Wenn jemand, sagen wir, unter dem Verdacht festgenommen wurde, eine Tankstelle überfallen zu haben, dann wird in der betreffenden Meldung in der Lokalpresse im Allgemeinen sein Name nicht genannt, oder er wird geändert. Falls der Bericht illustriert ist, macht man das Gesicht unkenntlich.
Einen solchen Schutz genießen Prominente nicht.
Ob an den Vorwürfen gegen den Abgeordneten Tauss etwas dran ist, kann ich nicht beurteilen; und mir will scheinen, die Staatsanwaltschaft kann das auch noch nicht ("Für die Staatsanwaltschaft ist nun ein 'echter Einstieg in konkrete Ermittlungen' möglich": so "Spiegel- Online").
Aber hätte man denn den Abgeordneten nicht selbst erst einmal ruhig befragen, ihn die Sachverhalte aufklären lassen können, statt gleich die Öffentlichkeit zu informieren und einen Fahndungsapparat in Gang zu setzen? Weiteres zu dem Fall, so wie ich ihn (im Augenblick) sehe, in dem Artikel.
herzlichen Dank, dass Sie die gegenüber J. Tauss erhobenen Vorwürfe thematisieren. Sie haben Ihren Tagebucheintrag der Kategorie "Marginalien" zugeordnet; für Herrn Tauss und seine Familie aber ist der Vorfall sicherlich alles andere als ein Randereignis, sondern vielmehr eine wahre Katastrophe. Beim Aufstehen vor etwa zwei Stunden habe ich unwillkürlich sehr intensiv an ihn denken müssen und mir auszumalen versucht, wie ihm wohl jetzt (sicher wird er nicht schlafen können) zumute sein mag. So wie Sie unterstelle ich zunächst einmal, dass er sich nichts vorzuwerfen hat; Sie haben die Plausibilität einer solchen Annahme nach meiner Ansicht überzeugend begründet. Erst vor einigen Monaten hat, wenn ich mich recht erinnere, eine bundesweite Razzia im Zusammenhang mit dem Herrn Tauss zur Last gelegten Delikt stattgefunden; so viel ich weiß, kamen dabei auf tausend Hausdurchsuchungen vielleicht fünf Anklageerhebungen und zwei Verurteilungen. Bei neunhundertfünfundneunzig Menschen wurde demnach schreckliches Unglück produziert, denn Umgang mit Kinderpornographie zu haben ist nahezu das Ehrenrührigste, was man jemandem anhängen kann - von dem Vorwurf des Rechtsextremismus vielleicht abgesehen. Ich habe den Verdacht (oder, vorsichtiger ausgedrückt, ich kann mich nur schwer des Gedankens erwehren), dass der völlig berechtigte Kampf gegen die Kinderpornographie auch als ein Ansatzpunkt für die Aushebelung der noch fast anarchischen Freiheit des Internet missbraucht wird, denn er liefert (Schein-)Begründungen für Zensurmaßnahmen, denen ein Wohlmeinender kaum etwas entgegen halten kann. Insofern wäre es ein Segen, wenn es einen zuverlässigen und hoch selektiven Filter gäbe, der mit Sicherheit verhindert, etwa zufällig mit solchen abscheulichen Dingen in Berührung zu kommen. Leider scheint es jedoch so zu sein, dass in derartigen Filtern vorwiegend ganz und gar harmlose Internetpräsenzen hängen bleiben, was für J. Tauss auch Anlass für seine Skepsis ihnen gegenüber war. Ich jedenfalls wünsche ihm und seiner Familie von Herzen, dass sich der ihm gegenüber geäußerte Verdacht möglichst bald als haltlos und unbegründet erweist. Zu hoffen, dass er auch anschließend so untadelig in der Öffentlichkeit dasteht wie vor Bekanntwerden der staatsanwaltschaftlichen Maßnahmen, ist leider wohl völlig utopisch.
Ich bin heute auch mit meinem verschwörerischen Fuß zuerst aufgestanden und es würde mich nicht wundern, wenn die Geschichte konstruiert wäre, um eben die Freiheitsrechte weiter zu beschränken. Was in den dt. Zeitungen quasi komplett untergegangen ist, war etwa, daß der Anführer der sog. Sauerlandzelle, die auch zum Anlaß weiterer Freiheitsbeschränkungen geworden ist, Kontakte zur CIA gehabt haben soll (siehe: http://www.stern.de/panorama/:Sauerland-...hef/653678.html).
