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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 64 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.08.2009 22:58
#26 RE: einmalige HISTORISCHE Chance im Bundesrat Antworten

Zitat von Florian
Eine solche Situation von gleichlautenden Mehrheiten in beiden Kammern über eine gesamte Legislaturperiode gab es vermutlich zuletzt in den 60er Jahren. Es besteht daher wirklich die Chance des "Durchregierens".

Ich stimme Ihrer Analyse zu, lieber Florian. Nur ist sie leider nicht entscheidungsrelevant. Denn wenn Schwarzgelb eine numerische Mehrheit bekommt, dann wird man auch gemeinsam regieren. Entscheidungssituationen ergeben sich erst in dem Fall, daß es diese Mehrheit nicht gibt.

Ihre Analyse ist also mehr ein Appell an die Wähler. Nur werden ja nur diejenigen das, was Sie eine Chance nennen, als eine solche sehen, die ohnehin Anhänger der FDP oder der Union sind.

Trotzem vielen Dank! Solche Beiträge, die anhand von konkreten Daten argumentieren, haben immer meine besondere Sympathie.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.08.2009 23:07
#27 RE: Zettels Kreuzchen Antworten

Lieber (oder war's "liebe"? Hab's leider vergessen) Juno,

Sie nennen etliche Gründe, warum es für die FDP schlecht wäre, in eine Ampel zu gehen. Ich stimme Ihnen darin zu. Weitere Gründe (zB die Schwäche der FDP gegenüber den beiden Linksparteien in einer solchen Regierung) haben wir ja auch schon früher erörtert.

Nur, wenn das so ist - warum in aller Welt hat die FDP sich dann nicht längst festgelegt, daß sie nicht in ein Kabinett Steinmeier eintreten wird? Warum immer diese Hintertürchen, wie hier im Thread anhand des "Spiegel"-Interviews noch einmal aufgezeigt?

Entweder ist es, wie RexCramer vermutet - die FDP will den Anschein erwecken, sie ginge eventuell doch in eine solche Koalition, um sich aus dem sozialdemokratischen Wählerpool den einen oder anderen Fisch zu angeln. In Wirklichkeit will sie das aber gar nicht. Sie versucht also die Wähler zu täuschen. Ich glaube das nicht; es wäre ja schon recht dreist.

Oder aber man denkt eben doch darüber nach, dann, wenn nur noch die Alternative Volksfront oder Ampel bleibt, in die Ampel zu gehen. Mit der Begründung, man hätte das zwar immer für "ausgeschlossen gehalten" (aber eben nur "gehalten"), und jetzt sei eben das Ziel, eine Machtbeteiligung der Kommunisten zu verhindern, so vorrangig, daß man schweren Herzens ... usw. Ich habe das ja in dem Artikel ausgeführt.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.08.2009 00:25
#28 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Wenn ich mich nicht täusche, ist R.A.s Frage noch nicht wirklich beantwortet: Welche Koalition würde Zettel bevorzugen, wenn die einzig mehrheitsfähigen Alternativen Ampel oder Dunkelrot-Grün wären? Ist Zettel ein Anhänger der Sonthofen-Strategie oder doch eher für Schadensbegrenzung?

Aus Sicht eines FDP-Wählers ist die Sache formell klar: Man geht mit dem zusammen, mit dem ein Maximum der eigenen Forderungen durchzusetzen ist. Der Beweis, dass dies in allen Fällen und unabänderlich nur Schwarz-Gelb sein kann, steht noch aus. Den Wahrscheinlichkeiten dieses Ereignisses zollen alle bisher bekannten Interviews mit Guido Westerwelle Respekt.

Ich wüsste nicht, was ein Parteitag da noch für Klarheit bringen sollte. Ist es den Unionswählern tatsächlich so wichtig, die FDP auch in der Opposition zu sehen, wenn es zu einer gemeinsamen Regierung nicht gereicht hat, oder wollen sie möglichst viel der Vertreter ihrer Interessen in die Regierungsverantwortung bzw. in das Ergebnis des Koalitionsvertrags bringen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.08.2009 00:58
#29 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Zitat von Rayson
Wenn ich mich nicht täusche, ist R.A.s Frage noch nicht wirklich beantwortet: Welche Koalition würde Zettel bevorzugen, wenn die einzig mehrheitsfähigen Alternativen Ampel oder Dunkelrot-Grün wären? Ist Zettel ein Anhänger der Sonthofen-Strategie oder doch eher für Schadensbegrenzung?

Ich habe sie zu beantworten versucht, lieber Rayson:
Zitat von Zettel
Zitat von R.A.
Die schwierige Frage war: Wollen Sie lieber eine Ampel oder eine Linksfront?

Naja, rhetorische Frage.

Nur erhöhe ich, wenn ich FDP wählen würde, ja mitnichten die Chance für eine Ampel als Alternative zur Volksfront. Denn wenn es nicht zu Schwarzgelb reicht - und nur in diesem Fall stellt sich ja überhaupt die Alternative - dann haben sowohl Ampel als auch Volksfront eine Mehrheit. Die Volksfront mit Sicherheit; die Ampel sehr wahrscheinlich. (Nur dann nicht, wenn die Kommunisten ihren Stimmanteil noch erheblich steigern würden).

Wenn beide Koalitionen numerisch möglich sind, dann spielt nicht die Zahl der sie jeweils tragenden Abgeordneten eine Rolle, sondern die Überlegungen, die ich in dem Artikel skizziert habe.

