Dieser Artikel empfiehlt ein Buch, das ich noch gar nicht gelesen habe. Das ich noch nicht lesen konnte, weil es erst heute in den USA erscheint. Leider hat man mir auch kein Vorausexemplar geschickt. ;-)
In dem Buch geht es zentral darum, was konservativ ist und was liberal. Ein aktuelles Thema, will mir scheinen.
Ich lese im Moment das Buch "Liberal Fascism: The Secret History of the American Left, From Mussolini to the Politics of Meaning" von Jonah Goldberg. Darin werden (zugegeben, z.T. etwas sehr polemisch) die historischen Gemeinsamkeiten von Liberals und Faschismus beleuchtet. Ich bin leider gerade erst das erste Kapitel gelesen. Aber es ist interessant, weil ich anscheinend aus meinen beschränkten historischen Kenntnissen gewisse Dinge abgeleitet habe, die offensichtlich nicht zutreffend sind. Obwohl ich niemals was darüber gelesen habe, wie z.B. die Einstellung der Progressiven (der Vorläufer der "Liberals") oder des KKK zu Mussolini ist, hätte ich irgendwie angenommen, dass die Ersteren dem eher negativ gegenüberstehen und der KKK mit dem Faschismus eher wohl gesinnt war. In Wirklichkeit war es genau umgekehrt.
Es gibt viele denkbare Prüfsteine, doch das eindeutigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Liberal und Konservativ im europäischen Sinne ist meines Erachtens die Einstellungen zu den Rechten Homosexueller. Ein Liberaler kann Homosexualität ebenfalls verurteilen oder als pervers empfinden, aber er weiß, dass der Staat sich aus den Schlafzimmern seiner Bürger herauszuhalten und alle Menschen rechtlich gleich zu behandeln hat, und wird Rechtsstaatlichkeit und die Unantastbarkeit der Privatsphäre immer höher bewerten als sein persönliches Ästhetikempfinden. Daher (und aus anderen Gründen) sind Leute wie Maggie Thatcher und Vaclav Klaus auch in meinen Augen trotz vieler liberaler Aspekte ihrer Politik letztlich Konservative. Die echten Liberalen machen sich in Europa rar in letzter Zeit.
Zettel, mir scheint sie wuerdigen die unterschiedliche Verwendung des Begriffs 'liberal' in den USA und in D. nicht richtig. "Liberals" sind in den USA IMMER Sozialdemokraten. Linksintellektuelle, linksliberale etc. pp. aber keinesfalls Anhaenger der freien Marktes.
Letztere heissen (im UK) right-of-center free market politicians, aus den USA ist der Begriff libertaer / engl. libertarians nach D. gekommen (wo libertaer frueher mal anarchistisch und anti-obrigkeit mit einem Schuss anti-business bedeute).
Ich vermute aus dem Stand, der Titel des Buches wuerde in Deutschland mit: 'Was ist Links, Was ist Rechts, eine Konservative Standortbestimmung' (oder so aehnlich) uebersetzt werden, zumindest sofern man sich daran erinnert, dass rechts etwas ganz anderes als rechtsextrem ist - Mit dem deutschen liberal hat das alles aber nichts zu tun.
Nachtrag: Und ja, ich stimme meinem Vorredner dahingehend zu, dass ein free-market conservative (wie Maggy Thatcher) nicht unbedingt ein liberales Gesellschaftsbild haben muss - meine Gespraeche mit free market conservatives und right-of-center politicians im UK bestaetigen diesen Eindruck hin und wieder.
Zitat von michael76Ich lese im Moment das Buch "Liberal Fascism: The Secret History of the American Left, From Mussolini to the Politics of Meaning" von Jonah Goldberg. Darin werden (zugegeben, z.T. etwas sehr polemisch) die historischen Gemeinsamkeiten von Liberals und Faschismus beleuchtet.
Ich schätze, lieber Michael, Jonah Goldberg als Kolumnisten der LAT sehr; fast so sehr wie meinen Lieblings-Kolumnisten Charles Krauthammer bei der WP. Das Buch kenne ich aber leider nicht; klingt interessant.
