briefbogen-Affäre zurück. Können Sie sich auch nur vorstellen, daß er das tat, indem er Otto Graf Lambsdorff, den damaligen FDP-Vorsitzenden, schrieb: "Ich bitte Sie, mich von meinen Ministerpflichten zu entbinden"?
Sie ziehen Möllemann von der falschen Seite auf! Wie kam so ein Schaumschläger überhaupt ins Kabinett? Weil H.D. Genscher ihn protegiert hat! Welcher FDP-Minister außer Scheel, Genscher und Lambsdorff hat denn sein Amt seiner Qualifikation, so gesehen vom Kanzler zu verdanken? (Der FDP-Vorsitzende war damals, seit dem Rücktritt Genschers, übrigens notorisch ein schwacher Parteichef.)
Das mit den Kabinettsumbildungen in GB ist ja auch eine Pervertierung des politischen Systems. Anstatt eines Premiers, aus der Mehrheitspartei vom Monarchen ausgesucht, haben wir nun einen durch Stimmungen von seiner Fraktion getragenenen, ungewählten Regierungsführer, der so lange schaltet und waltet wie er will, bis er entweder die Wahl oder das Vertrauen (von Teilen) seiner Fraktion verliert. Auch dies wiederum ohne korrekte Wahl.
In Antwort auf:Adenauer hat seine Kabinette wiederholt umgebildet, Schmidt und Kohl haben es getan.
Das waren ja auch die drei starken Kanzler.
In Antwort auf:Meines Wissens - korrigieren Sie mich, wenn ich mich da irre - war Schröder der erste Kanzler, der zwar ständig Minister verlor, die er ersetzen mußte (die Verkehrsminister in geradezu atemberaubendem Tempo), der aber nie aktiv eine Kabinettsumbildung herbeigeführt hat.
Ja, das stimmt. Den Ministerverlust gab es vorher nur vereinzelt, bei Schröder reihenweise. Ein Fall führte zu einer kleinen Kabinettsumbildung als die Minister Dagmar Fischer und K.H. Funkel durch Frau Schmidt und Renate Künast ersetzt wurden. Allerdings hatte Schröder eine Bundestagswahl, bei der ein neues Kabinett kam.
In Antwort auf:Nein, es war nicht immer so. Genscher war eben eine Ausnahme. Erbhöfe für mediokre Minister, die irgendeinen Parteiflügel repräsentierten, gab es nicht. Die Flügel mußten im Kabinett vertreten sein; natürlich. Aber über die Personen entschied der Kanzler. Und gewiß nicht der Vorsitzende einer Koalitionspartei.
Und das tut er/sie auch heute noch in vorletzter Instanz.
Aber es ist nunmal war: es gibt gar keine "normalen Verhältnisse"!
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von ZettelDas Verblüffende, liebe Dagny, ist ja, daß die Kanzlerin nie auf den Tisch haut - aber am Ende ist es meist so, wie sie es haben will.
Dem Land tut das aber nicht gut.
In Antwort auf:Anscheinend ist das ja auch jetzt wieder so. Wenn ich das, was jetzt am Abend gemeldet wird, richtig deute, hat sie ja Seehofer so weit, daß er der Demission von Glos zustimmt.
Wahrscheinlich hat sie das so ausgeheckt. Den Glos gedrängt, Seehofer zu fragen etc etc.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von ZettelIch will, wenn ich Zeit haben, gern nach Belegen für meine Erinnerung suchen. Die "Spiegel"-Jahrgänge habe ich bis Mitte der sechziger Jahre komplett im Regal stehen, und inzwischen steht ja ihr gesamter Inhalt auch im Web zur Verfügung. Vielleicht finden Sie ja auch Belege für Ihre Erinnerung?
Mir ist aus den fünfziger bis siebziger Jahren noch nicht einmal die Formulierung in Erinnerung, daß eine Partei diesen und jenen für ein Ministerium auswählt oder ihn für dieses Ministerium bestimmt oder ihn in dieses entsendet.
Weil so etwas früher hinter verschlossenen Türen geschah. Das ist der Unterschied zu heute.
Nicht daß damals die Parteien nicht bestimmte Ressorts beansprucht und ihren Kandidaten hinein gesetzt hätten - das taten sie damals wie heute.
Und nicht daß heute der Kanzler keine Mitsprache hätte. Er hat sie heute wie damals.
Es kann auch gar nicht anders sein:
die verschiedenen Parteien erheben konfligierende Ansprüche, die man gemeinsam austariert. Dann werden Personen vergeschlagen und hier läuft es ebenso.
