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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 70 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Rembert Offline



Beiträge: 17

21.06.2009 23:52
#26 RE: Der Kandidat Obama über den Iran Antworten

In Antwort auf:
Schon wieder die Keule!

Wo kommt diese Metapher von der "Moralkeule" eigentlich her? Ich weiß nicht, ob Walser sie geprägt oder schon vorgefunden hat; jedenfalls war das ein spezifischer, ein sehr spezifischer Kontext.


In diesem Punkt gebe ich Ihnen recht, lieber Zettel. Zu den anderen Punkten melde ich mich nochmals morgen. Gute Nacht, Rembert

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

22.06.2009 00:51
#27 Realpolitik Antworten

Mir scheint aus Sicht der USA Realpolitik in diesem Moment das beste zu sein. Zum einen um zu vermeiden, dass die offizielle Iraner den USA die Schuld an der Situation zuschieben koennen und zum anderen um im Zweifel auch nach einer niedergeschlagenen Demokratiebewegung ueber das Atomprogramm verhandeln zu koennen. Gewissermassen spuert man hier bereits die Macht, die eine echte Bombe den Mullahs geben wuerde. (Darueberhinaus hat Obama sicher nicht das klare Freund-Feind-Schema eines Bush)

Omni Offline



Beiträge: 255

22.06.2009 00:52
#28 RE: Der Kandidat Obama über den Iran Antworten

In Antwort auf:

Nun kann man darüber streiten, ob es beschämend ist, wenn jemand, der ständig die Moral im Mund führt, eine blutige Dikatur respektiert und stützt



Es ist doch verwunderlich wieso die Doppelmoral, die in jeder "Realpolitik" westlicher Staaten gegenüber autoritären Staaten steckt, manchmal kritisiert wird und manchmal nicht. Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich Ihnen mit dem Vorwurf Unrecht tue, aber ich kann mich nicht erinnern jemals von Ihnen den Ausdruck "beschämend" gehört zu haben, wenn es um die Außenpolitik unter George W. Bush ging, die ebenfalls - wie es oben schon von jemand angesprochen und nicht beachtet wurde - beispielsweise in Hinblick auf Saudi Arabien eine Doppelmoral an den Tag legte. Wenn es um Irakkrieg und 11. September geht, wird hier in hohem Maße auf das Halten an belegte Fakten und das Unterlassen von Mutmaßungen gepocht. Aber offensichtlich gilt diese Faktenorientierung nicht für die Verurteilung der aktuellen US-Außenpolitik. Da darf wild spekuliert werden über irgendwelche angeblichen Zusagen an das Mullah-Regime, da darf das unlogische Argument vorgebracht werden, eine unterlassene Stellungnahme für die Opposition sei äquivalent zu einer Parteinahme gegen die Opposition.
Oder das hier
In Antwort auf:

Gut möglich, daß er über diplomatische Kanäle den Machthabern im Iran längst die Garantie gegeben hat, er werde ihr Regime nicht zu stürzen versuchen. Jedenfalls können sie damit rechnen, daß er sie stützt.


Einem Regime zu garantieren, dass man nicht in ihr Land einmarschieren wird ist keineswegs das gleiche wie dieses Regime zu stützen. Das ist unlogisch.
Wieso sollte er ihr Regime auch stürzen, wenn er mit ihnen verhandeln kann? Aus moralischen Gründen?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.06.2009 01:26
#29 RE: Der Kandidat Obama über den Iran Antworten

Lieber Omni,

Präsident Bush hatte eine sehr klare Außenpolitik, die er beispielsweise in seiner zweiten Inauguration Address formuliert hat; und ich habe das schon oft erwähnt: Zur Verbreitung der Demokratie beitragen, weil dies erstens den amerikanischen Werten entspricht, zweitens die Voraussetzung für einen stabilen Frieden ist und drittens damit auch im Interesse der USA liegt.

Ich habe diese Politik immer für richtig gehalten; und ich hatte auch immer meine Zweifel daran, daß der Irakkrieg ein geeignetes Mittel dieser Politik war.

Das Wort Moral ist in diesem Zusammenhang vielleicht fehl am Platz; jedenfalls war es eine auf Werten basierende und rationale Politik.

Natürlich war es keine naive Politik; man kann nicht wie ein Don Quijote durchs Land ziehen und jedes undemokratische Regime zu meucheln versuchen, so wie der Edle Ritter seine Riesen. Das Regime in Saudi-Arabien ist vorläufig nicht zu beseitigen; es gibt weder eine ernsthafte demokratische Opposition noch irgendwelche Voraussetzungen für einen demokratischen Rechtsstaat. Die einzige Alternative zum jetzigen Regime ist eine Machtübernahme durch die Islamisten.



Welches ist nun die Grundlage der Außenpolitik Obamas? Glaubt man seinen Reden, dann will er die Welt heilen, alle Atombomben vernichten und dergleichen. Also Ziele, von denen jeder weiß, daß sie unerreichbar sind.

Somit muß man sich an seine Taten halten. Und diese scheinen mir bisher darauf hinzudeuten, daß Obama nicht das Ziel hat, Freiheit und Demokratie zu verbreiten, sondern eine Allianz zwischen den USA und dem Block der - überwiegend undemokratischen - moslemischen Staaten zu schmieden.

Sie fordern mich, lieber Omni, auf, mich an die Fakten zu halten. Ich habe immer Wert darauf gelegt, Fakten, Mutmaßungen und Meinungen nicht zu vermengen.

Mutmaßungen gehen über die Fakten hinaus; aber sie sollten diese abdecken und mit keinem Faktum im Widerspruch stehen. Wenn der heutige Präsident und damalige Senator Barack selbst 2007 ankündigte, dem Iran Zusagen zu geben, daß man keinen regime change versuchen werde, dann erscheint es mir nicht weit hergeholt, dies in Zusammenhang mit der jetzigen erstaunlichen Zurückhaltung Obamas gegenüber der Demokratiebewegung im Iran zu bringen. Es ist eine Mutmaßung, aber einen in Fakten begründete.

