Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  

ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 68 Antworten
und wurde 5.029 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.09.2009 21:15
#26 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Ist das Inkaufnehmen von möglicherweise Hunderten von Opfern unter den eigenen Kameraden vertretbar?


Ist das eine Begründung auf Verdacht hunderte Menschen zu erschiessen ? Tausende ? Zehntausende ? Wo ziehen Sie denn die Grenze, lieber Zettel ?



Bei der vernünftigen, sachgerechten Abwägung, wo sonst.

Zitat von Llarian
Entschuldigen Sie meinen Sarkasmus, aber ob ein Kamerad gefährdet wird oder hundert ist ziemlich belanglos.


Nein. Genau das ist in die Abwägung einzubeziehen.

Zitat von Llarian
Ich erwarte von einem Soldaten genauso wie von einem Polizisten eine qualifizierte Entscheidung. Die in der Sache begründet und vertretbar ist. Und genau darauf muss man es untersuchen.


Es wird ja untersucht; wie schon gesagt - auf zwei Ebenen. Aber ich kann nicht erkennen, was eine dritte Ebene der Stafgerichtsbarkeit da verloren hat. Ich sehe nicht die Spur eines Anfangsverdachts auf eine strafbare Handlung.

Ebenso könnte man gegen jeden Chirurgen ein Ermittlungsverfahren prüfen, dem ein Patient bei der Operation stirbt. Hat er nicht vielleicht fahrlässig gehandelt?

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Wie will man überhaupt jemals ausschließen, daß bei einem Beschuß oder Bombardement auch Zivilisten zu Schaden kommen?


Wenn das die Wahrscheinlichkeit ist, dann muss man das je nachdem tun. Das ist eine Frage der Abwägung.



Ich hätte Ihren Text erst genauer lesen sollen, bevor ich mit Antworten anfange.

Genau darum geht es, um Abwägung. Und zwar nicht in der Klause eines Analytikers, sondern unter dem Streß, dem Handlungsdruck, der extremen Verantwortung, der Klein und seine Offiziere ausgesetzt waren.

Zitat von Llarian
Wenn ich den bösen Terroristen im Zielfeld habe, aber nur eine geringe Möglichkeit besteht, dass der es noch schafft jemanden zu erschiessen, dann wird ein Schuss wohl gerechtfertigt sein. Wenn ich den aber nicht sehen kann und wild in die Menge schiesse (weil ich ihn dabei auch treffe), dann wird man mich zurecht wohl eher als Massenmörder titulieren. Alles eine Frage der Abwägung. Die ich einem Soldaten durchaus zutraue.


Machen wir es doch konkreter: Auf der einen Seite gab es die Gefahr eine sehr folgenreichen Anschlags. (Was können wohl zwei explodierende Tankzüge an Opfern fordern?). Auf der anderen Seite gab es Informationen, daß bei den Tankzügen nur Taliban seien. Was würden Sie tun?

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Ihm deshalb Fahrlässigkeit vorzuwerfen, halte ich für weltfremd.


Ich halte es noch für viel weltfremder ihn ad hoc davon freizusprechen. Wenn ich als Konstrukteur etwas baue und jemand kommt dadurch zu Schaden, dann wird selbstverständlich und ohne jede Debatte ein Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung oder ggf. fahrlässiger Tötung gegen mich eröffnet. Das ist ein Automatismus mit dem jeder Konstrukteur lebt.



Richtig. Aber ein Soldat in einer solchen Gefahrensituation ist eben kein Konstrukteur, der sich alles in Ruhe so lange übrlegen kann, bis er sicher ist, daß sein Gerät funktioniert. Der testen kann, der andere hinzuziehen kann.

Lieber Llarian, allein daß wir diese Diskussion führen, zeigt, daß Deutschland ein halbes Jahrhundert lang in keine Kriege verwickelt war. Jeder Amerikaner, jeder Franzose, jeder Brite und jeder Israeli würde den Kopf schütteln, wenn jemand auf den Gedanken käme, die Entscheidung des Obersten Klein als ein mögliches "Tötungsdelikt" zu betrachten.

Wenn Soldaten Kriegsverbrechen begehen, dann sollten sie mit aller Härte bestraft werden. Daß der Oberst Klein kriminell gehandelt haben soll, ist eine abwegige Vorstellung.



Daß man diese Vorstellung überhaupt entwickeln kann, zeigt so etwas wie einen Clash of Cultures.

Wir haben in Deutschland ein halbes Jahrhundert lang wohlbehütet von den Alliierten uns der Illusion hingegeben, wir hätten mit den bösen Dingen dieser Welt, wie Kriegen, nichts zu tun. Wir haben feinsinnig darüber diskutiert und Prozesse geführt, ob nicht überhaupt alle Soldaten Mörder seien. Wir haben uns den Einsatz in Afghanistan wie einen Besuch von guten Onkels bei ihren hilfebedürftigen Verwandten vorgestellt.

Jetzt erreicht uns die Wirklichkeit eines Krieges. Und die deutsche Öffentlichkeit reagiert mit Abwehr, im Sinn Freuds. Sie will nicht zu Kennntis nehmen, daß Krieg etwas Entsetzliches, Brutales, Unmenschliches ist. Sondern sie möchte sich diesen Krieg immer noch als sauber vorstellen, wo allenfalls polizeilich gegen Verbrecher vorgegangen wird. Wo jeder verantwortliche Offizier in aller Muß erst einmal alle Informationen einholen kann, bevor er eine Entscheidung trifft.

Die Taliban sind aber Feinde, und zwar erbarmungslose. Unsere Soldaten kämpfen in Feindesland. Sie führen einen Krieg, der immer häßlicher wird. Wir sollten sie unterstützen, statt den Versuch zu machen, einen Mann wie den Oberst Klein zu kriminalisieren.

Ob wir überhaupt nach Afghanistan hätten gehen sollen, ob Obamas Politik jetzt richtig ist - das sind ganz andere Fragen. Jetzt geht es darum, daß wir unsere Soldaten nicht wie Kriminelle behandeln, sondern wie Menschen, die unter schwierigen Bedingungen einen extrem harten Job machen. Für uns, in unserem Auftrag.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.09.2009 03:56
#27 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zitat von Rainer
Für mich stellt sich eine ganz große Frage: Was haben "wir" in diesem Land zu suchen? Und dies schließt die NATO, wie auch die USA ein.


