In Antwort auf:Nur in einer Präsidialdemokratie (wie die USA) kann es sich der Präsident leisten, bei der Postenvergabe unabhängig von Parteiinteressen zu verfahren.
Gewagte These. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass auch der Herr Obama bei der Vergabe seiner Ministerämter alle möglichen Minderheiten ethnisch, politisch, religiös etc. pp. berücksichtigen muss. Wenn er der Überzeugung wäre, ganz frei wählen zu können, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Frau Rodham ihre unermessliche Weisheit auf die Welt loslassen dürfte.
Zitat von FTT_2.0Wenn er der Überzeugung wäre, ganz frei wählen zu können, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Frau Rodham ihre unermessliche Weisheit auf die Welt loslassen dürfte.
Die hat er vielleicht deshalb zur Ministerin gemacht, damit er sie nicht als Senatorin am Hals hat. If you can't beat 'em, join 'em.
Zitat von FTT_2.0Wenn er der Überzeugung wäre, ganz frei wählen zu können, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Frau Rodham ihre unermessliche Weisheit auf die Welt loslassen dürfte.
Die hat er vielleicht deshalb zur Ministerin gemacht, damit er sie nicht als Senatorin am Hals hat. If you can't beat 'em, join 'em.
Oder: Keep your friends close, but your enemies closer.
Schon richtig. Wobei natürlich Hillary Clinton in sofern eine Ausnahme ist, als sie hinter ihrer Person einen sehr großen Teil der demokratischen Basis vereinigt. So eine krasse Situation gibt es natürlich nicht oft. Üblicherweise sind in den USA Poltiker ja eher Einzelkämpfer. Und selbst in dieser Ausnahmesituation hätte Obama Clinton nicht unbedingt einbinden MÜSSEN. (Er hat sich ja z.B. stark genug gefühlt, die Clinton-Personalie nicht schon im Wahlkampf zu bringen).
Hinzu kommt: Clinton ist auch fachlich eine ordentliche Besetzung (kein Vergleich zu Joschka Fischer im Außenamt). Ich persönlich halte sie zwar für überbewertet. Aber in den demokratischen Primaries scheint jeder (auch die Gegenseite) ihre außenpolitischen Qualitäten anerkannt zu haben. (Zumindest ist sie in der Welt bekannt - was ja für diesen Posten schon mal ein Pluspunkt ist).
Dass auch amerikanische Präsidenten gewisse Minderheiten-Quoten abedecken müssen ist sicher richtig. Aber sie haben natürlich mehr Freiheit als ein deutscher Kanzler. Die Situation, dass für ein Amt unbedingt (sagen wir mal) eine nordhessische CDU-Frau gefunden werden muss (deren Qualifikationen dann sekundär sind), ist in dieser Zuspitzung in den USA natürlich nicht gegeben.
Zitat von Florian Clinton ist auch fachlich eine ordentliche Besetzung (kein Vergleich zu Joschka Fischer im Außenamt). Ich persönlich halte sie zwar für überbewertet. Aber in den demokratischen Primaries scheint jeder (auch die Gegenseite) ihre außenpolitischen Qualitäten anerkannt zu haben. (Zumindest ist sie in der Welt bekannt - was ja für diesen Posten schon mal ein Pluspunkt ist).
Lieber Florian,
ich möchte wirklich nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich an jedem Detail aufhänge. Bei Hilly muss ich allerdings schon erinnern, dass sie sich vor nicht einmal einem Jahr in einer Diskussion nicht an den Namen des russischen Präsidenten erinnern konnte.
Zitat von Zettel Weder in der Weimarer Republik noch anfangs in der Bundesrepublik gab es dergleichen. 1961 gab es erstmals schriftliche Vereinbarungen zwischen der CDU und der FDP. ... Das war aber nichts, was mit den heutigen Konvoluten vergleichbar wäre (der aktuelle Koalitionsvertrag hat 130 Seiten!).