Nachdem schon das Problem Rechtsextremismus für mein Empfinden weitestgehend konstruiert ist, sich der Terrorismus in Deutschland ebenfalls als etwas artifiziell erweist, würde es mich nicht wundern, wenn sich letzterdings auch diese Geschichte als in die richtige Richtung gelenkt erweist.
In Antwort auf:Zitat Hajo: Ich bin heute auch mit meinem verschwörerischen Fuß zuerst aufgestanden und es würde mich nicht wundern, wenn die Geschichte konstruiert wäre, um eben die Freiheitsrechte weiter zu beschränken. Was in den dt. Zeitungen quasi komplett untergegangen ist, war etwa, daß der Anführer der sog. Sauerlandzelle, die auch zum Anlaß weiterer Freiheitsbeschränkungen geworden ist, Kontakte zur CIA gehabt haben soll (siehe: http://www.stern.de/panorama/:Sauerland-...hef/653678.html).
"Sie reden doch hier den jungen Leuten dummes Zeug ein"... soweit Hr. Dr. Schäuble im Gespräch vor wenigen Tagen auf BR-TV Sendung Südwild. Dieses Interview endet mit dem Satz "damit Sie in irgendeiner Disco Ihren dummen Satz sagen können, ohne das Ihnen was passiert " so Dr. Schäuble ...
Die Befürchtungen der jungen Reporterin wurden mit Arroganz und Überheblichkeit ohnegleichen von Schäuble "vom Tisch gefegt".
Und wenn es so ist, (lt. Schäuble) das im vergangenen Jahr nur 10 x eine online-Überwachung erforderlich war und alle mit dem Sauerlandtäterkreis zusammenhingen, wo ist da das Problem? Bei 83 Mio. Bürgern. Bei Terrorverdacht werden sicher von jedem Richter sofort "Überwachungsmaßnahmen unterschrieben". Der Versuch diese junge Reporterin dermaßen einzuschüchtern ist - wie ich finde - mißlungen und hinterläßt den bitteren Beigeschmack wie mit der Besorgnis des Bürgers umgegangen wird und wie wenig der Bürger noch gehört wird.
Aber noch ist im Netz das meiste zugänglich und wenn das einmal aufhört in der EU oder BRD, dann haben wir in wenigen Jahren totalitäre Zustände unter dem Deckmantel der Demokratie.
Als ich dieses Interview im Netz gesucht habe fiel mir auch folgender Beitrag auf:
Alarmierendes Geheimabkommen zur Datenauslieferung an die USA veröffentlicht (25.09.2008) http://www.vorratsdatenspeicherung.de/in...age=0&Itemid=55 Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat heute die bislang geheime Übereinkunft zur Auslieferung von Informationen über Deutsche an die USA veröffentlicht (http://www.vorratsdatenspeicherung.de). Die im Arbeitskreis zusammengeschlossenen Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer rufen den Deutschen Bundestag auf, seine Zustimmung zu dem ohne parlamentarische Beteiligung, hinter verschlossenen Türen und im deutschen Alleingang von Wolfgang Schäuble (CDU) und Brigitte Zypries (SPD) ausgehandelten Plan zu verweigern, weil er in Deutschland lebende Menschen in die Gefahr systematischer Menschenrechtsverletzungen durch die USA bringt.
rechtfertigen muss sich auch ein Abgeordneter, wenn er strafbares Material auf seinem Rechner hat oder irgendwelche Kontakte zu Kriminellen pflegt. Wo kommen wir denn hin, wenn die Staatsanwaltschaft sich rechtfertigen muss, weil sie bei X oder Y strafbares Material findet? Möglicherweise kann sein "Interessenschwerpunkt" als Rechtfertigung herangezogen werden, wenn es darum geht, warum er - ich wiederhole mich - im Besitz von strafbarem Material ist. Allerdings gibt es da auch Grenzen. Sonst könnte ja jetzt bald jeder Kriminelle - was für mich der MdB Tauss zum jetzigen Zeitpunkt ausdrücklich nicht ist - behaupten, er habe dieses oder jenes nur interessehalber getan, um die Materie zu verstehen.