Das ist, lieber Rainer, eben eine "ganz andere Frage". Die jetzige Diskussion dreht sich darum, ob dem Oberst Klein etwas vorzuwerfen ist.

Sie sollte sich meines Erachtens aber auch um die Fragen drehen, die ich in dem Artikel angesprochen habe - die Spannungen zwischen deutschen und anderen NATO-Truppen, die sich daraus ergeben, daß die Deutschen nicht wirklich Krieg führen dürfen; den Versuch islamistischer Fundamentalisten, auf die Bundestagswahl Einfluß zu nehmen. Das sind aus meiner Sicht jetzt die aktuellen Themen.

Unabhängig davon wird die Diskussion kommen, was wir - der Westen - eigentlich in Afghanistan erreichen wollen.



Meine Meinung dazu habe ich schon gelegentlich geschrieben: Ich halte Präsident Obamas Ziel, in Afghanistan nicht nur counterterrorism, sondern counterinsurgency zu versuchen, für ganz und gar verfehlt.

Es war notwendig, den Afghanistan-Krieg zu führen, weil die Taliban Schutzmacht der Kaida waren. Ohne diesen Krieg hätte die Kaida zu einer wirklich bedrohlichen Terrororganisation werden können.

Als die Taliban überraschend schnell besiegt waren, entstand im Westen - in Europa mehr als in den USA - die optimistische Vorstellung von einem Afghanistan, das man jetzt nur "aufbauen" müsse, um dort ein für alle Mal die Taliban los zu sein. Mit Schulen, mit Frauen ohne Schleier usw.

Das war weltfremd, es entsprach überhaupt nicht den örtlichen Gegebenheiten. Karsai ist kein demokratischer Politiker, sondern ein Herrscher, wie es sie nun einmal in einem so rückständigen Land gibt; freilich ein Herrscher ohne viel Macht. Die Loyalität der Bevölkerung gilt nicht einer afghanischen Nation, sondern ihrem Volk oder Stamm. Diese Bevölkerung möchte vor allem eines: In Ruhe gelassen werden; sei es von den Taliban, sei es von einer Regierung, die ihnen die Moderne aufzwingen oder jedenfalls schmackhaft machen will.

Was also tun? Aus meiner Sicht ist die Antwort counterterrorism. Es muß verhindert werden, daß die Taliban wieder das Land übernehmen. Dazu ist vielleicht eine kurzfristige Aufstockung der Truppen erforderlich, wie Volker Rühe sie vorschlägt.

Aber wir sollten auf den Anspruch verzichten, dieses Land nach westlichen Maßstäben umzugestalten. Es werden weiter die Stammesführer und die Warlords herrschen. Es geht darum, sich mit ihnen gut zu stellen; nicht darum, an die Stelle ihrer Herrschaft eine Demokratie zu setzen, für die das Land nicht die Voraussetzungen hat. Anders als der Irak.

Herzlich, Zettel

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

08.09.2009 06:43
#28 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Lieber Llarian,

ich habe da tatsächlich an den Partisanenkrieg im WK2 gedacht: Irreguläre Kämpfer -> Strafaktionen -> Gräuel -> Verrohung
Dazu kommt natürlich noch die militärische Nutzlosigkeit, die sie ja auch beschreiben. Das Wort "Verrohung" ist dabei übrig geblieben, um zu zeigen, was ich davon halte - nämlich garnichts.
Ich habe mich "im Eifer des Gefechts" aber wirklich missverständlich ausgedrückt. Normalerweise denke ich länger darüber nach, wenn ich hier was schreibe.

Gruß, Calimero

----------------------------------------------------
... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

08.09.2009 07:27
#29 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zitat von Zettel

Aber wir sollten auf den Anspruch verzichten, dieses Land nach westlichen Maßstäben umzugestalten. Es werden weiter die Stammesführer und die Warlords herrschen. Es geht darum, sich mit ihnen gut zu stellen; nicht darum, an die Stelle ihrer Herrschaft eine Demokratie zu setzen, für die das Land nicht die Voraussetzungen hat.



Ich sehe da auch keine Chance für die Einführung der Demokratie, aber wie soll man sich mit Clanchefs und Warlords auf Dauer gut stellen?

Peter Scholl-Latour hat mal irgendwo geschrieben, dass Afghanen zwar nicht käuflich, aber zu mieten wären. Wenn das stimmt, ist die Loyalität der "Ältesten" und "Oberhäupter" (lediglich auf die kommt es ja dort an) nur auf Zeit zu haben ... für den mit dem lukrativsten Angebot.

Oder einen, dessen "Angebot man nicht ablehnen kann" (die Taliban-Methode).

Sollte nun der letzte Brunnen gebohrt, und die letzte Straße asphaltiert sein, muss sich so ein Regionalfürst doch fragen, ob er weiterhin eine bewaffnete Macht neben sich dulden möchte, die seine Autorität untergraben könnte. Wie will man den auf Dauer bei Laune halten?

Die Briten und die Russen haben letztendlich in Afghanistan das Handtuch werfen müssen, die Koalition hat auch massive Probleme dem Land endlich Frieden zu bringen. Einzig die Taliban haben es geschafft, den allergrößten Teil Afghanistans unter Kontrolle zu halten. Wie das?

Stark vereinfacht: Koran hochhalten und Pistole auf die Brust setzen.

DAS können (und wollen) die Allierten nicht, und ein dauerhaftes "Gutstellen" mit den Warlords und Clanchefs kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.

Beste Grüße, Calimero

----------------------------------------------------
... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.09.2009 09:52
#30 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zitat von Calimero
Die Briten und die Russen haben letztendlich in Afghanistan das Handtuch werfen müssen, die Koalition hat auch massive Probleme dem Land endlich Frieden zu bringen. Einzig die Taliban haben es geschafft, den allergrößten Teil Afghanistans unter Kontrolle zu halten. Wie das?


Sie haben das ja auch nur vorübergehend geschafft. Daß ihr Regime innerhalb kürzester Zeit zusammenbrach, ist ja nicht allein der amerikanischen Militärmacht zu verdanken, sondern der Nordallianz, die mit den USA kooperierte. Auch in den anderen Teilen Afghanistans waren die Taliban nicht wirklich verankert.