Rhetorische Frage, denn es liegt doch auf der Hand, daß die Ampel das geringer Übel wäre. Gibt es hier im Zimmer irgendwen,der lieber die Volksfront hätte? Bitte melden!

Aber für meine Wahltentscheidung ist das, wie erläutert, irrelevant. Denn ob es zur Ampel oder zur Volksfront kommt, hängt ja nicht davon ab, wie stark die FDP wird. Um es nochmal zu sagen: Die Volksfront hat dann notwendig eine Mehrheit, weil sie nach Mandaten die Komplementärmenge zu Schwarzgelb ist. Und damit die Ampel keine Mehrheit hätte, müßten mindestens die Kommunisten stärker sein als die FDP; was völlig unrealistisch ist.

Zitat von Rayson
Aus Sicht eines FDP-Wählers ist die Sache formell klar: Man geht mit dem zusammen, mit dem ein Maximum der eigenen Forderungen durchzusetzen ist. Der Beweis, dass dies in allen Fällen und unabänderlich nur Schwarz-Gelb sein kann, steht noch aus. Den Wahrscheinlichkeiten dieses Ereignisses zollen alle bisher bekannten Interviews mit Guido Westerwelle Respekt.

Heißt das, daß auch du es für möglich hältst, daß die FDP sich am Ende doch für die Ampel entscheidet?

Zitat von Rayson
Ich wüsste nicht, was ein Parteitag da noch für Klarheit bringen sollte.
Er soll bindend beschließen: Die FDP wird nicht in ein Kabinett Steinmeier eintreten.

Zitat von Rayson
Ist es den Unionswählern tatsächlich so wichtig, die FDP auch in der Opposition zu sehen, wenn es zu einer gemeinsamen Regierung nicht gereicht hat, oder wollen sie möglichst viel der Vertreter ihrer Interessen in die Regierungsverantwortung bzw. in das Ergebnis des Koalitionsvertrags bringen.


Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was die CDU-Wähler denken. Ich argumentiere als FDP-Wähler, der aber seine Partei nicht unter allen Bedingungen wählt. Ich werde es nicht tun - wie nun schon oft gesagt - wenn ich damit rechnen muß, mit meiner Stimme indirekt einen Kanzler Steinmeier und Minister wie Trittin und Künast zu wählen.

Ich kann das nicht; und weil ich es nicht kann, will ich es auch nicht.

Herzlich, Zettel

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

22.08.2009 01:00
#30 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Lieber Florian,

Zitat von Florian
@RexCramer:
Ich glaube auch nicht, dass Westerwelle eine Ampel machen würde.
Aber:
Klar ausgeschlossen hat er eine Ampel m.W. bislang nicht.
Wenn ich ihn in Interviews lese oder höre, dann z.B. mit diesen Worten:
"Ich halte eine Ampel für ausgeschlossen". (*)
Nennen Sie mich einen Korinthenkacker, aber das ist inhaltlich etwas anderes als:
"Ich schließe eine Ampel aus".
Westerwelle ist sicher in der Lage, seine Worte in einer so wichtigen Frage präzise abzuwägen.
(Gerade als möglicher zukünftiger Außenminister ist die präzise Wortwahl ja auch eine wichtige Eigenschaft).
Und wenn er etwas nicht "ausschließt" sondern lediglich "für augeschlossen hält", dann hat das eben eine andere Bedeutung.
Konkret:
Sollte es (wovon ich nicht ausgehe!) zur Ampel kommen, kann Westerwelle aufgrund seiner bisherigen Äußerungen ganz einfach sagen: ok, ich habe es für ausgeschlossen gehalten. Dah habe ich mich dann eben getäuscht. Wer hätte auch gedacht, dass SPD und Grüne uns inhaltlich so entgegen kommen würden.
Bei einem klaren "ich schließe aus" wäre ein anschließende Ampel hingegen ein Wortbruch.
(*) Sollte ich eine anderslautende und klarere Festlegung Westerwelles übersehen haben, bitte ich um die Fundstelle.


eine Quelle habe ich oben genannt: das "Sommerinterview" (im ZDF).

In Antwort auf:
ZDF: Also, wir haben heute Abend die klare Aussage: Ihre Wahlaussage ist Schwarz-Gelb und sonst nichts?

Westerwelle: Aber ohne Wenn und Aber. Ich habe das übrigens schon eine Woche vor der Bundestagswahl 2005 genauso gemacht: Meine Partei hat das auf einem Parteitag beschlossen, wie wir es dieses Mal auch wieder tun werden. Und das Ergebnis ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich auf unser Wort verlassen konnten. Ich habe vor der Wahl 2005 versprochen, ich will eine bürgerliche Mehrheit. Ich habe mich nach der Wahl daran gehalten, und zwar, obwohl Herr Schröder in einem sehr bemerkenswerten Fernsehauftritt an dem Abend uns kräftig umworben hat. Wenn wir Liberale uns entscheiden müssen zwischen einem Ministerposten und unserer Glaubwürdigkeit, dann entscheiden wir uns für unsere Glaubwürdigkeit. Wir halten Wort, das haben wir beim letzten Mal bewiesen, jetzt gerade erst in Hessen, und das ist doch ein Grund, warum wir so stark sind.