Seitdem Christoph Daum freiwillig seine Haarprobe gegeben hat, bin ich mir übrigens auch mehr so sicher, ob Menschen in bestimmten Situationen nicht doch so irrational denken, wie sie es in einer ihrer Erklärungsvarianten unterstellen.
Grundsätzlich kann man natürlich nie beurteilen, welche privaten Interessen irgendein persönlich nicht bekannter Promi hat. Es ist aber doch recht unwahrscheinlich, daß ein Tauss (hätte er wirklich Kinderporno-Interessen) sich so plump erwischen lassen würde. Schließlich weiß er besser als wohl jeder andere Politiker in Berlin, welche Überwachungsmechanismen existieren und wie die Strafverfolgung hier arbeitet.
Das Problem ist natürlich, daß selbst das eigentlich legitime Interesse eines Abgeordneten, sich in einer Materie auszukennen, den Besitz von solchem Material rechtfertigt. Es gibt im Gesetz keine Ausnahmetatbestände - und damit könnte er sich tatsächlich mit notwendigen und eigentlich gerechtfertigten Recherchen strafbar gemacht haben.
Was natürlich daran liegt, daß seit letzten November ein absolut absurdes Gesetz gilt. Wenn man das wörtlich nimmt (was Polizei und Justiz bisher nicht tun), dann ist jede Abbildung einer spärlich bekleideten Person "Kinderpornographie" (bzw. "Jugendpornographie", das wird genauso bestraft), wenn ein Betrachter diese Person für jünger als 18 halten könnte.
Im Sinne des geltenden Gesetzes ist wohl jede jemals erschienene Ausgabe des Playboy (und ziemlich aller anderen einschlägigen Zeitschriften) "Kinderpornographie", dazu wohl auch viele Ausgaben des Stern oder anderer Illustrierter. Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung qualifiziert sich im Sinne dieser Gesetzgebung (§184c StGB) für eine Haftstrafe bis zu einem Jahr.
Nun hat der Herr Tauss alle Ämter niedergelegt. Wenn es nun doch eine Kampagne, dem Wahljahr geschuldet, ist? Müssen wir uns dann in den kommenenden Monaten auf derlei Schlammschlachten einstellen? Mir graust davor.
Allerdings sind die Vorwürfe gegen Tauss im Zuge der Ermittlungen über Dritte beauskunftet worden. Es ist in jedem Fall sehr dubios und ich wünschte, daß diese Vorwürfe sich als haltlos herausstellen. Wir sind von unseren Politikern ja einiges gewohnt, aber das bitte nicht.
In Antwort auf:So n-tv: http://www.n-tv.de/1115570.html "Ich bin mir absolut sicher, dass der gegen mich erhobene Vorwurf schnell ausgeräumt werden kann." Um aber auszuschließen, dass seine Partei und Fraktion durch die Ermittlungen belastet würden, stelle er seine Ämter zur Verfügung. Mit seinem Rückzug wolle er Schaden von der Partei abwenden, hieß es.
Bei der "Hessenwahl reloaded" gab es ja bereits ähnliche Vorwürfe gegen den Justizminister Banzer, die sich allerdings recht schnell als falsch herausstellten und keinen großen Schaden angerichtet haben. Mein erster Gedanken, als ich die Meldung gehört habe, war dass nun der nächste mit solchen perfiden Vorwürfen "abgeschossen" werden soll. Man kann wirklich nur hoffen, dass sich das ebenfalls bald als haltlos herausstellt, denn sonst kann ich mir nicht vorstellen, dass das keine Schule machen und zu Schlammschlachten und Intrigen führen wird. Zurückhaltung und Recherche von den Medien kann man jedenfalls nicht erwarten. Gruss, Elmar
Da muß ich eine Korrektur nachschieben: Es gibt im Gesetz sehr wohl eine Ausnahmeregelung, bei der Besitz straffrei bleibt: §184b Abs. 4 Strafgesetzbuch: Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.
Jetzt ist halt die Frage, wie weit die beruflichen Pflichten eines MdB gehen.
