Zitat von Zettel Aus meiner Sicht braucht man überhaupt kein faktorielles Modell. Man hat ja höchst zuverlässige Daten: Die Umfragewerte. Jede einzelen Umfrage ist natürlich mit einem Stichprobenfehler behaftet, aber wenn man alle verfügbaren Umfragen aggregiert, dann wird dieser sehr klein. Und wenn man beim Aggregieren auch noch nach Stichprobenumfang, Qualität des Instituts usw. gewichtet, dann kann man zu einer sehr guten Schätzung kommen. Das geht in den USA besser als bei uns, weil es dort mehr Umfrageinstitute gibt und zum Teil tägliche Umfragen (Gallup Daily Tracking; auch Kos hatte so etwas), so daß Unmengen an Daten zur Verfügung stehen.
Falls das "Modell" valide ist, besteht ja ein Vorteil auch darin, dass es für die Wahlvorhersage ökonomisch effizienter ist, weil man offenbar nur an einem oder zwei Punkten Daten erheben muss, nämlich die Beliebtheit des Kanzlers vier bzw. acht Wochen vor der Wahl. Abgesehen davon birgt das "Modell" recht interessante theoretische Implikationen, wovon Wahlsieg bzw. -niederlage so abhängen. Ich denke mal, dass die beiden Wissenschaftler darüber hinaus in erster Linie etwas Werbung für ihr Modell machen, um Mittel zu generieren, mit denen sie weltweit ihr Modell testen können. So schlank, wie es ist, scheint es für größere n als 16 gedacht zu sein. (Im Übrigen halte ich das "Modell" auch nicht für "rocket science".)
In Antwort auf:Sondern sie haben die Stimmung eine Woche vor den Wahlen richtig gemessen, nur war das nicht mehr die Stimmung am Wahltag.
Woher wissen Sie, dass die Werte eine Woche vor der Wahl richtig gemessen waren?
Zitat von FTT_2.0Falls das "Modell" valide ist, besteht ja ein Vorteil auch darin, dass es für die Wahlvorhersage ökonomisch effizienter ist, weil man offenbar nur an einem oder zwei Punkten Daten erheben muss, nämlich die Beliebtheit des Kanzlers vier bzw. acht Wochen vor der Wahl.
Ja, das stimmt. Aber gerade deshalb bin ich gegenüber solchen Modellen skeptisch. Das Wahlverhalten ist die Resultante vieler Faktoren, die von Wahl zu Wahl ein unterschiedliches Gewicht haben.
Es gab Wahlen, bei denen sich alles auf die beiden Kanzlerkandidaten zuspitzte (die "Willy"-Wahl 1972, die Anti-Strauß-Wahl 1980), und es gab andere, wo die Person der Kandidaten praktisch keine Rolle spielte; zB der Sieg Kohls über Vogel 1983. Damals wollten die Wähler, nachdem Kohl nun schon einmal Kanzler geworden war, ihm eine faire Chance geben.
Es gab Wahlen, die in der Endphase des Wahlkampfs in Richtung single issue gingen. Das war 2005 so, wie schon geschrieben. Ähnlich 2002 mit dem Irakkrieg.
Und es gab Wahlkämpfe wie den jetzigen, die (wenn es so weitergeht) weder durch Personen noch durch issues entschieden werden, sondern durch, sagen wir, das Fehlen einer Wechselstimmung. Damit hat Adenauer 1957 die absolute Mehrheit geschafft ("Keine Experimente"), und damit hat die schwarzgelbe Koalition 1987 gewonnen.
Wie will man das in ein Modell mit starren Gewichten packen? Natürlich kann man die Ergebnisse vorausgehender Wahlen für ein lineares Regressionsmodell verwenden; aber wie schon geschrieben, bekommt man da immer eine Lösung für einen Datensatz. Für künftige Wahlen besagt das wenig.
Zitat von FTT_2.0Abgesehen davon birgt das "Modell" recht interessante theoretische Implikationen, wovon Wahlsieg bzw. -niederlage so abhängen.
Wenn tatsächlich lineare Regressionen gerechnet wurden - was ich jetzt einmal unterstelle - , dann bekommt man die Faktoren ja nicht, wie bei einer Faktorenanalyse, durch die Analyse geliefert, sondern man steckt sie vorher rein. Eine Faktorenanalyse wäre insofern aufschlußreicher, aber mir ist nicht ganz klar, wie man sie mit solchen Daten rechnen könnte.
Zitat von FTT_2.0
In Antwort auf:Sondern sie haben die Stimmung eine Woche vor den Wahlen richtig gemessen, nur war das nicht mehr die Stimmung am Wahltag.
Woher wissen Sie, dass die Werte eine Woche vor der Wahl richtig gemessen waren?
Educated guess, liebe FTT. Wenn es keine überraschende Wende im Wahlkampf gibt und wenn alle Institute nah beeinanderliegen, dann sind in der Regel ihre Prognosen gut. Siehe, um noch einmal darauf zu verweisen, die US-Wahlen 2008 und die Wahl des französischen Staatspräsidenten 2007.
Wir kennen ihn nicht, wir wissen noch nicht einmal, ob es einen Grund gab (einen solchen brauchen wir nämlich nur, wenn es wirklich einen Stimmungsumschwung gab).
Ich persönlich glaube überhaupt nicht, daß die Professoren-Kampagne Schröders wirklich eine so große Wirkung hatte. Sie unterschied sich nicht wesentlich vom anderen Wahlkampfgezänk in diesen Wochen, sie wurde auch nicht groß diskutiert, sie hat m. E. auch überhaupt nicht genug Substanz gehabt, um innerhalb weniger Tage Millionen Menschen zu einer Umentscheidung zu veranlassen.