http://berlindirekt.zdf.de/ZDFde/inhalt/...7613679,00.html

Nichts außer Schwarz-Gelb ohne Wenn und Aber! Wo wollen Sie da noch einen Spielraum herausholen?
Weiter sagt er, daß das 2005 auf einem Parteitag so beschlossen wurde (eine Woche vor der Wahl), wie sie es auch dieses Mal wieder tun werden. Sie werden es tun, sagt er! Wo ist da das Problem? Glauben Sie der FDP nicht, daß sie diesen Parteitag veranstalten werden, daß man dort den zugesagten Beschluß nicht fassen wird oder beides nicht? Denn eindeutiger kann man es nun wohl nicht mehr sagen, daß es diesen Beschluß geben wird.
Weiterhin macht er den Hinweis, daß er längst hätte in der Regierung sein können, aber man stattdessen Wort gehalten hat und es auch dieses Mal wieder tun wird. Auch macht er klar, daß sie sich bei der Frage zwischen Ministerposten und Glaubwürdigkeit für die Glaubwürdigkeit entscheiden - im Zusammenhang, nur "Schwarz-Gelb und sonst nichts ohne Wenn und Aber" zu machen. Wo wollen Sie hier noch eine Hintertür finden? Was soll angesichts des Versprechens von 2005 und des deshalb ausgeschlagenen Angebotes, damals in die "Ampel" zu gehen, wofür sie auch dieses Mal ihr Wort geben, noch unklar sein?

Gründe, warum es durchaus vernünftig für die FDP ist, nicht schon lange vor der Wahl diesen Beschluß formal zu fassen - obwohl klar ist, daß es ihn geben wird -, hatte ich vor diesem Interview schon genannt: http://83273.homepagemodules.de/topic-th...4&message=24870 Leider hatte das kaum interessiert.

MfG

Florian Offline



Beiträge: 3.136

22.08.2009 09:10
#31 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Ok, überzeugt mich.

Danke für die Quelle und die ausführliche Antwort.



Jetzt warte ich nur noch auf jemanden, der mir eine ähnlich eindeutige Quelle für die SPD und eine Absage an eine Linksfront auf Bundesebene benennt...

Juno Offline



Beiträge: 332

22.08.2009 14:46
#32 RE: Zettels Kreuzchen Antworten

Lieber Zettel,

auch ich sehe in den Äußerungen Westerwelles natürlich ein kleines Hintertürchen. Gründe dafür könnten sein:

- interessant bleiben für die Medien, damit der Wahlparteitag am 20.9. - auf dem möglicherweise eine klare Aussage beschlossen wird - noch genug Beachtung findet.
- nach allen Seiten den Eindruck vermeiden, man sei nur ein beliebig verfügbares Anhängsel der Union, so wie das gegen Ende der Ära Kohl/Kinkel der Fall war. (Jedenfalls hat das Westerwelle damals selbst schmerzlich so wahrgenommen, wie man in der lesenswerten Biografie von Majid Sattar erfahren kann. Dass die FDP heute wieder ganz auf eigenen Beinen steht, dürfte Westerwelle als seine wichtigste Leistung als Parteivorsitzender betrachten)

M.E. ist ziemlich offensichtlich, dass eine Ampel die Volksfront nicht dauerhaft verhindern könnte. Sie würde das Ganze nur etwas aufschieben. Das Projekt einer strategischen "linken Mehrheit", die man ja aus vielen Umfragen und Wahlergebnissen herauslesen kann, ist einfach für die meisten Genossen und auch Grünen viel zu attraktiv.

Die Frage ist also, ob die FDP das Argument "Keine Volksfront!" trotzdem opportunistisch nutzen würde, um wenigstens vorübergehend mal wieder mitregieren zu dürfen. Mag sein, dass ich viel zu naiv bin - aber für derart kurzsichtig halte ich die FDP-Führung nicht.

Was ich sonst noch sagen wollte: Herzlichen Dank für Raum und Zimmer!



Dagny Offline



Beiträge: 1.096

22.08.2009 15:10
#33 RE: Zettels Kreuzchen Antworten

Ganz genau, lieber Juno. Die FDP ist die liberale Partei in D. und nicht das wirtschaftspolitische Anhaengsel der Union. Zum (klassischen) Liberalismus gehoeren auch Positionen, die fuer die Union untragbar sind, ja untragbar sein muessen. (Deshalb ist Friedrich Maerz ja nicht in die FDP gewechselt, weil er zwar ein Marktwirtschaftler aber kein Liberaler ist).

Der Wahlkampf muss zum einen die Spannung bis in die Kabine bringen - nichts schlimmer als wenn die eigenen Waehler zuhause bleiben, weil 'ja eh alles gelaufen ist'. Die FDP hat zum anderen einen harten Kern echt liberale Waehler, sie profitiert aber auch von entaueschten CDUlern und sie profitiert weiter von realistischen Ex-SPDlern; Westerwelle kann diese mit seinen Ausserungen ggf. ansprechen.

Zu guter letzt, lieber Zettel, weiss man wirklich nie so genau was man bekommt: Wer vor 4 jahren CDU gewaehlt hat, weil er in Angela Merkel die deutsche Maggie Thatcher sah, hat 4 weitere Jahre Schroeder-III bekommen.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

22.08.2009 23:24
#34 RE: Zettels Kreuzchen Antworten

Darf ich als politisch völlig Unbedarfter eine Frage stellen?