In den letzten Jahren hat sich ganz offenbar in den Gesetzesvorlagen eine neue Taktik entwickelt, die in den Pornografie-Gesetzen offen zu Tage tritt: zu Zuweisung der Strafbarkeit an Proxies. Man schlägt den Sack mit besonderer Härte, weil man den Esel nicht erwischen kann. Beispiele: - Wenn ein Fahrzeug bei automatischen Kontrollen (Rotlicht, Radar) als fehlbar erfasst wird und man den eigentlichen Täter (Fahrer) nicht identifizieren kann, wird der Eigentümer in die Pflicht genommen. - Wenn ein Gast in einem Lokal verbotenerweise raucht, wird der Gastwirt bestraft. - Wenn jemand Fotos auf seinem PC speichert, die einen strafrechtlichen Tatbestand zeigen, wird der Besitzer des PCs bestraft, obwohl er gar keine Straftat begangen hat, sondern nur (freiwilliger oder unfreiwilliger) Zeuge einer Straftat ist.
Bezeichnenderweise ist in diesem letzten Fall die Auslegung sehr selektiv. Das Vorhandensein eines Bildes, das das Köpfen einer Geisel durch Terroristen oder das Erschiessen eines "Gangsters" in einem Spielfilm zeigt, wird nicht als Sraftatbestand betrachtet. Bei Pornografie hingegen wird automatisch unterstellt, dass der Betrachter des Bildes eventuell einen Lustgewinn erzielen könnte. Und nur schon der Gedanke an Lust ist unseren Staatsorganen zutiefst suspekt. Tiefenpsychologisch rührt das wohl daher, dass viele Menschen Angst vor der eigenen Lust haben. In diesem Beispiel Angst schon davor, sie könnten eventuell beim Anblick eines verbotenen Bildes Lust verspüren, also die Eventualität eines "sündigen" Lustgewinns. Die offenbar spontane Reaktion aus dem Bauch heraus ist es, anderen den Anblick dessen zu verwehren, was in uns selbst (ergo auch bei anderen Menschen) moralisch verbotene Gefühle erwecken könnte.
Diese Hexenjagd auf "passive" Pornografie (in welcher Form auch immer) ist absolut unsinning und Ausdruck der Unsicherheit der Gesetzesinitiatoren ihren eigenen Gefühlen gegenüber. Sie führt zu absurden und nachgerade peinlichen Situationen, wie insbesondere Beispiele aus den USA zeigen. Ein Fall der mir gerade präsent ist: Ein 15-jähriges Mädchen macht von sich selbst Nacktaufnahmen mit dem Handy und gibt sie an Freunde weiter. Sie riskiert eine Gefängnisstrafe und den Eintrag im Sex Offender Register, einem öffentlich einsehbaren Register von Sexualstraftätern (es gibt sogar Google Maps die den genauen Wohnort zeigen). Das Mädchen dürfte während mindestens 20 Jahren kaum keinen Job antreten können, ihre eigenen zukünftigen Kinder werden in der Schule entsprechendem Spott ausgesetzt sein. Sex Offender müssen den Behörden jeden Wohnortswechsel melden und dürfen sich nicht im Umkreis von Kindertagesstätten oder Schulen ansiedeln. http://riverscrap.typepad.com/home/2008/...-porn-char.html
Zitat von vivendiIn den letzten Jahren hat sich ganz offenbar in den Gesetzesvorlagen eine neue Taktik entwickelt, die in den Pornografie-Gesetzen offen zu Tage tritt: zu Zuweisung der Strafbarkeit an Proxies. Man schlägt den Sack mit besonderer Härte, weil man den Esel nicht erwischen kann. Beispiele:
- Wenn jemand Fotos auf seinem PC speichert, die einen strafrechtlichen Tatbestand zeigen, wird der Besitzer des PCs bestraft, obwohl er gar keine Straftat begangen hat, sondern nur (freiwilliger oder unfreiwilliger) Zeuge einer Straftat ist.
In diesem Zusammenhang hat aber (vielleicht deshalb) die Staatsanwaltschaft verlauten lassen, das sich das Material außerhalb des PC's befand.