Mich überzeugt auch die Methodik nicht: Waren die Prognosen dicht am Ergebnis, beweist das die Qualität der Prognosen. Und waren umgekehrt die Prognosen (wie hier) weitab vom Ergebnis - dann muß es wohl ein Sondereffekt gewesen sein. Und irgendein Ereignis findet sich vor einer Wahl immer, um als Sondereffekt interpretiert werden zu können ...
Ich halte mich da mit Occam an die einfache Erklärung: War die Prognose daneben, dann hat sie eben nichts getaugt. Eine Prognose muß sich am Ergebnis (der Wahl) messen lassen, an sonst nichts.
Und wenn man sich die methodischen Grundlagen der deutschen "Prognosen" anschaut, dann ist auch völlig verständlich, daß diese in der Regel nichts taugen - es ist eher Zufall, wenn sie mal halbwegs zutreffen.
Wir haben erst einmal strukturelle Verzerrungen bei der Erhebung der Rohdaten, die immer stärker werden und von den Instituten nicht korrigiert werden können. D.h. es gibt immer weniger Leute, die bereit sind, bei diesen Umfragen mitzumachen und wahrheitsgemäß (!) Auskunft zu geben.
Und zweitens ist es unseriös, daß die Institute die Rohdaten geheim halten und dann mit ominösen Methoden ihre Prognosen basteln. Die dann verdächtig nahe beieinander liegen - bei sauberer Arbeit müßte alleine die unvermeidbare statistische Streuung dafür sorgen, daß die Prognosen der Institute deutlich stärker voneinander abweichen.
Es gibt hier einen ganz klaren Herdentrieb, der mit seriöser wissenschaftlicher Arbeit nicht vereinbar ist. Und folgerichtig baut dann auch die ganze Herde manchmal völligen Mist. Es ist kein "Stimmungsumschwung", wenn die Herde die Stimmung falsch prognostiziert hat.
Occam in allen Ehren - aber die Demoskopie ist ja angewandte Statistik.
Wenn Sie eine Zufallsstichprobe von N = 2000 ziehen, dann wird aus rein mathematischen Gründen die Verteilung in der Stichprobe mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent nicht mehr als 3 Prozentpunkte von der Verteilung in der Grundgesamtheit abweichen. Und wenn sie viele solche Stichproben ziehen und die Daten aggregieren, dann ist die Abweichung vom wahren Wert noch geringer; wie gering, hängt von der Zahl der Stichproben ab.
Das ist das Modell. Nun kommen natürlich die Faktoren hinzu, von denen Sie einige nennen und die seit den Anfängen der Demoskopie bekannt sind: Die Stichprobe ist oft nicht wirklich zufällig (manchmal arbeitet man deshalb ja mit Quoten, um die Repräsentativität der Stichprobe gewissermaßen zu erzwingen). Es gibt response bias, den man durch Gewichtung auszugleichen versucht.
Das führt zu gewissen teils zufälligen, teils systematischen Fehlern, die die Repräsentativität der Stichprobe verschlechtern können. Aber daran, daß das Verfahren als solches mathematisch fundiert ist, ändert das nichts.
Nun zum Problem der Prognose.
Keine Umfrage liefert eine Prognose. Sie ist ein Bild der momentanen Verteilung der Meinungen. Die jeweils letzte Umfrage wird allerdings oft als Prognose verwendet, unter der Voraussetzung, daß sich zwischen dem Erhebungszeitraum und der Wahl die Meinungen nicht mehr erheblich ändern.
Das ist auch meist der Fall; deswegen taugen in der Regel die letzten Umfragewerte als Prognose. Aber manchmal ist es halt nicht der Fall.
Eine wirklich gute Prognose ergibt sich aber immer erst am Wahltag, wenn die letzten Umfragen mit den Ergebnissen des exit poll verrechnet werden. Auch da gibt es freilich Fehlerquellen; vor allem dann, wenn - wie es in den USA üblich ist - Ergebnisse von exit polls schon publiziert werden, während noch gewählt wird. Dann können zum Beispiel die Daten derer, die schon am Vormittag wählen gehen (Kirchgänger zum Beispiel) überrepräsentiert sein.
Zitat von R.AIch halte mich da mit Occam an die einfache Erklärung: War die Prognose daneben, dann hat sie eben nichts getaugt.
Aber das ist leider keine Erklärung, lieber R.A. Sie müssen doch erklären, warum zB 2005 die Werte aller Institute nah beieinander lagen, aber weit vom tatsächlichen Ergebnis abwichen. Und warum bei anderen Wahlen - siehe USA 2008, siehe Frankreich 2007 - die letzten Umfragen sehr gut mit dem tatsächlichen Wahlergebnis übereinstimmten.
"War die Prognose daneben, dann hat sie eben nichts getaugt" ist eine Aussage von der Art "Die Armut kommt von der Poverté" oder "Opium wirkt einschläfernd, weil in ihm eine einschläfernde Substanz ist". Keine Erklärung.
Meine Erklärung lautet: Die letzten Umfragen eignen sich als Prognosen dann und nur dann, wenn die Verteilung der Meinungen zwischen dem Erhebungszeitraum und dem Wahltag weitgehend stabil bleibt. Ihre Erklärung?
Nun können Sie mich herausfordern, meine Erklärung empirisch zu testen. Im Prinzip ist das leicht möglich, nur macht man es wohl selten, weil es herausgeworfenes Geld wäre: Man setzt die Umfragen bis einschließlich zum Wahltag fort. Dann kann man sie zwar erst nach der Wahl auswerten (und dann interessieren sie niemanden, also wird das in der Regel nicht gemacht), aber man kann dann ja sehen, ob sie den von mir behaupteten Meinungsumschwung erfaßt haben.