Sie konnten das Land okkupieren, weil es in den Clankämpfen nach dem Abzug der Sowjets unterzugehen drohte und die Taliban die Befriedung versprachen. Um welchen Preis, das wurden den Afghanen erst klar, als es zu spät war.

Unter dem König Mohammed Zahir Schah, der den Vökerschaften und Clans weitgehend ihre Autonomie gelassen hatte, hat Afghanistan bis 1973 in einem leidlichen Frieden gelebt. Erst durch den Umsturz Daouds, der nach wenigen Jahren durch ein sozialistisches Regime abgelöst wurde, geriet das Land aus den Fugen.

Seit merh als dreißig Jahren kämpfen die Afghanen jetzt gegen Versuche, ihre traditionelle Ordnung umzustoßen - erst den der Sozialisten Taraki und später Nadschibullah, dann - nach der erwähnten Periode der Clankämpfe - den der Taliban und heute den des Westens.

Man sollte sie in Ruhe lassen, die Afghanen. Die Zentralmacht muß sicher so weit gestärkt werden, daß es nicht wieder zu den Kämpfen der neunziger Jahre kommt. Allmählich wird das Land sich auch modernisieren. Aber das sollte man ihm selbst überlassen.

Herzlich, Zettel

Florian Offline



Beiträge: 3.180

08.09.2009 10:42
#31 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Wenn wir hier eine historische Betrachtung machen, dann auch hier meine 5 Cent:

Eigentlich ist der Fall Afghanistan schon sehr interessant:
Es handelt sich hier um eine Region mit - soweit ich sehen kann - ausgesprochen geringem strategischem Wert:
Geringe Bevölkerungszahl, geringes BIP, keine wichtigen Rohstoffe, unzugänglich, etc.

(Zur Wirtschaft ein paar Zahlen aus Wikipedia:
BIP/Kopf: 350$. Also weniger als 1$ pro Tag und damit unterhalb der gängigen absoluten Armutsgrenze.
60% der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Dennoch ist das Land per Saldo Nahrungsmittel-Importeur!
Man stelle sich das mal vor: 60% der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft - und man ist dennoch nicht in der Lage, genug zu produzieren um die eigene Bevölkerung zu ernähren!).

Dennoch kämpfen die Großmächte immer wieder erbittert um das Land.

Im 19. Jahrhundert haben die Briten dort eine ihrer wenigen Niederlagen gegen nicht-europäische Völker eingehandelt.
(Mir fällt kein andeses Beispiel ein, wo die Briten in dieser Hochphase ihres Weltreichs eine solche Niederlage erlitten hätten).

Zu dieser Zeit war das Land auch DER Zankapfel zwischen Russland und England. Ein so großer Zankapfel, dass Wilhelm II. glauben konnte, ein Bündnis zwischen diesen beiden Ländern sei (gleichgültig was seine eigene Flotenpolitik war) immer ausgeschlossen.
Wilhelm hat sich hier geirrt (wie so oft). Aber auch wenn er falsch lag: viele andere Zeitgenossen teilten seine Einschätzung.

In den 80ern war Afghanistan auch der Ort einer (faktischen) Niederlage der Sowjetunion. Soweit ich sehe, die einzige Niederlage in der Geschichte der Sowjetunion.

Und nun könnte es wieder der Ort für einen Misserfolg werden, diesmal des Westens.

Da fragt man sich schon, was Afghanistan so wahnsinnig attraktiv für ausländische Interventionen macht.
Es gab ja jedesmal herzlich wenig zu gewinnen und viel zu verlieren.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.09.2009 12:11
#32 Die kommunistischen Heuchler Antworten

Der Vorfall in Kunduz ist natürlich gefundenes Fressen für die Kommunisten-Propaganda.
Da wird dann in zweierlei Hinsicht geheuchelt: Einerseits wird verschwiegen, daß ein Truppenabzug zu deutlich höheren Opferzahlen führen würde (für die sich die Friedensheuchler dann natürlich nicht verantwortlich fühlen werden).

Und andererseits war die SED ja immer stramme Unterstützerin des russischen Afghanistan-Feldzugs - der 1 bis 2 Millionen Tote forderte!

Jetzt fragt sich: Müßte es nicht Quellen geben (z. B. alte Ausgaben des Neuen Deutschland), in denen man alte Stellungnahmen von Gysi und Konsorten aus damaliger Zeit nachlesbar sind?
Gibt es alte DDR-Medien irgendwo im Internet archiviert?

Auslaender Offline



Beiträge: 56

08.09.2009 13:22
#33 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Eine Ermittlung duerfte wohl in jedem westlichen Land stattfinden.
Die Frage ist nur von wem und mit welchem Grund.
In Deutschland besteht da wohl die besonderheit das die Millitaerjustiz bei Zivilen Gerichten angesiedelt ist
die mit den besonderheiten der Streitkraefte gar nicht vertraut ist.
In den USA wuerden die Ermittlung nicht auf evtl. Totschlag lauten sondern ersteinmal
ob der Soldat sich eines fehlverhaltens schuldig gemacht hat.
Also hier erstmal ob er die RoE und andere Artikel des Code of Justice nicht eingehalten hat.
Wenn ja, lag ein besonderer den Umstaenden geschuldeter Grund vor?
Soweit ich das bisher ueberblicken (Medien) kann wuerde dem Befehlshabenden Offizier nichts passieren.
Der Politische Schaden ist zwar da, was seiner Karriere unter unserem derzeitigen CiC nicht seher foerderlich waere,
das war es aber auch schon.
Evtl. Versetzung auf einen Horchposten nach Alaska end of story.
Was anderes waere es nur bei Vorsatz gezielt Zivilisten zu toeten oder wenn die Talibs sich bereits ergeben haetten.
Lag aber ja nicht vor.

califax Offline




Beiträge: 1.502

08.09.2009 13:42
#34 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zitat von Auslaender
Eine Ermittlung duerfte wohl in jedem westlichen Land stattfinden.
Die Frage ist nur von wem und mit welchem Grund.
In Deutschland besteht da wohl die besonderheit das die Millitaerjustiz bei Zivilen Gerichten angesiedelt ist
die mit den besonderheiten der Streitkraefte gar nicht vertraut ist.
In den USA wuerden die Ermittlung nicht auf evtl. Totschlag lauten sondern ersteinmal
ob der Soldat sich eines fehlverhaltens schuldig gemacht hat.