Der Kanzler kann natürlich einen unmöglichen Kandidaten ablehnen, wie Adenauer etwa einen Radikalnationalisten von Seite der Rechtsparteien DP oder FDP. Genauso wie Frau Merkel einen CSU-Hinterbänkler hätte ablehnen können. Aber wenn es keinen Grund dazu gibt, wird der Kanzler das nicht tun.
Deshalb sprachen Sie ja auch vom Vetorecht - Nur .... in der Verfassung gibt es da kein Vetorecht sondern das alleinige Vorschlagsrecht.
Also wenn schon die reine Lehre vertreten, dann bitte schön ganz.
In Antwort auf:Sondern der Kanzler bildete sein Kabinett aufgrund von Verhandlungen mit den Parteien, in denen über die Personalia entschieden wurde.
Und so ist es auch heute. Was soll die künstliche Aufregung?
In Antwort auf:Damit verlagert sich die Willensbildung vom Souverän zu einer kleinen Gruppe, nämlich die Mitglieder der Parteien und deren Vertreter.
Die Verlagerung der Willensbildung vom Souverän (="das Volk") weg ist Natur jeder repräsentativen Demokratie. Besagte kleine Gruppe ist jedoch vom Souverän per Wahl beautragt. Ein Kanzler ist meist bei der Regierungsbildung noch gar nicht im Amt.
In Antwort auf:Das GG sieht nicht vor, daß Parteigremien Beschlüsse fassen oder aushandeln, die faktisch die Gesetzgebung binden.
Was sie auch nicht tun.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
In Antwort auf:Damit verlagert sich die Willensbildung vom Souverän zu einer kleinen Gruppe, nämlich die Mitglieder der Parteien und deren Vertreter.
Die Verlagerung der Willensbildung vom Souverän (="das Volk") weg ist Natur jeder repräsentativen Demokratie. Besagte kleine Gruppe ist jedoch vom Souverän per Wahl beautragt.
Das ist sie eben nicht, lieber str1977. Beauftragt sind die Abgeordneten; nur sie.
Kein Wähler hat eine "Verhandlungskommission" beauftragt, bis in die Einzelheiten festzulegen, welche Gesetze in einer Legislaturperiode verabschiedet werden sollen. Und welche nicht; es kommt ja vor, daß eine Partei ein Gesetzesvorhaben mit der Begründung ablehnt, das stehe nicht im Koalitionsvertrag.
Und woraus bildet sich diese Kommission, wer hat sie beaufragt? Doch sicher jene Parteien, die von den Wählern in entsprechender Stärke ins Parlament gewählt wurde.
Und selbst wenn ein Nichtgewählter dabei sein sollte, kann so eine Kommission ja in keinster Weise Gesetze gegen das Parlament beschließen oder verhindern.
Wissen Sie, Zettel, Sie tun die ganze Zeit so, als sei das eine Neuentwicklung und als könnten die Abgeordneten nicht dagegen an, auch wenn sie wollten. Sie können es aber, sie wollen aber nicht.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von str1977Wissen Sie, Zettel, Sie tun die ganze Zeit so, als sei das eine Neuentwicklung und als könnten die Abgeordneten nicht dagegen an, auch wenn sie wollten. Sie können es aber, sie wollen aber nicht.
Ich tue, lieber str1977, deshalb so, als sei das eine Neuentwicklung, weil es eine Neuentwicklung ist.
Weder in der Weimarer Republik noch anfangs in der Bundesrepublik gab es dergleichen. 1961 gab es erstmals schriftliche Vereinbarungen zwischen der CDU und der FDP. Das hatte aber einen speziellen Grund: Die FDP hatte im Wahlkampf versprochen, nur in eine Regierung mit der (seit 1957 mit absoluter Mehrheit regierenden) CDU zu gehen, wenn der Kanzler nicht mehr Adenauer heißen würde ("Mit der CDU, aber ohne Adenauer" stand auf den Plakaten).
Aber Adenauer blieb eisern und dachte nicht an den Rückzug. Der FDP blieb, wollte sie mitregieren, nichts anderes übrig, als zähnknirschend noch einmal einen Kanzler Adenauer zu akzeptieren (das war das berühmte "Umfallen", das der FDP noch heute anhängt).
Immerhin gab es einen Komprpomiß: Adenauer erklärte, daß er im Lauf der Legislaturperiode zurücktreten werde. Das wollte die FDP schriftlich haben, und überhaupt wollte sie sichergehen, von der CDU nicht über den Tisch gezogen zu werden. Deshalb eine schriftliche Vereinbarung.
Das war aber nichts, was mit den heutigen Konvoluten vergleichbar wäre (der aktuelle Koalitionsvertrag hat 130 Seiten!).