Regime change ist etwas anders als Krieg. Die USA könnten einen Sturz des Regimes auch betreiben, indem sie die Opposition unterstützen. Obama hat Ende 2007 angekündigt, das nicht zu tun. Jetzt macht er, was er damals gesagt hat.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.06.2009 02:54
#30 Zitate des Tages: Obama im Jahr 2007 Antworten

Dieses Zitat des Tages habe ich gestern bereits in einem Beitrag zu diesem Thread verwendet.

Mir scheint es aber interessant genug, es auch in ZR zu bringen; für diejenigen, die hier vielleicht nicht mitlesen und/oder die eine deutsche Übersetzung schätzen.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.06.2009 16:22
#31 Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

http://www.economist.com/world/unitedsta...e=hptextfeature

Ich halte das hier beschriebene Vorgehen für einen vernünftigen außenpolitischen Ansatz. Ob er richtig ist, ist eine andere Frage, aber um ihn moralisch verdammen zu können, sehe zumindest ich keine Grundlage.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

dirk Offline



Beiträge: 1.538

22.06.2009 16:48
#32 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Ich kann mich Rayson nur anschließen. Es gibt gute Gründe für und wider Obama's Vorgehen, da muss man nicht unbedingt Populismus unterstellen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.06.2009 18:48
#33 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Zitat von Rayson
http://www.economist.com/world/unitedsta...e=hptextfeature
Ich halte das hier beschriebene Vorgehen für einen vernünftigen außenpolitischen Ansatz. Ob er richtig ist, ist eine andere Frage, aber um ihn moralisch verdammen zu können, sehe zumindest ich keine Grundlage.

Lieber Rayson,

ich habe in dem Artikel nichts Neues finden können.

Über Moral und Politik haben wir ja schon in diesem Thread diskutiert und werden es vielleicht noch weiter tun. Aus meiner Sicht betreibt Obama eine Politik der Stabilsierung des iranischen Regimes; und ich sehe diese im Kontext dessen, was er schon 2007 gesagt hat: Er verspricht den Mullahs, ihren Sturz nicht anzustreben, wenn sie außenpolitische Gegenleistungen erbringen.

Man mag das zynisch nennen oder Realpolitik. Hätte ein amerikanischer Präsident dem Apartheid-Regime, Pinochet oder sonst einer rechten Diktatur ein solches Angebot gemacht, dann hätte er jedenfalls den Zorn sehr vieler auf sich gezogen. Und zwar auch gerade derer, die jetzt auf einmal in Bezug auf die Mullahs die Vorzüge der Realpolitik entdecken.

Es sind interessanterweise oft diejenigen Politiker, die wie Obama die Moral ständig im Munde führen, die die zynischste Realpolitik betreiben. Wenn sie erst einmal an der Macht sind.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.06.2009 18:56
#34 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Zitat von dirk
Ich kann mich Rayson nur anschließen. Es gibt gute Gründe für und wider Obama's Vorgehen, da muss man nicht unbedingt Populismus unterstellen.

Nein, man muß es nicht, lieber Dirk. Man kann es aber, und zwar mit guten Gründen.

Wir sind - ich habe das in einer Antwort an Omni erläutert - in einem Bereich der Mutmaßungen. Sie sollten mit den Fakten übereinstimmen, gehen aber natürlich über diese hinaus. Zwingend ist keine dieser Mutmaßungen, da gebe ich Ihnen völlig Recht.

Für populistisch halte ich es, daß Obama eine Woche lang alles unterlassen hat, was die Opposition hätte ermuntern können, dann aber plötzlich Stellung nahm. Er nahm erst Stellung, als die blutige Repression offenkundig wurde.

Einen außenpolitischen Grund für diesen Wechsel kann ich nicht erkennen; sehen Sie ihn, lieber Dirk? Aber ich sehe den innenpolitischen Grund, daß diese Brutalität die Amerikaner entsetzt hat; sie wollten also von ihrem Präsidenten eine Stellungnahme. Daß er sie geliefert hat, das nenne ich Populismus.

Übrigens ist es auffällig, wie freundlich das Mullah-Regime Obama und überhaupt die USA in dieser Krise behandelt. Der große Satan sind auf einmal nicht mehr die Amerikaner, sondern die Europäer.

Honi soit qui mal y pense.

Herzlich, Zettel

john j Offline




Beiträge: 591

22.06.2009 21:13
#35 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

"Aus meiner Sicht betreibt Obama eine Politik der Stabilsierung des iranischen Regimes;..."

Woran machen sie das fest? Daran dass Obama nicht den iranischen Hardlinern die Steilvorlage liefert auf die sie warten, um die Unruhen als fremde Einmischung und ihre Gegner als vom Ausland gesteuerte agents provocateurs darstellen zu koennen? Und was wenn die Unruhen wie damals in China nicht zum Erfolg (= Sturz des Regimes)fuehren? Dann wird man, wie damals in China, auch weiterhin mit dem Regime in irgendeiner Form umgehen und verhandeln muessen. Und selbst wenn, was koennten Obama und die USA hier konkret tun (McCain's some kind of action...), eine task force der US Navy in den Persischen Golf senden oder den Import von iranischen Teppichen verbieten?

"Er verspricht den Mullahs, ihren Sturz nicht anzustreben, wenn sie außenpolitische Gegenleistungen erbringen."

Ich denke sie dehnen das Zitat Obama's bewusst uber das was gesagt wurde hinaus. Obama kann, ob er es anstrebt oder nicht, die Mullahs nicht stuerzen, das muessen und koennen die Iraner selber erledigen.

"Es sind interessanterweise oft diejenigen Politiker, die wie Obama die Moral ständig im Munde führen, die die zynischste Realpolitik betreiben."