Kann sein, daß es solche Daten gibt - ich weiß zB nicht, bis wie kurz vor der Wahl das Gallup daily tracking fortgesetzt wird. Vielleicht machen es auch Unis zu Forschungszwecken.
Jedenfalls ist meine Erklärung im Prinzip empirisch überprüfbar. Ihre? Sie müßten erst mal sagen, welches Ihre Erklärung ist, und dann, wie man sie prüfen könnte.
Solche vorab-Siegesverkündigungen gefallen mir gar nicht, da sie stets die Gefahr einer "selbstverhindernden Prophezeiung" in sich tragen.
Konkret heißt das in diesem Fall: Die Wahlbeteiligung im bürgerlichen Lager sinkt, weil man sich in falscher Sicherheit wiegt, während die "Volksfront" ihr Wählerpotential vermehrt mobilisiert um die Sache noch zu wenden.
Zitat von R.A.Und wenn man sich die methodischen Grundlagen der deutschen "Prognosen" anschaut, dann ist auch völlig verständlich, daß diese in der Regel nichts taugen - es ist eher Zufall, wenn sie mal halbwegs zutreffen. Wir haben erst einmal strukturelle Verzerrungen bei der Erhebung der Rohdaten, die immer stärker werden und von den Instituten nicht korrigiert werden können. D.h. es gibt immer weniger Leute, die bereit sind, bei diesen Umfragen mitzumachen und wahrheitsgemäß (!) Auskunft zu geben.
Der erste Punkt - immer weniger Leute - ist, wenn ordentlich gearbeitet wird, irrelevant. Ein Standardverfahren besteht darin, jeweils dasjenige Haushaltsmitglied für das Interview auszuwählen, das zuletzt Geburtstag hatte. Wird die Teilnahme verweigert, dann muß man halt jemanden anders anrufen. Am Ende hat man eine repräsentative Stichprobe.
Problematischer ist es, daß Anhänger bestimmter - zB rechtsextremer - Parteien überdurchschnittlich oft die Auskunft verweigern. Dafür, das zu korrigieren, sind ja die Gewichtungen da.
Wenn Sie nun sagen, daß immer weniger Leute bereit sind, wahrheitsgemäß Auskunft zu geben, dann frage ich mich, woher Sie das wissen. Man kennt doch nur das, was sie sagen, oder? Aber man korrigiert es eben mittels der Gewichtungen. Wenn Sie Recht hätten, dann müßten in den letzten Jahren diese Korrekturen massiver geworden sein. Ich habe keine Informationen, daß das so ist. Wissen Sie etwas?
Zitat von R.A.Und zweitens ist es unseriös, daß die Institute die Rohdaten geheim halten und dann mit ominösen Methoden ihre Prognosen basteln.
Prognosen sind es, wie in dem vorausgehenden Beitrag erläutert, ja nicht. Und zumindest die Forschungsgruppe Wahlen nennt die Rohdaten, die sie "politische Stimmung" nennt, im Unterschied zur "Projektion"; das sind die gewichteten Daten.
Zitat von R.A. Die dann verdächtig nahe beieinander liegen - bei sauberer Arbeit müßte alleine die unvermeidbare statistische Streuung dafür sorgen, daß die Prognosen der Institute deutlich stärker voneinander abweichen.
Nein. Die in meinem vorausgehenden Beitrag genannten +/- 3 Prozent sind ja eine Grenze, die mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Im allgemeinen wird der gemessene Wert also deutlich näher beim wahren Wert liegen. Wenn die Institute sich um ein, zwei Prozentpunkte unterscheiden, dann ist das genau das, was man mathematisch erwarten sollte.
Zitat von R.A.Es gibt hier einen ganz klaren Herdentrieb, der mit seriöser wissenschaftlicher Arbeit nicht vereinbar ist. Und folgerichtig baut dann auch die ganze Herde manchmal völligen Mist. Es ist kein "Stimmungsumschwung", wenn die Herde die Stimmung falsch prognostiziert hat.
Dafür kenne ich keinen Anhaltspunkt. Haben Sie entsprechende Informationen? Meines Wissens arbeiten die Institute völlig unabhängig voneinander. Jedes verwendet die eigenen Rohdaten und korrigiert sie mit der jeweils hauseigenen Gewichtung. Wo sollte da Platz für einen "Herdentrieb" sein?
In Antwort auf:Nun können Sie mich herausfordern, meine Erklärung empirisch zu testen. Im Prinzip ist das leicht möglich, nur macht man es wohl selten, weil es herausgeworfenes Geld wäre: Man setzt die Umfragen bis einschließlich zum Wahltag fort
Nehmen wir doch einmal die Umfragezahlen von 2005 (für die Union):
Wahltag war der 18.9. Die Union ist dabei bei 35,2% gelandet.
Wie bereits gesagt, war der Durchschnitt der Institute vor der Wahl 41,6%. Die letzte vor der Wahl veröffentlichte Umfrage war von Allensbach, veröffentlicht am 16.9., also 2 Tage vor der Wahl. Erhebungszeitraum: 10.-15.9. Der von Allensbach ermittelte Wert: 41,5%.
Nun können Sie gerne vermuten, dass es zwischen in den 3 Tagen zwischen der Allensbach-Erhebung und der Wahl irgendwelche riesigen Meinungsumschwünge in der Größenordnung des doppelten Konfidenzintervalls gab. Natürlich kann ich nicht BEWEISEN, dass es so etwas nicht gab. Es ist mir allerdings kein Grund für einen solchen Umschwung bekannt. Das Fernseh-Duell war da längst vorbei, auch die Zote vom "Professor aus Heidelberg" hat Schröder schon früher gebracht.