Diese Regelungswut, dieses Mißtrauen gegenüber dem Partner, das sich in solchen Werken manifestiert, dieser Versuch, damit die Arbeit des Parlaments zu präjudizieren - das hat sich erst viel später entwickelt.
Ich habe dazu noch keine zuverlässigen Quellen gefunden, vermute aber aus meiner Erinnerung sehr, daß der erste derart voluminöse Koalitionsvertrag der von 1998 war.
in Ihrer Diskussion scheint mir sehr deutlich str1977 recht zu haben. Ihre Aufregung über den aktuellen Fall ist in sofern verständlich, weil Glos der erste ist, der das offizielle Prozedere nicht einhält. Sein Brief an Seehofer IST eine Stillosigkeit, da haben Sie schon recht.
Inhaltlich wird aber seit Jahrzehnten so verfahren, dass es Koalitionsverträge gibt und dass die Koalitionspartner über ihr Personal selbst entscheiden. Natürlich hat der Bundeskanzler die rechtliche Möglichkeit, jeden Ministerkandidaten zu verhindern - zu Adenauers Zeiten genauso wie heute. Aber ebenso natürlich ist ein solches Veto eine schwere Belastung für jede Koalition - damals wie heute. Ein Kanzler wird daher die Personalwünsche seiner Koalitionspartner in aller Regel akzeptieren. Es sei denn, es gibt wirklich massive Bedenken gegen einzelne Personen. Aber wenn es solche massiven Bedenken gibt, dann hat ganz offensichtlich der Koalitionspartner ohnehin ein grundsätzlich anderes Verständnis von vernünftiger Regierungsarbeit. Und wenn man diese Diskrepanz auf diese Weise öffentlich macht, dann ist das eigentlich schon das Ende einer vernünftigen Zusammenarbeit. Das war aber schon immer so.
Es gibt eben eine Politik-Wirklichkeit und eine Verfassungs-Fiktion. Und in der Politik-Wirklichkeit, gibt es von Anfang an Koalitions-Vereinbarungen. Selbstverständlich sind übrigens die Abgeordneten an eine solche Vereinbarung nicht gebunden. Auch das erlebt man ja jeden Tag, dass vom Koalitionsvertrag abgewichen wird. Ich bin mir z.B. sicher, dass im laufenden Koalitionsvertrag ein Ziel zur Haushaltskonsolidierung enthalten ist. Dieses Ziel wird aber gerade über Bord geworfen. Dass aber die Koalitionsparteien ein Interesse daran haben, sich vorab darüber klar zu werden, was man erreichen will, ist doch verständlich. Und ist im übrigen m.E. auch im Interesse des Landes.
"Umgekehrt gibt es bei der Union erhebliche Verärgerung über den am Freitag gewählten* FDP- Kandidaten für das Amt des Wirtschaftsministers, Günter Rexrodt. Rexrodt hatte nach seiner Wahl durch die FDP-Gremien öffentlich erklärt: "Und der Bundeskanzler hat das zur Kenntnis zu nehmen und zu bestätigen." Dieses Verhalten bezeichnete der stellvertretende Unions-Fraktionschef Heiner Geißler als "anmaßend".
*"Gewählt" übrigens von der FDP. Also eindeutig nicht wie in der Verfassung vorgesehen vom Kanzler vorgeschlagen!
Nota bene: Das Verhalten von Rexrodt wurde seinerzeit zwar als unpassend empfunden. Ebenso wie heute das Verhalten von Glos. In der Sache hatte Rexrodt aber natürlich recht. Er wurde dann auch von Kohl ernannt, weil die Alternative eine Koalitionskrise gewesen wäre - obwohl Kohl von Rexrodt natürlich düpiert worden war.
Weiter unten in dem Artikel heißt es dann noch: " Dagegen sagte Außenminister Klaus Kinkel(FDP) im Deutschlandfunk, wenn Kohl Rexrodt nicht akzeptiere, bestehe die Gefahr einer Koalitionskrise. .. Inzwischen hat Rexrodt seine Äußerung selbst als "Dummheit" bezeichnet. FDP-Chef Graf Lambsdorff entschuldigte sich bei Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) wegen Rexrodts Ausrutscher. Lambsdorff und sein designierter Nachfolger Kinkel betonten ausdrücklich das Recht des Bundeskanzlers, Minister auszuwählen und zu benennen"
Aber erkennbar ist das nur Augenwischerei. Kohl hat zwar das Recht, Minister auszuwählen - aber wenn er sich nicht an die Wünsche der FDP hält, ist das eine Kolaitionskrise. FAKTISCH war die Situation damals die gleiche wie heute. Nur das STILEMPFINDEN der Beteiligten war damals noch besser ausgeprägt.