Ich weiss nicht woher sie diesen Zusammenhang konstruieren, aber ich halte ihn fuer eine ziemlich oberflaechliche Generalisierung. Gegenbeispiele dafuer gibt es auch genug: Nixon, Reagan oder Bush jr bspw, die weitgehend eine eiskalte Realpolitik verfolgten. Und da wo sie es nicht taten waren die Ergebnisse, nun ja, nicht optimal (siehe Bush jr).

Geozentriker Offline



Beiträge: 68

22.06.2009 22:56
#36 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Schon früher, zur Zeit des kalten Krieges, hatten die USA öfter eine - vorsichtig ausgedrückt - nicht ganz saubere Realpolitik betrieben. Die Politik Obamas würde ich in diese Kategorie einordnen (ich habe dazu bereits etwas geschrieben). Aber - und das halte ich für entscheidend - die USA haben immer die Ideale Freiheit, Demokratie und Menschenrechte hoch gehalten. Bei Obama habe ich den Eindruck (wie gesagt, mein Eindruck - ohne, dass ich mir die Mühe mache, das mit entsprechenden Zitaten zu belegen - das bringt sicher nichts - andere würden diese Zitate anders bewerten - manchmal ist gesunder Menschenverstand besser als akademischer Disput), dass er diese Ideale nicht mehr so nachdrücklich vertritt, wie seine Vorgänger. Das ist bedenklich!!! Ich, denke, dass nur USA in der Lage sind, diese Visionen (Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sind Visionen und müssen visionär vertreten werden) wirksam zu verteidigen (wir Europäer haben da offensichtlich lieber "lupenreine Demokraten"). Deshalb stimme ich Zettel zu - das Verhalten ist (harmlos ausgedrückt) beschämend.
Zur Klarstellung: es ist sicher nicht angeraten, dass die USA sich in ein Abenteuer begeben. Man kann aber auch Zurückhaltung üben und trotzdem die Freiheit deutlich vertreten. Das ist sicher nicht einfach, die Jungs in entsprechender verantwortlicher Position in den USA könnten das aber sicher.

john j Offline




Beiträge: 591

23.06.2009 00:08
#37 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Ich weiss nicht ob sich dieser Beitrag auf meinen bezieht aber ich nehms mal an.

Sie widersprechen sich laufend: Erst "nicht ganz saubere Realpolitik" und dann doch " Freiheit, Demokratie und Menschenrechte hoch gehalten"? Wie soll das gehen? Abgesehen davon dass Menschen in Salvador, Nicaragua, Pakistan etc da eine andere Meinung haben duerften von dem was die USA dort "hochhielten".

Dann: "Man kann aber auch Zurückhaltung üben und trotzdem die Freiheit deutlich vertreten." Wie genau soll das gehen? Wieviel Raum befindet sich zwischen der zrueckhaltenden Reaktion Obama's und dem "some kind of action" McCain's?

Letztlich: Wer ausserhalb des Irans blickt schon ganu durch was die players wie Moussavi, Chamenei, Rafsandshani oder Laridjani wirklich wollen, und wofuer sie in diesem Konflikt jeweils stehen? Sollten wir das nicht genauer wissen bevor wir uns auf welche Art auch immer dort engagieren?

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

23.06.2009 00:26
#38 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Lieber Zettel,

manchmal ist es ja hilfreich, wenn man das Bekannte neu zusammengefasst vor Augen sieht...

Zitat von Zettel
Er verspricht den Mullahs, ihren Sturz nicht anzustreben, wenn sie außenpolitische Gegenleistungen erbringen.


So kann man das interpretieren, ja. Was ja seinerseits auch als Druck empfunden werden kann (was, wenn sie die Gegenleistungen nicht erbringen?).

Zitat von Zettel
Man mag das zynisch nennen oder Realpolitik. Hätte ein amerikanischer Präsident dem Apartheid-Regime, Pinochet oder sonst einer rechten Diktatur ein solches Angebot gemacht, dann hätte er jedenfalls den Zorn sehr vieler auf sich gezogen. Und zwar auch gerade derer, die jetzt auf einmal in Bezug auf die Mullahs die Vorzüge der Realpolitik entdecken.


Da hast du ganz bestimmt recht. Nur: Das kann dann keine Kritik an Obama sein, sondern nur eine an allzu beliebig argumentierenden Parteigängern. Tatsächlich ist die amerikanische Außenpolitik voll von Deals, in denen Stabilität gegen Moral getauscht wird. Siehe nur jüngst Saudi-Arabien, Ägypten, Musharafs Pakistan oder diverse Nachfolgestaaten der Sowjetunion im Norden Afghanistans. Um es mal klarzustellen: Ich halte das auch für vernünftig.

Zitat von Zettel
Es sind interessanterweise oft diejenigen Politiker, die wie Obama die Moral ständig im Munde führen, die die zynischste Realpolitik betreiben. Wenn sie erst einmal an der Macht sind.


Siehe den Vorgänger. Und eben weil ich diesen Ansatz für vernünftig halte, hätte ich auch große Sorgen, wenn der dann amtierende Präsident keine "zynische" Realpolitik betriebe, egal, was er vorher formuliert hat. Ja, es war sogar meine Hoffnung, dass Obama genau das tun würde.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Omni Offline



Beiträge: 255

23.06.2009 00:38
#39 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

@Zettel:
Ich seh bei dieser Diskussion die Vermutung bestätigt, dass alle Argumentation im Kern ergebnisorientiert ist. Das Urteil über Obamas Politik scheint mir, ist längst gefällt worden, also wird jetzt fast jede denkbare Interpreationsgrundlage zitiert, um aus seiner Politik alles denkbare Schlechte herauszulesen und es werden plötzlich moralische Standards für amerikanische Außenpolitik festgesetzt, die von keinem US-Präsidenten eingehalten wurden. Und wenn ich mich richtig erinnere haben Sie doch auch mal darauf hingewiesen, dass "Populismus" im amerikanischen Raum nicht zwangsläufig einen negativen Beigeschmack hat. Wenn der US-Präsident sich an dem orientiert, was die Mehrheit seines Wahlvolkes wünscht, was ist daran eigentlich so schlecht? Als derjenige, der im Namen der Vereinigten Staaten internationale Verträge abschließen darf, muss er sich mit seinen Äußerungen doch gerade an der Idee davon orientieren, was "die Vereinigten Staaten" denken. Und wieso soll sich das angesichts einer Eskalation nicht auch mal ändern?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.06.2009 00:50
#40 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Lieber John,

Zitat von john j
"Aus meiner Sicht betreibt Obama eine Politik der Stabilisierung des iranischen Regimes;..."