Diese Regelungswut, dieses Mißtrauen gegenüber dem Partner, das sich in solchen Werken manifestiert, dieser Versuch, damit die Arbeit des Parlaments zu präjudizieren - das hat sich erst viel später entwickelt.
Aber, aber. Argumentieren Sie nun mit dem Umfang? Das ist nun etwas anderes als ihr vorheriges "Koalitionsverträge" sind was neues (und da alles Schlechte Neue mit Rot/Grün begann war natürlich 1998 das erste Mal. Die ist der Grund für ihre Vermutung.)
Nein, Koalitionsvereinbarungen gab es schon immer, auch wenn man sie nicht niedergeschrieben hat. Die FDP war nach der ersten Koalition schon ziemlich ungehalten über Teilbereiche der Adenauerschen Politik. Natürlich hat das Aufkommen von geschriebenen Verträgen etwas mit Mißtrauen zu tun - und parallel dazu mit der relativen Stärke der Koalitionsparteien (ein wesentlicher kleiner Partner wird sich so absichern wollen, aber bei faktisch gleicher Stärke wie in einer großen Koalition gibt es mehr Konfliktpunkte, die geregelt werden wollen.)
Man kann das auch in Beziehung setzen zu gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen einer zunehmenden Verrechtlichung. Gerade die Politik leidet unter dieser und unter Forderungen der Verwissenschatlichung (wozu ich in einem anderen Thread noch etwas schreiben wollte, aber noch nicht dazu gekommen bin.)
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von ZettelEs ist keine Stillosigkeit. Sondern Glos hat (vielleicht ja mit einem leise ironischen Unterton, das traue ich ihm zu) nur das berücksichtigt, was der Fall ist:
Es ist sehr wohl eine Stillosigkeit und eine Verletzung der politischen Formen.
In Antwort auf:Nicht die Kanzlerin hat das Vorschlagsrecht (gegenüber dem Präsidenten nämlich), sondern der Koalitionsvertrag hat ihr dieses Recht faktisch genommen und es auf die jeweilige "entsendende" Partei übertragen, also zuerst deren Vorsitzenden.
Der Koalitionsvertrag hat ihr gar nichts genommen. Sie das Beispiel Rexrodt.
Allein die Kanzlerin hat immer noch das Vorschlagsrecht gegenüber dem Präsidenten. Das Vorschlagsrecht gegenüber der Kanzlerin hat aber jeder, den sie in der Sache anhören will.
In Antwort auf:Dazu die Stellungnahme von Wilhelm: Das sei überhaupt nicht möglich, denn der Koalitionsvertrag - er hat das dann im einzelnen zitiert - regle verbindlich, welche Partei welche Ministerien besetzen dürfe.
Es wäre dennoch möglich, weil der Vertrag überhaupt keine Rechtsverbindlichkeit hat, kreiert aber politische Probleme: legte man die Ministerien zusammen, hätte verlöre die Union eine Stimme im Kabinett.
In Antwort auf:Deutlicher, lieber Florian, kann man eigentlich diese Absurdität, diese Abkehr vom Geist des Grundgesetzes kaum illustrieren, über die ich mich zwar nicht aufrege, die ich aber anprangere.
Wenn er das ist, dann existiert diese Abkehr schon seit Jahrzehnten. Ich würde die Abkehr aber eher im Inhaltlichen sehen.
In Antwort auf: Genau diese Fehlentwicklung ist es ja, die ich anprangere. Hans-Dietrich Genscher hat dazu 2001 in der FAZ einen Aufsatz geschrieben, an dessen Text ich nur noch nicht herangekommen bin.
Ebenjener Genscher, der massiv dazu beigetragen hat?
In Antwort auf:In einer normal funktionierenden Republik hätte man alternativ zum Beispiel auch das Amt des Wirtschaftsministers mit einem fachlich qualifizierten CDU-Mann besetzen können. Aber das geht nicht, weil das Ministerium ja ein Erbhof der CSU ist.