Zitat von ZettelIch will, wenn ich Zeit haben, gern nach Belegen für meine Erinnerung suchen. Die "Spiegel"-Jahrgänge habe ich bis Mitte der sechziger Jahre komplett im Regal stehen, und inzwischen steht ja ihr gesamter Inhalt auch im Web zur Verfügung. Vielleicht finden Sie ja auch Belege für Ihre Erinnerung?
Wenn ich es arbeitstechnisch einrichten kann, werde ich an der Klärung gerne mitwirken.
Zitat von ZettelMir ist aus den fünfziger bis siebziger Jahren noch nicht einmal die Formulierung in Erinnerung, daß eine Partei diesen und jenen für ein Ministerium auswählt oder ihn für dieses Ministerium bestimmt oder ihn in dieses entsendet. Sondern der Kanzler bildete sein Kabinett aufgrund von Verhandlungen mit den Parteien, in denen über die Personalia entschieden wurde. Niemals hätte Adenauer es akzeptiert, daß, sagen wir, die DP einen ihrer strammen Rechtsaußen ins Kabinett "schickte", die sie ja wahrlich hatte. Den gemäßigten Hellwege, den gemäßigten, wenn auch extravaganten Seebohm nahm er in sein Kabinett auf. Natürlich nicht ohne Absprache mit der zuständigen Kommission der DP; aber das ist, wie schon geschrieben, eben etwas ganz anderes.
Wenn öffentliche Diskussionen entstehen, ist das Kind ja - wie jetzt - eigentlich schon in den Brunnen gefallen. Ich gebe Ihnen recht: Der Kanzler hat sich nie absolut diktieren lassen müssen, wen er ins Kabinett holt. Die Machtverteilung hängt in diesen Fällen sicherlich auch von anderen Faktoren ab. Wenn eine rot-grüne Koalition besteht und rot-gelb eine glaubhafte Alternative darstellt, werden sich die Grünen zweimal überlegen, ob sie dem (roten) Kanzler nicht doch etwas mehr Mitspracherecht bei "ihren" Personalvorschlägen einräumen.
Zitat von ZettelAber hier diskutieren wir ja darüber, wer die Minister beruft und entläßt.
Verfassungswirklichkeit und -text der fünften Republik sind immmer ein abendfüllendes und interessantes Thema.
Zitat von Zettel(haben Sie sich mal so einen "Koalitionsvertrag" angesehen?)
Ja, den der beiden rot-grünen Bundesregierungen. Ich hatte stellenweise den Eindruck, da wurden mit "paste & copy" die Wahlprogramme der beiden Regierungspartner reingeschrieben.
RexCramer
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gelöscht
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Beiträge:
09.02.2009 12:50
#43 RE: KKK: Glos bittet Seehofer um Entlassung ;-)
Zitat von str1977Es ist aber schon eine Unsitte überhaupt "zurückzutreten". Das hat keine Grundlage in Gesetz oder Verfassung.
Ein Minister wird ernannt und entlassen. Er kann um seine Entlassung bitten, der entsprochen oder die abgelehnt werden kann (letzteres war mal, in besseren Zeiten, die übliche Methode für einen unverzichtbaren Minister politisch Verantwortung zu übernehmen).
Natürlich kann man keinen Minister zwingen, sein Amt (gut) zu ausführen. Aber er hat eine Pflicht übernommen, die er nicht einfach unilateral loswerden kann.
in § 9 des Bundesministergesetzes steht drin:
In Antwort auf:Die Bundesminister können jederzeit entlassen werden und ihre Entlassung jederzeit verlangen.
Zitat von FlorianIhre Aufregung über den aktuellen Fall ist in sofern verständlich, weil Glos der erste ist, der das offizielle Prozedere nicht einhält. Sein Brief an Seehofer IST eine Stillosigkeit, da haben Sie schon recht.
Nur habe ich das nicht behauptet.
Es ist keine Stillosigkeit. Sondern Glos hat (vielleicht ja mit einem leise ironischen Unterton, das traue ich ihm zu) nur das berücksichtigt, was der Fall ist: Nicht die Kanzlerin hat das Vorschlagsrecht (gegenüber dem Präsidenten nämlich), sondern der Koalitionsvertrag hat ihr dieses Recht faktisch genommen und es auf die jeweilige "entsendende" Partei übertragen, also zuerst deren Vorsitzenden. An diesen hat sich ergo Glos, völlig korrekt, gewandt.