Woran machen sie das fest? Daran dass Obama nicht den iranischen Hardlinern die Steilvorlage liefert auf die sie warten, um die Unruhen als fremde Einmischung und ihre Gegner als vom Ausland gesteuerte agents provocateurs darstellen zu koennen?

Er hat das 2007 angekündigt, und er hat sich jetzt so verhalten, wie er es damals angekündigt hatte.

"Steilvorlage"? Das Regime hätte, wenn es daran interessiert gewesen wäre, die USA ebenso der Einmischung beschuldigen können, wie das Chamenei mit den "Zionisten", mit den Europäern, vor allem den Briten getan hat.

Dazu hätte es keiner öffentlichen Verlautbarungen des Präsidenten bedurft. Im Gegenteil, die Verschwörung ist ja erst dann glaubhaft, wenn sie im Geheimen geschieht. Der persische Propagandasender PressTV hat gestern immer wieder ein angeblich aufgezeichnetes Gespräch innerhalb einer terroristischen Organisation abgespielt. Und von wo wurde diese gesteuert? Natürlich von London.



Wenn, lieber John, irgendwo auf der Welt eine Revolution gegen eine Dikatur im Gang ist, dann haben sich die demokratischen Länder bisher immer auf die Seite der Demokraten gestellt. Ich kenne keine Ausnahme. Kennen Sie eine?

Haben die demokratischen Regierungen geschwiegen, als in Soweto Protestierende niedergeschossen wurden? Haben die USA geschwiegen, als der Aufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens niedergeschlagen wurde?

Nach meinem besten Wissen ist Präsident Obama der erste Führer eines demokratischen Landes, der sich in einer solchen Situation neutral verhalten hat. Irre ich mich? Dann geben Sie bitte Gegenbeispiele.
Zitat von john j
Und was wenn die Unruhen wie damals in China nicht zum Erfolg (= Sturz des Regimes)fuehren? Dann wird man, wie damals in China, auch weiterhin mit dem Regime in irgendeiner Form umgehen und verhandeln muessen.

Ja, natürlich. Und das sind ja keine Sensibelchen, die sich tief getroffen fühlen, wenn die USA zuvor für die Demokratie im Iran eingetreten sind.

Was ist das für eine Politik, die Diktaturen schont, nur damit man mit ihnen verhandeln kann? Hat Obama denn noch nichts von München 1938 gehört oder gelesen? Naja, möglich wär's.
Zitat von john j
Und selbst wenn, was koennten Obama und die USA hier konkret tun (McCain's some kind of action...), eine task force der US Navy in den Persischen Golf senden oder den Import von iranischen Teppichen verbieten?

Nein. Wäre George W. Bush noch Präsident, dann hätte er, sobald der Wahlbetrug offenkundig war, diesen beim Namen genannt und gesagt, daß die USA die Demokraten im Iran unterstützten. Eine bare Selbstverständlichkeit. Nur eben nicht mehr unter Präsident Obama.



Zitat von john j
"Er verspricht den Mullahs, ihren Sturz nicht anzustreben, wenn sie außenpolitische Gegenleistungen erbringen."
Ich denke sie dehnen das Zitat Obama's bewusst uber das was gesagt wurde hinaus. Obama kann, ob er es anstrebt oder nicht, die Mullahs nicht stuerzen, das muessen und koennen die Iraner selber erledigen.

Regime change, lieber John, ist ein terminus technicus; es gibt dazu auch einen Artikel in der Wikipedia. Im weiteren Sinn ist es jeder Wechsel des politischen Systems, im engeren Sinn ein von außen herbeigeführter.

Das Regime in Teheran hat natürlich, wie jede Dikatur, Angst vor der Bevölkerung. Die USA haben bis zum Novemer 2008 natürlich auf vielfältige Weise versucht, das Regime zu destabilisieren. Wenn Obama ein Versprechen ankündigt, das nicht mehr zu tun, dann ist das für die Mullahs fast so etwas wie eine Lebensversicherung.

Zitat von john j
"Es sind interessanterweise oft diejenigen Politiker, die wie Obama die Moral ständig im Munde führen, die die zynischste Realpolitik betreiben."
Ich weiss nicht woher sie diesen Zusammenhang konstruieren, aber ich halte ihn fuer eine ziemlich oberflaechliche Generalisierung. Gegenbeispiele dafuer gibt es auch genug: Nixon, Reagan oder Bush jr bspw, die weitgehend eine eiskalte Realpolitik verfolgten. Und da wo sie es nicht taten waren die Ergebnisse, nun ja, nicht optimal (siehe Bush jr).

Nixon war ein skrupelloser Egoist, in vielem Obama sehr ähnlich. Das geht bis in die Details - so wie Obama dieses Affentheater um den Hund der Familie veranstaltet hat, hat Nixon den berühmten Hund Checkers dazu verwendet, die Amerikaner zu Tränen zu rühren.

Obama ist kein zweiter Kennedy, sondern allenfalls ein zweiter Nixon. Ich habe dazu im April diesen Artikel geschrieben.

Ronald Reagan und George W. Bush haben beide eine auf Werten basierende Politik betrieben. Ihr Ziel war es, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu schützen und, sofern möglich, auszubreiten. Obama will das offensichtlich nicht.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.06.2009 01:09
#41 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Zitat von Omni
Ich seh bei dieser Diskussion die Vermutung bestätigt, dass alle Argumentation im Kern ergebnisorientiert ist. Das Urteil über Obamas Politik scheint mir, ist längst gefällt worden, also wird jetzt fast jede denkbare Interpreationsgrundlage zitiert, um aus seiner Politik alles denkbare Schlechte herauszulesen (...)