Zitat von michael76 Obwohl ich niemals was darüber gelesen habe, wie z.B. die Einstellung der Progressiven (der Vorläufer der "Liberals") oder des KKK zu Mussolini ist, hätte ich irgendwie angenommen, dass die Ersteren dem eher negativ gegenüberstehen und der KKK mit dem Faschismus eher wohl gesinnt war. In Wirklichkeit war es genau umgekehrt.
Das wußte ich auch nicht. Erklärt es sich daraus, daß die Progressives den Staatsinterventionismus von Mussolini schätzten? Die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe zum Beispiel - das dürfte ganz nach ihrem Geschmack gewesen sein, à la Tennessee Valley Authority. Eine Art Reichsarbeitsdienst soll ja unter Roosevelt auch eingeführt worden sein, hat mir mal jemand erzählt; ich habe es aber nicht nachgeprüft.
Zitat von ShinEs gibt viele denkbare Prüfsteine, doch das eindeutigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Liberal und Konservativ im europäischen Sinne ist meines Erachtens die Einstellungen zu den Rechten Homosexueller. Ein Liberaler kann Homosexualität ebenfalls verurteilen oder als pervers empfinden, aber er weiß, dass der Staat sich aus den Schlafzimmern seiner Bürger herauszuhalten und alle Menschen rechtlich gleich zu behandeln hat, und wird Rechtsstaatlichkeit und die Unantastbarkeit der Privatsphäre immer höher bewerten als sein persönliches Ästhetikempfinden.
Ja, eindeutig. Mir scheint übrigens, daß wir - siehe den neuen Paragraphen 184c - auf eine Situation zusteuern, in der wie in den sechziger und siebziger Jahren mutige Liberale wieder gefragt sein werden, die sich gegen sexuelle Bevormundung wehren.
Zitat von ShinDaher (und aus anderen Gründen) sind Leute wie Maggie Thatcher und Vaclav Klaus auch in meinen Augen trotz vieler liberaler Aspekte ihrer Politik letztlich Konservative.
Haben diese beiden einen unliberalen Standpunkt gegenüber der Homosexualität eingenommen? Das wußte ich nicht.
Ich würde beide als liberalkonservativ einstufen - ungefähr genau so, wie ich mich selbst im politischen Spektrum lokalisiere.
Oder sagen wir, meine Position ist zwischen Thatcher und Merkel. Sozusagen als Weltkind in der Mitten.
Zitat von DagnyZettel, mir scheint sie wuerdigen die unterschiedliche Verwendung des Begriffs 'liberal' in den USA und in D. nicht richtig. "Liberals" sind in den USA IMMER Sozialdemokraten. Linksintellektuelle, linksliberale etc. pp. aber keinesfalls Anhaenger der freien Marktes.
Ja, das stimmt, liebe Dagny. Habe ich denn etwas anderes geschrieben? Ich hoffe nicht.
Zitat von DagnyLetztere heissen (im UK) right-of-center free market politicians, aus den USA ist der Begriff libertaer / engl. libertarians nach D. gekommen (wo libertaer frueher mal anarchistisch und anti-obrigkeit mit einem Schuss anti-business bedeute).
Ja, das trägt noch weiter zur Verwirrung bei.
Ich habe erst sehr gestutzt, als ich gesehen habe, daß das A-Team bei Alexa nicht unter den liberalen, sondern den libertären Blogs geführt wird. Es mir aber dann so zurechtgelegt, daß ihr "libertär" im Sinn von "libertarian" meint, was aber dem deutschen "liberal" entspricht.
(Kleiner Seitenhieb, liebe Dagny, den ich mir nicht verkneifen kann: Diese Aktion mit dem angeblichen Hacker, der eure Site übernommen hat, kam mir allerdings libertär im Sinn der Anarchisten vor )
Zitat von DagnyIch vermute aus dem Stand, der Titel des Buches wuerde in Deutschland mit: 'Was ist Links, Was ist Rechts, eine Konservative Standortbestimmung' (oder so aehnlich) uebersetzt werden, zumindest sofern man sich daran erinnert, dass rechts etwas ganz anderes als rechtsextrem ist - Mit dem deutschen liberal hat das alles aber nichts zu tun.