Eben wurde auf Phoenix die Pressekonferenz des Regierungssprechers Wilhelm übertragen. Er hat zu der Möglichkeit Stellung genommen, daß man bis zu den Wahlen das Wirtschafts- mit dem Finanzministerium hätte zusammenlegen können. (Was sehr vernünftig gewesen wäre; zumal ja Steinbrück faktisch eh schon die Wirtschaftspolitik bestimmt). Dazu die Stellungnahme von Wilhelm: Das sei überhaupt nicht möglich, denn der Koalitionsvertrag - er hat das dann im einzelnen zitiert - regle verbindlich, welche Partei welche Ministerien besetzen dürfe.
Deutlicher, lieber Florian, kann man eigentlich diese Absurdität, diese Abkehr vom Geist des Grundgesetzes kaum illustrieren, über die ich mich zwar nicht aufrege, die ich aber anprangere.
Zitat von FlorianInhaltlich wird aber seit Jahrzehnten so verfahren, dass es Koalitionsverträge gibt und dass die Koalitionspartner über ihr Personal selbst entscheiden.
Genau diese Fehlentwicklung ist es ja, die ich anprangere. Hans-Dietrich Genscher hat dazu 2001 in der FAZ einen Aufsatz geschrieben, an dessen Text ich nur noch nicht herangekommen bin. Vielleicht finde ich ihn noch
Zitat von FlorianDas war aber schon immer so.
Es war eben nicht schon immer so, lieber Florian. Die erste schriftliche Vereinbarung überhaupt gab es erst 1961, also zu Beginn der Vierten Legislaturperiode. Das war aber noch kein Koalitionsvertrag im heutigen Sinn. Wie es genau, und in welchen Etappen, zu der jetzigen Fehlentwicklung gekommen ist, das habe ich noch nicht herausgefunden. Falls jemand es weiß, bin ich für Hinweise dankbar.
Zitat von FlorianDass aber die Koalitionsparteien ein Interesse daran haben, sich vorab darüber klar zu werden, was man erreichen will, ist doch verständlich.
Ja natürlich. Das hat auch Adenauer schon 1949 schon so gehandhabt; ich habe es ja auch in einem andern Beitrag schon geschrieben: Man einigt sich auf einer allgemeinen Ebene über die Ziele, die man gemeinsam erreichen will.
Das ist etwas völlig anderes als ein 130seitiges Vertragswerk, das massiv in die Richtlinienkompetenz des Kanzlers eingreift. Bis hin zu der jetzigen Situation, daß man nicht zwei Ministerien vorübergehend zusammenlegen kann, weil das der "Koalitionsvertrag" nicht vorsieht.
In einer normal funktionierenden Republik hätte man alternativ zum Beispiel auch das Amt des Wirtschaftsministers mit einem fachlich qualifizierten CDU-Mann besetzen können. Aber das geht nicht, weil das Ministerium ja ein Erbhof der CSU ist. Also zieht dort jetzt ein Mann ein, dessen Gebiet die Außen- und Sicherheitspolitik ist. Sehr vertrauenerweckend, auch international.
Nur von der CSU ist er. Und dort aus der richtigen Region. Also für das Amt qualifiziert.
Zitat von ZettelAlso zieht dort jetzt ein Mann ein, dessen Gebiet die Außen- und Sicherheitspolitik ist. Sehr vertrauenerweckend, auch international.
Nur von der CSU ist er. Und dort aus der richtigen Region. Also für das Amt qualifiziert.
Zitat von FAZ[Seehofer] lobte vor allem die internationalen Beziehungen des früheren Außenpolitikers, dessen „beneidenswertes Auftreten“ und die Sprachkenntnis. Nun gehe es darum, dass die Aufgaben schnell erfüllt würden.
Guttenberg selbst beteuerte, er sei kein Neuling in Wirtschaftsthemen. „Mitverantwortung in einer Beteiligungsgesellschaft, die im Besitz der Familie ist“, habe ihn früh mit wirtschaftlichen Zusammenhängen vertraut gemacht. Von 1994 an war er in die Leitung des Familienbetriebes Guttenberg GmbH in München und Berlin eingebunden, einem Fachgroßhandel für Trockenbau, Isoliertechnik und Dämmstoffe. „Ich saß außerdem viele Jahre im Aufsichtsrat der Rhön-Kliniken“, führte er an. Zudem habe ihm seine Tätigkeit in der Außenpolitik viele Einblicke in globale Wirtschaftszusammenhänge gewährt, was sich insbesondere in der aktuellen Situation als nützlich erweisen werde.
-- The act of defending any of the cardinal virtues has to-day all the exhilaration of a vice. - Gilbert Keith Chesterton, "A Defence of Humility" (in The Defendant)
Zitat von ZettelIn einer normal funktionierenden Republik hätte man alternativ zum Beispiel auch das Amt des Wirtschaftsministers mit einem fachlich qualifizierten CDU-Mann besetzen können. Aber das geht nicht, weil das Ministerium ja ein Erbhof der CSU ist.