Zitat von vivendiBezeichnenderweise ist in diesem letzten Fall die Auslegung sehr selektiv. Das Vorhandensein eines Bildes, das das Köpfen einer Geisel durch Terroristen oder das Erschiessen eines "Gangsters" in einem Spielfilm zeigt, wird nicht als Sraftatbestand betrachtet. Bei Pornografie hingegen wird automatisch unterstellt, dass der Betrachter des Bildes eventuell einen Lustgewinn erzielen könnte. Und nur schon der Gedanke an Lust ist unseren Staatsorganen zutiefst suspekt. Tiefenpsychologisch rührt das wohl daher, dass viele Menschen Angst vor der eigenen Lust haben. In diesem Beispiel Angst schon davor, sie könnten eventuell beim Anblick eines verbotenen Bildes Lust verspüren, also die Eventualität eines "sündigen" Lustgewinns. Die offenbar spontane Reaktion aus dem Bauch heraus ist es, anderen den Anblick dessen zu verwehren, was in uns selbst (ergo auch bei anderen Menschen) moralisch verbotene Gefühle erwecken könnte.
Was hat denn eine Gewaltszene in einem Spielfilm mit Kinderpornographie zu tun? Der Unterschied zwischen einem Spielfilm und einem realen Verbrechen mit realen Opfern ist so evident, dass da gar nichts "selektiv" ist. Es geht im Fall von Herrn Tauss ja auch nicht um "Pornographie" als solche
Auch die Erklärung mit der Tiefenpsychologie ist im Fall von Kinderpornographie meiner Meinung nach weniger als zweitrangig, wenn sie nicht generell weit hergeholt ist. Viel offensichtlicher ist doch, dass man hier den "Proxy" verfolgt, weil er Nachfrager für das verbotene "Gut" ist und mithin dessen "Produktion" befördert.
Zitat von FTT_2.0Was hat denn eine Gewaltszene in einem Spielfilm mit Kinderpornographie zu tun?
Es geht in beiden Fällen um die bildliche Darstellung einer Straftat.
In Antwort auf:Der Unterschied zwischen einem Spielfilm und einem realen Verbrechen mit realen Opfern ist so evident, dass da gar nichts "selektiv" ist.
Schon - aber ganz umgekehrt, wie Sie das darstellen.
Bei der sogenannten "Kinderpornographie" nach neuester Gesetzeslage muß es weder um ein reales Verbrechen noch um reale Opfer gehen. Verboten sind ja nicht nur rein fiktive Darstellungen ohne irgendwelche "Opfer", wie zum Beispiel Zeichentrickfilme. Und Verboten ist sogar die Darstellung völlig legaler Sachverhalte.
Wenn ein(e) 17-Jährige(r) nackt in der Sonne liegt oder einvernehmlich Sex mit Personen gleichen oder höheren Alters hat, ist das absolut erlaubt.
Jedes Photo davon gilt aber plötzlich als zutiefst strafbar, wenn man das häufiger macht, drohen dafür bis zu fünf Jahren Haft! Wohlgemerkt: Wir reden hier über Photos, die mit dem vollen Einverständnis der Betroffenen angefertigt wurden.
Zum Vergleich: Das ist das Strafmaß für schwere Brandstiftung oder Körperverletzung.
Die Zypries-Gesetzgebung ist hier weit "sittenstrenger" als in der angeblich so reaktionären Adenauerzeit.
Als Ergänzung, die schwammige Stelle des Paragraphen 184c StgB, ist Absatz (1)
In Antwort auf:(1) Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen von vierzehn bis achtzehn Jahren zum Gegenstand haben (jugendpornographische Schriften), 1. verbreitet, 2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder 3. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Der Tatbestand ist also schon bei "pornographischen Schriften", die enstprechende Handlungen bloß "zum Gegenstand" haben, erfüllt. "Zum Gegenstand" hat dies jeder enstprechende Zeitungsbericht und auch die jetzige Berichterstattung über Herrn Tauss. NUr sind Zeitungsberichte (wohl?) nicht pornographisch. (Um sich für diesen Absatz zu "qualifizieren", muss man aber SChriften verbreiten oder verbreiten wollen. Das hat Herr Tauss wohl nicht gemacht).
In Absatz (4) heisst es dann.
In Antwort auf:Wer es unternimmt, sich den Besitz von jugendpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben,...
Alleine der Verweis auf "ein tatsächlich Geschehenes" kann nur so verstanden werden, dass ein "fiktives Geschehen", also zum Beispiel ein Zeichentrickfilm oder auch ein "Tatort" der zu explizit wird, für die anderen Absätze ausreicht. Bei tatsächlich Geschehenem ist schon der Besitz (gar das Streben nach Besitz) strafbar. Kommt also bei Tauss in Frage. Allerdings gilt hier wieder die Ausnahme (§184b (5)) , auf die R.A. schon hinwies
In Antwort auf: (5) Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.
Der Paragraph 184c wurde erst kürzlich beschlossen, und zwar als "Fassung aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 31.10.2008". Also wurde wieder einmal eine EU-Direktive zur Grundlage nationalen Rechts.
Über Inhalt und Folgen dieser Änderung berichtet hier Marc Liesching, Spezialist für Jugendschutzrecht, mit allen juristischen Details.
Für den Nichtjuristen besser lesbar ist dieser Aufsatz von Liesching, der zu diesem Fazit kommt:
Zitat von Marc LieschingSeit bereits in den 1920er Jahren mit dem „Schund-und-Schmutz”-Gesetz der gesetzliche Jugendschutz mit einem „Index”-System aus der Taufe gehoben worden war, ist Deutschland dem vergleichsweise unregulierten Rest der Welt einschließlich des EU-Raumes stetig weiter enteilt. Allein im Sommer und im Herbst 2008 traten bzw. treten drei weitere gesetzliche Neuerungen in Kraft, die allesamt zu noch schärferen Restriktionen im Bereich des gesetzlichen Jugendmedienschutzes führen dürften (...)
Die Neuregelungen werden auf ein bereits bestehendes gesetzliches Jugendschutzniveau aufgesattelt, das an Dichte, Komplexität und Sanktionsschärfe weltweit von keinem anderen Rechtsstaat erreicht wird. Das deutsche Strafgesetzbuch enthält mehr Verbreitungsverbote als jedes andere EU-Land. (...)
Und in einem anderen Aufsatz faßt Liesching den neuen Paragaphen 184c so zusammen:
Zitat von Marc LieschingDas neue Strafverbot führt zu einer ganz erheblichen Ausweitung des bisherigen Tatbestandsbereichs der Kinderpornographie. Erfasst werden künftig bei den praktisch relevanten Verbreitungshandlungen auch pornographische Darstellungen von allen Personen unter 18 Jahren und zudem auch von so genannten “Scheinminderjährigen”, also sochen Darsteller(innen), die zwar objektiv volljährig sind, aber nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als minderjährig eingestuft werden können.
Mit anderen Worten: Wenn eine 20jährige als "Lolita" mit Schulmädchen-Accessoires auf einer pornografischen Darstellung zu sehen ist, dann wird der Besitz dieser Darstellung mit den Sanktionen des Paragrafen 184c belegt!
Es ist übrigens, um auf den Fall Tauss zurückzukommen, angesichts dieser massiven Erweiterung des Begriffs der Kinderpornografie durchaus nachvollziebar, daß Tauss sich anhand von Material ein Bild davon machen wollte, was eigentlich nach der jetzigen Gesetzeslage unter diesen Begriff fällt.
Zitat von FTT_2.0Was hat denn eine Gewaltszene in einem Spielfilm mit Kinderpornographie zu tun?
Es geht in beiden Fällen um die bildliche Darstellung einer Straftat.
Ich habe die Passage so gelesen, dass auf der einen Seite fiktive Gewaltszenen stehen und auf der anderen Seite reale Kinderpornographie. Wenn es so gemeint ist, hat für mich der Vergleich von Straffreiheit und Strafbarkeit keinen Sinn.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:Der Unterschied zwischen einem Spielfilm und einem realen Verbrechen mit realen Opfern ist so evident, dass da gar nichts "selektiv" ist.
Schon - aber ganz umgekehrt, wie Sie das darstellen.
Bei der sogenannten "Kinderpornographie" nach neuester Gesetzeslage muß es weder um ein reales Verbrechen noch um reale Opfer gehen. Verboten sind ja nicht nur rein fiktive Darstellungen ohne irgendwelche "Opfer", wie zum Beispiel Zeichentrickfilme. Und Verboten ist sogar die Darstellung völlig legaler Sachverhalte.
Der Absurdität der aktuellen Gesetzeslage war mir nicht bewusst. Ich habe "Kinderpornographie" tatsächlich auf Sachverhalte begrenzt verstanden, auf die wir uns hier im Forum als "Verbrechen" einigen könnten.
Zitat von ZettelDer Paragraph 184c wurde erst kürzlich beschlossen, und zwar als "Fassung aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 31.10.2008". Also wurde wieder einmal eine EU-Direktive zur Grundlage nationalen Rechts.
Das wäre dann wahrscheinlich ein klassischer Fall, in dem die Regierungen, die das bestimmt im Rat einstimmig verabschiedet haben, mit der EU als "Bande" gespielt haben, um dann ein möglichst unschuldiges "Brüssel zwingt uns" vor den nationalen Parlamenten abzuziehen. Den größten Teil, den die EU an Kritik abbekommt, haben meiner Meinung nach die Regierungen verdient.
Im Übrigen gefällt mir der Ausdruck "EU-Direktive" nicht, weil es sich hier offenbar um einen Rahmenbeschluss handelt und "Direktive" meines Wissens, wenn es im Deutschen verwendet wird, zumeist die "Richtlinie" bezeichnet.
Zitat von FTT_2.0Im Übrigen gefällt mir der Ausdruck "EU-Direktive" nicht, weil es sich hier offenbar um einen Rahmenbeschluss handelt und "Direktive" meines Wissens, wenn es im Deutschen verwendet wird, zumeist die "Richtlinie" bezeichnet.
Da bin ich anscheinend nicht gut informiert und bitte um Aufklärung. Ich dachte bisher, es gebe nur regulations und directives; die einen, die unmittelbar Gesetzeskraft haben, die anderen, die die Umsetzung in nationales Recht verlangen.
Regulations wird meist wohl mit "Regelung" oder "Bestimmung" übersetzt. Directive kann, dachte ich bisher, mit "Richtlinie" oder "Rahmenbeschluß" übersetzt werden. Was ist nach Ihrer Kenntnis ein Rahmenbeschluß, wenn keine directive?
Ich habe mir nun allerdings, lieber FTT, seit einiger Zeit angewöhnt, mir den Anglizismus "Direktive" zu gönnen, weil darin das Anweisende schön zum Ausdruck kommt. (Wenn deutsch, dann wäre ich für weder "Richtlinie" noch "Rahmenbeschluß", sondern "Anweisung". Denn genau das ist es).
Zitat von ZettelIch habe mir nun allerdings, lieber FTT, seit einiger Zeit angewöhnt, mir den Anglizismus "Direktive" zu gönnen, weil darin das Anweisende schön zum Ausdruck kommt.
... für geeignete Werte von "schön".
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Um mal auf was anderes im Fall Tauss hinzuweisen: Tauss erklaert er legt seine Aemter nieder um "Schaden von der Partei abzuwenden". Sein Bundestagsmandat will er aber behalten. Gibt es fuer ihn keinen "Schaden" den er vom Bundestag und seinen Abgeordneten abwenden will? Ist die Partei wieder mal wichtiger als die parlamentarische Einrichtung - siehe Glos/Guttenberg?
Zitat von john jGibt es fuer ihn keinen "Schaden" den er vom Bundestag und seinen Abgeordneten abwenden will?
Ich sehe eigentlich nicht, daß der Bundestag geschädigt wird, wenn gegen einen MdB ermittelt wird. Während dieser während der Ermittlungen wohl wirklich nur noch schwierig z. B. als Geschäftsführer eines Landesverbandes agieren kann.
Außerdem ist die Niederlegung seiner Ämter leicht reversibel, wenn die Ermittlungen vorbei sind. Aber das Mandat wäre dann weg.
Zitat von FTT_2.0Der Absurdität der aktuellen Gesetzeslage war mir nicht bewusst.
Das geht wohl 99,9% der Bevölkerung so. Ich habe es auch zuerst nicht glauben wollen, bis ich mir mal das Gesetz durchlas.