Der Übersetzungsvorschlag gefällt mir; nur ist "rechts" und "links" eben genau deshalb zu einfach, weil der Liberalismus dabei rausfällt. "Mitte"? Nein, eben nicht. Denn sowohl Rechte als auch Linke lassen es an Liberalismus fehlen. Der Gegenpol zu liberal ist weder links noch rechts, sondern autoritär/etatistisch. Deshalb hat der Political Compass dies als zweite Dimension.
Zitat von DagnyNachtrag: Und ja, ich stimme meinem Vorredner dahingehend zu, dass ein free-market conservative (wie Maggy Thatcher) nicht unbedingt ein liberales Gesellschaftsbild haben muss - meine Gespraeche mit free market conservatives und right-of-center politicians im UK bestaetigen diesen Eindruck hin und wieder.
Ich habe vor Jahren mit großer Zustimmung die beiden Bände von Thatchers Erinnerungen gelesen ("The Downing Street Years"). Da schien sie mir auch gesellschaftspolitisch eine Liberale zu sein.
Herzlich, Zettel
PS: Es macht Spaß, den Test "Political Compass" zu machen. Ich tue das von Zeit zu Zeit und lande immer irgendwo im unteren rechten Quadranten, wo ich auch hingehöre.
Zitat von ZettelEine Art Reichsarbeitsdienst soll ja unter Roosevelt auch eingeführt worden sein, hat mir mal jemand erzählt; ich habe es aber nicht nachgeprüft.
Die Parallelen sind aber wohl eher dünn, soweit ich mich bei der WPA auskenne...
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von Dagny"Liberals" sind in den USA IMMER Sozialdemokraten. Linksintellektuelle, linksliberale etc. pp. aber keinesfalls Anhaenger der freien Marktes.
So krass würde ich das nicht sehen. Ich weiß natürlich nicht, wie repräsentativ mir bekannte Einzelbeispiele sind. Aber auch "Linke" können in den USA pro Marktwirtschaft sein - was ja nicht unbedingt ein Gegensatz dazu ist, daß sich der Staat mit Regeln und Subventionen heftigst ins Privatleben einmischt.
Zitat von ZettelEine Art Reichsarbeitsdienst soll ja unter Roosevelt auch eingeführt worden sein, hat mir mal jemand erzählt; ich habe es aber nicht nachgeprüft.
Ja, das scheint mir auch. Hat wohl mit dem RAD wenig zu tun.
Als ich eben, um zu sehen, ob es vielleicht noch einen anderen solchen Dienst gab, den Artikel Artikel "New Deal" gelesen habe, ist mir, lieber Gorgasal, wieder aufgegangen, wie ähnlich die damalige Krise in vielerleich Hinsicht der heutigen war - was die Probleme angeht, aber vor allem auch, was die staatsinterventionistischen Lösungsversuche angeht.
Und manches verbindet ja auch die beiden Krisen direkt. Fannie Mae wurde als Teil des New Deal gegründet.
Zitat von ZettelAls ich eben, um zu sehen, ob es vielleicht noch einen anderen solchen Dienst gab, den Artikel Artikel "New Deal" gelesen habe, ist mir, lieber Gorgasal, wieder aufgegangen, wie ähnlich die damalige Krise in vielerleich Hinsicht der heutigen war - was die Probleme angeht, aber vor allem auch, was die staatsinterventionistischen Lösungsversuche angeht.
Das sehe ich genauso. Ich reite ja auch immer gerne darauf herum, dass Robert Higgs' These des Regime Uncertainty derzeit sehr aktuell ist.
Und wahrscheinlich werden wir - wie beim New Deal - eine Vergötzung des Aktionismus der US-Regierung sehen, auch wenn ihre Maßnahmen die Krise nur verschlimmern.
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Zitat von ZettelEconomic Left/Right: 5.88 Social Libertarian/Authoritarian: -4.51
Bei mir:
Economic Left/Right: 6.12 Social Libertarian/Authoritarian: -2.00
Darf ich Sie jetzt als "langhaariger Hippie" ansprechen?
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Zitat von ZettelHaben diese beiden einen unliberalen Standpunkt gegenüber der Homosexualität eingenommen? Das wußte ich nicht.