Allerdings.
1) Es gibt in Deutschland keine Militärjustiz.
Soldaten unterliegen der ganz normalen Gerichtsbarkeit wie jeder Zivilist.
2) Das Recht folgt der Flagge. Dieser Grundsatz ist eigentlich vernünftig und soll Soldaten im Ausland schützen (z.B. Soldatinnen vor Stockschlägen wegen Hosentragens.) Unser Recht scheint aber ziemlich wenige Sonderrechte für Soldaten vorzusehen.
3) Nach Angaben der Bundesregierung herrscht in Afghanistan kein Krieg.
Die Soldaten befinden sich also im Frieden, es gelten also die Rechtsnormen des friedlichen deutschen Alltagslebens und die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, Tötungshandlungen untersuchen zu lassen.
Eine solche liegt hier unzweifelhaft vor. Der StA muß also prüfen, ob sich Verdachtsgründe auf ein Tötungsverbrechen finden lassen. Alles andere wäre Rechtsbeugung.

Das ist nur einer der vielen absurden Vorfälle, die sich aus der wirklichkeitsfremden Rechtslage ergeben.
Vor Monaten ging ein besonders bizarrer, wenn auch harmloserer, Fall durch die Milblogs, als die Verwaltung den Soldaten in Kunduz verbot, im Lager eine Sirene zur Vorwarnung vor einsetzendem feindlichem Granatbeschuß zu betreiben.
Die Begründung für das Sirenenverbot lieferte das Emmissionsschutzgesetz.
In den USA hätte man die so handelnden Beamten wohl öffentlich wegen Landesverrats angeprangert...
Man fragt sich, ob der Offizier jetzt nicht noch eine wegen Ruhestörung und Umweltverschmutzung auf den Deckel kriegt...

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster
<hl>
The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.09.2009 13:51
#35 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zitat von Florian
Da fragt man sich schon, was Afghanistan so wahnsinnig attraktiv für ausländische Interventionen macht.


Vielleicht die geostrategische Lage?

Florian Offline



Beiträge: 3.180

08.09.2009 15:54
#36 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

In Antwort auf:
Vielleicht die geostrategische Lage?



Ok. Aber das war ja genau meine Frage:
Was ist an der geostrategischen Lage so besonders wichtig?

Diesbezüglich stufe ich eigentlich Afghanistan als ähnlich bedeutend ein wie Paraquay.
Es liegt an keiner bedeutenden Verbindungsachse. Es liegt nicht am Meer und kontrolliert keine bedeutenden Schiffahrtswege.
Es hat keine bedeutenden Rohstoffe.
Die Länder an die es grenzt sind ihrerseits nicht sehr wichtig (ohne Pakistan, Turkmenistan oder Tadjikistan zu nahe treten zu wollen). Ok, der Nachbar Iran hat eine gewisse internationale Bedeutung. Aber warum rechtfertigt diese Nachbarschaft eine erhöhte Bedeutung Afghanistans?



califax Offline




Beiträge: 1.502

08.09.2009 16:15
#37 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zitat von Florian

In Antwort auf:
Vielleicht die geostrategische Lage?


Ok. Aber das war ja genau meine Frage:
Was ist an der geostrategischen Lage so besonders wichtig?
Diesbezüglich stufe ich eigentlich Afghanistan als ähnlich bedeutend ein wie Paraquay.
Es liegt an keiner bedeutenden Verbindungsachse.




Landweg Pakistan--Iran--Ex-Sowjetunion, Haupthandelswaren sind Drogen, Waffen, Terror.

Zitat von Florian

Es liegt nicht am Meer und kontrolliert keine bedeutenden Schiffahrtswege.
Es hat keine bedeutenden Rohstoffe.
Die Länder an die es grenzt sind ihrerseits nicht sehr wichtig (ohne Pakistan, Turkmenistan oder Tadjikistan zu nahe treten zu wollen).



Pakistan ist Kernwaffenstaat, liegt in ständigem militärischen Konflikt mit dem Kernwaffenstaat Indien und exportiert Terrorismus via Afghanistan.

Zitat von Florian

Ok, der Nachbar Iran hat eine gewisse internationale Bedeutung. Aber warum rechtfertigt diese Nachbarschaft eine erhöhte Bedeutung Afghanistans?



Indien, Pakistan und Iran streben nach Hegemonie, Teile der iranischen Führung scheinbar auch nach einem großen globalen Krieg. Die Islamisten in Pakistan, deren Waffenbrüder diejenigen in Afghanistan sind, streben nach globaler Bedeutung. Indien wiederum wird dadurch noch stärker bedroht als der Westen.
Die Gefahr eines Kernwaffenkrieges in dieser Region ist durchaus real.


Im Übrigen sollte die Vorgeschichte des derzeitigen Konfliktes ja bekannt sein - Es ging nicht so sehr um die geographische Lage sondern zwischen Moskau und Washington um die Ausbreitung des Kommunismus bzw. dessen Bekämpfung, pakistanischen Kreisen um die Verbreitung des militanten Islamismus und die Bekämpfung Indiens und heute um Ruhe im Kasten.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.09.2009 16:31
#38 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Eigentlich hat Florian schon recht: Afghanistan ist ein ziemlich uninteressantes Land - auch geostrategisch.

Es war in einer gewissen Phase wichtig, als die Russen über Afghanistan Richtung Indien vordringen wollten und die Engländer das verhinderten. Danach hat sich aber viele Jahrzehnte dort überhaupt nichts getan, und niemand hat sich für das Land interessiert.

Auch die Russen hatten nach dem zweiten Weltkrieg lange Zeit keine Ambitionen an ihrem armen Nachbarstaat. Erst als ein sich sozialistisch nennendes Regime massiv unter innenpolitischen Druck geriet und man es aus ideologischen Gründen nicht fallen lassen wollte, wurde interveniert - einen geostrategischen Grund gab es dafür nicht, die Russen sind eher zögerlich und widerwillig an die Sache rangegangen, und wurden dann immer stärker in den Sumpf gezogen.

Und nach ihrem Abzug hat sich dann auch keiner mehr für das Land interessiert. Erst herrschten die Warlords, dann die Taliban - und das wäre wohl heute noch so, wenn sie nicht Al Kaida beherbergt und bei ihrem Angriff auf die USA unterstützt hätten.