Ähemm.. Glos war doch der erste Christsoziale auf dem Posten.
Zitat von ZettelAlso zieht dort jetzt ein Mann ein, dessen Gebiet die Außen- und Sicherheitspolitik ist. Sehr vertrauenerweckend, auch international.
Das ist nun aber wirklich "normal", dass die fachliche Vorgeschichte eines Ministers in einem parlamentarischen System mitunter sehr verschlungene Wege geht. Milibrand in GB war bspw. vorher Umweltminister.
Der CV von Thatcher ist fachlich auch nicht so geradlinig:
"1961 wurde sie zur Parlamentssekretärin im Ministerium für Sozialversicherungen ernannt. 1970 wurde sie Kultus- und Wissenschaftsministerin im Kabinett von Edward Heath."
Zitat von ZettelIn einer normal funktionierenden Republik hätte man alternativ zum Beispiel auch das Amt des Wirtschaftsministers mit einem fachlich qualifizierten CDU-Mann besetzen können. Aber das geht nicht, weil das Ministerium ja ein Erbhof der CSU ist.
Ähemm.. Glos war doch der erste Christsoziale auf dem Posten.
Offenbar muß man, lieber FTT, Metaphern immer sicherheitshalber erläutern. Mit der Metapher des Erbhofs wollte ich nicht sagen, daß das Wirtschaftsministerium traditionell der CSU "gehörte"; sondern daß innerhalb der Gültigkeit des jetzigen Koalitionsvertrags es wie ein Erbhof behandelt wird. Wenn der Altbauer ausfallt, wird der Hof nicht neu vergeben, sondern sein Erbe bekommt ihn. Wenn der CSU-Mann Glos ausfällt, wird das Ministerium nicht neu vergeben, sondern der von Seehofer benannte CSU-Mann bekommt es.
Aber ich merke schon, Metaphern sind schwankendes Rohr im Wind.
Zitat von FTT
Zitat von ZettelAlso zieht dort jetzt ein Mann ein, dessen Gebiet die Außen- und Sicherheitspolitik ist. Sehr vertrauenerweckend, auch international.
Das ist nun aber wirklich "normal", dass die fachliche Vorgeschichte eines Ministers in einem parlamentarischen System mitunter sehr verschlungene Wege geht. Milibrand in GB war bspw. vorher Umweltminister.
Ich bin fern davon, das zu bestreiten, lieber FTT. Ganz im Gegenteil - ich habe ja auf die Revirements hingewiesen, die Kabinettsumbildungen, die zwangsläufig dazu führen, daß jemand sich in ein ihm neues Ressort einarbeiten muß.
Nur ist a) das Wirtschaftsressort traditionell eine Ausnahme, jedenfalls in Deutschland. In der Liste der Wirtschaftsminister finden Sie fast nur Leute, die fachlich ausgewiesen waren - sei es als Wissenschaftler wie Erhard und Schiller, sei es als Praktiker wie Friedrichs und Lambsdorff. Die zuvor mindestens wirtschaftspolitische Sprecher ihrer Partei waren oder ähnliches. (Möllemann allerdings war eine beschämende Ausnahme) Und b) geht es in der jetzigen Situation in ungewöhnlichem Maß um wirtschaftspolitische Fachkompetenz.
Franz-Josef Strauß übrigens hat, als er Finanzminister wurde, ein Blitzstudium der Wirtschaftswissenschaft hingelegt. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie er es gemacht hat; ich glaube, er hat sich einen Ökonomen als Privatlehrer engagiert. Jedenfalls hat er das regelrecht gepaukt.
Das waren noch Zeiten!
Herzlich, Zettel
PS: Ihre Wertschätzung für Maggie Thatcher teile ich übrigens. Auch ich habe ihre Memoiren mit großem Gewinn und auch Vergnügen gelesen.
mir scheint, wir kommen langsam voran bei der Rekonstruktion dieser Fehlentwicklung (aus meiner Sicht; Sie sehen es ja - noch ;-) - anders):
-- Bis zum Beginn der Vierten Legislaturperiode 1961 gab es überhaup keinen Koalitionsvertrag
-- 1961 gab es eine schriftliche Vereinbarung, die sich aber nur auf bestimmte damals zentrale Punkte bezog, wie den Rücktritt Adenauers im Lauf der Legislaturperiode
-- Danach gab es immer noch keinen formalen Koalitionsverträge; wann genau die eingeführt wurden, wissen wir (weiß ich) immer noch nicht.
-- Und jetzt haben wir Ihren interessanten Fund aus dem Jahr 1993.