Kann es sein, dass die FDP bislang keine verbindliche Aussage wider den Eintritt in eine Regierung Steinmeier gemacht hat, weil es eben der Parteitag kurz vor der Wahl ist, der solch eine Entscheidung trifft, nicht der Parteivorsitzende, nicht das Präsidium?

Umgekehrt gefragt: wenn Westerwelle sich kategorisch für Schwarz-Gelb aussprechen würde, könnte ihm dann die Partei nicht mit Recht den Kopf waschen, weil sie übergangen wurde, selbst wenn seine Aussage sich mit der Ansicht der Partei deckt?

Immerhin erinnere ich mich dunkel, dass im Parteiengesetz etwas von innerparteilicher Demokratie steht, aber seit die Linke eine akzeptierte Partei ist, habe ich nicht mehr den Eindruck, das deutsche Parteienrecht zu durchschauen...

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.08.2009 00:09
#35 RE: Zettels Kreuzchen Antworten

Zitat von Gorgasal
Kann es sein, dass die FDP bislang keine verbindliche Aussage wider den Eintritt in eine Regierung Steinmeier gemacht hat, weil es eben der Parteitag kurz vor der Wahl ist, der solch eine Entscheidung trifft, nicht der Parteivorsitzende, nicht das Präsidium?

Sie haben völlig Recht, lieber Gorgasal. Und der Parteitag, der das hätte entscheiden sollen, war aus meiner Sicht der in Hannover im Mai, also rechtzeitig vor den Wahlen. Eine Wochen vor den Wahlen haben die meisten Wähler sich schon entschieden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas zu dem Beitrag von Rex Cramer sagen. Es stimmt, daß die Festlegung von Westerwelle in dem ZDF-Interview überzeugend klingt.

Aber exakt dasselbe hat er auch schon im Mai gesagt, vor dem Parteitag. Ich habe das damals für meine Verhältnisse geradezu begeistert kommentiert. Und dann kam der Parteitag, und nichts war es mit der eindeutigen Absage an die Ampel.

Also, ich bin da a bisserl ein gebranntes Kind, und ich will gar nicht leugnen, daß ich aus dieser schon sehr starken Enttäuschung über Westerwelle heraus jetzt so skeptisch bleibe. Ich habe meinem Ärger damals in diesem Beitrag Luft gemacht.



Ich halte es inzwischen ja auch für relativ wahrscheinlich, daß Schwarzgelb eine Mehrheit schafft. Dann erledigt sich die Frage. Und wenn nicht, dann ist trotz der vier Probleme bei der SPD, die ich in dem Artikel genannt habe, immer noch das Wahrscheinlichste, daß es zu einer Großen Koalition kommt.

Was aber eben passieren kann, das ist, daß man zwar über eine Große Koalition verhandelt, daß aber der Druck aus der SPD heraus so stark ist, daß das scheitert. Wenn sich die Grünen dann auch Jamaika verweigern, dann - und erst dann! - entsteht, denke ich, eine Situation in der FDP, daß sie am Ende vielleicht doch in eine Ampel geht.
Und wenn nicht - dann habe ich meine Wette verloren und zahle gern für das Bier.

(Man sollte immer wetten, daß das eintritt, was man nicht will - entweder freut man sich dann, daß es nicht eingetreten ist, oder man freut sich über die gewonnne Wette. )

Herzlich, Zettel

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

23.08.2009 05:11
#36 RE: Zettels Kreuzchen Antworten

Lieber Zettel,

Zitat von Zettel
Also, ich bin da a bisserl ein gebranntes Kind, und ich will gar nicht leugnen, daß ich aus dieser schon sehr starken Enttäuschung über Westerwelle heraus jetzt so skeptisch bleibe. Ich habe meinem Ärger damals in diesem Beitrag Luft gemacht.


genau diese Enttäuschung ist es bzw. die ganze Aufregung um dieses Thema insgesamt, die ich die ganze Zeit nicht nachvollziehen kann - weshalb ich da so vehement gegenan schreibe.
Es werden Aussagen solange zerlegt und interpretiert, bis am Ende mehr herausgelesen wird, als sie eigentlich hergeben - jedenfalls für meinen Geschmack. Diese Frage möglicher Koalitionen und die Rolle der FDP, die sich ja nun schon über verschiedene Diskussionsstränge hinzieht, trieft nur so von Spitzfindigkeiten und hypothetischen Szenarien. Habe ich nichts dagegen und kann man alles debattieren, aber es wird ein wesentlicher Punkt regelmäßig unterschlagen, wozu ich noch kommen werde.

Im Grunde gibt es drei Möglichkeiten, wie man die Sache sehen kann:
1. Man ist mit Westerwelles bisherigen Aussagen zufrieden und vermag keinen Spielraum mehr zu erkennen, daß die FDP doch in eine "Ampel" gehen könnte.
2. Die Zusagen sind einem nicht eindeutig genug und man wittert eine Hintertür. In diesem Fall sollte der angekündigte formale Parteitagsbeschluß kurz vor der Wahl Abhilfe schaffen.
3. Man glaubt weder Westerwelle noch einem Beschluß und meint, die FDP könnte trotzdem in die "Ampel" gehen. Möglicherweise aufgrund der in linken Kreisen beliebten Theorie, nach x Jahren "müsse man in die Regierung" - oder warum auch immer.