Zettel hat schon recht: Es kann nur darum gehen, daß dort ein halbwegs stabiles Regime sitzt, daß sich nur innenpolitisch betätigt (in üblicher Weise vom Westen Geld kassiert) und keine Basis für den militanten Islamismus ist.

Wenn das wieder der Fall ist, wird Afghanistan wieder völlig aus dem Scheinwerferlicht verschwinden. Trotz der Nachbarschaft mit diversen "interessanten" Staaten oder Nebenfragen mit irgendwelchen Pipelines ist das Land nach wie vor völlig im Windschatten, bietet weder dem Westen noch anderen Mächten lohnende Ziele.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

08.09.2009 17:45
#39 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zitat von Zettel

Vielleicht die geostrategische Lage?



Spielen sie da auf the great game an? Interessante Geschichte, aber heute ist es wohl eher das, was Califax und R.A. schon geschrieben haben.

----------------------------------------------------
... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.09.2009 17:49
#40 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

Zustimmung. Nur zwei eine kleine Anmerkung:

Zitat von R.A.
Es war in einer gewissen Phase wichtig, als die Russen über Afghanistan Richtung Indien vordringen wollten und die Engländer das verhinderten.


Das war ja Teil einer umfassenden Auseinandersetzung zwischen der Landmacht Rußland und der Seemacht England. Rußland wollte sich auch hier nach Süden ausdehnen, so wie es das generell wollte - siehe Krimkrieg. England wollte Britisch-Indien sichern und konnte ein russisch dominiertes Afghanistan deshalb nicht zulassen. Parallel kämpften die beiden Mächte um den Einfluß auf Persien, das seinerseits Interessen im benachbarten Afghanistan hatte.

Im Grunde ging es um die Grenze zwischen zwei Kolonialreichen.

Zitat von R.A.
Erst als ein sich sozialistisch nennendes Regime massiv unter innenpolitischen Druck geriet und man es aus ideologischen Gründen nicht fallen lassen wollte, wurde interveniert - einen geostrategischen Grund gab es dafür nicht, die Russen sind eher zögerlich und widerwillig an die Sache rangegangen, und wurden dann immer stärker in den Sumpf gezogen.


Das stimmt. Allerdings hätte ein sowjetisch dominiertes Afghanistan der UdSSR darüber hinaus Vorteile gebracht: die Möglichkeit, von dort aus sowohl den Iran als auch Pakistan zu bedrohen und die Entwicklung dort in Richtung Kommunismus zu beeinflussen.

Vor allem im Iran hat es ja damals eine starke, von Moskau kontrollierte KP gegeben. Als die Sowjets 1979 in Afghanistan intervenierten, war die Iranische Revolution in vollem Gang. Ihre eine kommunistische Wendung zu geben lag damals im Bereich des Möglichen.

Herzlich, Zettel

Llarian Offline



Beiträge: 7.126

08.09.2009 23:33
#41 RE: Afghanistan, zivile Opfer, deutscher Wahlkampf Antworten

In Antwort auf:
Ebenso könnte man gegen jeden Chirurgen ein Ermittlungsverfahren prüfen, dem ein Patient bei der Operation stirbt. Hat er nicht vielleicht fahrlässig gehandelt?


Tatsächlich ist das genau das, was wohl nahezu jedes Krankenhaus tut, schon alleine um sich vor Regressansprüchen zu schützen und nicht den eigenen Ruf zu gefährden.

In Antwort auf:
Genau darum geht es, um Abwägung. Und zwar nicht in der Klause eines Analytikers, sondern unter dem Streß, dem Handlungsdruck, der extremen Verantwortung, der Klein und seine Offiziere ausgesetzt waren.


Ein Streß, ein Handlungsdruck und eine Verantwortung für die diese Leute ausgebildet sind. Deswegen sind die dort und nicht Hans Dampf von der Strasse. Man kann von einem Offizier erwarten, DASS er die Lage analysiert und eine qualifizierte Entscheidung trifft, die auf Faktenbasis und Training basiert. Ich weiss nicht was diese Vorab-Entschuldigung bringen soll.

In Antwort auf:
Was würden Sie tun?


Zunächst mal keine Meinung abgeben ohne die Situation zu kennen. Ich betrachte mich kaum durch die Presse als informiert genug, um dazu eine Meinung abgeben zu können. Auch nicht die Meinung jemand habe so und nur so handeln können.

In Antwort auf:
Daß der Oberst Klein kriminell gehandelt haben soll, ist eine abwegige Vorstellung.


Zunächst mal ist nicht jede Fahrlässigkeit und jeder Fehler gleich eine kriminelle Handlung. Zum anderen ist es abwegig ohne genaue Informationen eine Möglichkeit als abwegig zu deklarieren, zumindest nicht wenn einen die Wahrheit interessiert.

In Antwort auf:
Die Taliban sind aber Feinde, und zwar erbarmungslose. Unsere Soldaten kämpfen in Feindesland. Sie führen einen Krieg, der immer häßlicher wird. Wir sollten sie unterstützen, statt den Versuch zu machen, einen Mann wie den Oberst Klein zu kriminalisieren.


Die selben Worte würden wortwörtlich in einen der John-Wayne Propaganda Filme der siebziger Jahre zum Thema Vietnam passen. Und nicht ein dickes "I support the troops" vergessen drunterzusetzen.

Diese Argumentation entspricht genau dem was die SED derzeit treibt, nur das Vorzeichen ist anders herum. Wo die SED einen Mörder sehen will, sprechen Sie, auch ohne Kenntnis des Hintergrundes, jemanden von einer Tat frei, weil er zu "unseren Truppen" gehört. Ich kann mit beidem nicht viel anfangen. Ich möchte gerne wissen, was da passiert ist, welche Entscheidung hier aufgrund welcher Fakten getroffen wurde. Und natürlich auch, ob es sich dabei um einen Fehler gehandelt hat. Und im Extremfall natürlich auch, ob es sich um einen vermeidbaren Fehler gehandelt hat. Denn es ist eben keine Unterstützung der Truppen jedwelches Verhalten einfach hinzunehmen. Auch Soldaten haben ein Recht darauf eine weisse Weste zu tragen, ohne dass diese aufgrund des schrecklichen Feindes, per Befehl an sie ausgegeben wird.