Im Januar 1993 war - ich hatte das schon in einem anderen Beitrag erwähnt - der Wirtschaftsminister Möllemann zurückgetreten. Nun wurde also ein Nachfolger gesucht. In dem Artikel heißt es (der Text ist in der jetzigen Version a bisserl durcheinandergeraten, man muß ein paar Absätze umstellen):
Zitat von Hamburger Abendblatt vom 11.1. 1993Umgekehrt gibt es bei der Union erhebliche Verärgerung über den am Freitag gewählten FDP- Kandidaten für das Amt des Wirtschaftsministers, Günter Rexrodt. Rexrodt hatte nach seiner Wahl durch die FDP-Gremien öffentlich erklärt: "Und der Bundeskanzler hat das zur Kenntnis zu nehmen und zu bestätigen."
Dieses Verhalten bezeichnete der stellvertretende Unions-Fraktionschef Heiner Geißler als "anmaßend". In der "Bild am Sonntag" sagte Geißler, die Erklärung zeige, "wie der verlotterte Umgang mit der Verfassung bei zu vielen in der FDP Schule macht". (...)
Inzwischen hat Rexrodt seine Äußerung selbst als "Dummheit" bezeichnet. FDP-Chef Graf Lambsdorff entschuldigte sich bei Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) wegen Rexrodts Ausrutscher.
Lambsdorff und sein designierter Nachfolger Kinkel betonten ausdrücklich das Recht des Bundeskanzlers, Minister auszuwählen und zu benennen.
Wir wissen also jetzt, lieber Florian, daß noch im Jahr 1998 es gerade nicht in einem "Koalitionsvertrag" festgelegt war, daß die Parteien selbst entscheiden durften, wen sie ins Kabinett "entsenden". Damals galt noch das, was die Verfassung so vorsieht: Dies war das alleinige Recht des Kanzlers.
Ich sehe damit meine Vermutung bestätigt, daß die eigentliche Fehlentwicklung erst 1998 begann. Aber daß 1993 Rexrodt überhaupt seinen Vorstoß machen konnte, bevor Kinkel und Lambsdorff ihn zurückpfiffen, zeigt, daß es auch damals schon Tendenzen in Richtung Aushöhlung des Rechts des Kanzlers in diesem Punkt gab.
In Antwort auf:Nur von der CSU ist er. Und dort aus der richtigen Region. Also für das Amt qualifiziert
Sie haben ja absolut recht, dass diese Methode ein Unding ist. Nur - und das ist meine These - war es von Anbeginn der Republik so, dass Ministerposten an Parteipolitiker und nicht an Fachleute vergeben wurden. Vermutlich MUSS das in einer parlamentarischen Demokratie (in der die Regierung von der ständigen Zustimmung des Parlaments und somit der Parteien) abhängig ist, so sein. Nur in einer Präsidialdemokratie (wie die USA) kann es sich der Präsident leisten, bei der Postenvergabe unabhängig von Parteiinteressen zu verfahren. Entsprechend kann es dann eben auch passieren, dass Präsident Obama den Verteidigungsminister seines Vorgängers (aus der gegnerischen Partei!) behält. In Deutschland wäre das natürlich unvorstellbar. Aus einem einfachen Grund: Ein Minister hat in unserem System nicht nur die (verfassungsgemäße) Aufgabe, ein Ressort zu leiten. Er hat darüber auch die (inoffizielle, aber deshalb nicht zwingend verfassungswidrige) Aufgabe, die Zustimmung zur Regierung im Bereich seiner eigenen Hausmacht abzusichern. Es ist daher faktisch ZWINGEND, dass die Regierungsmitglieder die Basis bzw. die Entscheidungsträger der die Regierung tragenden Parteien ausreichend abbildet.
Natürlich kann man (zu Recht!) darüber spotten, dass die Eigenschaft Franke und CSU-Mitglied zu sein, für die Vergabe eines Ministerpostens entscheidend sein soll. Sie IST aber entscheidend, weil sonst die Machtbasis der Regierung erodiert. Weil eine Regierung gezwungen ist, alle (parteiinternen) Flanken personell abzudecken, können zwangsläufig nur sehr wenige Posten an parteilose Experten vergeben werden. Im konkreten Fall war es für die CSU eben nicht möglich, ihrer fränkischen Basis zu verkaufen, dass sie nach dem Sturz des fränkischen Ministerpräsidenten und nach dem Fall Hohlmeier gleich noch einmal eine Kröte schlucken soll. Dies hätte die Machtbasis der CSU-Führung erodiert - und dass kann man sich in einem indirket-demokratischen System nicht leisten.