Und ist es wirklich wahrscheinlich, dass über 6% der Wahlberechtigten innerhalb von 3 Tagen ihre Meinung ändern? (Und übrigens derart massiv ändern, dass sie nicht etwa "nur" zur FDP wechseln, sondern komplett das politische Lager?). Es gibt doch keine Indizien dafür, dass die deutsche Wählerschaft derart volatil ist. Dafür sind die Wahlergebnisse doch über jahrzehnte hinweg viel zu stabil.
Anders formuliert: Seit 1953 (!) gab es bei von einer Bundestagswahl zur nächsten (d.h. innerhalb von 4 Jahren!) bei KEINER EINZIGEN Partei jemals einen (poistiven oder negativen) Umschwung von mehr als 6,3% bei der Wählerschaft. Wenn Allensbach aber recht hatte, dann gab es einen solchen Umschwung vor der Wahl 2005 innerhalb von nur 3 Tagen bei der Unions-Wählerschaft.
Halten Sie das WIRKLICH für plausibel?
Nun könnten Sie noch argumentieren, dass Allensbach halt zufällig am oberen Rand des doppelten Konfidenzintervalls gelandet ist. So etwas ist zwar extrem unwahrscheinlich, lässt sich aber natürlich nicht ausschließen. Aber wie kann es sein, dass ALLE Institute gleichzeitig an diesem Punkt landen?
Und nur mal angenommen, Sie haben recht. Wenn es wirklich derart massive Umschwünge in der deutschen Wählerschaft innerhalb von wenigen Tagen gibt, dann ist damit doch die mangelende Prognose-Tauglichkeit von Umfragen bewiesen. Wenn innerhalb von 3 Tagen so ein Umschwung möglich ist, dann ist die derzeitige Aussage von Forsa "Union liegt bei 37%" doch nur so zu interpretieren: "Union liegt heute bei 37%. Am Wahltag kann es irgendwo zwischen 27% und 47% sein". Was natürlich eine Null-Aussage ist. Dafür kann man sich die ganzen Umfragen ja gleich schenken.
es ist nicht selten, daß sich Meinungen so schnell ändern, daß sich das sogar innerhalb einer einzigen Umfrage zeigt, wenn diese sich über mehrere Tage erstreckt - daß also die Daten der ersten Welle signifikant von denen der zweiten Welle abweichen.
Die Umfrage von Allensbach, die Sie zitieren, fand vom 10. bis 15.9. statt. Die ersten Befragungen lagen also mehr als eine Woche vor der Wahl, nur die letzten drei Tage davor. Es stimmt also nicht, wenn Sie von "den 3 Tagen zwischen der Allensbach-Erhebung und der Wahl" schreiben.
Man müßte bei Allensbach nachfragen, an welchem der sechs Tage des Befragungszeitraums jeweils wieviele Interviews durchgeführt wurden. Da Allensbach nur Face-to-face-Interviews macht, deren Auswertung zeitwaufwendig ist, und wenn die Veröffentlichung schon am 16. 9. war, ist anzunehmen, daß die meisten Interviews früher lagen.
Zitat von FlorianEs ist mir allerdings kein Grund für einen solchen Umschwung bekannt. Das Fernseh-Duell war da längst vorbei, auch die Zote vom "Professor aus Heidelberg" hat Schröder schon früher gebracht.
Die Diskussion zu diesem Thema bestimmte die letzten Tage des Wahlkampfs. Ebenso die Diskussion darüber, ob die CDU mit der FDP oder der SPD koalieren würde.
Zitat von FlorianUnd ist es wirklich wahrscheinlich, dass über 6% der Wahlberechtigten innerhalb von 3 Tagen ihre Meinung ändern? (Und übrigens derart massiv ändern, dass sie nicht etwa "nur" zur FDP wechseln, sondern komplett das politische Lager?).
Es waren ja, siehe oben, zwischen 3 und 8 Tage; für die anderen Umfragen - ich habe jetzt die Termine nicht nachgesehen - jedenfalls auch mehr als drei Tage.
Ja, das ist durchaus nicht unwahrscheinlich. Es gibt Erhebungen darüber, daß ein Teil der Wähler sich erst in der Kabine entscheidet oder umentscheidet. Die Zahlen müßte ich nachsehen.
"Massiv ändern"? Nein. Der Swing von der CDU zur SPD dürfte ja auf Wähler zurückgehen, denen die SPD keineswegs fernsteht - christliche Arbeitnehmer, die Klienten der Sozialausschüsse der CDU. Die wurden durch die Mär vom unsozialen Professor Kirchhoff abgeschreckt, CDU zu wählen. Zugleich gab es einen Swing von der CDU zur FDP - nach meiner Auffassung Wähler, die eine Große Koalition fürchteten. Auch diese Diskussion wurde in den letzten Tagen vor der Wahl verstärkt geführt.
Zitat von FlorianEs gibt doch keine Indizien dafür, dass die deutsche Wählerschaft derart volatil ist. Dafür sind die Wahlergebnisse doch über jahrzehnte hinweg viel zu stabil.
Wie man's nimmt. Gewinne oder Verluste in der Größenordnung von 5 bis 10 Prozent sind inzwischen keine Seltenheit mehr. Bisher selten bei Bundestagswahlen, aber solche Entwicklungen wirken sich halt erst allmählich aus. Die Wähler haben immer seltener eine feste Parteibindung und entscheiden immer mehr aus dem Augenblick heraus.