Man kann das sicher unterschiedlich sehen, aber ich für meinen Teil, der ich den Einsatz in Afghanistan durchaus für richtig halte, kann das nur deshalb tun, WEIL ich davon ausgehe, dass unsere Truppen sich verantwortlich und innerhalb unseres ethischen Verständnisses bewegen. Und unser ethisches Verständnis schreibt eben auch vor, dass man sich für den Tod von Zivilisten, rechtfertigen muss. Wenn dies nicht mehr gegeben ist, sondern stattdessen ein "I support the troops and don't ask questions' drübergepappt wird, dann ist meinerseits keinerlei Bereitschaft mehr diesen Einsatz auch nur einen Tag länger mitzutragen. Ich denke unsere Truppen können weltweit viel positives bewegen, wenn das aber zur Rückkehr der Flintenweiber, der Kinderkundschafter und Partisanen führt, dann ist das nicht der Fall.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.09.2009 23:47
#42 Support our troops! Antworten

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Die Taliban sind aber Feinde, und zwar erbarmungslose. Unsere Soldaten kämpfen in Feindesland. Sie führen einen Krieg, der immer häßlicher wird. Wir sollten sie unterstützen, statt den Versuch zu machen, einen Mann wie den Oberst Klein zu kriminalisieren.


Die selben Worte würden wortwörtlich in einen der John-Wayne Propaganda Filme der siebziger Jahre zum Thema Vietnam passen. Und nicht ein dickes "I support the troops" vergessen drunterzusetzen.



Ja, davon könnten wir in Deutschland sicher etwas gebrauchen.

Ich kenne kein vergleichbares Land, in dem große Teile der Öffentlichkeit so negativ gegenüber dem Militär eingestellt sind wie in Deutschland. Allen voran ausgerechnet die Kommunisten, die überall dort, wo sie an der Macht sind, ihr Militär gar nicht genug preisen können. Auf diese Heuchelei hat ja schon R.A. hingewiesen.

Die Leistung des Oberst Klein und seines Teams, einen sehr wahrscheinlich geplanten Anschlag vereitelt zu haben, wird so gut wie gar nicht erwähnt. Die ganze Problematik der Unterscheidung zwischen "Taliban" und "Zivilisten" kommt praktisch nicht vor. Sondern alles - naja, fast alles - hat sich auf die Sprachregelung eingelassen, da hätte ein Offizier es zu verantworten, daß "Zivilisten" ums Leben gekommen seien.

"Support our troops" - sie haben genau Recht, lieber Llarian: Das ist es, was wir brauchen.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

08.09.2009 23:59
#43 RE: Support our troops! Antworten

Selbst wenn da kein Anschlag geplant gewesen wäre: Es war nach allen vorliegenden Informationen ein klarer taktischer Sieg und ganz im Sinne der Einheimischen. Die BW ist dort, um für Sicherheit zu sorgen. Das hat sie jetzt sehr effektiv getan. Das ist die Aufgabe eines Soldaten. Inwiefern ISAF-Regeln verletzt wurden, muß natürlich untersucht werden. Daß ein ziviler StA den Anfangsverdacht auf ein Tötungsverbrechen prüft, ist eine zwingende Folge aus dem Konzept des Bürgers in Uniform.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

Llarian Offline



Beiträge: 7.126

09.09.2009 18:14
#44 RE: Support our troops! Antworten

In Antwort auf:
Ja, davon könnten wir in Deutschland sicher etwas gebrauchen.


Nein, lieber Zettel, wenn das die Form ist, die Sie hier vortragen, dann glaube ich nicht, das wir das brauchen. Ich glaube auch nicht das wir John Wayne und die Ledernacken in Uniform brauchen.

In Antwort auf:
Ich kenne kein vergleichbares Land, in dem große Teile der Öffentlichkeit so negativ gegenüber dem Militär eingestellt sind wie in Deutschland.


Ich kenne auch kein vergleichbares Land in dessen Vergangenheit das Militär soviele Verbrechen begangen hat. Und ich bin absolut nicht kleinlich in Bezug auf Kriegsverbrechen anderer wie Bomber Harris und Konsorten. Ich denke nur das gerade die Deutschen, weil Sie ihre Geschichte kennen, durchaus wissen, was aus einer Armee werden kann, die sich nicht verantworten muss.

In Antwort auf:
Die Leistung des Oberst Klein und seines Teams, einen sehr wahrscheinlich geplanten Anschlag vereitelt zu haben, wird so gut wie gar nicht erwähnt.


Und diese Leistung rechtfertigt dann alles ? Denn um diese Frage geht es. Ein Polizist der einen Terroristen und einen Zivilisten erschiesst hat auch etwas geleistet. Und dennoch wäre ich vorsichtig mit dem Absolutismus ihn dafür zu loben. Das kann eine Leistung sein, es kann auch das Gegenteil sein.

In Antwort auf:
Sondern alles - naja, fast alles - hat sich auf die Sprachregelung eingelassen, da hätte ein Offizier es zu verantworten, daß "Zivilisten" ums Leben gekommen seien.


Da wo ich herkomme übernimmt man Verantwortung für das was man tut. Und ich glaube ganz ehrlich das können die meisten Soldaten auch, die brauchen diese Form von Zuspruch hoffentlich nicht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.09.2009 19:04
#45 RE: Support our troops! Antworten

Zitat von Llarian
Ich kenne auch kein vergleichbares Land in dessen Vergangenheit das Militär soviele Verbrechen begangen hat.


Oh, da kenn ich manche. Wissen Sie, wie die Rote Armee in Berlin gehaust hat? Wie die Fremdenlegion in Indochina und in Algerien gekämpft hat, wo Folterungen an der Tagesordnung waren? Wie die chinesische Volksbefreiungsarmee das Volk befreit hat? Wie die Japanische Kaiserliche Armee gekämpft hat, vor allem in der Mandschurei?

Die deutsche militärische Tradition, lieber Llarian, ist keineswegs negativer als die der meisten anderen Armeen dieser Welt. Es gab die eine große Ausnahme - das waren die Verbrechen, die vor allem von Polizeibataillonen im Zweiten Weltkrieg im Osten begangen wurden. Teils unter Beteiligung von Teilen der regulären Wehrmacht, das ist wahr. Aber das war ein Bruchteil der Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg kämpften.