Sie haben Recht, lieber Omni: Ich habe meine anfangs neutrale Beurteilung von Barack Obama im Lauf des Wahlkampfs geändert, als ich hinreichend viele von seinen demagogischen Auftritten in CNN gesehen hatte. Sie können das, wenn Sie Zeit und Lust haben, in ZR nachverfolgen.

Und naürlich vesuche ich wie jeder Mensche, neue Informationen zunächst einmal in meine bestehenden Meinungen zu integrieren. Wer das nicht tut, dessen Meinungen schwanken wie - nein, schlimmer als ein Blatt im Wind; sagen wir, wie Espenlaub.

Also Sie haben Recht: Nachdem ich über von Barack Obama seit ungefähr eineinhalb Jahren viel gesehen gehört, gelesen und auch manches über ihn geschrieben habe, hat sich in mir ein Bild verfestigt. Und natürlich versuche ich, seine aktuellen Handlungen in dieses Bild zu integrieren.

Das tut jeder. Nur muß man aufpassen, daß man dabei die Fakten nicht außer Acht läßt. Es könnte ja sein, daß Obama ganz anders ist, als es meinem Bild entspricht. Es könnte sein, daß er im Augeblick das Ziel verfolgt, die persischen Demokraten mit allen Kräften zu unterstützen und das Regime der Mullahs zu stürzen.

Nur sehe ich, lieber Omni, keine Fakten, die dafür sprechen. Also bleibe ich - pending revision - bei meinem Bild.
Zitat von Omni
und es werden plötzlich moralische Standards für amerikanische Außenpolitik festgesetzt, die von keinem US-Präsidenten eingehalten wurden.

Das sehe ich überhaupt nicht. Ich habe gerade John J. gebeten, mir ein Beispiel dafür zu nennen, daß in einer Situation wie jetzt im Iran sich eine amerikanische Regierung nicht auf die Seite der Demokraten gestellt hätte.
Zitat von Omni
Und wenn ich mich richtig erinnere haben Sie doch auch mal darauf hingewiesen, dass "Populismus" im amerikanischen Raum nicht zwangsläufig einen negativen Beigeschmack hat.

Habe ich das? Ich kann mich leider nicht erinnern. Es kommt mir eher unwahrscheinlich vor.
Zitat von Omni
Wenn der US-Präsident sich an dem orientiert, was die Mehrheit seines Wahlvolkes wünscht, was ist daran eigentlich so schlecht? Als derjenige, der im Namen der Vereinigten Staaten internationale Verträge abschließen darf, muss er sich mit seinen Äußerungen doch gerade an der Idee davon orientieren, was "die Vereinigten Staaten" denken. Und wieso soll sich das angesichts einer Eskalation nicht auch mal ändern?

Außenpolitik darf nicht von solchen Erwägungen bestimmt werden. Das ist nachgerade ein Maßstab, an dem man messen kann, ob ein Politiker anständig ist.

Herzlich, Zettel

Omni Offline



Beiträge: 255

23.06.2009 02:43
#42 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

In Antwort auf:

Und naürlich vesuche ich wie jeder Mensche, neue Informationen zunächst einmal in meine bestehenden Meinungen zu integrieren


Das ist nicht das, was ich meine. Natürlich hat jeder, der über die Handlungen und Motive von Barack Obama nachdenkt, ein Modell von Obama im Kopf in dem ein Haufen Prämissen stecken. Aber es ist ein großer Unterschied ob Sie anerkennen dass wir alle ein solches Modell im Kopf haben oder ob Sie mir zustimmen, dass niemand für sich in Anspruch nehmen kann, ein Modell zu besitzen, welches nur durch äußere Widersprüche in Frage zu stellen ist. Die Theologie kann doch als Beleg dienen, dass alle Aussagen auslegbar und relativierbar sind nach geradezu beliebiger Intention. Deswegen wird Sie wohl kaum jemals eine Äußerung Obamas dazu bringen, Ihr Modell von Ihm zu überdenken. Denn alle seine Äußerungen interpretieren Sie ja grade mit ebenjenem Modell. Aus diesem Grund bedeutet die Annahme, nur die Falsifikation könne das eigene gedankliche Modell stürzen, dass es in der Regel nie gestürzt wird.

Das Problem an dieser Diskussion und das, behaupte ich, was Ihnen hier von mehreren Personen vorgeworfen wird, ist doch, dass Sie mit dem Begriff des "beschämenden Verhaltens" eine Kategorie eingeführt haben, die in hohem Maße mit "Intention" zusammenhängt und Intention eine Größe ist, die "weit entfernt ist" von "messbaren" Größen - was freilich ein dehnbarer Begriff ist - aber es geht mir jetzt um die Größenordnungen. Wir können uns über halbwegs messbare Größen unterhalten wie den Verlauf der Proteste im Iran. Die Intention Obamas aber kann nur aus dem gedanklichen Modell, was jeder von Obama besitzt, abgeleitet werden und wie Sie sehen, haben wir alle unterschiedliche Modelle von ihm im Kopf. Ist es da nicht sinnvoller, sich auf Kategorien zu beschränken, die näher an der Messbarkeit liegen? Ich meine bei der Frage, ob Obama jetzt die Mullahs unterstützt oder die Opposition oder irgendwas dazwischen oder keins von beidem reden wir von Unterschieden in den Prämissen, wo man nicht mit Occams Klinge oder ähnlichem argumentieren kann. Zwei Menschen aus unserem Kulturkreis mit vergleichbarer Vorbildung können offensichtlich zu 2 völlig grundverschiedenen Urteilen darüber kommen. Muss dann wirklich ein, vor allem auch noch moralisches, Urteil sein?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.06.2009 06:44
#43 Modelle und Argumente Antworten

Zitat von Omni
Natürlich hat jeder, der über die Handlungen und Motive von Barack Obama nachdenkt, ein Modell von Obama im Kopf in dem ein Haufen Prämissen stecken. Aber es ist ein großer Unterschied ob Sie anerkennen dass wir alle ein solches Modell im Kopf haben oder ob Sie mir zustimmen, dass niemand für sich in Anspruch nehmen kann, ein Modell zu besitzen, welches nur durch äußere Widersprüche in Frage zu stellen ist. Die Theologie kann doch als Beleg dienen, dass alle Aussagen auslegbar und relativierbar sind nach geradezu beliebiger Intention. Deswegen wird Sie wohl kaum jemals eine Äußerung Obamas dazu bringen, Ihr Modell von Ihm zu überdenken. Denn alle seine Äußerungen interpretieren Sie ja grade mit ebenjenem Modell. Aus diesem Grund bedeutet die Annahme, nur die Falsifikation könne das eigene gedankliche Modell stürzen, dass es in der Regel nie gestürzt wird.

Das ist nicht so, lieber Omni. Gewiß unterscheiden sich Menschen darin, wie sehr oder wie wenig sie bereit sind, ihre Meinung im Licht neuer Erfahrungen zu revidieren. Ich vermute, daß ich so ungefähr in der Mitte liege, eher etwas in Richtung größere Bereitschaft zur Revision.

Ich hatte zB bis Anfang der achtziger Jahre das typische "linksliberale" Bild von der DDR. Noch ungefähr 1982 oder 1983 habe ich einmal einem Verwandten, mit dem wir uns in der Nähe von Berlin treffen konnten, auf einem Waldspaziergang (nur da konnte man reden, ohne vermutlich belauscht zu werden) gesagt: Vieles ist halt in eurem System besser, vieles in unserem.

Meine Meinung habe ich erst allmählich revidiert, als ich in einer internationalen Forschergruppe gearbeitet habe, in der ein tschechischer Kollege, eine Kollegin aus Polen und ein Kollege war, der vor Jahren aus Polen geflohen war. Die haben mich in nächtelangen Diskussionen über das Wesen des real existierenden Sozialismus aufgeklärt. Das ganze Ausmaß der Verbrechen, der Armut und der Unterdrückung im Sozialismus habe ich aber erst nach 1989 begriffen.

Also, verzagen Sie nicht, lieber Omni - wenn es entsprechende Informationen gibt, werde ich auch mein Bild von Barack Obama revidieren. Ich glaube allerdings, eher if als when.
Zitat von Omni
Das Problem an dieser Diskussion und das, behaupte ich, was Ihnen hier von mehreren Personen vorgeworfen wird, ist doch, dass Sie mit dem Begriff des "beschämenden Verhaltens" eine Kategorie eingeführt haben, die in hohem Maße mit "Intention" zusammenhängt und Intention eine Größe ist, die "weit entfernt ist" von "messbaren" Größen - was freilich ein dehnbarer Begriff ist - aber es geht mir jetzt um die Größenordnungen. Wir können uns über halbwegs messbare Größen unterhalten wie den Verlauf der Proteste im Iran. Die Intention Obamas aber kann nur aus dem gedanklichen Modell, was jeder von Obama besitzt, abgeleitet werden und wie Sie sehen, haben wir alle unterschiedliche Modelle von ihm im Kopf. Ist es da nicht sinnvoller, sich auf Kategorien zu beschränken, die näher an der Messbarkeit liegen?

Das finde ich nicht, lieber Omni. Denn solche Modelle sind ja nicht beliebig. Sie brauchen, wenn sie etwas taugen sollen, ein fundamentum in re, wie man das im Nominalismus-Streit nannte, eine Fundierung in der Sache selbst.

Und darüber diskutieren wir eben, welches Modell die bessere Fundierung in den Tatsachen hat. Wir stellen die Modelle einander gegenüber, jeder verteidigt das seinige. So sieht aus meine Sicht eine fruchtbare Diskussion aus. Wobei es - und in dieser Hinsicht kann ich die Diskutanten hier im Forum nur loben - darauf ankommt, daß man einander nicht einfach seine jeweilige Meinung mehr oder weniger emotional an den Kopf wirft (wie in so vielen Blogs und Foren), sondern daß man mit Begründungen argumentiert.
Zitat von Omni
Zwei Menschen aus unserem Kulturkreis mit vergleichbarer Vorbildung können offensichtlich zu 2 völlig grundverschiedenen Urteilen darüber kommen. Muss dann wirklich ein, vor allem auch noch moralisches, Urteil sein?

Muß nicht, darf aber. Schauen Sie, über Präsident Bush diskutierte in Deutschland kaum jemand, ohne ständig ein "moralisches Urteil" einfließen zu lassen. Über den Neoliberalismus kann man mit vielen Menschen kaum diskutieren, ohne daß sie ihr moralisches Urteil zu Protokoll geben. Warum nicht auch über Obama?

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

23.06.2009 08:26
#44 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Zitat von Omni
Ich seh bei dieser Diskussion die Vermutung bestätigt, dass alle Argumentation im Kern ergebnisorientiert ist. Das Urteil über Obamas Politik scheint mir, ist längst gefällt worden, also wird jetzt fast jede denkbare Interpreationsgrundlage zitiert, um aus seiner Politik alles denkbare Schlechte herauszulesen und es werden plötzlich moralische Standards für amerikanische Außenpolitik festgesetzt, die von keinem US-Präsidenten eingehalten wurden.


Naja, es ist eine Sache Obama an seinem selbsterzeugten Hype zu messen - da muß er natürlich scheitern (was seine eigene Schuld ist).

Ein anderes ist aber zu fordern, er solle gefälligst entsprechend seinen Irrtümern gemäß handeln. Ich für meinen Teil bin froh, daß er hier realpolitisch vorgeht.*

Zitat von Omni
Und wenn ich mich richtig erinnere haben Sie doch auch mal darauf hingewiesen, dass "Populismus" im amerikanischen Raum nicht zwangsläufig einen negativen Beigeschmack hat.


Ich habe das auch so in Erinnerung.

Zitat von Omni
Wenn der US-Präsident sich an dem orientiert, was die Mehrheit seines Wahlvolkes wünscht, was ist daran eigentlich so schlecht? Als derjenige, der im Namen der Vereinigten Staaten internationale Verträge abschließen darf, muss er sich mit seinen Äußerungen doch gerade an der Idee davon orientieren, was "die Vereinigten Staaten" denken. Und wieso soll sich das angesichts einer Eskalation nicht auch mal ändern?


Nö, muß er nicht und soll er nicht. Er ist der gewählte Präsident, der Kongress das gewählte Parlament. Der Präsident unterzeichnet und muß bestenfalls auf den ratifizierenden Kongress Rücksicht nehmen (kann dies aber für Luftnummbern auch einkalkulieren, so wie Clinton). Das Volk hat bei der Wahl gesprochen, danach gibt es dann sowieso nur noch Meinungen von Sondergruppen und/oder v.a. Medien, die sich als Volkes Stimme gerieren.

Wenn ich sage, daß ich froh bin, wenn Obama realpolitisch vorgeht und ihn deshalb gegen die ungerechtfertigen Angriffe verteidige (der gerechtfertigten gibt es ohnehin genug), heißt das aber nicht ins andere Extrem zu verfallen:

vor einer halben Stunde wurde ein Herr Münzenich von der SPD im DLF interviewt, der ernsthaft meinte, die Wahl Obamas habe die iranischen Proteste erst möglich gemacht ("hat der iranischen Jugend erst Hoffnung gegeben"). Herr Trittin sprach gestern ähnlich. Das ist wieder Obamania running wild - Info an die Obamaniacs: Obama ist nicht das Zentrum des Universums sondern - von seinem Amt abgesehen - eine ziemliche unbedeutende Person.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)

Verfassungsfeinde ... in den Tschad!!!

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

23.06.2009 08:32
#45 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Zitat von Zettel
Nach meinem besten Wissen ist Präsident Obama der erste Führer eines demokratischen Landes, der sich in einer solchen Situation neutral verhalten hat. Irre ich mich? Dann geben Sie bitte Gegenbeispiele.


Belegen Sie doch erstmal ihre kategorische Behauptung.

Nein, tatsächlich haben sich die allermeisten demokratisch Regierende in einer solchen Situation neutral verhalten - so wie es sich auch gehört.

Und was soll überhaupt das Gerede von der Diktatur? Wer vom Iran reden will, darf von der Türkei nicht schweigen.

In Antwort auf:
Nein. Wäre George W. Bush noch Präsident, dann hätte er, sobald der Wahlbetrug offenkundig war, diesen beim Namen genannt und gesagt, daß die USA die Demokraten im Iran unterstützten.


Ob ein Wahlbetrug offenkundig wäre, hätte Bush wohl wenig interessiert. Er hätte - so wie andere jetzt - das einfach postuliert. Eine bare Selbstverständlichkeit.

In Antwort auf:
Obama kann, ob er es anstrebt oder nicht, die Mullahs nicht stuerzen, das muessen und koennen die Iraner selber erledigen.


Eben! Hat dieser Neocon-Wahn, für Regime Change in anderen Ländern zuständig zu sein, nicht schon genug Schaden angerichtet, inklusive die Bush-Präsidentschaft in ihr Gegenteil verkehrt.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

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str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

23.06.2009 08:40
#46 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

Ja, ein moralisches Urteil muß sein. Die Welt krankt eher an einem zu wenig als an einem zuviel an Moral.

Aber etwas weniger schrill könnte man es formulieren: hier ist nichts beschämend, eher ernüchternd und (für manche) enttäuschend.

Der Vergleich mit München 1938 ist übrigens nicht statthaft, denn Obama hat ja bisher keine außenpolitischen Konzessionen a la "wir treten das schiitische Basra ab" geleistet. An Regime Change hat 1938 im Ausland richtigerweise niemand gedacht.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

23.06.2009 10:45
#47 Where Is Everyone? Antworten

Ich finde, das hier passt recht gut in diesem Thread:

Zitat von Ben Caspit and Ben-Dror Yemini in Ma'ariv
Tell us, where is everyone? Where did all the people who demonstrated against Israel’s brutality in Operation Cast Lead, in the Second Lebanon War, in Operation Defensive Shield, or even in The Hague, when we were dragged there unwillingly after daring to build a separation barrier between us and the suicide bombers, disappear to? We see demonstrations here and there, but these are mainly Iranian exiles. Europe, in principle, is peaceful and calm. So is the United States. Here and there a few dozens, here and there a few hundreds. Have they evaporated because it is Tehran and not here?

...

Imagine that this were not happening now in Tehran, but rather here. Let’s say in Nablus. Spontaneous demonstrations of Palestinians turning into an ongoing bloodbath. Border Policemen armed with knives, on motorcycles, butchering demonstrators. A young woman downed by a sniper in midday, dying before the cameras. Actually, why imagine? We can just recall what happened with the child Mohammed a-Dura. How the affair (which was very harsh, admittedly) swept the world from one end to another. The fact that a later independent investigative report raised tough questions as to the identity of the weapon from which a-Dura was shot, did not make a difference to anyone. The
Zionists were to blame, and that was that.

...