Unter Thatchers Regierung wurde die Section 28 des Local Government Act eingeführt, die die "public promotion of homosexuality" verbot. Andererseits habe ich gerade beim Nachrecherchieren gelesen, dass sie zuvor auch für einen Gesetzesentwurf zur Dekriminalisierung der Homosexualität gestimmt hat. Vielleicht wurde sie einfach im Verlauf ihres Lebens etwas konservativer, da muss ich meine Meinung wohl teilweise revidieren.
Zitat von Václav KlausI consider the marriage a traditional institution of one type. Let them arrange their relationship in any way. But I am absolutely against mixing this with family and marriage
Man kann vermutlich auch als Liberaler gegen die Homoehe sein, allerdings sollte man dann konsequenterweise auch die staatliche Ehe insgesamt ablehnen.
Zitat von ZettelEconomic Left/Right: 5.88 Social Libertarian/Authoritarian: -4.51
Bei mir: Economic Left/Right: 6.12 Social Libertarian/Authoritarian: -2.00 Darf ich Sie jetzt als "langhaariger Hippie" ansprechen?
Schön wär's, lieber Gorgasal. Wo einst die langen Haare prangten, ist's heute wüst und leer.
Aber Ihre Werte überraschen mich. Genauer: der zweite. Ich hätte Sie im rechten oberen Quadranten vermutet. Nun sitzen wir beide also doch im selben Kästchen.
Zitat von ZettelAber Ihre Werte überraschen mich. Genauer: der zweite. Ich hätte Sie im rechten oberen Quadranten vermutet.
Da bezeichne ich mich explizit als "liberalkonservativ", und keiner glaubt's mir...
Wir können jetzt natürlich gerne über die Methodik des Compass streiten. Oder Sie glauben mir, dass klassische Katholiken nicht notwendigerweise eine Theokratie anstreben, wie Sie vielleicht meinen letzten Einträgen hier zu entnehmen glauben.
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Zitat von ShinMan kann vermutlich auch als Liberaler gegen die Homoehe sein, allerdings sollte man dann konsequenterweise auch die staatliche Ehe insgesamt ablehnen.
Ich bin, lieber Shin, als Liberaler gegen die Homoehe, bejahe aber die traditionelle Ehe.
Ich bin für eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft, die sich zB auf das gemeinsame Vermögen, auf Erbansprüche, Besuchsrecht im Krankenhaus usw. bezieht. Ungefähr so, wie das in Frankreich mit dem PACS geregelt ist, der unabhängig vom Geschlecht zwischen zwei Personen geschlossen werden kann. Auch eine solche deutsche Regelung sollte unabhängig vom Geschlecht gelten, also auch für einen Mann und eine Frau eine Alternative zur Ehe sein.
Die Ehe, liebe Shin, ist aus meiner Sicht - da meldet sich dann wieder der Konservative - eine Institution, die primär der Gründung einer Familie und dem gemeinsamen Aufziehen der gemeinsamen Kinder dient.
Ich halte es für unwahrscheinlich, daß unsere Gesellschaft ohne diese Institution weiterbestehen kann. Ob es überhaupt Gesellschaften ohne die Institution der Familie irgendwo gibt oder gegeben hat, weiß ich nicht; ich halte es aber für eher unwahrscheinlich. Die Paarbindung zum gemeinsamen Aufziehen gemeinsamer Kinder ist wohl auf einer sehr frühen Stufe der Entwicklung zum Homo Sapiens entstanden.
Weil dies eine fundamentale Institution ist, sollte sie auch als solche heraugehoben bleiben; was ja nicht daran hindert, vernünftige Regelungen für die Verpartnerung derer zu finden, die eine Familie nicht gründen können oder wollen.
Zitat von ShinEs gibt viele denkbare Prüfsteine, doch das eindeutigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Liberal und Konservativ im europäischen Sinne ist meines Erachtens die Einstellungen zu den Rechten Homosexueller.
In Antwort auf:Ein Liberaler kann Homosexualität ebenfalls verurteilen oder als pervers empfinden, aber er weiß, dass der Staat sich aus den Schlafzimmern seiner Bürger herauszuhalten und alle Menschen rechtlich gleich zu behandeln hat, und wird Rechtsstaatlichkeit und die Unantastbarkeit der Privatsphäre immer höher bewerten als sein persönliches Ästhetikempfinden.
Nun ja, man kann das auch etwas anders sehen. Wenn man "Ehe" als "feste Lebensgemeinschaft zwischen (mindestens) einem Mann und (mindestens) einer Frau" sieht (wie es in den meisten Gesellschaften historisch angesehen wird), dann wird man die "Homoehe" als eine Umdeutung bestehender Begriffe sehen und möglicherweise auch als Liberaler damit Probleme haben. Wenn man umgekehrt "Ehe" als "Lebensgemeinschaft zweier oder mehrerer Menschen" definiert, dann kann man natürlich auf die Anerkennung der "Homoehe" plädieren - aber dann sollte man sich eingestehen, dass man das Wörtlein "Ehe" mit einem Sinn befüllt, den es bis vor einigen Jahren nicht hatte. Das erscheint mir persönlich schwierig.
Zitat von Lewis Carroll"When I use a word,' Humpty Dumpty said in rather a scornful tone, 'it means just what I choose it to mean — neither more nor less." "The question is," said Alice, "whether you can make words mean so many different things." "The question is," said Humpty Dumpty, "which is to be master— that's all."
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Zitat von GorgasalDa bezeichne ich mich explizit als "liberalkonservativ", und keiner glaubt's mir...
Sagen wir so, lieber Gorgasal: Ich halte Sie für einen Konservativen, der ungewöhnlich liberal ist. Und sehe mich als einen Liberalen, der ganz schön konservativ ist.
In Antwort auf:Es macht Spaß, den Test "Political Compass" zu machen. Ich tue das von Zeit zu Zeit und lande immer irgendwo im unteren rechten Quadranten, wo ich auch hingehöre.
ich liege fast im Zentrum des Fadenkreuzes, nur eine winzige Prise Thatcherismus ;-)
Nun zum Thema. Wir betrachten die typisch deutschen "linksliberalen" Rosstäuscher ausnahmsweise einmal nicht. Provokativ möchte ich einbringen, daß die These, wonach der Liberalismus die Ideologie des Kapitalismus bzw. Bürgertums ist, für das 19te Jahrhundert zutreffend ist, seit der Weltwirtschaftskrise 1929 an aufwärts vielleicht noch für Teile des Kleinbürgertums zutrifft, für das Bürgertum und insbesondere das international agierende möglicherweise jedoch nicht mehr pauschal unterstellt werden kann. Das Bürgertum scheint ein ausgesprochenes Interesse am staatlichem Krisenmanagement und der Milderung der sozialen Folgen von Konjunktureinbrüchen zu haben. Gerade das Bürgertum möchte in eineme sauberen Haus wohnen, dh. Instabilität, Not oder gar Tumulte, wenn möglich, vermeiden. Auch darum kommen die doch hauptsächlich von Intellektuellen propagierten marktradikalen Konzepte gerade in diesen Kreisen nicht so gut an. Wenn sie es so wollen, dann hat der "Linksliberalismus" längst den Liberalismus als Ideologie des Kapitalismus bzw. Bürgertums abgelöst. "Linksliberalismus" in Anführungszeichen, weil der Begriff in diesem Sinn unstimmig ist. Anders lässt sich die andauernd hohe Staatsquote nicht plausibel erklären. Und auch nicht die jüngste neoetatistische Wende.
Zitat von ZettelSagen wir so, lieber Gorgasal: Ich halte Sie für einen Konservativen, der ungewöhnlich liberal ist.
Danke, das nehme ich als Kompliment
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von ZettelDie Ehe, liebe Shin, ist aus meiner Sicht - da meldet sich dann wieder der Konservative - eine Institution, die primär der Gründung einer Familie und dem gemeinsamen Aufziehen der gemeinsamen Kinder dient.
Kann man sicher so sehen, wobei ich der glaube, dass Homosexuelle diesen Wunsch ebenfalls oft hegen und durch Adoption oder künstliche Befruchtung auch dazu in der Lage sind. Gegen letzteres mag es ethische Bedenken geben, was allerdings ein anderes Thema ist, doch gegen ersteres spricht meines Erachtens nichts.
Ehe ist ja erst einmal nur ein Wort, und die traditionelle Institution Ehe wird sicherlich nicht daran zugrunde gehen, dass auch Homosexuelle ihre Lebensgemeinschaften so nennen. Die eigentlich Frage ist aber, ob jemand die Deutungshoheit über das Wort Ehe hat. In meinen Augen hat dies niemand. Gruppen wie der Kirche ist es freigestellt, ihre religiös sanktionierte Ehe heterosexuellen Paaren vorzubehalten, da will ich denen nicht reinreden. Der Staat hingegen darf dies nicht, und deshalb sollte er auch nicht als Ehespender auftreten. All die rechtlich relevanten Aspekte der Ehe lassen sich, wie du schon sagtest, auch ohne die Schließung einer formalen Ehe regeln. Und wenn zwei Schwule oder Lesben sich die Treue schwören und dabei irgendeinen Vertrag schließen, können sie das von mir aus auch Ehe nennen, das tut niemandem weh.
P.S. Beim Kompass lande ich bei 4.25 / -5.95, so weit liegen wir also gar nicht auseinander. Umso interessanter, dass wir scheinbar doch die einen oder anderen Differenzen haben.
Zitat von michael76Obwohl ich niemals was darüber gelesen habe, wie z.B. die Einstellung der Progressiven (der Vorläufer der "Liberals") oder des KKK zu Mussolini ist, hätte ich irgendwie angenommen, dass die Ersteren dem eher negativ gegenüberstehen und der KKK mit dem Faschismus eher wohl gesinnt war. In Wirklichkeit war es genau umgekehrt.
Interessant wäre auch, wie lange die Aufgeschlossenheit angedauert hat, v.a. mit Hinblick auf Mussolinis Aktivitäten in Afrika.
Zitat von ZettelDas wußte ich auch nicht. Erklärt es sich daraus, daß die Progressives den Staatsinterventionismus von Mussolini schätzten? Die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe zum Beispiel - das dürfte ganz nach ihrem Geschmack gewesen sein, à la Tennessee Valley Authority.
Dazu kommt, dass Mussolini im Gegensatz zu Hitlers Deutschland gegenüber modernen Künstlern und Architekten - Stichwort "Futurismus" - eher fördernd gegenüberstand. Falls die "Progressives" damals so waren, wie die Vergleichsklientel heute, hat ihnen bestimmt auch diese Seite des Regimes zugesagt, auch wenn das bestenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt haben wird.
Zitat von ShinUnd wenn zwei Schwule oder Lesben sich die Treue schwören und dabei irgendeinen Vertrag schließen, können sie das von mir aus auch Ehe nennen, das tut niemandem weh.
Doch - das tut der deutschen Sprache weh.
Will damit sagen: Ich akzeptiere gerne inhaltlich diese neuen Formen des Zusammenlebens, aber für neue Sachverhalte sollte man auch neue Begriffe verwenden.
Ich hasse es geradezu, wenn klare und allseits im selben Verständnis verwendete Begriffe umgedeutet werden, um versteckt politische Absichten durchzudrücken.
Zitat von R.A.Ich hasse es geradezu, wenn klare und allseits im selben Verständnis verwendete Begriffe umgedeutet werden, um versteckt politische Absichten durchzudrücken.
Ich denke, hinter dem Wunsch vieler Homosexueller, ihre Lebensgemeinschaft Ehe zu nennen, steckt nicht die Absicht, politische Ziele per Neusprech durchzusetzen, sondern schlicht der Wunsch nach Anerkennung. Aber ist die Bedeutung der Ehe wirklich so klar? Ehe bedeutet nach meinem Verständnis einerseits "Gemeinschaft von Mann und Frau" und andererseits "Gemeinschaft zweier sich liebender Menschen", und für lange Zeit war beides aufgrund der Tabuisierung der Homosexualität im Verständnis der meisten Menschen synonym. Nun können diese beiden Bedeutungen separat existieren, was zu einem (auch) sprachlichen Konflikt führt.
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