Helmut Schmidt hat dazu das Notwendige gesagt. Ich habe die "Wehrmachtsausstellung" gesehen, erste Version - ein unglaubliches agitatorisches Machwerk, das gezielt den Eindruck erwecken sollte, es sei "die Wehrmacht" gewesen, die Verbrechen im Osten begangen hat. Historisch schlicht unhaltbar.

Und zu dem Obersten Klein, lieber Llarian, sehe ich nun wirklich nicht die geringste Parallele.

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Die Leistung des Oberst Klein und seines Teams, einen sehr wahrscheinlich geplanten Anschlag vereitelt zu haben, wird so gut wie gar nicht erwähnt.


Und diese Leistung rechtfertigt dann alles ?



Was meinen Sie mit "rechtfertigen", was meinen Sie mit "alles"? Ich habe geschrieben, daß diese anderen Aspekte in der öffentlichen Diskussion gegenüber dem einen Aspekt untergehen, daß möglicherweise Zivilisten zu Schaden gekommen sind. Wo habe ich von rechtfertigen gesprochen?

Bisher sehe ich überhaupt nichts, was der Rechtfertigung bedürfte. Oberst Klein hat nach allem, was mir bisher bekannt ist, pflichtgemäß und situationsangemessen entschieden.

Zitat von Llarian
Denn um diese Frage geht es. Ein Polizist der einen Terroristen und einen Zivilisten erschiesst hat auch etwas geleistet. Und dennoch wäre ich vorsichtig mit dem Absolutismus ihn dafür zu loben. Das kann eine Leistung sein, es kann auch das Gegenteil sein.


Und was hat das mit dem Vorfall in Afghanistan zu tun?

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Sondern alles - naja, fast alles - hat sich auf die Sprachregelung eingelassen, da hätte ein Offizier es zu verantworten, daß "Zivilisten" ums Leben gekommen seien.


Da wo ich herkomme übernimmt man Verantwortung für das was man tut. Und ich glaube ganz ehrlich das können die meisten Soldaten auch, die brauchen diese Form von Zuspruch hoffentlich nicht.



Zuspruch? Es geht um eine Sprachregelung, die fast unmittelbar nach dem Vorfall unterstellt hat, Klein hätte schuldhaft verursacht, daß "unschuldige Zivilisten" ums Leben kamen.

Auch jetzt, nach fünf Tagen, steht weder fest, daß überhaupt "Zivilisten" ums Leben kamen, noch daß - falls das so gewesen sein sollte - der Oberst Klein hätte wissen müssen oder überhaupt nur wissen können, daß sich bei diesen Tanklastzügen, die tief in der Nacht kilometerweit von den nächsten Dörfern standen, auch "Zivilisten" aufhielten.

Darum geht es mir: Um eine Kampagne, die sofort nach dem Vorfall gestartet wurde, die ein einseitiges, durch keine Fakten gedecktes Bild zeichnete und die seither die öffentliche Diskussion bestimmt.

An dieser Kampagne ist das US-Militär nicht unschuldig, das einen Zwist mit der Bundeswehr in Afghanistan hat. Vor allem aber wird sie in Deutschland von den Kommunisten und ihren Mitläufern geführt, die ihr ideales Wahlkampfthema gefunden haben.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

10.09.2009 10:21
#46 Eine mögliche Alternative Antworten

Eine Meldung, wie sie auch hätte in der Zeitung stehen können:

Zitat von Preußische Allgemeine Zeitung
Die Bilder sind schrecklich, die uns aus Kundus erreichen. Ein Brandanschlag mit einem benzinbeladenen Kleinlaster hat die Polizeistation in Schutt und Asche gelegt. Beamte und zufällig anwesende Zivilisten kamen in großer Zahl zu Tode. Der US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, Stanley McChrystall, zeigte sich wütend über das Versagen der deutschen Schutztruppe, die es offensichtlich nicht verstanden habe, den Vorfall zu verhindern. Dies, obwohl sie eine perfekte Chance dazu gehabt hätte, wie er einem Reporter der „Washington Post“ erklärte. Die „wichtigste Aufgabe der Soldaten“ sei der „Schutz der Bevölkerung“.

Tage zuvor hatten die Taliban zwei Tanklastzüge der Deutschen entführt. Obwohl der Bundeswehr bekannt war, dass die Lastzüge im Morast des Kundus-Flusses steckengeblieben waren und damit ein leichtes Ziel darstellten, hatten die Deutschen auf die Anordnung eines Luftschlags verzichtet.

Dies nutzten afghanischen Aufklärern zufolge die Taliban dazu, das Benzin auf kleinere Fahrzeuge umzuladen. Dabei haben ihnen bislang unbestätigten Berichten zufolge Bewohner eines vier Kilometer entfernten Dorfes geholfen. Die Deutschen aber hätten nichts getan, so McChrystall, obwohl ihre Garnison nur sechs Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt gewesen sei.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung verteidigte die deutsche Untätigkeit damit, dass man nicht hundertprozentig habe ausschließen können, dass sich auch Zivilisten am Ort aufhielten. Nach einer Güterabwägung hätten sich die Verantwortlichen entschlossen, nicht einzuschreiten.


http://www.ostpreussen.de/preussische-al...m-kundus-1.html

Via: http://blogkon.blogspot.com/2009/09/die-...r-wahrheit.html

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

10.09.2009 15:50
#47 Eine Meldung, wie sie auch hätte in der Zeitung stehen können: Antworten

Der beste Artikel, den ich dazu bisher gelesen habe. Ein schöner Rundum-Schlag vom Heckel.

----------------------------------------------------
... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.

Robin Offline



Beiträge: 317

11.09.2009 15:18
#48 RE: Support our troops! Antworten

Offensichtlich wird der Vorfall in der deutschen Öffentlichkeit deutlich weniger kritisch gesehen, als es (manche) Medien wohl gerne hätten. Vielmehr stellt das Ereignis wohl auch eine Gelegenheit dar, die derzeitige Lage in Afghanistan wahrzunehmen und neu zu bewerten. Auch scheinen versuchte Anschläge auf deutsche Soldaten die Beliebtheit der Taliban nicht unbedingt zu steigern.
Die neuste Umfrage zeigt, dass die Zustimmung zum Afghanistaneinsatz gegenüber der letzten Umfrage vor zwei Monaten deutlich gestiegen ist, selbst unter Anhängern der Linkspartei hat sich die Zustimmung fast verdoppelt (von 13 auf 22 Prozent), unter den grünen Wählern ist die Zustimmung interessanter Weise am größten (50 Prozent).
Dass ist doch mal ein sehr positives Zeichen. Nicht nur wegen des Afghanistaneinsatzes, sondern auch, weil es zeigt, dass die Menschen in unserem Land durchaus noch vernünftig und unabhängig denken und sich nicht immer manipulieren lassen.