A source who is connected to the Iranian and security situation, said yesterday that if Obama had shown on the Iranian matter a quarter of the determination with which he assaulted the settlements in the territories, everything would have looked different. “The demonstrators in Iran are desperate for help,” said the man, who served in very senior positions for many years, “they need to know that they have backing, that there is an entire world that supports them, but instead they see indifference. And this is happening at such a critical stage of this battle for the soul of Iran and the freedom of the Iranian people. It’s sad.”


http://yaacovlozowick.blogspot.com/2009/...onstrators.html
http://www.nrg.co.il/online/1/ART1/906/744.html

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

john j Offline




Beiträge: 591

23.06.2009 14:51
#48 RE: Obamas Position erläutert im "Economist" Antworten

"Dazu hätte es keiner öffentlichen Verlautbarungen des Präsidenten bedurft. Im Gegenteil, die Verschwörung ist ja erst dann glaubhaft, wenn sie im Geheimen geschieht."

Immerhin zielen die hardliner ja gerade auf die BBC die mit die umfangreichste Berichterstattung von den Unruhen bietet - und es ist immer schoen fuer die Antidemokraten wenn sie ihre Gegener oeffentlich aufs Korn nehmen koennen.

"Wenn, lieber John, irgendwo auf der Welt eine Revolution gegen eine Dikatur im Gang ist, dann haben sich die demokratischen Länder bisher immer auf die Seite der Demokraten gestellt. Ich kenne keine Ausnahme. Kennen Sie eine?"

Dutzende. Aber bevor ich den ganzen Tag damit verbringe die alle aufzuschreiben eine Frage an sie: Sie kennen sich also ganz genau aus mit dem was im Iran gerade passiert? Wissen dass Moussavi ein "lupenreiner" (ein boeses Wort, ich weiss) Demokrat ist und wissen a uch welche Rolle bspw Chamenei oder Laridjani hier spielen?


"Nach meinem besten Wissen ist Präsident Obama der erste Führer eines demokratischen Landes, der sich in einer solchen Situation neutral verhalten hat."

Was heisst hier neutral? Nur weil Obama nicht in den hektischen und kurzsichtigen Aktionismus bspw seines Vorgaengers verfaellt?

"Was ist das für eine Politik, die Diktaturen schont, nur damit man mit ihnen verhandeln kann? Hat Obama denn noch nichts von München 1938 gehört oder gelesen?"

Von "Diktaturen schonen" war keine Rede - aber Laender und Regimes wie der Iran existieren eben ob es uns nun passt oder nicht. Und man muss sie nicht "schonen" aber man sollte ihre Existenz auch nicht ignorieren. Und was Muenchen hier zu suchen hat ist ihr Geheimnis.

"Wäre George W. Bush noch Präsident, dann hätte er, sobald der Wahlbetrug offenkundig war, diesen beim Namen genannt und gesagt, daß die USA die Demokraten im Iran unterstützten."

DAS waere zu komisch gewesen - G W Bush prangert Wahlbetrug an! Und Obama unterstuetzt die Demokraten (wenn es sich um sockhe handelt) im Iran. Vllt nicht mit der martialischen Rhetorik eines Bush aber das ist auch besser so.

"Die USA haben bis zum Novemer 2008 natürlich auf vielfältige Weise versucht, das Regime zu destabilisieren"

Woher wissen sie das? Und was genau haben die USA unternommen?

"Wenn Obama ein Versprechen ankündigt, das nicht mehr zu tun, dann ist das für die Mullahs fast so etwas wie eine Lebensversicherung."

Wie man gerade sieht haetten die Mullash hier evt die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Und Obama's Zitat das sie staendig anfuehren war 2007 in dem Kontext "regime change durch Invasion" gefallen.

"Obama will das offensichtlich nicht."

Kann sein. Zumindest aber will er "Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit" nicht auf dem Umweg von Fremdbestimmung, Unterdrueckung und Rechtlosigkeit verbreiten. Und das ist doch schon mal was.


Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.06.2009 16:01
#49 RE: Where Is Everyone? Antworten

Zitat von Gorgasal
A source who is connected to the Iranian and security situation, said yesterday that if Obama had shown on the Iranian matter a quarter of the determination with which he assaulted the settlements in the territories, everything would have looked different.

Und dieser Zusammenhang könnte, lieber Gorgasal, enger sein als nur in Bezug auf die Entschlossenheit des Präsidenten.

Er will offensichtlich Israel zwingen, das Zwei-Staaten-Modell des Königs Abdullah zu akzeptieren, dessen Kern es ja bekanntlich ist, daß die Israelis die Siedlungen im Westjordanland räumen sollen, während zugleich palästinensische "Flüchtlinge" (dh deren Nachkommen) nach Israel zurückkehren dürfen. Mit anderen Worten, das Ende des Staats Israel in seiner jetzigen Form.

Um das durchzusetzen, kann Obama keine Krise im Iran brauchen. Das Ziel, das er ja Ende 2007 deutlich benannt hat, ist ein Deal mit den iranischen Machthabern. Sie sollen in die Große Friedenslösung einbezogen werden.

Nichts käme da ungelegener als ein Regimewechsel im Iran. Welches Druckmittel gäbe es noch gegen Israel, wenn der Iran als Machtfaktor ausfiele?

Herzlich, Zettel

Omni Offline



Beiträge: 255

23.06.2009 16:42
#50 RE: Where Is Everyone? Antworten

In Antwort auf:

A source who is connected to the Iranian and security situation, said yesterday that if Obama had shown on the Iranian matter a quarter of the determination with which he assaulted the settlements in the territories, everything would have looked different.


Na klar. Das ist doch mal eine verlässliche Quelle für die These, eine Äußerung Obamas hätte den Verlauf der Geschichte völlig verändert. Aber mal davon abgesehen gehts in diesem Satz doch nicht darum, wie Obama den Iranern angeblich geholfen hätte, sondern tatsächlich ist das doch bloß ein weinerliches Jammern darüber, dass der Präsident die in dem Satz als "Settlements in the Territories" bezeichneten expansiven Siedlungsprojekte im Westjordanland nach Meinung des Schreibers schärfer kritisiert hat als die iranische Armeeführung. In diesem Sinne passt der Beitrag also weniger in diesen Thread als in einen Thread zu Äußerungen Obamas zur israelischen Förderung von Siedlungen im Westjordanland.

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