Zitat von FlorianAber wie kann es sein, dass ALLE Institute gleichzeitig an diesem Punkt landen?
Ja eben. Ich habe das schon R.A. geschrieben: Eine vernünftige Antwort lautet: Weil sie alle vor den Wahlen diese Werte gemessen haben. Wie aber erklären Sie diese Übereinstimmung? Meinen Sie, Güllner hätte mit Frau Kröcher telefoniert und mit ihr die Zahlen ausgehandelt?
Zitat von FlorianWenn es wirklich derart massive Umschwünge in der deutschen Wählerschaft innerhalb von wenigen Tagen gibt, dann ist damit doch die mangelende Prognose-Tauglichkeit von Umfragen bewiesen.
Das sehe ich nicht. Auch die Wettervorhersage liegt manchmal völlig daneben. Meist aber nicht. Sie ist tauglich, wenn man weiß, daß sie auch mal daneben liegen kann.
Der Wirt des Eiscafés tut gut daran, mehr Waren einzukaufen, wenn ein heißer Tag angesagt ist. Wenn es dann doch regnet, wird er das verkraften.
Zitat von ZettelDer erste Punkt - immer weniger Leute - ist, wenn ordentlich gearbeitet wird, irrelevant. Ein Standardverfahren besteht darin, jeweils dasjenige Haushaltsmitglied für das Interview auszuwählen, das zuletzt Geburtstag hatte. Wird die Teilnahme verweigert, dann muß man halt jemanden anders anrufen. Am Ende hat man eine repräsentative Stichprobe.
Nein - denn die Verweigerung verteilt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gleichmäßig über die Bevölkerung. Man bekommt mit der beschriebenen Methode zwar eine formale Repräsentativität nach Alter und Geschlecht, aber man bekommt nur Leute, die überhaupt bereit sind, per Telephon ehrlich Auskunft zu geben und dafür Zeit zu investieren. Und solche Leute unterscheiden sich in ihrer politischen Haltung von denen, die a) schlecht telephonisch zu erreichen sind oder b) bei Telephonumfragen grundsätzlich auflegen (so mache ich das) oder c) aus diversen Gründen ihre wahren politischen Absichten verleugnen.
Ihre beste Zeit hatten die Umfrageinstitute vor 30-40 Jahren. Da hatte schon fast jeder Haushalt ein Festnetztelephon, aber Telephonieren beschränkte sich auf wichtige Sachen. Wenn man da angerufen wurde, dann nahm man das ernst, fühlte sich wichtig, wenn Allensbach oder Forsa am Apparat waren, gab im wesentlichen ordentliche Auskünfte. Probleme gab es nur politisch inkorrekten Positionen (sprich NPD-Wählern), das ließ sich aber statistisch noch ausgleichen.
Heute ist schon die Haushaltsbestimmung durch die Handy-Nutzung schwierig geworden, die Callcenter haben die Sitten verdorben, die Leute mögen keine (aus ihrer Sicht) unnötigen Telephonate, Auflegen gilt nicht mehr als unhöflich (bei unverlangten Anrufen) - und es ist inzwischen jedem klar, daß mit Umfragen Politik gemacht wird. D.h. es wird immer weniger ehrlich Auskunft gegeben, sondern die Angerufenen versuchen oft, in ihrem politischen Sinne zu manipulieren.
Insgesamt sind also die Rohdaten deutlich schlechter als früher. Und sie verteilen sich auf fünf bis sechs statt nur drei Parteien, und ob die Leute dann wirklich wählen gehen, entscheidet sich oft erst an kleinen Details am Wahltag.
> Wenn Sie nun sagen, daß immer weniger Leute bereit sind, > wahrheitsgemäß Auskunft zu geben, dann frage ich mich, > woher Sie das wissen. Man sieht es z. B. daran, daß es öfters sehr merkwürdige Angaben gibt, was die Leute angeblich beim letzten Mal gewählt haben wollen (eine ganz wichtige Kontrollfrage). Der Fan von Partei X, der von Forsa angerufen wird und die Chance sieht, seine Lieblingspartei zu pushen - der sagt natürlich nicht, daß er schon immer X gewählt hat. Sondern der gibt an, von Partei Y gewechselt zu haben, damit das Institut einen Trend zugunsten von X herausrechnet.
In Antwort auf:Wenn Sie Recht hätten, dann müßten in den letzten Jahren diese Korrekturen massiver geworden sein.
Das ist m. W. auch so, ich kann aber keine Quelle dazu geben. Wahrscheinlich wurde das mal bei http://www.wahlrecht.de ausgeführt - dorther habe ich eigentlich den größten Teil meiner Informationen zu diesem Thema.
In Antwort auf:Und zumindest die Forschungsgruppe Wahlen nennt die Rohdaten, die sie "politische Stimmung" nennt, im Unterschied zur "Projektion"; das sind die gewichteten Daten.
Auch die "politische Stimmung" sind m. W. keine Rohdaten, ein Teil der Korrekturen ist da wohl schon reingerechnet (alleine schon, um die formale Repräsentativität herzustellen).
In Antwort auf:Wenn die Institute sich um ein, zwei Prozentpunkte unterscheiden, dann ist das genau das, was man mathematisch erwarten sollte.
Hmm, da muß ich jetzt erst einmal etwas zurückrudern, weil ich meine Statistik-Grundkenntnisse nicht mehr parat habe. Ich meine mich aus den Wahlrechts-Diskussionen erinnern zu können, daß alleine die Sample-Bildung dazu führen müßte, daß gerade bei den kleinen Parteien die Streuung größer sein müßte. Bei der typischen 1000er-Stichprobe ist ja jeder Antwortende schon ein Zehntelprozent wert ...