Man könnte auch mal das Kanzleramt mit jemand qualifizierten besetzen - das geht aber nicht, weil Frau Merkel eben an der Spitze der CDU steht. Oder das Außenamt - aber das geht nicht, weil Herr Steinmeier ...
Die Koalitionsarithmetik ist nun wirklich nicht das Problem. Nur wenn eine Partei nur zwei Ministerposten hat, ist klar, daß sie davon nicht einen abgibt zugunsten einer der anderen, die mehr als doppelt so viele hat.
Tut mir leid, wenn man sicher innerhalb der Koalition so verachten würde, wie Sie das wollen, gäbe es gar keine Koalition.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von ZettelNur ist a) das Wirtschaftsressort traditionell eine Ausnahme, jedenfalls in Deutschland. In der Liste der Wirtschaftsminister finden Sie fast nur Leute, die fachlich ausgewiesen waren - sei es als Wissenschaftler wie Erhard und Schiller, sei es als Praktiker wie Friedrichs und Lambsdorff. Die zuvor mindestens wirtschaftspolitische Sprecher ihrer Partei waren oder ähnliches. (Möllemann allerdings war eine beschämende Ausnahme)
Das ist jetzt nicht Ihr Ernst?! Alle Wirtschaftsminister waren Fachleute?
Wie war das mit Bangemann, Hausmann, Rexrodt etc?
Und warum sollte es für dieses, hinterletzte Ministerium eine Ausnahme geben? Eher umgekehrt: zum Wirtschaftsminister taugt jeder, weil man als solcher nicht viel Schaden anrichten kann.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von FTT_2.0Wenn er der Überzeugung wäre, ganz frei wählen zu können, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Frau Rodham ihre unermessliche Weisheit auf die Welt loslassen dürfte.
Die hat er vielleicht deshalb zur Ministerin gemacht, damit er sie nicht als Senatorin am Hals hat. If you can't beat 'em, join 'em.
Bzw. die Clinton-Maschine hat das verlangt, als sie sich bereitgefunden hat, Obama im Wahlkampf doch zu unterstützen.
Ja, Regierungsbildungen in den USA sind notorisch im Proporzdenken gefangen und selbst die Beibehaltung der Verteidigungsministers Gates kommt daher: so kann man einfach und billig signalisieren, daß man Überparteilichkeit wolle (auch und gerade wenn die Politik etwas anderes aussagt), mal abgesehen davon, daß er sowieso für einen Bereich zuständig ist, für dessen Problem Obama lieber noch einige Zeit die Bush-Regierung verantwortlich machen will. Falls es schief geht, kriegt's der Bush-Vertreter Gates ab, geht es gut, strahlt Obama.
Der Proporz ist übrigens nichts neues: auch Bush hatte schon das farbenfrohste Kabinett aller Zeiten - was damals aber irgendwie keinen interessiert hat - nun bejubelt man Obama dafür.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von Florian Clinton ist auch fachlich eine ordentliche Besetzung (kein Vergleich zu Joschka Fischer im Außenamt). Ich persönlich halte sie zwar für überbewertet. Aber in den demokratischen Primaries scheint jeder (auch die Gegenseite) ihre außenpolitischen Qualitäten anerkannt zu haben. (Zumindest ist sie in der Welt bekannt - was ja für diesen Posten schon mal ein Pluspunkt ist).
Lieber Florian,
ich möchte wirklich nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich an jedem Detail aufhänge. Bei Hilly muss ich allerdings schon erinnern, dass sie sich vor nicht einmal einem Jahr in einer Diskussion nicht an den Namen des russischen Präsidenten erinnern konnte.
Und davon abgesehen, daß Joschka Fischer kein schlechter Außenminister war. Zumindest nicht schlechter als sein unmittelbarer Vorgänger und Nachfolger.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von str1977Nein, Koalitionsvereinbarungen gab es schon immer, auch wenn man sie nicht niedergeschrieben hat.
So, wie es immer den Wind gibt - auch wenn er mal nicht weht.
Der Vergleich ist schief. So wie es den Wind gibt, auch wenn man ihn nicht spürt, wäre besser.
Denn Wind setzt wehen voraus, die Vereinbarung aber nicht die Schriftform.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Glos ist kein Erhard und ob Guttenberg es werden könnte, ist die Frage. Das rheotorische und intellektuelle Potential hat er und es gelingt ihm auch, wenn er die Distanz aus seiner Herkunft überwinden kann.
Was machte eigentlich die Wirkung von Ludwig Erhard aus?
War es Konzeption eines liberalisierten Marktes mit einer unsichtbaren Hand? Die Hand mag unsichtbar gewesen sein, die Gusche war es nicht. Dieser alte Artikel im Spiegel beschreibt eigentlich recht gut seine Vorgehensweise
Erhard nahm sehr wohl und sehr gezielt Einfluß auf Erzeuger und Verbraucher. Er war sich der Macht des Wortes sehr bewußt. In der Außenpolitik und bei Auslandsaufenthalten war diese Macht leider größer als sein Bewußtsein, in welcher Richtung sich diese Macht auswirkt, aber was die deutsche Binnenwirtschaft anging, hat er die ersten Jahre fast immer richtig formuliert und reagiert.
In Antwort auf:deren meist mysteriös-exakte Erfüllung dem Volkswirtschaftler Erhard ein Odeur verschaffte, um das ihn jeder afrikanische Medizinmann beneiden würde. Auf die Frage, wieso er damals und in den folgenden Jahren seine Prognosen (s. Graphik) mit solcher suggestiven Festigkeit abgeben konnte, nimmt Ludwig Erhard heute feierlich die Zigarre aus dem Mund, denn es geht hier an den Kern seiner stark gefühlsbetonten Wirtschaftspolitik, und verkündet: "Weil ich es tief im Herzen wußte. Ich wäre ja ein Scharlatan gewesen, wenn ich nicht selbst daran geglaubt hätte." ..... Es konnte mit tödlicher Sicherheit nicht schiefgehen. Was man oft als meine Sturheit ausgelegt hat, war doch die wissenschaftliche Erkenntnis, daß alles so verlaufen muß, wenn wir uns richtig verhalten, und ich durfte mich durch nichts davon abbringen lassen.
Hier und in anderen liberalen Foren klang ja öfters die Frage an, welchen Nutzen der Wirtschaftsminister denn noch hätte. Wenn es ein Mensch vom Format von Ludwig Erhard ist, hat der Wirtschaftsminister eine Bedeutung. Wenn er sich dessen bewußt ist, was Ludwig Erhard in der Gedenkrede zum 10. Geburtstag von Ludwig Oppenheimer aussprach
In Antwort auf:Mir ist im Bundestag zuweilen vorgeworfen worden: »Können Sie das, was Sie da gemacht haben, mit ihren theoretischen Grundüberzeugungen in Einklang bringen?« Darauf konnte ich nur antworten, daß ich um meine Sünden weiß, aber wichtig wäre dabei, daß, wenn man schon sündigen muß, sich dessen auch bewußt ist, wann und in welchem Ausmaß das geschieht. Und das eben habe ich immer gewußt; ich habe es auch immer wieder ausgesprochen.
Auch meine Einstellung zur Macht hat ihre Wurzel in der Ethik Franz Oppenheimers. Ich meine dabei nicht nur die wirtschaftliche Macht, ich meine auch die politische Macht. Nicht, daß ich an die Verbrechen einer tragischen Vergangenheit erinnern möchte - nein, hier handelt es sich um ein modernes gesellschaftspolitisches Problem überhaupt. Natürlich weiß jede Zeit um die ihr gemäßen Mittel. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, wie oft mir Oppenheimer gegenwärtig und lebendig war, als ich vor Entscheidungen stand, die nach der herkömmlichen Meinung und nach der Interessenlage der einzelnen Gruppen nicht gerade immer populär anmuteten. Sie haben sich aber zuletzt doch immer als richtig erwiesen.