Im ersten und dritten Fall ist klar, was man macht: Es gibt keinen Grund, deshalb die FDP nicht zu wählen und kann beruhigt sein Kreuzchen machen, während man nicht für sie stimmen kann, falls man ihr sowieso gar nichts glauben sollte. Die Diskussion kann sich also nur um den zweiten Fall drehen, wenn einem die Aussagen bislang ohne Beschluß nicht reichen, worum es hier im Forum schließlich auch geht.
Dennoch halte die Debatte darüber, wie die Sache ohne Beschluß aussieht, für nicht angebracht. Denn die wäre ja nur dann sinnvoll, wenn man davon ausgehen müßte, daß es keinen geben wird. Nur dann müßte man sich Gedanken machen, wie belastbar alle bisherigen Aussagen gegen die "Ampel" sind. Das ist aber kaum realistisch, denn es wurde ganz klar gesagt (in o. g. Interview längst nicht zum ersten Mal), daß man es wie 2005 handhaben und kurz vor der Wahl diesen Beschluß fassen wird. Westerwelle hat das versprochen - und ich kann nicht entdecken, wieso daran irgendwelche Zweifel bestehen sollten. Wenn wir aber davon ausgehen, daß es diesen Beschluß geben wird, dann kann man auch im zweiten Falle ganz entspannt sein und einfach abwarten. Ausgehend hiervon gäbe es erst dann wieder Grund zur Diskussion, falls man an Westerwelles dbzgl. Aussagen zweifelt bzw. daran, daß es diesen Beschluß geben wird. Genau das hat aber niemand hier im Forum getan.
Sie sehen also: Es gibt keinen Grund zur Sorge!

Gründe, weshalb es durchaus vernünftig sein kann, diesen Beschluß erst so spät zu fassen, hatte ich genannt. Die kann man für unwesentlich oder gar falsch halten, wie man selbstverständlich auch darüber diskutieren kann, ob eine so späte Beschlußfassung ein strategischer Fehler sein könnte. Das ist aber eine ganz andere Frage als die, ob es den Beschluß überhaupt geben wird. Letzteres steht für mich zweifelsfrei fest, weshalb - wie schon angedeutet - die ganze Diskussion um die "Ampel" eine rein akademische Frage ist.

MfG

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

24.08.2009 12:24
#37 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Lieber Florian,

Zitat von Florian
Ok, überzeugt mich.
Danke für die Quelle und die ausführliche Antwort.



eins noch: Da Sie schon die Korinthenkackerei ins Spiel gebracht haben, müssen wir Westerwelle in diesem Sinne für seinen Weitblick loben. Schlösse er nämlich nur die "Ampel" aus, wie das von ihm verlangt wird, dann bedeutete das ja im Umkehrschluß, daß alle anderen Optionen offenblieben. Indem er sagt, mit der FDP gibt es nur "Schwarz-Gelb und sonst nichts ohne Wenn und Aber", geht er darüber weit hinaus, denn damit wird eben alles außer Schwarz-Gelb ausgeschlossen. Er hat also nicht nur der "Ampel", sondern bspw. auch der "Spanien-Koalition", der "Guinea-Bissau-Koalition", der "Bundeswehr-Generalinspekteur-Koalition" und der "Mosambik-Koalition" eine Absage erteilt. Er hat also bei genauer Betrachtung auch alle anderen Zweifler beruhigt - falls es denn Leute gab, die diese Varianten für denkbar hielten.

MfG

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

24.08.2009 12:30
#38 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

In Antwort auf:

Aus Sicht eines FDP-Wählers ist die Sache formell klar: Man geht mit dem zusammen, mit dem ein Maximum der eigenen Forderungen durchzusetzen ist. Der Beweis, dass dies in allen Fällen und unabänderlich nur Schwarz-Gelb sein kann, steht noch aus.



Das trifft nicht ganz den Punkt. Interssanter als die Frage "wie wird sich welche Partei bei welchem tatsächlichen Wahlausgang tasächlich verhalten" ist doch die Frage: "Durch welche bereits vor der Wahl getroffenen strategischen Festlegungen kann eine Partei den Wahlausgang quasi im Voraus beeinflussen.

In diesem Sinne hätte es die FDP mit einer bedingungslosen Festlegung auf Schwarz-Gelb in der Hand, einen Lagerwahlkampf zu erzwingen und damit alle noch halbwegs bürgerlich-demokratisch gesinnten Wähler des Bereichs "Mitte bis leicht links der Mitte") auf die Seite von Schwarz-Gelb zu ziehen.

Die Wahlen gewinnt, wer die Mitte gewinnt.

Die SPD würde einer noch gnadenloseren Zerriessprobe ausgeliefert. Da man Steinmaier dank Hessen-Lügilanti die Absage an eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten nicht wirklich abnehmen kann, wird jede Stimme für die SPD eine potentielle Stimme für die Volksfront. Damit dürfte die SPD selbst für deren wenige verbleibenden "gemässigt linken" Anhänger vollends unwählbar werden.

Das wären dann die entscheidenden 2-3% der zusätzlichen Stimmen welche von "leicht links der Mitte" zu schwarz-Gelb wandern würden ...

Trifft die FDP diese Festlegung zum Lagerwahlkampf jedoch nicht, dann können SPD und Grüne das Wählerpotential ihres verbliebenen "rechten Flügels" voll ausschöpfen (da dieser ja auf die Ampel hoffen kann). In diesem Fall würde die bereits real existierende strukturelle linke Mehrheit der Wählerstimmen aus SPD, Linkspartei und Grünen den alleinigen Sieg des bürgerlichen Lagers (wie bereits bei den letzten Bundestagswahlen) wahrscheinlich erneut verhindern.





FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

24.08.2009 12:47
#39 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Die Wahl ist jetzt offiziell entschieden.

http://www.ftd.de/politik/deutschland/:B...elb/557234.html

Florian Offline



Beiträge: 3.136

24.08.2009 13:12
#40 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Seltsames Modell.

Und hier auch gleich die Kritik dazu:
http://www.springerlink.com/content/qmmm83380l157727/

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.08.2009 13:43
#41 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Zitat von Florian
Seltsames Modell.

Ja, in der Tat.

Da möchte ich doch in aller Bescheidenheit das Zettel-Modell empfehlen, mit dem ich den Wahlsieg Obamas auf den Prozentpunkt genau vorhergesagt habe, und den Sarkozys fast auf den Prozentpunkt genau.

Wie geht's? Ganz einfach: Man muß drei Faktoren berücksichtigen: Erstens, wie groß die Chancen der jeweiligen Bewerber sind. Zweitens, wieviele Menschen sie vermutlich wählen werden. Drittens, welches der Ausgang der Wahlen sein wird.

Das war jetzt ein kleiner Scherz.

Wie es wirklich geht, können Sie hier lesen.

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

24.08.2009 14:20
#42 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von Florian
Seltsames Modell.

Ja, in der Tat.
Da möchte ich doch in aller Bescheidenheit das Zettel-Modell empfehlen, mit dem ich den Wahlsieg Obamas auf den Prozentpunkt genau vorhergesagt habe, und den Sarkozys fast auf den Prozentpunkt genau.
Wie geht's? Ganz einfach: Man muß drei Faktoren berücksichtigen: Erstens, wie groß die Chancen der jeweiligen Bewerber sind. Zweitens, wieviele Menschen sie vermutlich wählen werden. Drittens, welches der Ausgang der Wahlen sein wird.
Das war jetzt ein kleiner Scherz.
Wie es wirklich geht, können Sie hier lesen.


Was Klein in Bezug auf die Ad-hoc-Änderungen anführt, ist schon bedenklich. Ansonsten werden sie halt wahrscheinlich eine Regression laufen lassen und geschaut, wo am Schluss die Sternchen stehen bleiben. Schwupp, da ist die "Zauberformel"! Seltsam finde ich das Modell darum im Prinzip nicht. Es ist halt quantitativ angelegt, weswegen sich die Story zwangsläufig etwas dürr im Vergleich zu einer Fallstudie anhört. Da ist es übrigens auch nicht so einfach, so etwas wie eine "kulturelle Ebene" zu testen, während ich davon ausgehen würde, dass auf das wirtschaftliche Umfeld im Modell kontrolliert wurde.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

24.08.2009 14:54
#43 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

FTT:

Sicher ist ein solches Modell im Prinzip möglich.

Allerdings erscheint es mir nicht eine Reduktion auf die 3 Parameter (a) Dauer der Regierungszeit, (b) Beliebtheit des Kanzlers und (c) vergangene Wahlergebnisse nicht ganz praxistauglich.

Meine Kritik:
(a) Das Modell ist an sich statisch. Dynamische Elemente werden nicht berücksichtigt (sofern sie nicht in die Beliebtheit des Kanzlers einfließen). Ein Sondereinfluss wie z.B. die Wiedervereinigung, das Auftauchen der Grünen oder der Linkspartei als ernsthafte Alternative auf Bundesebene, die Beliebtheit anderer Politiker neben dem Kanzler, etc. fließt hier per Definition nicht ein. Solche Effekte können aber sehr relevant sein.
(b) Es ist mir selbst innerhalb des Modells nicht klar, wie man SPD und Union hier auseinanderdividieren kann (da beides Regierungsparteien sind). Im übrigen würde (wiederum innerhalb des Modells) die hohe Beliebtheit Merkels auch der SPD zugute kommen.
(c) Es ist seltsam, dass man einerseits den Umfragen zu den Parteien nicht traut, andererseits Umfragen zur Kanzlerbeliebtheit für bare Münze nimmt.
(d) Man kann nun sagen: was soll's. Das Modell ist valide, da zählen solche Einwände nicht. Allerdings ist sehr fraglich, ob das Modell WIRKLICH valide ist. Es gab ja bislang erst etwa 15 BT-Wahlen. Das ist einfach eine sehr geringe Datenbasis, um den Ergebnisse einer Regressionsanalyse wirklich zu glauben (zumal ja anscheinend ohnehin an den Gewichtungsfaktoren vor der letzten Wahl geschraubt werden musste). Woher will man also wissen, ob nicht auch vor dieser Wahl ein Schrauben an den Parametern notwendig wäre?

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

24.08.2009 15:16
#44 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von Florian
Seltsames Modell.

Ja, in der Tat.

Solchen Modellen traue ich etwa so weit ich den Autor werfen kann.

Zu jeder Bundestagswahl gibt es Hunderte verschiedener Prognosen. Allein durch die zufällige Streuung werden davon einige sehr nahe am tatsächlichen Ergebnis sein. Wenn man also ein Modell herausgreift, das 2005 besonders gut war, dann sind die Anhaltspunkte dafür, dass es 2009 genauso gut ist, denkbar gering (im Rahmen der Regression to the Mean könnte man sogar erwarten, dass es dieses Jahr besonders schlecht ist).

Das gleiche Problem taucht bei der ex post-Bewertung von Investmentfonds auf:
http://www.dilbert.com/dyn/str_strip/000...64750.strip.gif

--
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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

24.08.2009 18:43
#45 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Die Diskussion hier soll ja nicht langweilig werden:

Zitat von FAZ
Der FDP-Vorsitzende wirft der Union vor, sie attackiere FDP und nicht die gemeinsamen Gegner auf der politischen Linken. Die Angriffe würden zusammen mit der SPD vorgetragen, daraus zieht die FDP den Schluss: „Union und SPD schießen gemeinsam gegen die FDP, weil sie ihre Koalition fortsetzen wollen."

http://www.faz.net/s/Rub4D6E624294714001...tml?rss_politik

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.08.2009 18:46
#46 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Zitat von FTT_2.0
Ansonsten werden sie halt wahrscheinlich eine Regression laufen lassen und geschaut, wo am Schluss die Sternchen stehen bleiben. Schwupp, da ist die "Zauberformel"!

Das Schöne an einer linearen Regressionsanalyse ist ja, daß man immer ein Ergebnis bekommt.

Gorgasal hat dazu schon das Nötige gesagt.

Aus meiner Sicht braucht man überhaupt kein faktorielles Modell. Man hat ja höchst zuverlässige Daten: Die Umfragewerte. Jede einzelen Umfrage ist natürlich mit einem Stichprobenfehler behaftet, aber wenn man alle verfügbaren Umfragen aggregiert, dann wird dieser sehr klein. Und wenn man beim Aggregieren auch noch nach Stichprobenumfang, Qualität des Instituts usw. gewichtet, dann kann man zu einer sehr guten Schätzung kommen.

Das geht in den USA besser als bei uns, weil es dort mehr Umfrageinstitute gibt und zum Teil tägliche Umfragen (Gallup Daily Tracking; auch Kos hatte so etwas), so daß Unmengen an Daten zur Verfügung stehen.

Mit dieser Methode hat FiveThirtyEight seine erstaunlich guten Prognosen berechnet, und auf dieser Grundlage konnte ich meine Vorhersage machen. (Sie lautete Obama 51,5; McCain 46,0. Tatsächliches Ergebnis: Obama 52,9; McCain 45,7).

Herzlich, Zettel

Florian Offline



Beiträge: 3.136

24.08.2009 19:14
#47 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

"Die Umfragewerte. Jede einzelen Umfrage ist natürlich mit einem Stichprobenfehler behaftet, aber wenn man alle verfügbaren Umfragen aggregiert, dann wird dieser sehr klein."

Das setzt voraus, dass es bei den Umfragen keine SYSTEMATISCHEN Fehler gibt.
D.h. dass die veröffentlichten Umfragewerte in einer (Normal-)Verteilung um die "tatsächlichen" Werte verteilt sind.

Das ist allerdings nicht der Fall.
Es gibt viele Gründe, warum die Umfrage-Rohdaten von den tatsächlichen Wahlabsichten abweichen können.
Daher hat jedes Institut seine (geheimen) Methoden, wie die Rohdaten zu bewerten sind.
Diese Methoden können allerdings fehlerhaft sein. Und es gibt keine Garantie, dass die Fehler der Institute sich gegenseitig aufheben.

Zum Beispiel kann man nachweisen, dass die Grünen in den letzten Jahren von allen Instituten systematisch überschätzt wurden.
Vielleicht haben die Insitute daraus gelernt, vielleicht auch nicht. (Vielleicht sind in ihren neuen Modellen die Grünen durch Überkompensation jetzt auch zu schlecht bewertet. Wer weiß das schon?).

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.08.2009 20:40
#48 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Zitat von Florian
Es gibt viele Gründe, warum die Umfrage-Rohdaten von den tatsächlichen Wahlabsichten abweichen können. Daher hat jedes Institut seine (geheimen) Methoden, wie die Rohdaten zu bewerten sind. Diese Methoden können allerdings fehlerhaft sein. Und es gibt keine Garantie, dass die Fehler der Institute sich gegenseitig aufheben.

Stimmt, eine Garantie gibt es nicht. Aber es ist faktisch offenbar so. Jede Wahl ist ja für die Institute eine Rückmeldung, um ihre Gewichtung zu verbessern. Und wenn sie nicht alle dieselben Fehler machen, dann heben sich ihre Fehler offenbar in der Regel schon gegeneitig auf. Jedenfalls waren die aggregierten Daten bei den letzten Wahlen exakter als die irgendeines der großen Institute.

Wie dem auch sei - die Prognosen aus solchen gewichteten aggregierten Umfragedaten stimmen in der Regel sehr gut. Es sei denn, es passiert in den letzten Tagen vor der Wahl noch etwas, das die Stimmung (oder die Wahlbeteiligung) massiv beeinflußt.

Dagegen ist kein Kraut gewachsen.

Herzlich, Zettel

Florian Offline



Beiträge: 3.136

24.08.2009 21:05
#49 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

"Jedenfalls waren die aggregierten Daten bei den letzten Wahlen exakter als die irgendeines der großen Institute."

Nicht richtig.
In Wahrheit war es genau umgekehrt. Und diese Wahrheit ist für die Insitute so bitter, dass man es kaum glauben kann.
Siehe z.B. hier: http://www.wahlrecht.de/umfragen/archiv/2005.htm

Demnach waren z.B. die jeweils letzten Prognosen der großen 6 Institute vor Wahl 2005 für die Union wie folgt:
(erhoben 2 bis 10 Tage vor der Wahl)
Allensbach: 41,5
Emnid: 42
Forsa: 41-43
FGW: 41
GMS: 42
Infratest: 41
Mittelwert: 41,6

Tatsächliches Ergebnis der Union: 35,2%

Ein Schwanken um den tatsächlichen Wert gab es hier also keineswegs.
ALLE (!) Institute haben die Union grotesk überschätzt.

Umgekehrt haben ALLE (!) Institute die SPD unterschätzt.
Ebenso wurden die Grünen, die FDP und die PDS jeweils von ALLEN (!) Insituten unterschätzt.

Somit gab es bei KEINER EINZIGEN Partei bei der letzten Wahl irgendein noch so kleines "Schwanken der Prognosen um den richtigen Wert".
Vielmehr gab es ausnahmslos bei allen Insituten und dort jeweils auch bei allen Parteien einen "Herdentrieb-Effekt".

Angesichts dieser grotesk schlechten Performance wäre es daher durchaus möglich, dass ein alternatives Prognose-Modell bessere Ergebnisse liefert als die Umfrage-Institute.
(z.B. hätte bei der letzten Wahl ein simples Repetitions-Modell (d.h. jede Partei erzielt genau ihr Ergebnis von 2002) im Schnitt über alle Parteien ein besseres Ergebnis gebracht als die mit viel Aufwand erstellten Insituts-Prognosen...)

Jedoch halte ich das hier im Forum konkret vorgestellte Modell aus den genannten Gründen für auch nicht besonders gut.


Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.08.2009 23:06
#50 RE: Wahlen '09 (11): Koalitionsanalyse Antworten

Zitat von Florian
"Jedenfalls waren die aggregierten Daten bei den letzten Wahlen exakter als die irgendeines der großen Institute."

Nicht richtig.
In Wahrheit war es genau umgekehrt. Und diese Wahrheit ist für die Insitute so bitter, dass man es kaum glauben kann.
Siehe z.B. hier: http://www.wahlrecht.de/umfragen/archiv/2005.htm
Demnach waren z.B. die jeweils letzten Prognosen der großen 6 Institute vor Wahl 2005 für die Union wie folgt:
(erhoben 2 bis 10 Tage vor der Wahl)
Allensbach: 41,5
Emnid: 42
Forsa: 41-43
FGW: 41
GMS: 42
Infratest: 41
Mittelwert: 41,6
Tatsächliches Ergebnis der Union: 35,2%
Ein Schwanken um den tatsächlichen Wert gab es hier also keineswegs.
ALLE (!) Institute haben die Union grotesk überschätzt.

Ja, das wissen wir doch alle, lieber Florian.

Und wir kennen auch den Grund: In den letzten Tagen vor der Wahl hat es einen Stimmungsumschwung gegeben, den Schröder mit seiner Kampagne gegen den "Professor aus Heidelberg" hinbekommen hat. Damit traf er den Nerv vieler Wähler.

Zuvor war die Stimmung gewesen: Rotgrün hat so eklatant versagt, daß wir jetzt Schwarzgelb eine Chance geben wollen. Dann brachte es Schröder fertig, den Eindruck zu erzeugen, Schwarzgelb werde eine unsoziale Politik machen - der Krankenschwester wird die Steuerfreiheit ihrer Nachtzuschläge gestrichen, und zugleich zahlt der Chefarzt weniger Steuern. Die Leute kriegten einen Riesenschreck, daß mit Schwarzgelb der Raubtier-Kapitalismus über sie hereinbricht. Das war zwar Kappes, aber es wurde eben geglaubt.

Ein zweiter Faktor dürfte gewesen sein, daß in den Tagen vor der Wahl sich die Diskussion auf die Frage Schwarzgelb oder Große Koalition zuspitzte. Da schieden sich auch die Geister bei CDU-Wählern. Ein Teil dürfte die FDP gewählt haben, weil sie die Große Koalition vermeiden wollten. Andere dürften die SPD gewählt haben, weil sie gerade die Große Koalition wollten.

Das hatte ich, lieber Florian, ja ausdrücklich geschrieben, daß ein solcher Stimmungsumschwung und das Aufkommen neuer Themen in den letzten Tagen von den Instituten in ihren Umfragen nicht mehr erfaßt wird. Daß, wie Sie richtig schreiben, alle unisono falsch lagen, zeigt doch, daß es nicht an der Methodik einzelner Institute, ihren Gewichtungsformeln usw. lag. Sondern sie haben die Stimmung eine Woche vor den Wahlen richtig gemessen, nur war das nicht mehr die Stimmung am Wahltag.

Dagegen ist kein Kraut gewachsen, wie ich schon geschrieben habe.

Meine Aussage wird durch die französischen und die amerikanischen Präsidentschaftswahlen gestützt. Wenn Sie mögen, sehen Sie noch einmal nach, wie nah ich in beiden Fällen an den tatsächlichen Ergebnissen war. Ausschließlich gestützt auf aggregierte Umfragedaten.

Herzlich, Zettel

PS: Als ich eben noch einmal diesen Text durchgelesen habe, kam ich auf den Gedanken, daß Sie dachten, ich hätte mit "bei den letzten Wahlen" die Bundestagswahlen 2005 gemeint. Ich meinte aber die letzten Wahlen in den USA, 4. November 2008.

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