In Antwort auf:Ich habe "Kinderpornographie" tatsächlich auf Sachverhalte begrenzt verstanden, auf die wir uns hier im Forum als "Verbrechen" einigen könnten.
Und bei der Verurteilung dieser echten Verbrechen sind wir uns wohl alle einig.
Ich finde es geradezu perfide vom Gesetzgeber (federführend Unrechtsministerin Zypries), diesen allgemein mit schlimmsten Verbrechen assoziierten Begriff so auszuweiten, daß nun völlig harmlose Sachverhalte damit kriminalisiert werden.
Zitat von FTT_2.0Der Absurdität der aktuellen Gesetzeslage war mir nicht bewusst. Ich habe "Kinderpornographie" tatsächlich auf Sachverhalte begrenzt verstanden, auf die wir uns hier im Forum als "Verbrechen" einigen könnten.
So war es vor der Einführung des Paragraphen 184c, lieber FTT. Dieser spricht jetzt von "... pornographische(n) Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen von vierzehn bis achtzehn Jahren zum Gegenstand haben".
Geschlechtsverkehr zwischen einem Achtzehnjährigen und einer Siebzehnjährigen ist nicht strafbar. Strafbar ist es aber, ihn zu filmen oder einen solchen Film zu besitzen.
Es muß keine Gewalt im Spiel sein. Die beiden können das, was sie tun, in vollem Einvernehmen tun und es ausdrücklich erlaubt haben, es zu filmen und zu verbreiten. Sie können miteinander verheiratet sein. Das alles spielt nach der neuen Gesetzeslage keine Rolle mehr: Es handelt sich um u.a. mit Freiheitsentzug bis zu drei Jahren bedrohte "Jugendpornografie".
Wobei sich die Frage stellt, welches Rechtsgut eigentlich geschützt werden soll. Bis zu dieser Änderung ging es darum, Kinder gegen Übergriffe Erwachsener zu schützen. Was oder wer soll jetzt eigentlich geschützt werden?
In Antwort auf:Ich finde es geradezu perfide vom Gesetzgeber (federführend Unrechtsministerin Zypries), diesen allgemein mit schlimmsten Verbrechen assoziierten Begriff so auszuweiten, daß nun völlig harmlose Sachverhalte damit kriminalisiert werden.
Das, und einige andere Gesetzesänderungen sind für mich nicht nur der Beginn der totalen Überwachungsmöglichkeiten, sondern auch der Beginn einer Handhabe gegenüber unliebsamen Bürgern. Wenn die Gesetze so dehnbar geworden sind und auf einen breiten Rahmen an Tätigkeiten anzuwenden sind (mal mehr und mal weniger) dann ist unser Gesetz beliebig geworden, das kann doch nicht Sinn einer Gesetzgebung sein. Wann hat das angefangen und aus welchen Gründen?
Genau so sehr wundere ich mich, das die Staatsanwaltschaft Bremen und Karlsruhe freimütig Auskünfte geben, innerhalb laufender Ermittlungen gibt, ohne einen eventuellen Rufmord zu bedenken. Ich bin ja auch für Informationen aber soviele Details gleich und sofort, ist das so üblich?
Zur Sache ansich, da sieht es wohl nicht gut aus für Herrn Tauss. Ich stelle hier mal den Link ein, aber über weitere Details werde ich nicht spekulieren.
In Antwort auf:Zitat Zettel: Wobei sich die Frage stellt, welches Rechtsgut eigentlich geschützt werden soll. Bis zu dieser Änderung ging es darum, Kinder gegen Übergriffe Erwachsener zu schützen. Was oder wer soll jetzt eigentlich geschützt werden?
Das verstehe ich auch nicht so ganz, lieber Zettel. Da frage ich mich auch, wie es in den Schulen aussieht? Mädchen die halbnackt mit 12 oder 14 in die Schule kommen, aufgebrezelt, daß sie mindestens für 20 durchgehen. Ich will hier nicht den Puritaner geben, aber irgendwie paßt das alles nicht mehr so wirklich zusammen und lenkt vom lernen ab. Ich möchte unter diesen Umständen auch kein Lehrer sein, der sicherlich auch mit einem Bein jeweils im Gefängnis steht, wenn manch eine Schülerin ihm nicht wohlgesonnen ist.
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