In Antwort auf:Meines Wissens arbeiten die Institute völlig unabhängig voneinander.
Das ist deren Anspruch. Bei den wahlrechts.de-Diskussionen sind wir eher zum Schluß gekommen, daß das Schielen zu den Ergebnissen der Nachbarn wohl ein wesentlicher Teil der hochgeheimen Rohdatenkorrektur sein muß. Aber solange keiner den Maulwurf dort spielt, bleiben das natürlich Vermutungen (wenn auch Indizien-gestützte).
Zitat von ZettelEs gibt Erhebungen darüber, daß ein Teil der Wähler sich erst in der Kabine entscheidet oder umentscheidet.
Aha. Erhebungen zum Thema, ob die Erhebungen zuverlässig sind (oder der pöse Wähler schuld ist ...).
Wobei das aber letztlich ein Streit um Kaisers Bart ist: Ob nun die Umfrageergebnisse schon eine Woche vorher Murks waren, oder erst Murks wurden, weil sich massenhaft Wähler zwischen Zähneputzen und Kreuzchenmachen umentscheiden - beides führt gleichermaßen zum Schluß, daß man die Umfragen weitgehend in die Tonne treten kann.
Ich wiederhole meine zentrale Behauptung: Die Brauchbarkeit einer Prognose mißt sich am Wahlergebnis, an sonst nichts. Und da die Diskrepanzen zu den Wahlergebnissen in den letzten Jahren/Jahrzehnten kontinuierlich schlechter geworden sind (aus welchen Gründen auch immer), werden Umfragen immer unwichtiger.
Es ist doch meist so: Die wesentlichen zu erwartenden Veränderungen kann man doch als politisch informierter Beobachter selber voraussehen. Ich brauche weder Forsa noch Allensbach um mitzukriegen, daß die SPD in einer Formkrise ist und schlecht abschneiden wird. Bei den meisten Wahlen wird man ganz ohne Umfragen ganz gut abschätzen können, ob die Regierung bestätigt werden wird oder nicht, ob eine Partei im Aufwind ist oder Verluste befürchten muß.
Und immer wenn es schwierig, unerwartet oder knapp wird - dann helfen die Prognosen auch nicht weiter.
Was wir jetzt in den Umfragen lesen sagt nicht mehr als: Keiner weiß, wie die Bundestagswahl ausgehen wird.
Zitat von ZettelDer erste Punkt - immer weniger Leute - ist, wenn ordentlich gearbeitet wird, irrelevant. Ein Standardverfahren besteht darin, jeweils dasjenige Haushaltsmitglied für das Interview auszuwählen, das zuletzt Geburtstag hatte. Wird die Teilnahme verweigert, dann muß man halt jemanden anders anrufen. Am Ende hat man eine repräsentative Stichprobe.
Nein - denn die Verweigerung verteilt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gleichmäßig über die Bevölkerung. Man bekommt mit der beschriebenen Methode zwar eine formale Repräsentativität nach Alter und Geschlecht, aber man bekommt nur Leute, die überhaupt bereit sind, per Telephon ehrlich Auskunft zu geben und dafür Zeit zu investieren. Und solche Leute unterscheiden sich in ihrer politischen Haltung von denen, die a) schlecht telephonisch zu erreichen sind oder b) bei Telephonumfragen grundsätzlich auflegen (so mache ich das) oder c) aus diversen Gründen ihre wahren politischen Absichten verleugnen. Ihre beste Zeit hatten die Umfrageinstitute vor 30-40 Jahren.
Ja, gewiß. Deshalb ja die Gewichtung. Es geht um zwei Fragen: a) daß "immer weniger Leute" zur Auskunft bereit sind; so hatten Sie es formuliert. Das ist irrelevant. b) daß diejenigen, die bereit sind, keine repräsentative Stichprobe sind. Das war schon immer so; und ihm wird durch die Gewichtung begegnet.
Zitat von R.A.Da hatte schon fast jeder Haushalt ein Festnetztelephon, aber Telephonieren beschränkte sich auf wichtige Sachen. Wenn man da angerufen wurde, dann nahm man das ernst, fühlte sich wichtig, wenn Allensbach oder Forsa am Apparat waren, gab im wesentlichen ordentliche Auskünfte. Probleme gab es nur politisch inkorrekten Positionen (sprich NPD-Wählern), das ließ sich aber statistisch noch ausgleichen. Heute ist schon die Haushaltsbestimmung durch die Handy-Nutzung schwierig geworden, die Callcenter haben die Sitten verdorben, die Leute mögen keine (aus ihrer Sicht) unnötigen Telephonate, Auflegen gilt nicht mehr als unhöflich (bei unverlangten Anrufen) - und es ist inzwischen jedem klar, daß mit Umfragen Politik gemacht wird. D.h. es wird immer weniger ehrlich Auskunft gegeben, sondern die Angerufenen versuchen oft, in ihrem politischen Sinne zu manipulieren.
Stimmt alles. Jedenfalls kann es stimmen; es sind ja größtenteils Vermutungen.
Aber die Gewichtung ist halt eine mächtige Waffe gegen das alles. Wenn Sie regelmäßig finden, daß das Wahlergebnis für die Partei X um k Prozent über dem zuletzt in der Umfrage gemessenen Wert liegt, dann wird halt der künftig für Y gemessene Wert mit dem Faktor k multipliziert. Woher die Abweichung kommt, ist völlig egal; alle die von Ihnen genannten Faktoren oder irgendeine Kombination davon können ursächlich sein.
Zitat von R.A.Insgesamt sind also die Rohdaten deutlich schlechter als früher.
Vermutlich. Die gewichteten Daten aber nicht. Es ist wie bei einer Waage, die ungenau wiegt. Wenn man die Abweichung kennt, dann kann man sie korrigeren und hat so gute Meßwerte, als wenn die Waage exakt justiert wäre. Das gilt natürlich nur, solange es sich um systematische Abweichungen (konstante Fehler) handelt. Der Zufall ist so nicht zu beherrschen; aber dessen Einfluß dürfte auch ziemlich konstant sein.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:Und zumindest die Forschungsgruppe Wahlen nennt die Rohdaten, die sie "politische Stimmung" nennt, im Unterschied zur "Projektion"; das sind die gewichteten Daten.
Auch die "politische Stimmung" sind m. W. keine Rohdaten, ein Teil der Korrekturen ist da wohl schon reingerechnet (alleine schon, um die formale Repräsentativität herzustellen).
Das ist mir neu. Haben Sie dafür eine Belegstelle? Ich war bisher überzeugt, daß die "politische Stimmung" die Rohdaten sind.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:Meines Wissens arbeiten die Institute völlig unabhängig voneinander.
Das ist deren Anspruch. Bei den wahlrechts.de-Diskussionen sind wir eher zum Schluß gekommen, daß das Schielen zu den Ergebnissen der Nachbarn wohl ein wesentlicher Teil der hochgeheimen Rohdatenkorrektur sein muß.
Es kann ja durchaus sein, daß man das eine oder andere Kochrezept übernimmt, da zB ein Mitarbeiter mitbringt, der den Job wechselt. Aber doch nur, wenn man davon ausgeht, daß es zu einer Verbesserung der Gewichtung führt.
Und das wird ja eben ständig anhand der Realität justiert. Jede Wahl ist eine Rückmeldung, die man zur Verbesserung der Gewichtung einsetzen kann. Also - wenn man von den anderen etwas abguckt, dann sehe ich darin nur ein Lernen, keinen "Herdentrieb".
Lassen Sie mich noch eine allgemeine Anmerkung machen, lieber R.A. Den Demoskopen wird oft in der Öffentlichkeit unkritisch geglaubt. (Das führt zB dazu, daß etwa "Spiegel- Online" regelmäßig eine einzige Umfrage zitiert und daraus "schließt", eine Partei hätte soundso viele Prozent gewonnen oder verloren. Auch wenn es sich nur um eine Änderung um einen Prozentpunkt handelt).
Weil das so ist, befassen sich Leute, die es besser wissen - Sie, die Diskutanten im Wahlrechts-Forum - sehr kritisch mit der Demoskopie. Was ja auch richtig ist. Aber manchmal schüttet man nach meinem Eindruck das Kind mit dem Bade aus.
Die Demoskopie ist insgesamt ein nützliches und auch meist zuverlässiges Instrument. Wie jede sozialwissenschaftliche Erhebung ist sie mit Fehlern und mit methodischen Problemen behaftet. Wenn man es gut anstellt, kann man die meisten Fehler korrigieren und die methodischen Probleme in den Griff bekommen.
Einzelne Umfragen eines einzigen Instituts sind trotzdem wegen des Stichprobenfehlers und auch systematischer Fehler immer mit Vorsicht zu genießen. Deshalb verlasse zB ich mich nur auf aggregierte Daten.
Zitat von ZettelEs geht um zwei Fragen: a) daß "immer weniger Leute" zur Auskunft bereit sind; so hatten Sie es formuliert. Das ist irrelevant. b) daß diejenigen, die bereit sind, keine repräsentative Stichprobe sind. Das war schon immer so; und ihm wird durch die Gewichtung begegnet.
Dem kann man nur teilweise mit Gewichtung begegnen, und die Möglichkeit dazu wird immer schlechter. Denn die wachsende Gruppe der Nichtantworter hat einen anderen Lebensstil und andere politische Gewohnheiten als der Rest.
In Antwort auf:Wenn Sie regelmäßig finden, daß das Wahlergebnis für die Partei X um k Prozent über dem zuletzt in der Umfrage gemessenen Wert liegt
Richtig - "wenn". Aber wenn diese Regelmäßigkeit fehlt, ist der Gewichtungsausgleich nicht möglich. Die Institute können die nur den einen Teil der Bevölkerung messen, und muß dann das Verhalten des anderen Teils extrapolieren. Und sie sind damit natürlich völlig blind für Trends, die nur bzw. besonders stark bei den Nicht-Antwortern vorkommen.
Meiner persönlichen Einschätzung neigen die Nicht-Antworter z. B. sehr viel stärker zum Wechselwählen, aber nicht umbedingt in dieselbe Richtung wie die Antworter.
Spannend wird z. B. zu sehen, wie die "Piraten" bei der BTW abschneiden. Das ist eine Wählergruppe, an die die Institute m. W. nur sehr schlecht rankommen. Die "Internet-Freaks" sind zwar nur wenige Prozent der Wählerschaft, aber ob die am Ende dann wirklich Piraten, oder doch wieder grün, oder gar nicht wählen - das kann am Ergebnis einiges ausmachen!
In Antwort auf:Die Demoskopie ist insgesamt ein nützliches und auch meist zuverlässiges Instrument.
Das will ich nicht grundsätzlich bestreiten. Z. B. finde ich Untersuchungen über Motive, Themen, Mentalitäten wichtig. Da kommt es auch nicht das letzte Prozent Genauigkeit an - wenn z. B. das Thema "Kriminalität" plötzlich bei 30% steht statt bei 10%, dann hat das politische Auswirkungen.
Aber gerade die "Sonntagsfrage" halte ich aus den genannten Gründen für weitgehend unbrauchbar. Entweder ist das Ergebnis trivial, oder viel zu unzuverlässig.
Daß z. B. die SPD in Hessen nach dem Ypsilanti-Debakel die große Klatsche kriegen würde - das war trivial. Aber daß die CDU davon fast nicht profitieren würde, daß war unerwartet. Und prompt lagen die Institute im Pulk falsch: Alle hatten die CDU 4-6% zu hoch eingeschätzt, das ist massiv.
Was nützen mir also Prognosen, die genau dann zum Versagen neigen, wenn es spannend wird?
In Antwort auf:Wenn Sie regelmäßig finden, daß das Wahlergebnis für die Partei X um k Prozent über dem zuletzt in der Umfrage gemessenen Wert liegt
Richtig - "wenn". Aber wenn diese Regelmäßigkeit fehlt, ist der Gewichtungsausgleich nicht möglich. Die Institute können die nur den einen Teil der Bevölkerung messen, und muß dann das Verhalten des anderen Teils extrapolieren. Und sie sind damit natürlich völlig blind für Trends, die nur bzw. besonders stark bei den Nicht-Antwortern vorkommen.
Wenn das neue, zuvor nicht beobachtete Trends sind, dann haben Sie Recht, lieber R.A. Das ist in der Tat eine Schwäche jeder Umfrage.
Aber in dem Sinn auf die Verweigerer extrapolieren, daß man bei ihnen einfach dieselbe Verteilung annimmt wie bei den Antwortenden - das tut man ja durch die Gewichtung gerade nicht. Wenn, sagen wir, die Rohdaten nur 1 Prozent für die NPD ergeben, der gewichtete Wert aber 3 Prozent lautet, dann drückt das ja gerade aus, daß unter den Verweigerern weit mehr NPD-Anhänger sind als unter den Antwortenden.
Wenn jetzt aber diese NPD-Anhänger kurzfristig alle zu den Kommunisten umschwenken würden, dann könnte man das in der Tat nicht erfassen - bis man eben die Gewichte neu justiert hat.
Daß neue Präferenzen unter den Verweigerern nicht sofort entdeckt werden können, das könnte - auch da gebe ich Ihnen Recht - gut jetzt für die Piratenpartei bedeutsam werden.
Zitat von R.A.Spannend wird z. B. zu sehen, wie die "Piraten" bei der BTW abschneiden. Das ist eine Wählergruppe, an die die Institute m. W. nur sehr schlecht rankommen. Die "Internet-Freaks" sind zwar nur wenige Prozent der Wählerschaft, aber ob die am Ende dann wirklich Piraten, oder doch wieder grün, oder gar nicht wählen - das kann am Ergebnis einiges ausmachen!
Das ist auch meine Meinung. Wir haben ja schon einmal über dieses Thema diskutiert. Ich traue den Piraten ein erhebliches Potential zu - auf Kosten der Grünen, aber auch der FDP.
Es wird oft gesagt, das seien ja "nur" Leute, die sich im Web mehr tummeln als im RL. Aber die haben doch Freunde und Bekannte, und gelegentlich im Netz ist fast jeder; jedenfalls unter den Jüngeren.
Da ist vor allem deshalb meines Erachtens ein großes Potential, weil die Grünen ja von vielen als Opa-Partei gesehen werden. (Es ist ja kein Zufall, daß der einzige Star der Grünen seit dem Abtritt von Joschka Fischer Hans Christian Ströbele ist, gegenwärtig im jugendlichen Alter von 70 Jahren). Und die FDP ist vielen auch nicht aufmüpfig genug.
Also, unter uns: Ich traue den Piraten 2 bis 3 Prozent zu; das würde sich also durchaus auf die Grünen und die FDP auswirken.
Malte Lehming vom Tagesspiegel hat auch etwas beizutragen.
Zitat von Malte LehmingNatürlich soll das Publikum denken, Merkel und Steinmeier wollten partout raus aus der großen Koalition. Von wegen Zwangsgemeinschaft, nicht gut für die Demokratie, an sich seien Union und SPD politische Rivalen. Doch insgeheim haben sich beide in der gemeinsamen Regierung aneinander gewöhnt. Sie sind ein Team geworden, ein Gespann. Aus der Zwangsgemeinschaft ist eine Kameradschaftsehe geworden, ohne Liebe zwar, ohne Herzflimmern und knisternde Erotik, aber von viel Pragmatismus getragen.
Mich gruselts ... Angie und Steini als Königspaar ... immerdar.
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
Lehmings Spekulationen überzeugen mich nicht. Daß Merkel sich derzeit so zurückhält, hat m. E. mit Selbstdisziplin und Taktik zu tun - nicht mit Sympathien für die große Koalition. In dem kurzen Zeitraum, in dem sie wirklich mal eine inhaltliche Führungsrolle probiert hat (2004), war sie deutlich reformorientiert, durchaus in Richtung FDP. Und wo sie im Regierungsamt mal Akzente gesetzt hat, da waren das außenpolitische Kontraste gerade zu Steinmeiers Diktatoren-Schmusekurs.
Sie würde die Koalition weiterführen, wenn das Wahlergebnis nichts anderes zuläßt. Aber ich sehe keinerlei Belege, daß sie Steinmeier irgendwie schätzt, gar an ihm hängt, oder daß sie Wert auf die SPD in der Regierung legen würde.
Bei Steinmeier hat Lehming natürlich recht - für den ist die Koalition mit der CDU die einzige echte Option.
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