Auch zu Adenauers Zeiten war das schon wichtig. Ich kann mich z.B. daran erinnern, dass für die Frage, wer neuer Präsident wird, wichtig war, einen Protestanten zu nehmen (damit die CDU-innerparteiliche Balance der Konfessionen gewahrt blieb).
Man mag es bedauern, dass solche fachfremden Überlegungen bei der Posten-Besetzung dominieren. Denn nur so ist es ja z.B. zu erklären, dass ein Hans Eichel (gelernter Englisch-Lehrer) Finanzminister werden kann. Aber man muss sich schon im klaren darüber sein, dass dieser Mechanismus im Kern einer parlamentarischen Demokratie angelegt ist. Ähnliche Mechanismen gibt es auch in anderen parlamentarischen Demokratien. (Auch in der Schweiz wäre es unvorstellbar, eine Regierung zu bilden ohne französischsprachige Minister. Großbirtannien kann nicht nur Minister aus London haben. In Italien muss der Süden berücksichtigt werden, etc.etc.). Wenn einem das nicht gefällt (und um ehrlich zu sein: auch mir gefällt das nicht besonders), dann bleibt als Ausweg eben nur ein kompletter Systemwechsel, z.B. hin zum US-System.
In Antwort auf:Nur von der CSU ist er. Und dort aus der richtigen Region. Also für das Amt qualifiziert
Sie haben ja absolut recht, dass diese Methode ein Unding ist. Nur - und das ist meine These - war es von Anbeginn der Republik so, dass Ministerposten an Parteipolitiker und nicht an Fachleute vergeben wurden.
Dem stimme ich zu, lieber Florian. Wie allem, was Sie in diesem Beitrag schreiben. Sie kennzeichnen sehr schön die Zwänge und Faktoren, die in einem parlamentarischen System bei der Regierungsbildung eine Rolle spielen.
Daß ich persönlich für ein präsidiales System à la USA oder Frankreich bin, inclusive Mehrheitswahlrecht, wissen Sie wahrscheinlich. Aber das steht ja in Deutschland nicht zur Debatte.
Deshalb kritisiere ich auch gar nicht diese Zwänge des parlamentarischen Systems. Sondern ich kritisiere, daß über diese hinaus sich in den vergangenen Jahrzehnten eine Machtverschiebung von der Legislative hin zu demokratisch nicht legitimierten Parteigremien vollzogen hat, und parallel dazu eine Machtverschiebung von der Exekutive hin zu solchen Gremien.
Alles, was Sie schreiben, galt auch schon zu Adenauers Zeiten. Und trotzdem hatte dieser das letzte Wort bei der Berufung und Entlassung von Ministern. (Genauer, das vorletzte. Das letzte hatte der Präsident. Und daß Heuss von derartigen Rechten keinen Gebrauch machte, hat dann das Amt des Präsidenten geprägt. Darüber haben wir ja kürzlich in einem anderen Thread diskutiert: Das GG würde auch einen weit politischeren Präsidenten zulassen).
Weiter unten in diesem Thread habe ich gerade den Artikel aus dem Abendblatt von 1993 zitiert; auch damals waren sich noch alle einig, daß die Entlassung und Berufung von Ministern allein die Sache des Kanzlers ist. Die eigentliche Fehlentwicklung begann also erst später.
Lassen Sie mich noch einmal sagen, lieber Florian, warum ich diese Entwicklung so bedenklich finde:
Weil sie bedeutet, daß an die Stelle des Volks als dem letztlichen Träger der Staatsgewalt -an die Stelle des Souveräns - die Mitgliederschaft der Parteien tritt.
Diese Parteimitglieder sind eine kleine Minderheit des Volks. Sie haben sehr oft - siehe die Kernkraft - ganz andere Meinungen als die Mehrheit auch der Wähler der betreffenden Partei. Zu Adenauers Zeit waren die Mitglieder der CDU weit konservativer als derern Wähler. Heute zum Beispiel sind die Mitglieder von "Die Linke" überwiegend Alt-SEDler und sonstige Kommunisten; ihre Wähler nicht.
In dem Maß, in dem parteiabhängige Gremien an die Stelle parlamentarischer und vom Parlament abhängiger Verfassungsorgane treten, wird also das Grundprinzip ausgehöhlt, daß alle Macht vom Volk ausgeht. Sie geht dann zunehmend von den Mitgliedern der Regierungsparteien aus.
Ich bin weit davon entfernt, Denjenigen zuzustimmen, die behaupten, wir hätten "keine Demokratie mehr". Aber diese schleichende Machtergreifung der Parteien ist aus meiner Sicht die einzige wirkliche Gefährdung für unsere Demokratie.
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