Viele Grüße
Robin

Llarian Offline



Beiträge: 7.126

12.09.2009 17:21
#49 RE: Support our troops! Antworten

In Antwort auf:
Wissen Sie, wie die Rote Armee in Berlin gehaust hat?


Hat die auch aktiv einen Genoizid durchgeführt ? Ich glaube durchaus das viele Nationen vor ihrer Tür zu kehren haben, halte aber die Wehrmacht tatsächlich für ein ziemliches Unikum. Es steht Ihnen frei das anders zu sehen.

In Antwort auf:
Aber das war ein Bruchteil der Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg kämpften.


Ja, natürlich. So wie auch nur ein Bruchteil der deutschen Bevölkerung gewusst hat, was die Nazis da so treiben. Mein Kampf ist ja auch geradezu geheim gehalten worden und Führerbefehle an die Wehrmacht hats darüber auch nicht gegeben. Nee, lieber Zettel, das ist eine Diskussion die ich nicht führe.

In Antwort auf:
Und zu dem Obersten Klein, lieber Llarian, sehe ich nun wirklich nicht die geringste Parallele.


In ihm nicht, das wäre auch eine ziemliche Beleidigung. Aber das, was Sie hier propagieren (übrigens mit grossem Erfolg wie man ja sieht), das hat eine sehr deutliche Parallele: Nämlich das "Über-das-Gesetz" stellen von Soldaten, denn schliesslich kämpfen die ja "für uns". Die von Ihnen erwähnte Wehrmachtsausstellung kenne ich nämlich auch. Und wissen Sie, was mich am meisten angesprochen hat ? Die Bilderwand mit den Geschichten, die NACH DEM KRIEG entstanden sind. Die Heldengeschichten, die Storys von der weissen Weste, die Verherrlichung, die ehrlich kämpfende Truppe. Und natürlich ebenso das massive Attackieren von Leuten, die die Wehrmacht hinterfragt haben. Hat auch heute noch was vom "Nestbeschmutzer". Diese Parallele sehe ich sehr deutlich.

In Antwort auf:
Und was hat das mit dem Vorfall in Afghanistan zu tun?


Ganz einfach, lieber Zettel: Das wir es nicht wissen. Es macht ebensowenig Sinn den Oberst zu einem Mörder zu stempeln wie es Sinn macht ihn freizusprechen, ja gar zum Helden zu erklären. Das macht bei dem Poliziste ebensowenig Sinn wie in dem Fall. Erst mal müsste man mehr wissen. Was Sie nicht tun. Ich auch nicht. Aber ich bewerte es auch nicht.

In Antwort auf:
Darum geht es mir: Um eine Kampagne, die sofort nach dem Vorfall gestartet wurde, die ein einseitiges, durch keine Fakten gedecktes Bild zeichnete und die seither die öffentliche Diskussion bestimmt.


Ist ihre Argumentation denn besser ? Ich finde das, was die SED da treibt unredlich. Aber das, was Sie tun, nicht besser. Es ist nur ein anderes Vorzeichen. Sie kommen zu einem Urteil, ohne die Fakten zu kennen. Für die SED reicht es aus, jemanden zum Mörder zu machen, weil ein Zivilist getötet wurde. Für Sie genügt es (so erscheint ist, ich will nichts unterstellen), dass der Mann ein militärisches Ziel (den Schutz seiner Leute) erreicht hat.

In Antwort auf:
Vor allem aber wird sie in Deutschland von den Kommunisten und ihren Mitläufern geführt, die ihr ideales Wahlkampfthema gefunden haben.


Da brauchen Sie sich m.E. nach keine Sorgen machen: Die Kommunisten werden bei diesem Thema verlieren und zwar haushoch. Weil es immernoch sehr beliebt ist für das Home-Team zu sein, egal was die gerade treiben. Der Krieg in Vietnam wurde auch nicht deswegen beendet, weil die Methoden bekannt wurden, sondern vor allem als die Zahl der US-Opfer groesser wurde. Und bevor die deutsche Bevölkerung wirklich eine Wahlentscheidung aufgrund von Afghanistan abhängig macht, müssten erstmal massiv deutsche Soldaten sterben. Wenn es zu dem Anschlag gekommen wäre, dann hätten die Kommunisten wirklich ihr Wahlkampfthema gehabt. Ein paar tote Afghanen werden den deutschen Wahlkampf nicht beeinflussen.
Jetzt muss noch der eine oder andere Artikel lanciert werden, wie gut die afghanische Bevölkerung das ganze findet, dann kann die Regierung davon sogar noch profitieren.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

12.09.2009 18:34
#50 RE: Support our troops! Antworten

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Und zu dem Obersten Klein, lieber Llarian, sehe ich nun wirklich nicht die geringste Parallele.


In ihm nicht, das wäre auch eine ziemliche Beleidigung. Aber das, was Sie hier propagieren (übrigens mit grossem Erfolg wie man ja sieht), das hat eine sehr deutliche Parallele: Nämlich das "Über-das-Gesetz" stellen von Soldaten, denn schliesslich kämpfen die ja "für uns".



Da argumentieren Sie gegen einen Strohmann. Der Vorfall wird ja sowohl durch die Bundeswehr als auch durch die NATO untersucht, und das findet hier niemand schlecht, und das ist ein ziemlicher Unterschied zur Wehrmacht.

Was Zettel et al. verwundert, ist a) die Ermittlung seitens des Potsdamer Staatsanwalts, mithin der zivilen Justiz, auf ein Tötungsdelikt (ja, wir wissen, warum das hier so ist, aber das ändert nichts daran, dass praktisch kein anderes Land der Welt so vorgeht), sowie b) die Vorverurteilung, die allenthalben stattfindet, noch bevor der Vorfall untersucht ist.

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Seiten 1 | 2 | 3
 Sprung  



Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.



Xobor Xobor Forum Software
Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz