Das Thema hatten wir hier schon gelegentlich, aber ich habe gern den Hinweis von Thomas Pauli auf den lesenswerten Aufsatz von Theodore Dalrymple aufgenommen, um darauf zurückzukommen und diesen Artikel zu schreiben: Der Islamismus ist etwas anderes als der Islam, nämlich eine totalitäre politische Bewegung.
Man kann vielleicht argumentieren, dieser totalitäre Charakter sei im Islam angelegt; das kann ich nicht beurteilen, weil ich vom Islam nichts verstehe. Aber weder in der Geschichte noch in der Gegenwart waren und sind islamische Staaten notwendig totalitär.
es hat allerdings keinen Sinn mich episch auszubreiten, wenn Du schon die Klausel einbaust, dass Du vom Islam wenig verstehst. Es gibt da nicht viel zu verstehen, wenn Du verstehst was ich meine. Desweiteren ist es mir nicht möglich so leichtfertig zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden, wie das manche "Experten" tun. Dafür habe ich mich damit zu lange beschäftigt. Im Hinblick der Bestrebungen der OIC in der UN den islamistischen Begriff "islamophobie" zu etablieren, dürfte es auch schwerfallen eine Unterscheidung herzustellen. Wenn es allerdings es die gemäßigten Muslime schaffen sollten, die Islamisten aus dem Islam auszuschließen, bin ich bereit meine Meinung zu ändern.
Sie weisen auf die Verwandtschaft des Denkens Sayid Kutubs mit dem Waldimir I. Lenins hin. In diesem Zusammenhang scheint es mir nicht unwesentlich, an einen Aufsatz von Jörg Lau zu erinnern, den er im Merkur-Doppelheft 9/10 von 2003 veröffentlicht hat und der den Titel "Lob der Entfremdung" trägt. Darin macht Lau darauf aufmerksam, daß so manche Passage aus den Schriften Kutubs, in denen dieser seine Erfahrungen während seines USA-Aufenthaltes reflektiert, sich so lesen, als seien sie direkt aus den Minima Moralia Theodor W. Adornos abgeschrieben. Mir liegt Laus Aufsatz hier in Jerusalem zur Zeit nicht vor, da er leider nicht online zu finden ist, aber ich erinnere mich daran, wie Lau genüßlich eine Passage aus Kutubs Erinnerungen zitiert, in denen dieser ein Tanzvergnügen in einer amerikanischen Kleinstadt beschreibt. In der Tat, hätte ich nicht gewußt, von wem das Zitat stammt, hätte ich auch auf Adorno getippt. Oder eher noch auf Günther Anders.
Zitat von C.es hat allerdings keinen Sinn mich episch auszubreiten, wenn Du schon die Klausel einbaust, dass Du vom Islam wenig verstehst.
Es ist halt so.
Ich habe eine regelrechte Abneigung dagegen, mich mit dieser Religion zu befassen, die mir so fern steht wie keine andere, außer vielleicht derjenigen der alten Mayas.
Ich hab's trotzdem versucht, mir eine Ausgabe des Koran nach der anderen gekauft, bis ich gemerkt habe, daß ich kein Wort verstehe, egal welches die Übersetzung ist. Da habe ich's aufgegeben.
Ich kann nichts anfangen mit dieser Mischung aus weitschweifender Phantasie und Verboten über Verboten; mit dieser Religion des Zuckerbrots und der Peitsche. Ich kann nichts anfangen mit einer Religion, die die Unterwerfung verlangt; die den Einzelnen so klein macht, daß er seinem Kismet ausgeliefert ist.
Bei den Griechen gab es auch diesen Gedanken des Ausgeliefertseins an das Schicksal; aber das wurde als Tragik empfunden, und man kämpfte dagegen an, wenn auch vergeblich. Beim Islam sehe ich davon nichts; überhaupt nichts, was auch nur entfernt dem Einzelnen Freiheit lassen würde.
Das schreibe ich jetzt so dahin, dear C. Nur, um zu begründen, daß ich mich mit dieser Religion nicht befassen will. Aber es kann natürlich sein, daß sie ganz anders ist. Nur müßte ich mich mit ihr befassen, um das rauszufinden.
Zitat von C.Wenn es allerdings es die gemäßigten Muslime schaffen sollten, die Islamisten aus dem Islam auszuschließen, bin ich bereit meine Meinung zu ändern.
Daran glaube ich nicht. Wenn ich es recht verstehe, ist der Islam ja mehr wie der Protestantismus organisiert als wie die Katholische Kirche. Ein Ausschließen wird es da wohl nicht geben können.
Mir scheint nur, dear C., daß in allen modernen Gesellschaften die Religion ihre dominierende Rolle verliert. Das hat nichts mit den Inhalten der jeweiligen Religion zu tun, sondern mit dem Verschwinden der traditionellen sozialen Strukturen, auf denen die Dominanz jeder Religion basiert.
Der Islamismus ist die voererst letzte Variante des Totalitarismus. Sie wird verschwinden wie die anderen. (Ob danach eine ökologistische kommt, bleibt abzuwarten).
Wenn es vorbei ist mit dem Islamismus, dann wird der Islam als Religion natürlich weiterbestehen. Innerhalb der moderenen Gesellschaften, die sich auch in den islamischen Länder entwickeln werden, wenn auch mit Verzögerung. Dann wird er sich wandeln, so wie sich das Judentum und das Christentum gewandelt haben, vom Shintoismus ganz zu schweigen.
Fundamentalistische Strömungen werden bleiben, wie die Orthodoxie im Judentum und wie die evangelikalen Strömungen im Christentum. Aber totalitär werden sie nicht mehr sein. DFazu fehlt dann einfach die gesellschaftliche Basis.
So ungefähr denke ich es mir, dear C. Aber es kann natürlich alles auch ganz anders kommen.
Zitat von C.Im Hinblick der Bestrebungen der OIC in der UN den islamistischen Begriff "islamophobie" zu etablieren...
Wo sehen Sie das Problem? Die Islamophobie und dieser gesamte "hatespeech" Dunstkreis ist doch nur eine weitere Ausprägung dessen, was Juden mit dem Antisemitismus seit langer Zeit äußerst erfolgreich paraphrasieren. Natürlich wollen Mohammedaner und etliche andere gesellschaftliche Gruppen Kritik an ihrem Wesen und ihren Bestrebungen als etwas maßlos Ungeheuerliches verstanden wissen. Ich bin nicht verwundert!
Tatsächlich ist es doch so, daß jeder Mensch über Dinge wie Islam oder Judentum, meinetwegen auch Christentum oder das fliegende Spaghettimonster, seine eigene Meinung hat, die mal abweichend positiv oder im Zweifelsfall auch stark negativ sein kann. Der Außenstehende staunt und bildet sich in diesem Wust seine Meinung, so oder so - meistens indem er beide Seiten anhört. Bestrebungen hier die "Gegenrede" oder das einseitige Herausstellen von Negativem zu skandalisieren oder gar zu kriminaliseren müssen also auch zu einer falschen, weil einseitig positiven Wahrnehmung führen, da sie den Fundus an verfügbaren Ansichten einschränken, aus deren Gesamtheit sich idealerweise eine Ansicht bilden sollte.
Zitat von HajoWo sehen Sie das Problem? Die Islamophobie und dieser gesamte "hatespeech" Dunstkreis ist doch nur eine weitere Ausprägung dessen, was Juden mit dem Antisemitismus seit langer Zeit äußerst erfolgreich paraphrasieren.
Unter "seit langer Zeit erfolgreich" verstehe ich etwa völlig anderes, in Anbetracht der Geschichte des Judentums. Zumal theologisch betrachtet, sowohl das Christentum als auch das Mohammedanertum ausgesprochen judeophobe Ideologien sind, die ihre Existenzberechtigung aus der Kritik am Judentum saugen. Wenn die UN nicht ein Sauhaufen wäre, müsste sie zuerst das Neue Testament als auch den Koran verbieten und Luther und Mohammed öffentlich verdammen, bevor der OIC Gehör geschenkt wird. Da aber Verbote von kollektiver Halluzination nichts fruchten, sollte zumindest im angeblich aufgeklärtem Westen die sachliche Erforschung von Religionen möglich sein ohne Hyperventilation auszulösen. Solange das Mohammedanertum auf Welpenschutz besteht, wird es sich auch nicht in Zettels Sinne weiterentwickeln können, die Entwicklung ist in den letzten Jahren im Rahmen der Qutbschen Reformation umgekehrt worden.
Zitat von C.Die Islamophobie und dieser gesamte "hatespeech" Dunstkreis ist doch nur eine weitere Ausprägung dessen, was Juden mit dem Antisemitismus seit langer Zeit äußerst erfolgreich paraphrasieren. Natürlich wollen Mohammedaner und etliche andere gesellschaftliche Gruppen Kritik an ihrem Wesen und ihren Bestrebungen als etwas maßlos Ungeheuerliches verstanden wissen. Ich bin nicht verwundert!
Nur, lieber Hajo, gibt es da den fundamentalen Unterschied, daß der Antisemitismus ja nicht nur in "Kritik an ihrem Wesen und ihren Bestrebungen" besteht, sondern in seinen radikalen Ausprägungen Haß, Verfolgung, den Holocaust und aktuell die Drohung einschließt, den Staat Israel von der Landkarte zu tilgen. Nichts dergleichen droht Moslems oder hat ihnen jemals gedroht.
Es handelt sich also um ein Phänomen einer ganz anderen Dimension. Sicherlich versucht die OIC, auf der sich im Westen ausbreitenden Tendenz zu schwimmen, "Hate Speech" jeder Art zu verbieten; das Wort "Islamophobie" ist ja auch "Homophobie" nachgebildet. Aber der Vergleich mit dem Antisemitismus muß doch sehr differenziert werden.
es gab Untersuchungen, welche belegen, dass Jugendliche, welche sich ausgegrenzt fühlen, anfällig für das Predigen, Moslems seien anderen überlegen, sind. Dass das Selbstwertgefühl von z.B. Mädchen gesteigert wird, indem ihnen gesagt wird, Du bist durch das Tragen des Kopftuches reiner als die, welches es nicht tun. Durch dieses vorgebliche moralische höherwertige Sein, drehen sich innerlich die Rollen. Nicht die, welche einen vermeintlich ausgrenzen sind die besseren, nein, man selbst ist es und will gar nicht mehr zu denen gehören.
Jemand, der sich nicht hinreichend in der Gesellschaft platziert/gewürdigt sieht ohne sich aber ausgrenzt zu sehen, der also „nur“ denkt, man gebe ihm nicht die für ihn angemessen Rolle, möchte Gerechtigkeit, indem seine Leistungen ausreichend gewürdigt werden. Notfalls vielleicht, dass die, zu denen er gern gehören würde, ihm von ihren Vorteilen abgeben müssen oder „runter gestuft“ werden. Aber primär wird anderes gewünscht. Gleichmacherei ist also nur die Notlösung, wenn er seine Ziele nicht erreichen kann. Dies aber nicht um den Preis, selbst Vorteile abgeben zu müssen.
Allen Heilsversprechen ist gleich, dass sich die, welche drauf reinfallen, persönliche Vorteile erhoffen. Jemand der sich nur nicht hinreichend gewürdigt sieht, braucht doch daher einen anderen Anreiz sich einer Ideologie anzuschließen als einer, der eh meint nichts zu verlieren zu haben. Letzterer greift doch eher nach allem, was ihm endlich Glück verspricht. Der Erstere macht doch nur dann mit, wenn er konkret eine Verbesserung für ihn durch das Mitmachen sieht und dass er rational denkt, dass ein Heilsversprechen halten kann, was es verspricht, ist doch eher unwahrscheinlich. Dies kommt nur für Überzeugungstäter in Betracht, welcher aber in der Minderheit sind. Denn die wenigstens geben ihre Vorteile für eine angebliche bessere Gesellschaft auf. Die meisten brauchen doch die konkrete Annahme von irgendwelchen Vorteilen für sie.
Von daher denke ich nicht, dass Ausgebildete aufgrund von Frusts sich Ideologien per se eher anschließen, sondern überwiegend nur, wenn ihm der äußere Anschluss an eine Ideologie konkret eine bessere/höhere Funktion in Aussicht stellt und ich gehe schwer davon aus, dass bewusst dann selbst Heilsversprechen gemacht werden, um andere ausnutzen zu können ohne selbst auch nur daran zu glauben, dass die Versprechen Heil bringen. Ist die Gesellschaft erst einmal von den Heilsversprechen beeinflusst, dann sieht es anders aus, denn dann sind wir an einem Punkt, wo Propaganda das Meinungsbild so sehr bestimmt, dass es für den Einzelnen schwieriger wird zu "erfahren", bullshit was die mir sagen.
zwei Anmerkungen zu den zwei Themen, die Sie da vereinen:
Ich denke der Vergleich Islam-Islamismus wie Kapital-Kapitalismus ist nicht so zielführend, ich habe einen besseren: RAF-SED. Passt viel besser. Dem Islamismus in seiner terroristischen Variante entspricht durchaus der RAF, vollkommen egal wie die Machtverhältnisse liegen, soll das Ziel herbeigebombt werden. Mit möglichst viel Terror und Breitenwirkung und durchaus ohne große Rücksicht auf das persönliche Überleben. Am ehesten müsste man von Fanatikern sprechen. Der Sozialist ist aber auch ein gutes Äquivalent zum "normalen" Islam. Der Sozialist verhält sich nämlich auch friedlich, so lange er nur in der Minderheit ist. Gerät er dagegen in eine Mehrheitsposition, so wird jedwelche andersdenkende Opposition hemmungslos vernichtet. Und beide sind die jeweiligen Brutbecken für ihre extremere Form.
Zum zweiten: Ich hab viel genickt als ich ihre Anmerkungen zum Gebildeten gelesen habe. Denn ich finde, dass solche Leute gar nicht so selten sind. (Zumindest nicht an Universitäten). Es sind Menschen, die umso unglücklicher sind, umso weniger ihre "Talente" in der Gesellschaft nachgefragt werden, zum Beispiel Soziologen, Germanisten oder auch viele Lehrämtler. Wenn der eigene oder auch der erwartete zukünftige Status so sehr vom eigenen Wertgefühl abweicht, dann entsteht notwendigerweise Frust. Aber noch etwas anderes, nämlich Neid. Und dieser Neid projeziert sich vor allem gerne auf Personen, die eine vergleichsweise hohe gesellschaftliche Stellung erreicht haben, ohne einen besonderen Bildungshintergrund aufzuweisen. Das muss wohl dann der Gipfel der Unfairniss sein. Nicht nur ist man selber unfairerweise nicht weiter oben, gemeinerweise sind da oben noch so viele, die es überhaupt nicht verdienen. Das ein Klempner mehr verdienen könnte als ein Lehrer, igitt, das darf nicht sein.
Zitat von Ingo_WaySie weisen auf die Verwandtschaft des Denkens Sayid Kutubs mit dem Waldimir I. Lenins hin. In diesem Zusammenhang scheint es mir nicht unwesentlich, an einen Aufsatz von Jörg Lau zu erinnern, den er im Merkur-Doppelheft 9/10 von 2003 veröffentlicht hat und der den Titel "Lob der Entfremdung" trägt. Darin macht Lau darauf aufmerksam, daß so manche Passage aus den Schriften Kutubs, in denen dieser seine Erfahrungen während seines USA-Aufenthaltes reflektiert, sich so lesen, als seien sie direkt aus den Minima Moralia Theodor W. Adornos abgeschrieben. Mir liegt Laus Aufsatz hier in Jerusalem zur Zeit nicht vor, da er leider nicht online zu finden ist, aber ich erinnere mich daran, wie Lau genüßlich eine Passage aus Kutubs Erinnerungen zitiert, in denen dieser ein Tanzvergnügen in einer amerikanischen Kleinstadt beschreibt.
Den Aufsatz, den Sie zitieren, habe ich im Web auch nicht gefunden, aber einen zum selben Thema, in dem Lau diese Szene auch schildert und den Bezug zu Adorno herstellt.
Zitat von Ingo_WayIn der Tat, hätte ich nicht gewußt, von wem das Zitat stammt, hätte ich auch auf Adorno getippt. Oder eher noch auf Günther Anders.
Ja, lieber Ingo Way, das ist ein interessantes Thema - wie Emigranten oder in den USA aus anderen Gründen vorübergehend Lebende wie Kutub die Konfrontation mit der amerikanischen Gesellschaft verarbeiten oder, vielleicht, auch schlicht nicht verkraftet haben.
Ihrem Verweis auf Günther Anders stimme ich sehr zu. Er ist ja meist nur als Atombomben-Kritiker bekannt, war aber doch auch ein ernstzunehmender Philosoph und glänzender Stilist. Ich lese ihn immer wieder mit Genuß und Gewinn.
Er, der feinsinnige Phänomenologe, Schüler Husserls, wurde mit dieser geschäftigen, lauten, platten, effizienzorientierten Welt konfrontiert, wie Adorno, wie Kutub. (Anders als zB Thomas Mann, der sich vornehm heraushielt; aber Anders mußte am Fließband arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen).
Vielleicht hat das ja schon mal jemand untersucht - wie diese "Kulturkritik", dieser Kulturpessimismus, diese grundsätzliche Ablehnung der Moderne, die sich bei Adorno und Horkheimer wie bei Kutub findet, ihre Ursache in dieser Konfrontation mit dem American Way of Life hat.
Und allgemeiner wäre die Ähnlichkeit in der Kulturkritik der Islamisten und von Spengler über Heidegger bis Adorno wohl auch eine Untersuchung wert.
Günter Anders übrigens trat ja im Grunde nicht in dieser Pose des besserwisserischen Kulturpessimisten auf. Er konstatierte die Antiquiertheit des Menschen mit einer gewissen finsteren Entschlossenheit, die Dinge zu nehmen, wie sie nun einmal sind.
Vielen Dank für den Hinweis auf diesen sehr interessanten Artikel! Martin Riexinger ist mir schon öfter als ein Autor aufgefallen, der kenntnisreich schreibt.
Ich empfehle sehr, den Artikel zu lesen. Und für diejenigen, die dafür nicht die Zeit haben, hier einige Kernpassagen:
Zitat von Martin RiexingerBiografie und Schriften von Sayyid Abu-'l-Ala Maududi (1903-1979) zeigen deutlich, welche Krisenerfahrungen, aber auch welche geistigen Traditionen und welche Anregungen aus dem Westen zur Entstehung dieser Ideologie führten. (...)
So beschreibt er die Gemeinschaft der wahren Muslime als revolutionäre Elite. Dabei orientiert er sich an Lenins Konzept der Kaderpartei. Ebenso unverblümt benennt er sein Vorbild, als er erklärt, wie mit Abtrünnigen zu verfahren sei: Stalins Schauprozesse. (...) Als Maududi 1941 seine eigene Partei, die Jamaat-i-Islami, gründete, organisierte er sie folgerichtig nach dem Prinzip des "demokratischen Zentralismus" als Kaderorganisation. (...)
Rassismus verdammt er als unislamisch. Dennoch zollt er dem Faschismus Respekt. Hitler und Mussolini bewundert er als große Denker vom Range eines Marx oder Lenin. (...)
Den Liberalismus hingegen verabscheut Maududi in allen Aspekten. Ihn verdammt er, weil er auf dem Prinzip des Individualismus basiert. Der Liberalismus verlange vom Staat nur gegen solche Handlungen seiner Bürger vorzugehen, die anderen schaden. Durch diese Einschränkung führe er zur "schrankenlosen" Gesellschaft ohne Moral. Maududi propagierte stattdessen, dass der Staat die Einhaltung der Gebote des Islam erzwingen müsse. (...)
Bereits Ende der Vierzigerjahre wurden seine Schriften ins Arabische übersetzt. Seine Polemik gegen Herrscher, die sich das göttliche Vorrecht der Gesetzgebung anmaßen, fiel bei Muslimbrüdern wie Sayyid Qutb (1906-1966) auf fruchtbaren Boden, als sie unter Ägyptens Präsident Nasser verfolgt wurden.
Während Maududi jedoch den gewaltsamen Umsturz ablehnte, propagierten seine Schüler, dass die gottlose Ordnung mit Gewalt beseitigt werden müsse.
Herzliich, Zettel
PS: Willkommen im Kleinen Zimmer, liebe(r) Marriex! Ich freue mich auf weitere so informative Beiträge.
Zitat von Stefaniees gab Untersuchungen, welche belegen, dass Jugendliche, welche sich ausgegrenzt fühlen, anfällig für das Predigen, Moslems seien anderen überlegen, sind. Dass das Selbstwertgefühl von z.B. Mädchen gesteigert wird, indem ihnen gesagt wird, Du bist durch das Tragen des Kopftuches reiner als die, welches es nicht tun. Durch dieses vorgebliche moralische höherwertige Sein, drehen sich innerlich die Rollen. Nicht die, welche einen vermeintlich ausgrenzen sind die besseren, nein, man selbst ist es und will gar nicht mehr zu denen gehören.
Sehr einleuchtend. Man macht gewissermaßen aus der Not eine Tugend. Das hat es ja oft gegeben: Der Stolz des Proletariers, Black Power.
Zitat von StefanieAllen Heilsversprechen ist gleich, dass sich die, welche drauf reinfallen, persönliche Vorteile erhoffen. (...) Denn die wenigstens geben ihre Vorteile für eine angebliche bessere Gesellschaft auf. Die meisten brauchen doch die konkrete Annahme von irgendwelchen Vorteilen für sie.
Was nach meiner Erfahrung sehr häufig ist, das ist der Weg vom einen zum anderen. Bei Jugendlichen, bei Studenten dominiert oft eine eher selbstlose Motivation (sieht man von dem egoistischen Motiv ab, alles besser zu wissen und etwas Gutes zu tun). Dann stellt man aber sehr bald fest, daß sich aus dem Guten auch perönliche Vorteile ziehen lassen.
Ich habe das in extremen Formen Anfang der siebziger Jahre erlebt, als Leute, die zuerst wirklich von einer Art selbstlosem Idealismus erfaßt waren, sehr bald merkten, wie schön man auf der Schiene der "Genossen" Karriere machen kann. Ich habe den Fall schon gelegentlich erwähnt: Ein Jungwissenschaftler, der mit seiner Dissertation gescheitert war, dann bei einem linken Professor an einer anderen Uni doch promovierte und ein paar Wochen später einen Ruf auf eine ordentliche Professur an einer kommunistisch dominierten Universität hatte. Ohne eine einzige Veröffentlichung vorlegen zu können. Das war beileibe kein Einzelfall.
Zitat von StefanieVon daher denke ich nicht, dass Ausgebildete aufgrund von Frusts sich Ideologien per se eher anschließen, sondern überwiegend nur, wenn ihm der äußere Anschluss an eine Ideologie konkret eine bessere/höhere Funktion in Aussicht stellt und ich gehe schwer davon aus, dass bewusst dann selbst Heilsversprechen gemacht werden, um andere ausnutzen zu können ohne selbst auch nur daran zu glauben, dass die Versprechen Heil bringen.
Mir scheint, liebe Stefanie, es ist eine Mischung aus beidem. Man hat zunächst nur die Belohnung, die Welt zu erkennen und das Richtige zu tun. Wann und wie das dann auch in materielle Vorteile übergeht, ist im Einzelfall sicherlich sehr verschieden.
Wenn man erst mal an den Fleischtöpfen Ägyptens ist, dann ist natürlich alles paletti. Siehe den Lebensstil fast aller "Revolutionäre", von Mao über Castro bis zu den Fatah-Leuten in Ramallah.
Herzlich, Zettel
PS: Ich habe mich gefreut, wieder einmal etwas von Ihnen zu lesen, liebe Stefanie!
Zitat von LlarianIch denke der Vergleich Islam-Islamismus wie Kapital-Kapitalismus ist nicht so zielführend, ich habe einen besseren
Ganz meine Meinung; ich habe ja geschrieben, daß dieser Vergleich eben gerade nicht paßt.
Zitat von LlarianRAF-SED. Passt viel besser. Dem Islamismus in seiner terroristischen Variante entspricht durchaus der RAF, vollkommen egal wie die Machtverhältnisse liegen, soll das Ziel herbeigebombt werden. (...) Der Sozialist ist aber auch ein gutes Äquivalent zum "normalen" Islam. Der Sozialist verhält sich nämlich auch friedlich, so lange er nur in der Minderheit ist. Gerät er dagegen in eine Mehrheitsposition, so wird jedwelche andersdenkende Opposition hemmungslos vernichtet. Und beide sind die jeweiligen Brutbecken für ihre extremere Form.
Bis zu einem gewissen Punkt stimme ich Ihrem Vergleich zu, lieber Llarian. Die SED hat sich gegenüber der RAF tatsächlich sehr ähnlich verhalten wie arabische Staaten (auch Teile des pakistanischen Militärs und Geheimdienstes) gegenüber der Kaida. Offiziell hat man nichts von der RAF wissen wollen. Tatsächlich hat die SED die RAF auf vielfältige Weise unterstützt - durch Schleusung via Schöneberg, durch Asyl für ausgediente Kader zum Beispiel.
Aber es gibt doch einen wesentlichen Unterschied: Der Kommunismus ist als solcher eine totalitäre Ideologie. Das ist der Islam nicht.
Zitat von LlarianDas ein Klempner mehr verdienen könnte als ein Lehrer, igitt, das darf nicht sein.
Ja, in Deutschland wird das so gesehen. Wobei die Lehrer in Deutschland im internationalen Vergleich glänzend dastehen.
Vor allem die Grundschul- und Hauptschullehrer. In Frankreich ist dieser Instituteur jemand mit einfachen Aufgaben, für die er auch nur bescheiden bezahlt wird. Ganz anders als der Professeur, der an der Oberstufe des Gymnasiums (Collège) unterrichtet und der dazu eine wissenschaftliche Ausbildung braucht; von dem ein Unterricht auf dem Stand der Wissenschaft erwartet wird und der entsprechend viel besser bezahlt wird.
Die Nivellierung der Bezahlung der deutschen Lehrer von der ersten Klasse bis zum Abitur ist eine Seltsamkeit, international vermutlich einmalig.
Zitat von ZettelAber es gibt doch einen wesentlichen Unterschied: Der Kommunismus ist als solcher eine totalitäre Ideologie. Das ist der Islam nicht.
Sind Sie sich Ihrer Meinung da so sicher? Weiter oben haben Sie noch darauf hingewiesen, dass Sie sich beim Islam wenig auskennen, daher überrascht mich Ihre Aussage hier ein wenig.
Leider kenne auch ich mich beim Islam wenig aus, auch bei mir steht der Qur'an ungelesen im Regal (dafür habe ich unlängst meinen ungeplanten Aufenthalt in Heathrow durch den Kauf von The Command of the Ocean von Rodger versüßt, bislang sehr viel interessanter als der Qur'an ). Allerdings ist meine derzeitige Arbeitshypothese in etwa folgende: In dem Maße, in dem der Qur'an als das unverfälschte Wort Gottes verstanden wird (und exakt das scheint mir sein Selbstverständnis zu sein) und lediglich durch die Hadithe gefiltert als Richtschnur des persönlichen Handelns angesehen wird, wird der gläubige Muslim automatisch totalitär. Kernpunkte hier sind sowohl das besagte Verständnis des Qur'an als das exakte Wort Gottes, die fehlende Trennung zwischen politischer, sozialer und religiöser Sphäre sowie die äußerst detaillierten Anweisungen für das persönliche Leben, die meines Erachtens totalitär weit in die Privatsphäre hineingehen.
Aber vielleicht können Sie mir Ihre obige Ansicht erläutern?
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von ZettelDer Kommunismus ist als solcher eine totalitäre Ideologie. Das ist der Islam nicht.
Bisher ist allerdings die Antwort ausgeblieben, was er dann sein soll, wenn er nicht eine totalitäre Ideologie ist? (Deswegen bin ich auch mit "no comment" eingestiegen.) Ich lerne immer wieder dazu, was das Mohammedanertum nicht ist und was alles nichts mit dem Mohammedanertum zu tun hat. Wenn ich das alles abziehe, bleiben lediglich Kopftücher(die allerdings auch nicht zwingend damit was zu tun haben, sondern sich auf eine etwas gewagte Interpretation in Verbindung mit erfundenen Erzählungen beziehen) und der Verzicht auf Schweinefleisch und Alkohol), ergänzt um die missverstandene Trinitätslehre und die Abhängung von Jesus vor seinem Ableben durch den Engel Gabriel. Das ist allerdings nicht abendfüllend.
Natürlich musste das Mohammedanertum zu seiner Entstehung totalitär sein, sonst wäre es gleich wieder eingangen, denn es wurde in den Jahren des Führers Mohammed die Zeit damit verbracht eine Schlacht nach der anderen zu schlagen,wa sich nach seinem Ableben nicht verebesserte, sondern in einem blutigen Gemetzel um die Nachfolgeregelung endete. In dem permanenten Kriegszustand, den auch der Koran postuliert wird, ist eine totalitäre Herrschaft gottgegeben. Somit erscheinen mir die Gedankengänge Qutbs mit dem Mohammedanismus kongruent.
Zitat von ZettelAber es gibt doch einen wesentlichen Unterschied: Der Kommunismus ist als solcher eine totalitäre Ideologie. Das ist der Islam nicht.
Sind Sie sich Ihrer Meinung da so sicher? Weiter oben haben Sie noch darauf hingewiesen, dass Sie sich beim Islam wenig auskennen, daher überrascht mich Ihre Aussage hier ein wenig.
Ach, lieber Gorgasal (und dear C.), diese Aussage ist ganz schlicht gemeint:
Der Totalitarismus ist ein Phänomen des Zwanzigsten Jahrhunderts, das sich in Gestalt des Islamismus (und mit Restbeständen des Kommunismus) jetzt in unser Jahrhundert fortsetzt.
Der Islam ist hingegen eine Religion, die über sehr unterschiedliche Staats- und Gesellschaftsfomen hinweg existierte und existiert.
Er war die Religion von Handelsstädten in Arabien, die sicherlich keine totalitäre Gesellschaften waren, sondern halbfeudale und halbbürgerliche.
Es war die Religion der Kalifate, die auch keine totalitären Gesellschaften waren. Halbwegs sicher kann ich das über das Kalifat von Córdoba sagen, weil ich mich vor Jahren zur Vorbereitung eines Besuchs dort mal a bisserl durch die Literatur gewühlte habe.
Das war eine Feudalgesellschaft mit starken bürgerlichen Zügen, vergleichbar vielleicht dem Spätabsolutismus. Natürlich war es keine offene Gesellschaft in unserem Sinn - wir sind schließlich im 10. und 11. Jahrhundert. Aber es war ganz gewiß keine totalitäre Gesellschaft.
Nichtmoslems hatten ihren Platz, wenn auch kein volles Bürgerrecht. Aber die jüdische Kultur florierte. Ein Vorsteher der jüdischen Gemeinde, Hasday ben Shaprut, brachte es unter dem ersten Kalifen Córdobas, Abd al Rahman dem Dritten, sogar bis zum Minister.
Es gab eine weitgehend freie Wissenschaft. Was die Kontrolle der Gesellschaft durch den Staat anging, war sie im Kalifat Córdoba mit Sicherheit nicht strenger als während des christlichen Feudalismus in Deutschland oder Frankreich, von Karl dem Großen bis zur Aufklärung.
Auch das Osmanische Reich trug keine totalitären Züge; ganz im Gegenteil - man ließ jeden nach seiner Fasson selig werden. Griechische Christen dominierten sogar den Staatsapparat.
Die heutige Türkei ist gewiß kein totalitärer Staat; auch Ägypten ist es nicht. Syrien ist ein totalitärer Staat, ebenso war es der Irak vor der Befreiung. Aber nicht wegen des Islam, sondern weil sie von Sozialisten regiert wurden/werden. Der arabische Sozialismus geht übrigens wesentlich auf den (seiner Herkunft nach) griechisch-orthodoxen Christen Michel Aflak zurück.
Indonesien, bekanntlich der größte islamische Staat der Welt, ist kein totalitärer Staat. Malaysia ist es nicht, Pakistan ist es nicht.
Kurz, lieber Gorgasal: Die Empirie weist nicht auf einen Zusammenhang zwischen Islam und Totalitarismus hin. Mag sein, daß der Islam sich eignet, einer totalitären Ideologie zugrundegelegt zu werden. Aber die Nazis haben auch Darwin und Nietzsche als maßgeblich für ihre Ideologie angesehen. Und bei aller Kritik an Marx - das Herrschaftssystem Stalins hatte er sicherlich nicht gewollt.
Vom Islam als Religion verstehe ich nichts. Ich kenne nicht seine Lehren (außer auf einem Niveau allenfalls leicht oberhalb von von Karl May ), nicht seine Strömungen, nichts von deren Theologie. Ich kann ja noch nicht einmal Arabisch; schon deswegen ist mir die Kenntnis des Islam verschlossen.
Aber in Bezug auf die Frage, was totalitär ist, scheint mir das auch nicht relevant zu sein. Was den Islamismus von Maududi und Kutub kennzeichnet, das ist, daß er ein totalitäres politisch-gesellschaftliches Programm enthielt, so wie es heute die Kaida verfolgt. Das ist - das glaube ich sagen zu können - etwas ganz anderes als der Islam als Religion.
In Antwort auf:Vom Islam als Religion verstehe ich nichts. Ich kenne nicht seine Lehren (außer auf einem Niveau allenfalls leicht oberhalb von von Karl May ), nicht seine Strömungen, nichts von deren Theologie. Ich kann ja noch nicht einmal Arabisch; schon deswegen ist mir die Kenntnis des Islam verschlossen.
Lieber Zettel, eigentlich war ich entschlossen, mich an dieser Diskussion nicht zu beteiligen. Die zitierte Aussage allerdings hat mich zu einer Änderung meiner Haltung veranlaßt. Sie streiten ab, daß Islam und Totalitarismus große Gemeinsamkeiten hätten, äußern gleichzeitig aber, nichts vom Islam als Religion zu verstehen. Eine Lektüre des Korans, der alleinigen Basis des Islam, könnte Ihnen leicht den Totalitarismus dieser "Religion" veranschaulichen. Ich habe mit Absicht den Begriff "Religion" in Anführungsstriche gesetzt, da der Islam gleichzeitig einen politschen Anspruch anmeldet. Er greift radikal in alle Lebensbereiche ein. Ein Anderssein ist unter ihm nur in gesellschaftlich untergeordneter Position möglich - und dies auch nicht auf Dauer. Ein Versuch, mit akademischen Differenzierungen einer potententiellen Agression zu begegenen, wird meiner Meinung nach unbedingt anders enden als man sich wünschen mag. Herzlich Enha
Zitat von EnhaSie streiten ab, daß Islam und Totalitarismus große Gemeinsamkeiten hätten, äußern gleichzeitig aber, nichts vom Islam als Religion zu verstehen.
Es geht hier, lieber Enha, um eine historisch-politologische Frage. Der Totalitarismus ist eine Ideologie, die ein bestimmtes Gesellschaftssystem anstrebt; mit den Merkmalen, die ich in dem Artikel beschrieben habe. In der Geschichte der islamischen Länder gab es solche totalitären Systeme überwiegend nicht, und heute gibt es sie in den islamischen Ländern überwiegend nicht.
Das ist, lieber Enha, ein empirischer Sachverhalt. Das ist der Punkt, um den es mir geht.
Religion und Gesellschaftssytem sind nun einmal etwas Verschiedenes. Das Reich Karls des Großen war ein christliches Land, und die heutigen USA sind es. Die Gesellschaftssysteme haben so gut wie nichts miteinander gemeinsam.
Daß der Islam sich möglicherweise als Grundlage für ein totalitäres Gessellschaftsmodell besonders gut eignet, habe ich nicht nur nicht bestritten, sondern ausdrücklich eingeräumt.
Das ist auch beim Marxismus offensichtlich so; aber anders als Lenin war Marx selbst kein Befürworter eines totalitären Systems. Die Nazis haben, auch das habe ich erwähnt, ihrer totalitären Ideologie unter anderem Darwin und Nietzsche zugrundegelegt; aber beide waren gewiß keine Denker des Totalitarismus.
Zitat von EnhaEine Lektüre des Korans, der alleinigen Basis des Islam, könnte Ihnen leicht den Totalitarismus dieser "Religion" veranschaulichen.
Das wundert mich jetzt, lieber Enha. Lesen Sie Arabisch? Falls nicht, würde mich interessieren, welche Übersetzung Sie verwenden. Ich habe es mit vier Übersetzungen versucht und so gut wie nichts verstanden.
Natürlich kann man irgendwelche Suren herauspicken und sie irgendwie interpretieren. Das kann man auch mit der Bibel machen; nur hat man damit das Christentum nicht verstanden.
Ich bin, lieber Enha, nach meinen Lektüreversuchen sicher, daß man erst einmal Arabisch lernen und dann einen wissenschaftlichen Kommentar benutzen muß, wenn man den Koran auch nur annähernd verstehen will. Diese Mühe werde ich mir nicht machen.
Aber wie gesagt, Ihre Lektüre des Koran würde mich interessieren. Vielleicht geht es ja doch, und ich habe es nur nicht richtig angepckt.
Zitat von EnhaIch habe mit Absicht den Begriff "Religion" in Anführungsstriche gesetzt, da der Islam gleichzeitig einen politschen Anspruch anmeldet. Er greift radikal in alle Lebensbereiche ein. Ein Anderssein ist unter ihm nur in gesellschaftlich untergeordneter Position möglich - und dies auch nicht auf Dauer.
Die historische Erfahrung belegt das nicht. Die Beispiele habe ich ja genannt. Nimmt man die gesamte Geschichte von, sagen wir, den Raschidun und den Umayyaden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, dann waren die islamischen Staaten sicherlich nicht totalitärer als die christlichen.
Erst mit der Aufklärung hat sich das geändert. Seit der französischen und der amerikanischen Revolution hat sich in einem Teil der christlichen Länder (nicht in allen, in Rußland zB nicht) eine Entwicklung hin zu mehr Freiheit des Einzelnen vollzogen, die die islamischen Länder noch nicht nachvollzogen haben.
Zitat von EnhaEin Versuch, mit akademischen Differenzierungen einer potententiellen Agression zu begegenen, wird meiner Meinung nach unbedingt anders enden als man sich wünschen mag.
Das verstehe ich nicht, lieber Enha.
Der potentiellen Aggression durch die Kaida und andere Dschihadisten kann man selbstverständlich nur mit militärischen Mitteln begegnen. Da Sie, glaube ich, hier schon länger mitlesen, wissen Sie, daß ich das immer befürwortet habe. Das gilt auch für die potentielle Aggression, die Israel durch den islamistischen Iran, durch Hamas und Hisbollah droht. Es galt für die Gefahr, die von dem islamistischen Afghanistan ausging. Heute ist Afghanistan, wie auch der Irak, ein islamischer, aber kein islamistischer Staat.
Ich halte die islamistische Bedrohung auch für Deutschland für real und bin deshalb - anders als viele liberale Freunde, denen ich sonst zustimme - in diesem Punkt auf der Linie Wolfgang Schäubles.
Zitat von ZettelDaß der Islam sich möglicherweise als Grundlage für ein totalitäres Gessellschaftsmodell besonders gut eignet, habe ich nicht nur nicht bestritten, sondern ausdrücklich eingeräumt.
Ihre Ausführungen oben sind völlig korrekt: historisch gab es in islamischen Ländern nichts, was mit dem Totalitarismus nationalsozialistischer oder kommunistischer Prägung vergleichbar wäre. Zumindest nicht im großen Stil. Allerdings halte ich es für schwierig, aus historischen Gegebenheiten auf Eigenschaften des Islam als solchen zu schließen. Um so mehr, als ich Ihre Argumentation umdrehen könnte: historisch waren islamische Länder genau insoweit nicht totalitär, als sie den Qur'an und die Hadithe stillschweigend missachteten.
Allerdings ist diese meine Ansicht ebensowenig von Fakten oder Quellenstudium im Qur'an geprägt wie (mit Verlaub) die Ihre. Insofern werden wir uns hier wohl kaum einig werden, wenn nicht jemand mit profunderem Wissen uns eines Besseren belehrt.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von ZettelDaß der Islam sich möglicherweise als Grundlage für ein totalitäres Gessellschaftsmodell besonders gut eignet, habe ich nicht nur nicht bestritten, sondern ausdrücklich eingeräumt.
Ihre Ausführungen oben sind völlig korrekt: historisch gab es in islamischen Ländern nichts, was mit dem Totalitarismus nationalsozialistischer oder kommunistischer Prägung vergleichbar wäre. Zumindest nicht im großen Stil. Allerdings halte ich es für schwierig, aus historischen Gegebenheiten auf Eigenschaften des Islam als solchen zu schließen. Um so mehr, als ich Ihre Argumentation umdrehen könnte: historisch waren islamische Länder genau insoweit nicht totalitär, als sie den Qur'an und die Hadithe stillschweigend missachteten. Allerdings ist diese meine Ansicht ebensowenig von Fakten oder Quellenstudium im Qur'an geprägt wie (mit Verlaub) die Ihre. Insofern werden wir uns hier wohl kaum einig werden, wenn nicht jemand mit profunderem Wissen uns eines Besseren belehrt.
Das fürchte oder hoffe ich auch, lieber Gorgasal.
Für mich stellt sich auch die Frage, welchen sozusagen ontologischen Status denn "der Islam als solcher" hat, losgelöst von dem, was Menschen glauben und was sie praktizieren.
Was ist "das Christentum", wenn man es von seiner Praxis loslösen würde? Betont nicht gerade die Katholische Kirche die Tradition, also die gesellschaftliche Wirklichkeit, in der sich das Christentum entfaltet hat?
Und falls man sich für Sola Scriptura entscheidet - welche Schrift meint man dann? Das Alte oder das Neue Testament? Das Evangelium des Johannes oder die Briefe des Paulus?
Ich finde es, lieber Gorgasal, ausnehmend schwer, "den Islam" oder "das Christentum" sozusagen als eine platonische Idee mit unverbrüchlichen Eigenschaften zu fassen. Ich sehe eher historische Entwicklungen, die Dynamik von Gesellschaften.
Diese grassierende Angst vor einer "Islamisierung Europas" kann ich nicht nachvollziehen. In Europa fehlt doch jeder Hinweis auf eine Renaissance des Glaubens; und wenn, dann wäre es ein christlicher.
herzlichen Dank für den Link. Das ist genau der Aufsatz, den ich im Sinn gehabt hatte, ich hatte nur die Titel verwechselt. Günther Anders sehe ich im übrigen etwas kritischer als Sie. Die Atombombe und geschminkte "girls" (eines seiner Lieblingsworte), die lieber Radio hören anstatt selber Musik zu machen, gleichermaßen als Ausdruck der Antiquiertheit des Menschen herzunehmen - nun ja, das scheint mir doch noch eine Nummer kulturpessimistischer zu sein als Adorno, der immerhin die girls mochte. In Erinnerung ist mir auch Anders' Buch "Ketzereien", worin er sich in die Pose des Alleszermalmers wirft, der soeben den Atheismus erfunden hat. Gefiel mir nicht sonderlich.
Zitat von Ingo_Wayherzlichen Dank für den Link. Das ist genau der Aufsatz, den ich im Sinn gehabt hatte, ich hatte nur die Titel verwechselt.
Ich fand den Aufsatz sehr erhellend; wie mir überhaupt Jörg Lau schon mehrfach als ein kluger Autor aufgefallen ist. Vielleicht schreibe ich noch etwas darüber in ZR.
Zitat von Ingo_Way Günther Anders sehe ich im übrigen etwas kritischer als Sie. Die Atombombe und geschminkte "girls" (eines seiner Lieblingsworte), die lieber Radio hören anstatt selber Musik zu machen, gleichermaßen als Ausdruck der Antiquiertheit des Menschen herzunehmen - nun ja, das scheint mir doch noch eine Nummer kulturpessimistischer zu sein als Adorno, der immerhin die girls mochte.
Was das Letztere angeht, kann ich nur zustimmen. Ich bin ja, wenn man so will, ein "Adorno-Schüler", dh habe ein Semster bei ihm studiert.
Damals war man sich unter Frankfurter Studenten einig, daß eine hübsche Kommilitonin (so sagte man damals) niemals allein mit Adorno in einen Fahrstuhl einsteigen sollte.
Ich kann das, wie auch anders, nicht aus eigener Erfahrung bestätigen. Aber testieren kann ich, daß bei den damaligen "An- und Abtestaten" (jeder mußte sich zu Beginn und am Ende der Vorlesung von Adorno per Unterschrift bescheinigen lassen, die Vorlesung besucht zu haben) Männer ihre Unterschrift so schnell bekamen, wie Adorne sein flaches, teigiges "Adorno" schreiben konnte; bei Frauen war die Verweilzeit an Adornos Pult eine lineare Funktion ihrer Attraktivität.
Was Günther Anders angeht, stimme ich Ihnen aber nicht zu. Die Antiquiertheit des Menschen leitete er aus der Überlegenheit der Maschinen über den Menschen ab. Was sie geschaffen haben, so seine These, übertrifft sie. Das führt zur "Prometheischen Scham" - der Schöpfer schämt sich nicht seines Produkts, sondern vor seinem Produkt.
Ich will gar nicht, lieber Ingo Way, behaupten, daß ich vieles von dem, was Anders schreibt, für richtig halte. Das ist bei mir wie bei, sagen wir, Pascal oder Lichtenberg oder Schopenhauer oder Nietzsche. Intelligente, ehrliche Selbstdenker, die glänzend formulieren können. Darauf fliege lch.
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