Meine Damen und Herren! Macht! - ja ich sage immer: wer Macht besitzt und dazu rechtschaffen ist, wird fast demütig sein vor den Möglichkeiten, die ihm die Macht an die Hand gibt. Man wirft mir ja allenthalben vor, daß ich kein richtiges Verhältnis zur Macht hätte. Nun, ich möchte das anders ausdrücken: Ich habe kein Verständnis für den Mißbrauch der Macht und gehe deshalb damit pfleglich um. Ich glaube zudem, daß es zu einer guten Politik gehört, zu verhindern, daß Machtpositionen sich überhaupt ausprägen können, daß Macht gegen Macht ausgespielt wird.
Dieses Bewußtsein ist bei vielen heutigen Politiker und anderen Akteuren nicht vorhanden und dann wundern sie sich über die Wirkungen des bedenkenslosen Reden und seine wirtschaftlichen Auswirkungen. Das Bewußtsein der Macht des gesprochenen Wortes ist auch bei den heutigen Liberalen kaum vorhanden. Sie glauben, mit ein paar Reformen hier und ein paar Reformen da würde die Wirtschaft schon zum Gleichgewicht finden. Nur nicht den Menschen zu nahe treten, denn das können sie meistens nicht, an Menschen herantreten. Deshalb glauben sie ja so an die unsichtbare Hand und die Eigenverantwortung und nicht an die hörbare Gusche, die dieser Franke einfach hatte.
Hinzu kommt ein sehr persönliche Eigenschaft. Dieser Mann hatte das, was man früher Gottvertrauen genannt hätte
In Antwort auf:Erhard fuhr zu dieser Zeit noch seinen alten Maybach, als, ihn eines Tages aufgeregt winkend ein anderer Wagen überholte. Fahrer Stadler stoppte, stieg aus. Aus dem Benzintank schossen helle Flammen. Stadler löschte, stieg dann wieder ein und berichtete dem Chef.
Erhard: "Ich hab's gemerkt. Mir ist die ganze Zeit schon so heiß gewesen."
Stadler: "Das hätte bös ausgehen können. Wenn der Benzintank nun explodiert wäre."
Erhard: "Da wär' mir nix passiert. Das wär' doch alles hinter mir losgegangen."
Der Wirtschaftsminister nahm diese Schläge kompakten Mißtrauens nicht anders als jenen Überschlag, mit dem Chauffeur Stadler ihn auf einer Fahrt nach Hannover samt dem Mercedes 300 im Straßengraben aufs Kreuz legte.
Chauffeur Stadler hatte sich noch nicht ganz aus dem Wagen gezwängt, da stand Erhard schon neben ihm, klopfte gelassen die Zigarrenasche von den Revers und sagte nur: "Da, meine Zigarre is ausgangen. Geben's mir Feuer. Und dann wollen wir schauen, daß wir weiterkommen. Ich muß da reden." Stoppte ein vorüberfahrendes Auto und hielt anderthalb Stunden später die Eröffnungsansprache auf der Hannoverschen Messe.
"Der Mann hat ein penetrantes Glück gehabt", ist heute bei vielen Freunden und Feinden die billige Erklärung dafür, daß ein Mann allein eine Nationalwirtschaft so beeinflussen konnte.
Das ist nicht Glück, das ist das Bewußtsein, daß er eine Mission zu erfüllen hatte und das diese Mission noch nicht erfüllt ist. Das brauch man eben auch, um erfolgreich zu sein.
Von Ludwig Erhard kann man immer noch lernen. Wenn man seine Briefe und seine Reden liesst. Und nicht seine Bücher, in denen seine Persönlichkeit gar nicht zum tragen kommt.
Ich stimme Ihnen vollkommen zu. Erhards Stärke war es, Vertrauen zu erzeugen. Und eine freie Wirtschaft basiert nun einmal wesentlich auf Vertrauen. Wenn ich die jetzige Krise richtig verstehe, ist der Kern des Dilemmas, daß das Vertrauen fehlt, gewährte Kredite zurückzubekommen und investiertes Kapital sich rentieren zu sehen. Die Angst vor der Krise schürt die Krise, was die Angst vor der Krise verstärkt. Der alte Teufelskreis.
Erhard hat das betrieben, was man damals "Seelenmassage" nannte. Er hat keineswegs immer zu mehr Konsum aufgerufen; "Maßhalten" war eines seiner Lieblingswörter. Er hat - und wenn ich das richtig sehe, war das eines der Geheimnisse des "Wirtschaftswunders" - erreicht; daß die Deutschen in den Jahren des Wiederaufbaus eben nicht jede verdiente D-Mark gleich auf den Kopp gehauen haben. Sie haben vor allem auch gespart; das Geld stand für Investitionen zur Verfügung.
Auf eine ganz andere Art hat auch Karl Schiller eine hohe Vertrauenswürdigkeit ausgestrahlt. Erhard wirkte durch seinen Charakter, Schiller durch seinen Intellekt. Er hat das ganze Keynes'sche Inventar eingesetzt, um aus der damaligen Rezession zum kommen, und das mit griffigen Sprüchen verkauft ("Die Pferde müssen saufen"; "Die Talsohle ist durchschritten").
Was den jungen Herren zu Guttenberg angeht - er mag ein brillanter Kopf sein. Aber die ersten Auftritte, die ich erlebt habe, wirkten auf mich so, als wolle er die Bühnenrolle "Schnösel" in einem Bauerntheater spielen. Vertrauen strahlt dieser Mann aus meiner Sicht nicht aus.
Es wäre schön gewesen, wenn er zB gesagt hätte, daß er von Wirtschaft noch wenig versteht, daß er sich aber zutraut, sich einzuarbeiten (was ich ihm abgenommen hätte). Stattdessen hat er die Story mit dem "Familienunternehmen" aufgetischt, in dem er angeblich Erfahrungen in der Wirtschaft gesammelt hat. Im Bayerischen Rundfunk war vor ein paar Tagen zu hören, daß in dieser Guttenberg GmbH, offenbar einer Familienholding, drei oder vier Beschäftigte tätig sind. Ich zitiere das ohne Gewähr.
Um, lieber Libero, noch einmal auf Erhard zu kommen: Er war eben auch dadurch glaubwürdig, daß er - bei allem wolkigen Gerede, das er liebte - überhaupt nicht protzig wirkte. Eben in dieser Hinsicht gerade nicht das "personifizierte Wirtschaftswunder". Bei Guttenberg scheint mir das - als erster Eindruck, der sich ändern kann - der Fall zu sein.
ich habe bewußt das Wort Vertrauen vermieden, weil ich ja wußte, das es von Ihnen kommen wird. Auch das Wort Seelenmassage trifft sehr gut die Wirkung dieses Mannes. Ein Mensch, der in noch schwieriger Zeit, vor 1933 lebte, verfügte ebenfalls über diese Fähigkeit. Das war Carl Duisberg, der zwar politisch und gewiss auch wirtschaftlich von Ludwig Erhard meilenweit entfernt, aber ihm in einem Punkt sehr glich. Er vermochte es wie Herkunft, den Mutlosen und Zaghaften die Zuversicht und das Vertrauen zu geben, das sie aus eigener Kraft nicht aufbrachten. Das ist verantwortliches Handeln, eigenverantwortliches Handeln ist etwas für Menschen, die sich mehr nicht zutrauen.
Ob Guttenberg diese Fähigkeit nicht hat oder haben will, werden wir sehen. Hinsichtlich der unternehmerischen Erfahrung sind die Eigenbetriebe gegenüber früher geschrumpft. Das Weingut ist in anderen Händen, die Anteile an den Rhön Kliniken verkauft. Bleibt nur der übliche Wald und Grundbesitz, etwa 1000 ha. Das ist nicht unbedingt die erste Liga unter den adligen Grundbesitzern.
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