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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 73 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 02:11
Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

"Wir haben nicht nur nach dem Regionalproporz geguckt" sagte die Kanzlerin auf den Vorwurf, es gebe außer ihr keine Ostdeutschen im neuen Kabinett. Das lieferte den Anstoß zu dieser Meckerecke.

Numpy Offline



Beiträge: 113

29.10.2009 09:05
#2 RE: Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

Naja, Klientelpolitik ist das eine, und es wird auch erwartet. Schließlich werden die Arbeitslosen und Ökos unter Linken Regierungen auch mit Almosen überhäuft. Zu Kritik veranlaßt aber, wenn die Klientelpolitik der allgemeinen Parteilinie widerspricht. Dies bezieht sich zum Beispiel auf das Apothekenrecht. Zwar ging ich nicht davon aus, daß die FDP den Markt für Apotheken öffnet, sie ist schließlich die Partei der Apotheker und Anwälte, aber ich dachte nicht, daß sie einen Rückgang in alte Zeiten und weiteren Protektionismus in diesem Bereich planen.

Desweiteren kann ich mich zum Teil der Kritik an der Ministerpostenvergabe anschließen. Nicht, weil nur die Kanzlerin selbst aus dem Osten stammt (Was soll diese Kritik/Forderung eigentlich? Sonst sind die Menschen, die jetzt kritisieren, doch immer sofort dabei zu kritisieren, wenn man zwischen Ost und West differenziert.), aber weil das Kabinett durchaus eine zu geringe Anzahl an nicht-promovierten Mitgliedern hat. Dies ist vorallem eine PR-Maßnahme, um den Arbeitnehmern zu zeigen, daß die Reformen auch für sie gedacht sind. .. Aber wo ich dies gerade schreibe, fällt mir auf, daß garkeine Reformen geplant sind.

Eltov Offline




Beiträge: 152

29.10.2009 10:10
#3 RE: Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

In Antwort auf:
Naja, Klientelpolitik ist das eine, und es wird auch erwartet. Schließlich werden die Arbeitslosen und Ökos unter Linken Regierungen auch mit Almosen überhäuft.



Stimmt, die Arbeitslosen sind wegen Hartz IV immer noch außer sich vor Freude.

Numpy Offline



Beiträge: 113

29.10.2009 11:36
#4 RE: Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

Nun war die rotgrüne Regierung durch ökonomische Zwänge keine klassisch linke Regierung mehr. (Die Ökos haben nichtsdestotrotz starke Subventionen erhalten)

Florian Offline



Beiträge: 3.180

29.10.2009 14:33
#5 RE: Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

In Antwort auf:
In Antwort auf:
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Naja, Klientelpolitik ist das eine, und es wird auch erwartet. Schließlich werden die Arbeitslosen und Ökos unter Linken Regierungen auch mit Almosen überhäuft.
--------------------------------------------------------------------------------

Stimmt, die Arbeitslosen sind wegen Hartz IV immer noch außer sich vor Freude.




Man erkläre mir, in wie fern Arbeitslose das besondere Klientel der SPD sein sollen.

Die SPD ist vom traditionellen Selbstverständnis her die Partei der Arbeiter. Und nicht die Partei der Arbeitslosen.
Hohe Transferzahlungen zu Gunsten von Arbeitslosen gehen somit zu Lasten der eigentlichen SPD-Klientel.
Diese Klientel hat weniger ein Interesse an hohen Arbeitslosengeld sondern eher daran, dass man selbst nicht arbeitslos wird.
Und dabei war die SPD doch durchaus erfolgreich: Während ihrer Regierungszeit (und begünstigt u.a. durch die Hart-Reformen) ist die Arbeitslosenquote stärker gesunken als je zuvor in der deutschen Geschichte (incl. der Wirtschaftswunderjahre).

(Die Tragik der SPD ist nur, dass sie sich selbst diesen Erfolg nicht anrechnen lassen wollte sondern im Gegenteil meist verleugnete).

Im übrigen sehen das auch die Arbeitslosen selbst so:
Die SPD wird von dieser Gruppe nicht überdurchschnittlich gewählt. Also ganz eindeutig keine SPD-Klientel.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

29.10.2009 15:00
#6 RE: Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

Zettel hat natürlich recht:
dieses Quoten-Denken ist dämlich.

Die schädlichste Wirkung entfaltet dieses Denken übrigens gar nicht zu Beginn einer Regierung sondern erst in späteren Jahren.
Denn wenn zwischendrin ein Minister ausfällt, dann muss man ja (wenn man den Proporz wahren will) wieder jemand mit genau dem gleichen Profil finden.
Wenn sagen wir mal Schavan ausfällt, dann braucht man wieder eine ältere, protestantische CDU-Frau aus Württemberg für den Posten.
Ein katholischer Mann aus Baden ginge dann vielleicht schon nicht mehr (das wird ja schon von Schäuble abgedeckt).
Letztlich wird da die Personalauswahl schon extrem (und sachfremd) eingeschränkt.

Aber selbst wenn man sich auf dieses lächerliche Spiel einlässt, sehe ich nicht, dass sich der Osten übermäßig beklagen kann:

Aus den 5 östlichen Bundesländern kommen 50 der 332 Abgeordneten der Regierungsparteien.
Es gibt 17 Kabinettsmitglieder (incl. Kanzlerin und Kanzleramtsminister).

Rein rechnerisch würden (bei einer perfekt proportionalen Verteilung) diesen 5 Ländern somit 2,5 Kabinettsposten "zustehen" (17*50/332 = 2,5).

de Maiziere ist Mitglied der sächsischen CDU. (Wo er geboren ist, sollte keine Rolle spielen. Falls doch, dann müsste man statt ihm umgekehrt Brüderle als "Ossi" verbuchen).
Und dann gibt es noch Merkel selbst.
Macht also 2 Kabinettsposten und somit nur einen halben unter "Optimalanspruch".
Da es nun aber keine halben Posten gibt, musste man in die eine oder andere Richtung runden.

Und wenn man nun noch qualitativ berücksichtigt, dass die Kanzlerin und mit dem Innenminister ein weiteres "Schwergewicht" aus dem Osten kommen, dann ist diese Region wohl kaum besonders benachteiligt worden.




Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 15:21
#7 Reformen und die Krise Antworten

Zitat von Numpy
Aber wo ich dies gerade schreibe, fällt mir auf, daß garkeine Reformen geplant sind.


Man kann sich, lieber Numpy, in der Tat fragen, ob die Kanzlerin denn alles das aufgegeben hat, womit sie 2005 in den WAhlkampf zog und was sie auf dem Dresdner Parteitag vertreten hatte.

Ich glaube das nicht. Mir scheint nur, daß viele, die jetzt eine Welle der Reformen erwarten, nicht begriffen haben, daß wir uns immer noch in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929 befinden. Mitten drin. Die Kanzlerin hat darauf in Interviews auch immer wieder hingewiesen.

Sie hat verstanden, was das bedeutet; Obama zum Beispiel hat es nicht verstanden. Er versucht, die USA und gleich auch noch die ganze Welt umzukrempeln, statt alle Energie darauf zu verwenden, erst einmal diese Krise in den Griff zu bekommen.



Wir haben dieses Jahr ein Minus von fünf Prozent im BIP. Für das kommende Jahr wird ein Plus von einem Prozent erwartet. Das heißt - die Kanzlerin hat darauf hingewiesen - , daß das BIP im kommenden Jahr immer noch rund (rund!) vier Prozent unter dem von 2008 liegen wird.

Die Zahl der Arbeitslosen entspricht bei weitem nicht der tatsächlichen Lage. Unter Einsatz immenser Mittel wird es durch Kurzarbeitergeld den Unternehmen ermöglicht, die eigentlich notwendigen Entlassungen zu vermeiden.

Sie noch zu vermeiden; denn diese Lösung beruht auf der Hoffnung, daß die Krise bald vorüber sein wird. Wenn nicht, dann wird die Zahl der Arbeitslosen sprunghaft steigen.

Von den USA des Präsidenten Obama ist kein Impuls zur Überwindung der Krise zu erwarten. Ganz wie wir ihn kennen, veranstaltet er ein Schaulaufen, indem er die Gehälter von Managern deckelt. Daß dadurch auch nur ein einziger Arbeitsplatz erhalten werden kann, glaubt er vermutlich selbt nicht. Aber er erhofft sich von dergleichen Unfug eine freundliche Reaktion des Publikums.

Wir müssen also auf China und Indien hoffen. Sie scheinen aus der Krise besser heraus zu kommen als wir Europäer, und ungleich besser als das Amerika des Barack Obama.

Ist das Gröbste überstanden - in vielleicht zwei, realistischer drei Jahren -, dann kann man an Reformen denken. Wenn der Sturm vorbei ist, kann man das Schiff neu streichen. Wie Obama mitten im Orkan auf seinem Schiff herumturnt und die Takelage erneuern will, das kann einem schon Angst machen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 15:30
#8 Thomas de Maizière Antworten

Zitat von Florian
de Maiziere ist Mitglied der sächsischen CDU. (Wo er geboren ist, sollte keine Rolle spielen. Falls doch, dann müsste man statt ihm umgekehrt Brüderle als "Ossi" verbuchen).


Und die Kanzlerin als Wessi, die bekanntlich in Hamburg geboren ist.

Aber dem wird zu Recht entgegengehalten, daß es darauf ankommt, in welchem Teil Deutschlands jemand aufgewachsen ist und seine prägenden Erfahrungen gemacht hat.

de Maizière allerdings ist insofern ein Sonderfall, als seine weitverzweigte hugenottische Familie teils in der Bundesrepublik und teils in der DDR lebte. Sein Vetter Lothar war ja der letzte Ministerpräsident der DDR. In einem Gespräch hat Thomas de Maizière einmal geschildert, wie man während der ganzen Zeit der Teilung den Zusammenhalt der Familie aufrechterhalten hat; es zum Beispiel trotz aller Hindernisse schaffte, regelmäßig Familientreffen abzuhalten, die den Ost- und den Westzweig der Familie zusammenführten.

Insofern dürfte Thomas de Maizière ein besserer Anwalt des Ostens sein als mancher gelernte DDR-Bürger. Die Teilung war in seiner Familie immer schmerzlich präsent; ihre endgültige Überwindung dürfte ihm ein, wie man so sagt, Herzensanliegen sein.

Herzlich, Zettel

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

29.10.2009 15:39
#9 RE: Reformen und die Krise Antworten

In Antwort auf:
Man kann sich, lieber Numpy, in der Tat fragen, ob die Kanzlerin denn alles das aufgegeben hat, womit sie 2005 in den WAhlkampf zog und was sie auf dem Dresdner Parteitag vertreten hatte.

Ich glaube das nicht. Mir scheint nur, daß viele, die jetzt eine Welle der Reformen erwarten, nicht begriffen haben, daß wir uns immer noch in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929 befinden. Mitten drin. Die Kanzlerin hat darauf in Interviews auch immer wieder hingewiesen.



Lieber Zettel, ich moechte hier widersprechen. Es mag den Eindruck gehabt haben, die Kanzlerin sei von dem 2003-CDU Beschluessen und dem 2005-Wahlkampf als Zugestaendnis an die SPD abgerueckt, aber ich vermute, dass sie letztlich von der ordoliberalen Marktwirtschft a la Erhardt nicht uberzeugt ist. Es wuerde mich bei ihrer Sozialisation fast wundern wenn doch. Im Osten aufgewachsen und Tochter eines Vaters der offenbar freiwillig (!) in die DDR gezogen ist. (Worauf mich meine britischen Freunde hingewiesen haben). Im ordoliberalen, ordnungspolitischen Verstaendnis hat der Staat einen (relativ losen, aber stabilen und vor allem verlaesslichen) Rahmen zu setzen in dem sich die Menschen / die Wirtschaft bewegt und Krisen auch selber meistert. Davon ist gerade angesichts der Krise wenig zu spueren, das Staatsverstaendnis in der CDU ist offenbar nicht das 2005er Wahlkampf-Staatsverstaendnis.

Es mag sein, dass sich die Politik der Tigerente aufgrund eines sich leicht aendernden Zeitgeiestes etwas in Richtung Ordoliberalismus bewegt, aber die Kanzlerin wird hierbei eher nicht die treibende Kraft sein, so mein Eindruck.

Numpy Offline



Beiträge: 113

29.10.2009 16:13
#10 RE: Reformen und die Krise Antworten

In Antwort auf:
Man kann sich, lieber Numpy, in der Tat fragen, ob die Kanzlerin denn alles das aufgegeben hat, womit sie 2005 in den WAhlkampf zog und was sie auf dem Dresdner Parteitag vertreten hatte.

Ich glaube das nicht. Mir scheint nur, daß viele, die jetzt eine Welle der Reformen erwarten, nicht begriffen haben, daß wir uns immer noch in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929 befinden. Mitten drin. Die Kanzlerin hat darauf in Interviews auch immer wieder hingewiesen.

Sie hat verstanden, was das bedeutet; Obama zum Beispiel hat es nicht verstanden. Er versucht, die USA und gleich auch noch die ganze Welt umzukrempeln, statt alle Energie darauf zu verwenden, erst einmal diese Krise in den Griff zu bekommen.



Ja, aber Obama plant sozialdemokratische Reformen, die, egal wie man es dreht und wendet, der Wirtschaft eher schaden als das sie ihr hilft. Im Gegensatz dazu wird hierzulande erwartet, daß liberale Reformen getätigt werden. Das ist ja ein Schritt zur Krisenbewältigung!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 16:22
#11 RE: Reformen und die Krise Antworten

Zitat von Dagny

In Antwort auf:
Man kann sich, lieber Numpy, in der Tat fragen, ob die Kanzlerin denn alles das aufgegeben hat, womit sie 2005 in den WAhlkampf zog und was sie auf dem Dresdner Parteitag vertreten hatte.
Ich glaube das nicht. Mir scheint nur, daß viele, die jetzt eine Welle der Reformen erwarten, nicht begriffen haben, daß wir uns immer noch in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929 befinden. Mitten drin. Die Kanzlerin hat darauf in Interviews auch immer wieder hingewiesen.


Lieber Zettel, ich moechte hier widersprechen. Es mag den Eindruck gehabt haben, die Kanzlerin sei von dem 2003-CDU Beschluessen und dem 2005-Wahlkampf als Zugestaendnis an die SPD abgerueckt, aber ich vermute, dass sie letztlich von der ordoliberalen Marktwirtschft a la Erhardt nicht uberzeugt ist.



Dafür sehe ich keinen Anhaltspunkt, liebe Dagny. Wirklich nicht den geringsten. Es ist mit ihr zu verdanken, daß der Begriff der Sozialen Marktwirtschaft, der ja schon etwas angestaubt erschienen war, wieder Glanz bekommen hat.

Zitat von Dagny
Es wuerde mich bei ihrer Sozialisation fast wundern wenn doch. Im Osten aufgewachsen und Tochter eines Vaters der offenbar freiwillig (!) in die DDR gezogen ist. (Worauf mich meine britischen Freunde hingewiesen haben).


Es gab hier im Forum einmal eine sehr lange und sehr emotionale Diskussion, in der das immer wieder vorgetragen wurde; bis hin zu den Kontakten ihres Vaters zu bestimmten kirchlichen Kreisen, die die "Kirche im Sozialismus" wollten usw.

Ich kann diesem "Argument", das ich in Anführungszeichen setze (was ich selten tue), wirklich nichts, aber auch gar nichts abgewinnen.

Ihr Vater ist nicht aus Sympathie für die Kommunisten in die DDR gegangen, sondern aus Pflichtgefühl, weil man dort händeringend Pfarrer suchte. (Ein Onkel meiner Frau war bis zu seiner Pensionierung Pfarrer in der DDR und hielt dort eisern aus; ebenfalls aus Pflichtgefühl. Er war ein durch und durch konservativer Christ, weigerte sich aber, den Platz zu verlassen, auf den Gott ihn gestellt hatte)

Aber davon abgesehen - was soll solche biografische Kaffeesatz-Leserei? Joschka Fischer ist in einer stockkatholischen Familie aufgewachsen und war Ministrant; ist also sein politisches Denken in Wahrheit katholisch geprägt?

Man sollte Politiker nach dem beurteilen, was sie sagen und tun; nicht mittels solcher - nehmen Sie es mir bitte nicht übel, liebe Dagny - amateurpsychologischer Klimmzüge.

Zitat von Dagny
Im ordoliberalen, ordnungspolitischen Verstaendnis hat der Staat einen (relativ losen, aber stabilen und vor allem verlaesslichen) Rahmen zu setzen in dem sich die Menschen / die Wirtschaft bewegt und Krisen auch selber meistert. Davon ist gerade angesichts der Krise wenig zu spueren, das Staatsverstaendnis in der CDU ist offenbar nicht das 2005er Wahlkampf-Staatsverstaendnis.


Nein, diese Krise hat eine Dimension, in der ordoliberales Handeln in eine Katastrophe à la 1929 geführt hätte.

Es gibt nun mal Extremsituationen, in denen man pragmatisch handeln muß und nicht einer Lehre folgen darf, so gut sie auch in normalen Situationen funktioniert. Wir haben uns in der zweiten Hälfte 2008 in einer wirklichen Notstandssituation befunden. Es war damals durchaus nicht unwahrscheinlich, daß weltweit eine Bank nach der anderen krachen, daß wir alle unsere Ersparnisse verlieren, daß Unternehmen nach Unternehmen pleite gehen würde.

Das wurde vermieden, weil es genügend verantwortliche Politiker gab - in den USA zum Glück noch nicht Obama, der dann nur das zu übernehmen brauchte, was Bush in die Wege geleitet hatte.



Es ist immer dasselbe, liebe Dagny: Wenn ein Terroranschlag dank der Arbeit der Sicherheitskräfte vermieden werden konnte, dann wirft man diesen Panikmache vor. Wenn dank des bitter notwendigen Eingreifen des Staats in allen großen Industrienationen ein weltweiter Crash vermieden werden konnte, dann wird das als aber gar nicht liberal kritisiert.

Nein, es war nicht liberal. Es war notwendig.

Herzlich, Zettel

PS:

Zitat von Dagny
Es mag sein, dass sich die Politik der Tigerente aufgrund eines sich leicht aendernden Zeitgeiestes etwas in Richtung Ordoliberalismus bewegt, aber die Kanzlerin wird hierbei eher nicht die treibende Kraft sein, so mein Eindruck.


Tigerente? Ich fürchte, da müssen Sie mich aufklären. Ich assoziiere "Kinderbuch", aber mehr weiß ich nicht. Ähnelt die Kanzlerin dieser Tigerente?

Eltov Offline




Beiträge: 152

29.10.2009 16:23
#12 RE: Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

In Antwort auf:
Die SPD ist vom traditionellen Selbstverständnis her die Partei der Arbeiter. Und nicht die Partei der Arbeitslosen.



Nun ja, dank Hartz IV besteht jetzt für jeden "Arbeiter" die durchaus realistische Gefahr innerhalb sehr kurzer Zeit zum Menschen zweiter Klasse zu werden. Es war schon früher kein Spaß mit 50 den Arbeitsplatz zu verlieren, dank SPD bedeutet das jetzt 17 Jahre ständigen Kampf mit der Behörde um die nackte Existenz.

Zur SPD halten eigentlich nur noch diejenigen, für die diese Gefahr eher gering ist, also Beamte, Angestellte in sicheren Bereichen des öffentlichen Dienstes etc. Die Arbeiter sind rüber zur CDU, die PSA-Sklaven und das Hartz IV Prekariat zur PDS.

In Antwort auf:
Und dabei war die SPD doch durchaus erfolgreich: Während ihrer Regierungszeit (und begünstigt u.a. durch die Hart-Reformen) ist die Arbeitslosenquote stärker gesunken als je zuvor in der deutschen Geschichte (incl. der Wirtschaftswunderjahre).



Alles was die SPD erreicht hat sind angenehmere Statistiken. Profitiert haben von den Reformen ausschließlich folgende Gruppen: Die Beamten und Angestellten der Elendsverwaltungsbehörden und die damit verbundenen Maßnahmenträger sowie die Anbieter und Nachfrager subventionierter Arbeit zu Hungerlöhnen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 16:33
#13 RE: Reformen und die Krise Antworten

Zitat von Numpy
Ja, aber Obama plant sozialdemokratische Reformen, die, egal wie man es dreht und wendet, der Wirtschaft eher schaden als das sie ihr hilft.


Das sehe ich auch so. Wenn die US-Wirtschaft sich wieder berappeln sollte, dann trotz Obama.

Zitat von Numpy
Im Gegensatz dazu, wird hierzulande erwartet, daß liberale Reformen getätigt werden. Das ist ja ein Schritt zur Krisenbewältigung!


Was notwendig ist, das hat der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller in der Rezession 1966/1967 (die freilich gegen die jetzige Krise das reinste Vergnügen war) so formuliert: "Die Pferde müssen wieder saufen".

Darum geht es. Die Konjunktur muß anspringen; und da gibt es bekanntlich diesen Rückmeldekreis: Ist wieder Vertrauen da, dann wird wieder investiert. Wird wieder investiert, dann wächst das Vertrauen.

Welche Maßnahmen im einzelnen diesen Prozeß von staatlicher Seite unterstützen können, das hängt von der jeweiligen Situation ab.

Keynes, mit dessen Handwerkskasten Schiller damals gearbeitet hatte, war ja inzwischen schon totgesagt. Für normale Rezessionen scheinen seine Rezepte in der Tat nicht mehr zu taugen, weil die Binnennachfrage, die angekurbelt werden soll, inzwischen zu einem erheblichen Teil eine Nachfrage nach Importgütern ist. Aber in der jetzigen weltweiten Krise scheinen viele Experten auf Keynes zurückzukommen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 16:40
#14 RE: Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

Zitat von Eltov
Nun ja, dank Hartz IV besteht jetzt für jeden "Arbeiter" die durchaus realistische Gefahr innerhalb sehr kurzer Zeit zum Menschen zweiter Klasse zu werden.


War denn zuvor ein Arbeitsloser nicht ein Mensch zweiter Klasse?

Er bezog nach, wenn ich mich recht erinnere, einem Jahr nicht mehr das vom früheren Lohn abhängige Arbeitslosengeld, sondern nur noch die sehr viel niedrigere Arbeitslosenhilfe.

Ich habe keine Zahlen parat, aber es würde mich sehr wundern, wenn diese Arbeitslosenhilfe höher gewesen wäre als die heutigen Hartz-IV-Zahlungen.

Die in der Tat deprimierende Lage vieler Arbeitsloser auf Hartz IV zurückzuführen kommt mir so vor, als würde man Jörg Kachelmann für das schlechte Wetter verantwortlich machen.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

29.10.2009 17:31
#15 RE: Reformen und die Krise Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Dagny
Es mag sein, dass sich die Politik der Tigerente aufgrund eines sich leicht aendernden Zeitgeiestes etwas in Richtung Ordoliberalismus bewegt, aber die Kanzlerin wird hierbei eher nicht die treibende Kraft sein, so mein Eindruck.


Tigerente? Ich fürchte, da müssen Sie mich aufklären. Ich assoziiere "Kinderbuch", aber mehr weiß ich nicht. Ähnelt die Kanzlerin dieser Tigerente?



Guggense mal: http://images.google.ch/images?q=tigerente

Und achten Sie insbesondere auf die Farbgebung...

--
Las ideas tontas son inmortales.

Cada nueva generación las inventa nuevamente. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 17:40
#16 RE: Reformen und die Krise Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel

Zitat von Dagny
Es mag sein, dass sich die Politik der Tigerente aufgrund eines sich leicht aendernden Zeitgeiestes etwas in Richtung Ordoliberalismus bewegt, aber die Kanzlerin wird hierbei eher nicht die treibende Kraft sein, so mein Eindruck.


Tigerente? Ich fürchte, da müssen Sie mich aufklären. Ich assoziiere "Kinderbuch", aber mehr weiß ich nicht. Ähnelt die Kanzlerin dieser Tigerente?



Guggense mal: http://images.google.ch/images?q=tigerente
Und achten Sie insbesondere auf die Farbgebung...





Und: ... ist diiiie niedlich

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

29.10.2009 18:44
#17 RE: Reformen und die Krise Antworten

In Antwort auf:
Mir scheint nur, daß viele, die jetzt eine Welle der Reformen erwarten, nicht begriffen haben, daß wir uns immer noch in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929 befinden. Mitten drin.


Und ich glaube, dass diejenigen, die damit die Kanzlerin entschuldigen, nicht begriffen haben, dass man GERADE DANN reformieren müsste. Reformen und Änderungen sind doch nix, was man macht, wenns einem gut geht, es ist vor allem etwas, was man macht, wenn man merkt, dass es einem schlecht geht. Ja, wir haben die schwerste Wirtschaftskrise seit siebzig Jahren. Und die Menschen sehen das auch bereit und sind auch bereit zurückzustecken. Darum haben sie schwarz-gelb gewählt. Aber statt das zu nutzen propapgiert die Kanzlerin sozialdemokratische Politik mit noch mehr Staat und noch mehr Sozialleistungen.

Die Wirtschaftskrise ist doch nicht übernatürlich gegeben. In China herscht sie nicht. Aber statt etwas aktives dagegen zu machen, verlegt man sich aufs Luftanhalten und versucht fest daran zu glauben, sie gehe ebenso übernatürlich weg, wie sie gekommen ist. Wir haben in Deutschland mehr Gesetze als nahezu jedes andere Land der Welt, 80% der weltweit erscheinenden Steuerliteratur erscheint auf deutsch, wir haben Regelungen über die Biegung einer Banane und mehrseitige Abhandlungen darüber, wie man den Preis auf eine Butterpackung zu kleben hat. Wir geben Unsummen für hirnverbrannt erzeugten Strom aus während wir gleichzeitig billig erzeugten Strom verbieten, wir pumpen Milliarden in einen Krankenversicherungsmoloch, der nicht nur irrsinnig teuer sondern auch noch irrsinnig schlecht ist, wit tun irre viel Sachen, die richtig, richtig dämlich sind. Aber die Wirtschaftskrise ist ein himmlisches Phänomen, dass wir nur mit viel staatlicher Finanzhilfe und Regulierung überstehen werden.

Ich frage mich was die nächste Entschuldigung wird: 2005 der falsche Koaltionspartner, 2009 die Wirtschaftskrise, was wird 2013 wohl dran sein ?

Eltov Offline




Beiträge: 152

29.10.2009 19:09
#18 RE: Zettels Meckerecke: Wider die Quotitis Antworten

In Antwort auf:
War denn zuvor ein Arbeitsloser nicht ein Mensch zweiter Klasse?

Er bezog nach, wenn ich mich recht erinnere, einem Jahr nicht mehr das vom früheren Lohn abhängige Arbeitslosengeld, sondern nur noch die sehr viel niedrigere Arbeitslosenhilfe.



Aber auch die betrug meines Wissens nach auf paarunfünfzig Prozent des letzten Lohnes. Das macht einen enormen Unterschied wenn man mit 58 auf die Straße gesetzt wurde. Leider ist nicht bloß die Höhe des Bezugs problematisch. Mindestens ebenso schlimm sind die ständigen Versuche Sperren herbeizuführen. Aufforderungen zu Besprechungsterminen werden rückdatiert. Es hagelt Aufforderungen zu völlig unsinnigen Bewerbungen mit Rechtsfolgebelehrung. Mein Vater hat dem Amt vor kurzem eine auf ein Jahr befristete Halbtagsstelle gemeldet, woraufhin duzende Bewerbungen aus den entferntesten Winkeln der Republik eintrudelten, eben weil die Bewerber unter Sperrandrohung genötigt wurden. Bezieher werden mit völlig idiotischen "Eingliederungsmaßnahmen" traktiert, z.B. zweiwöchigen "Bewerbungstrainings" -- gerne auch mehrmals hintereinander. Menschen werden wegen 10€ gezwungen ihre Wohnung zu räumen -- findet sich absolut keine entsprechende Wohnung, wird auch mal ein Zimmer zugemauert. Man veranstaltet "Jobmessen" in Kaufhäusern, bei denen die Arbeitslosen mit Sperrandrohung gezwungen werden sich in aller Öffentlichkeit auf die Bühne zu stellen und den anwesenden PSA Kanaillen anzubieten. Zusätzlich herrscht auf den Ämtern den "Kunden" gegenüber ein Ton, den man sich als nicht Betroffener überhaupt nicht vorstellen kann, bis man einmal als Beistand dabei war.

Wer das für Einzelfälle hält sollte sich einmal folgende Zahlen zu Gemüte führen, und dabei nicht vergessen das diese Maßnahmen ein Klientel treffen, das auf juristische Auseinandersetzungen eher schlecht vorbereitet ist:

Zitat von Bundesanstalt für Arbeit, Geschäftsbericht 2008, S.35
2008 wurden ca. 132.400 Klagen erhoben, 33,5 % mehr als im Vorjahreszeitraum. [..] Hinzu kamen in 2008 rund 31.700 Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz. Fast die Hälfte (48,6 %) der in diesem Zeitraum abgeschlossenen Klageverfahren wurden zugunsten der Kläger erledigt. Ein Großteil hiervon ohne Gerichtsurteil durch Anerkenntnis durch die Grundsicherungsstelle. Hinzu kamen rund 31.200 abschließend bearbeitete Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz, die in 44,7 % zu einem (Teil-Erfolg für den Antragsteller führten.



Besonders interessant ist dabei folgender Satz: "Ein Großteil hiervon [wurde zugunsten der Kläger entschieden] ohne Gerichtsurteil durch Anerkenntnis durch die Grundsicherungsstelle." D.h. die Ämter hauen in großer Zahl rechtswidrige Bescheide raus, die dann bei einer Klage sofort zurückgenommen werden. Trotz teurer Gerichtsverfahren scheint sich das unter dem Strich zu lohnen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 20:30
#19 Arbeitslosenhilfe und Hartz IV Antworten

Zitat von Eltov

In Antwort auf:
War denn zuvor ein Arbeitsloser nicht ein Mensch zweiter Klasse?
Er bezog nach, wenn ich mich recht erinnere, einem Jahr nicht mehr das vom früheren Lohn abhängige Arbeitslosengeld, sondern nur noch die sehr viel niedrigere Arbeitslosenhilfe.


Aber auch die betrug meines Wissens nach auf paarunfünfzig Prozent des letzten Lohnes. Das macht einen enormen Unterschied wenn man mit 58 auf die Straße gesetzt wurde.



Das stimmt, lieber Eltov, für diejenigen, die zuvor gut verdient hatten. Was durch Hartz IV geschehen ist, das war eine egalitäre Angleichung: Alle sollten in der Arbeitslosigkeit gleich sein; und auch noch gleich mit denen, die nie gearbeitet hatten. Je besser es jemanden gegangen war, als er gearbeitet hat, umso tiefer sollte er fallen. Das war gewollt.

Ich habe das damals scharf kritisiert, im Schrippe-Forum. Und mir wurde kühl entgegengehalten, daß die Arbeitslosenhilfe eben nicht eine Versicherungsleistung sei (diese war und ist nur das Arbeitslosengeld), sondern Sozialhilfe. Und bei dieser gehe es nur um den Bedarf, nicht um früheren Lohn.

Ich halte diese Gleichmacherei auch heute noch für extrem ungerecht. Nur habe ich nie verstanden, wie ausgerechnet diese typisch sozialistische Bestimmung von denen, die dagegen sind, als "neoliberal" etikettiert wird.

Herzllich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 20:49
#20 RE: Reformen und die Krise Antworten

Zitat von Llarian
Reformen und Änderungen sind doch nix, was man macht, wenns einem gut geht, es ist vor allem etwas, was man macht, wenn man merkt, dass es einem schlecht geht.


Das stimmt dann, wenn der bestehende Zustand dafür verantwortlich ist, daß es einem schlecht geht. Die jetzige Krise aber hat nichts mit der Wirtschaftspolitik oder der Fiskalpolitik in Deutschland zu tun und schon gar nichts mit der "Gier" deutscher Manager; sondern sie ist durch die falsche Politik von zwei halbstaatlichen amerikanischen Hypothekenbanken entstanden und hat sich deshalb zu einer Weltkrise ausgeweitet, weil das internationale Banksystem unkontrolliert gewuchert war.

Zitat von Llarian
Ja, wir haben die schwerste Wirtschaftskrise seit siebzig Jahren. Und die Menschen sehen das auch bereit und sind auch bereit zurückzustecken. Darum haben sie schwarz-gelb gewählt. Aber statt das zu nutzen propapgiert die Kanzlerin sozialdemokratische Politik mit noch mehr Staat und noch mehr Sozialleistungen.


Da habe sie eine originelle Sichtweise auf den Koalitionsvertrag, lieber Llarian. Die meisten Kritiker beklagen ja im Gegenteil, daß er zu liberal ausgefallen sei; mit Steuersenkungen usw.

Zitat von Llarian
Die Wirtschaftskrise ist doch nicht übernatürlich gegeben. In China herscht sie nicht. Aber statt etwas aktives dagegen zu machen, verlegt man sich aufs Luftanhalten und versucht fest daran zu glauben, sie gehe ebenso übernatürlich weg, wie sie gekommen ist.


Der Vergleich mit China trägt nicht. Dort kam man besser zurück, weil erstens noch ein riesiger unterversorgter Binnenmarkt existiert, und weil man zweitens aufgrund der niedrigen Lohnkosten gerade unter Krisenbedingungen auf dem Weltmarkt nicht nur konkurrenzfähig, sondern schon fast konkurrenzlos ist.

Daß in Deutschland nichts gegen die Krise getan würde, erscheint mir nun wirklich als eine kuriose Aussage. Gerade von liberaler Seite ist doch der Vorwurf erhoben worden, daß die Regierung zu stark eingegriffen hätte (Vestaatlichungsdrohung gegenüber Hypo Real Estate! Weiche, Satanas, weiche!).

Zitat von Llarian
Wir haben in Deutschland mehr Gesetze als nahezu jedes andere Land der Welt, 80% der weltweit erscheinenden Steuerliteratur erscheint auf deutsch,


Stimmt. Und die Vereinfachung des Steuerrechts ist deshalb ein zentraler Punkt des Koalitionsvertrags.

Zitat von Llarian
wir haben Regelungen über die Biegung einer Banane und mehrseitige Abhandlungen darüber, wie man den Preis auf eine Butterpackung zu kleben hat. Wir geben Unsummen für hirnverbrannt erzeugten Strom aus während wir gleichzeitig billig erzeugten Strom verbieten, wir pumpen Milliarden in einen Krankenversicherungsmoloch, der nicht nur irrsinnig teuer sondern auch noch irrsinnig schlecht ist, wit tun irre viel Sachen, die richtig, richtig dämlich sind.


Stimmt alles. Und ist entweder EU-Recht (Beispiel Banane) oder soll laut Koalitionsvertrag geändert werden (Beispiel Gesundheitsfonds).

Zitat von Llarian
Aber die Wirtschaftskrise ist ein himmlisches Phänomen, dass wir nur mit viel staatlicher Finanzhilfe und Regulierung überstehen werden.


Kein himmlisches, sondern ein sehr irdisches, an dem Deutschland null Schuld trägt. Wie hätten Sie's denn gemacht, lieber Llarian? Das deutsche Bankwesen zusammenbrechen lassen, nach der Methode Dominosteine? Danach die deutsche Wirtschaft in den Orkus gehen lassen?

Und dann, gell, hätten sie gesagt: Naja, ist nicht ganz nach Plan verlaufen. Aber liberal sind wir geblieben.

Hierzu hat Neoliberaler, der leider in letzter Zeit nichts mehr im kleinen Zimmer geschrieben hat, als ein beruflich mit diesen Themen Befaßter sehr Vernünftiges geschrieben. Und ich wundere mich immer wieder, wie viele von uns, die wir keine Banker und nicht mal Ökonomen sind, meinen, aus einer ja richtigen liberalen Weltsicht ableiten zu können, was in einer solchen alles Bisherige sprengenden Krisensituation hätte getan bzw. nicht getan werden müssen.

Zitat von Llarian
Ich frage mich was die nächste Entschuldigung wird: 2005 der falsche Koaltionspartner, 2009 die Wirtschaftskrise, was wird 2013 wohl dran sein ?


Was Sie als Entschuldigen kritisieren, waren und sind harte Fakten.

Herzlich, Zettel

Eltov Offline




Beiträge: 152

29.10.2009 22:31
#21 RE: Arbeitslosenhilfe und Hartz IV Antworten

Zitat von Zettel

Das stimmt, lieber Eltov, für diejenigen, die zuvor gut verdient hatten. Was durch Hartz IV geschehen ist, das war eine egalitäre Angleichung: Alle sollten in der Arbeitslosigkeit gleich sein; und auch noch gleich mit denen, die nie gearbeitet hatten. Je besser es jemanden gegangen war, als er gearbeitet hat, umso tiefer sollte er fallen. Das war gewollt.
Ich habe das damals scharf kritisiert, im Schrippe-Forum. Und mir wurde kühl entgegengehalten, daß die Arbeitslosenhilfe eben nicht eine Versicherungsleistung sei (diese war und ist nur das Arbeitslosengeld), sondern Sozialhilfe. Und bei dieser gehe es nur um den Bedarf, nicht um früheren Lohn.
Herzllich, Zettel



Nun ja, auch für diejenigen die zuvor nicht gut verdient hatten war es wohl in den meisten Fällen ein harter Einschnitt. Aber wie gesagt, das Leben am Existenzminimum ist nur einer der Gründe warum die Beteiligten allesamt in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken und nach ihrem hoffentlich schmerzhaften Ableben in der Hölle schmoren werden. Es sind die ständigen Angriffe auf dieses nackte Existenzminimum sowie der individuelle und institutionelle Zynismus weshalb ich mir Tag ein Tag aus die Augen reibe wieso es so selten zu massiven Gewaltakten auf den Ämtern kommt. Ganz im Ernst, wenn mir jemand drei Wochen sperre reindrücken und die Tatsache das ich dadurch nicht verhungert bin zum Anlass nehmen würde, nach bislang verschwiegenen Einnahmequellen zu forschen... Ich würde das schon sehr persönlich nehmen.

Zitat von Zettel
Ich halte diese Gleichmacherei auch heute noch für extrem ungerecht. Nur habe ich nie verstanden, wie ausgerechnet diese typisch sozialistische Bestimmung von denen, die dagegen sind, als "neoliberal" etikettiert wird.


Das hatte wohl eher persönliche Gründe, eine derartige Argumentation ist mir jedenfalls noch nicht untergekommen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 22:52
#22 RE: Arbeitslosenhilfe und Hartz IV Antworten

Zitat von Eltov

Zitat von Zettel

Das stimmt, lieber Eltov, für diejenigen, die zuvor gut verdient hatten. Was durch Hartz IV geschehen ist, das war eine egalitäre Angleichung: Alle sollten in der Arbeitslosigkeit gleich sein; und auch noch gleich mit denen, die nie gearbeitet hatten. Je besser es jemanden gegangen war, als er gearbeitet hat, umso tiefer sollte er fallen. Das war gewollt.
Ich habe das damals scharf kritisiert, im Schrippe-Forum. Und mir wurde kühl entgegengehalten, daß die Arbeitslosenhilfe eben nicht eine Versicherungsleistung sei (diese war und ist nur das Arbeitslosengeld), sondern Sozialhilfe. Und bei dieser gehe es nur um den Bedarf, nicht um früheren Lohn.


Nun ja, auch für diejenigen die zuvor nicht gut verdient hatten war es wohl in den meisten Fällen ein harter Einschnitt.



Keine Frage. Aber wer wenig verdient hat, der stellt sich nach allem, was ich weiß, heute mit Hartz IV nicht schlechter als früher mit der Arbeitslosenhilfe. Vor allem, wenn er mehrere Kinder hat.

Wirklich hart trifft es diejenigen, die gut verdient haben. Das ist ungerecht. Und das Allerungerechteste ist, daß die Betroffenen erst einmal ihr Erspartes aufzehren müssen, bis auf einen kleinen Rest.

Wer also sein Geld immer fröhlich verpraßt hat, der bekommt die volle Unterstützung. Wer gespart hat, der ist der Dumme. Deshalb halte ich es für dringend erforderlich, daß das Schonvermögen entscheidend angehoben wird.

Und dann, lieber Eltov, möchte ich noch auf diejenigen aufmerksam machen, die in der öffentlichen Diskussion kaum vorkommen: Selbständige, die durch die Krise pleite gegangen sind und die - je nach der Rechtsform ihres Unternehmens - zum Teil mit ihrem gesamten privaten Vermögen haften; die also mit dem Konkurs dieses gesamte Vermögen verloren haben.

In unserem Bekanntenkreis ist ein Ehepaar; der Mann war Bauunernehmer, die Frau half im Geschäft und studierte nebenher. Weil seine Gläubiger nicht zahlten, mußte er Konkurs anmelden. Sie verloren ihr Haus und alles Vermögen und leben jetzt von Hartz IV. Mit null Kapital kann der Mann, auch nicht mehr der Jüngste, nicht noch einmal ein Unternehmen aufmachen. Alle Bewerbungen sind aufgrund seines Alters fehlgeschlagen. Rentenansprüche haben die beiden auch nicht; sie waren ja immer selbständig.

Dies nur als Ergänzung zu dem, was du, lieber Eltov, an Einzelschicksalen geschildert hast.

Was den Übermut der Ämter angeht, bin ich mit dir völlig einig. (So haben Schlegel/Tieck, wenn ich mich recht erinnere, das Shakespeare'sche "insolence of office" übersetzt; die Sache ist ja nicht neu).

Herzlich, Zettel

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

29.10.2009 23:09
#23 RE: Arbeitslosenhilfe und Hartz IV Antworten

Zitat von Zettel
Wirklich hart trifft es diejenigen, die gut verdient haben. Das ist ungerecht.


Diese kategorische Aussage kann ich offen gestanden nicht ganz nachvollziehen. Das ALG II ist eine Grundsicherungsleistung, soll also existenzbedrohende Armut verhindern. Warum sollte das vom vorherigen Arbeitseinkommen abhängen? Dass man vorher einen anderen Lebensstandard gewöhnt ist, werden Sie ja kaum als Argument anführen, das wäre ja völlig analog zum relativen Armutsbegriff, wider den Sie regelmäßig (zu recht) anschreiben. Geht es Ihnen darum, dass Besserverdienende höhere Steuern und höhere Sozialbeiträge zahlen? Dafür bekommen sie schon mehr ALG I, und daraus einen immerwährenden Anspruch auf höhere Stütze im Arbeitslosigkeitsfall abzuleiten erscheint mir gewagt. Irgendwann muss einfach nur noch eine Grundsicherung greifen, und ich fände es eher ungerecht, wenn ein Langzeitarbeitsloser mehr bekommt als ein anderer, nur weil er vor zehn oder fünfzehn Jahren mehr verdient hat.

Dass das Schonvermögen höher ausfallen muss, da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Außerdem muss die Anrechnung von Einkommen dringend geändert werden; nach der momentanen Rechtslage haben ALG II-Empfänger einen marginalen Steuersatz von 80-100%: jeder hinzuverdiente Euro führt dazu, dass das ALG II um 80 Cent bis einen ganzen Euro gekürzt wird. Kein besonders guter Anreiz, morgens um sechs Uhr Regale im Supermarkt einzuräumen...

--
Las ideas tontas son inmortales.

Cada nueva generación las inventa nuevamente. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

30.10.2009 00:42
#24 RE: Reformen und die Krise Antworten

In Antwort auf:
. Die jetzige Krise aber hat nichts mit der Wirtschaftspolitik oder der Fiskalpolitik in Deutschland zu tun


Das sehe ich anders, lieber Zettel. Nur weil die halbe westliche Welt den selben Unsinn macht und alle auf die selbe Schnauze fallen, heisst das nicht, dass nicht alle was falsch machen. Eine gesunde Wirtschaft, also eine wie sie in Deutschland seit Dekaden nicht mehr existiert, kann Vertrauenskrisen überstehen ohne eine tiefe Rezession durchzumachen. Wir haben uns nur so sehr an Wachstumsraten um die zwei oder drei Prozent gewöhnt, dass wir gar nicht mehr merken, wie abgewürgt das alles ist.
Ich verstehe auch nicht wie sich die These vom unkontrollierten Banksystem so etablieren konnte. Wenn die Sparkasse Pusemuckel dem ortsansässigen Produzenten für Blechnieten keinen Kredit mehr gibt, dann hat das nichts, aber auch gar nichts, mit der Krise des internationalen Investmentbanking zu tun, sondern vor allem damit, dass die Sparkasse Pusemuckel davon ausgeht, dem Unternehmen werde es in Zukunft nicht gut gehen. Und warum gehts dem schlecht ? Weil in Amiland die Immobilienkredite platzen ? Oder vielleicht deshalb weil in Deutschland die Aussichten für Wirtschaft zur Zeit mies sind ? Wenn unsere Wirtschaft nicht unter riesigen Bürokratiekosten, unter absurden Steuergesetzen und 1036 unsinnigen Auflagen liegen würden, dann würde der Unternehmer auch in Zukunft noch Geld verdienen und in der Folge auch den Kredit bekommen.
Um es kürzer zu sagen: Unsere Wirtschaft ist bereits derart totgewürgt, dass sie nur noch funktioniert, WENN es international auch gut geht. Aber statt etwas am totwürgen zu tun, beeten wir, dass der nächste Boom kommt (damit wir unsere Hausaufgaben auch dann nicht machen müssen).

In Antwort auf:
Die meisten Kritiker beklagen ja im Gegenteil, daß er zu liberal ausgefallen sei;


Welche Kritiker ? Die SED ? Die Besitzstandswahrer ? Die Gewerkschaften ? Die plärren das doch allesamt schon vorsorglich, vollkommen egal was kommt.

In Antwort auf:
Daß in Deutschland nichts gegen die Krise getan würde, erscheint mir nun wirklich als eine kuriose Aussage. Gerade von liberaler Seite ist doch der Vorwurf erhoben worden, daß die Regierung zu stark eingegriffen hätte (Vestaatlichungsdrohung gegenüber Hypo Real Estate! Weiche, Satanas, weiche!).


Es ist immernoch die Frage, was man tut, von sozialistischem Aktionismus habe ich nicht gesprochen. Was man tun müsste ist reformieren und aufräumen, sicher nicht verstaatlichen. Das die Sozialisten noch viel, viel mehr Rezepte haben, ist mir klar. Aber ich würde das nicht als gebotene Strategie betrachten. Es reicht nicht irgendwas zu tun, es sollte schon den Zweck erfüllen.

In Antwort auf:
Und die Vereinfachung des Steuerrechts ist deshalb ein zentraler Punkt des Koalitionsvertrags.


Wird in dieser Regierung Merkel nicht passieren. Und Sie selbst haben so treffend darauf hingewiesen, der "Vertrag" ist nichts als eine Absichtserklärung.

In Antwort auf:
Wie hätten Sie's denn gemacht, lieber Llarian? Das deutsche Bankwesen zusammenbrechen lassen, nach der Methode Dominosteine?


Auch im deutschen Bankwesen existieren Banken, die nicht in die Finanzkrise gerutscht sind. Aber seis drum, ich versteh zu wenig vom Bankwesen, um das letzten Endes zu beurteilen, allerdings erscheint mir das Anwenden sozialistischer Konzepte mit Sicherheit nicht auf die lange Bank zielführend. Aber darum gehts hier nicht: Selbst wenn wir postulieren, dass der "Rettungsschirm" für Banken notwendig war, entbindet das nicht davon, dass die letzte Regierung praktisch nichts ernsthaftes reformiert hat und mit ihrem neuen Programm auch deutlich macht, dass sie das nicht in Zukunft vor hat. Wenn die einzige Antwort auf die Wirtschaftskrise darin besteht, kurzfristig Geld in die Wirtschaft zu pumpen, kann ich nur sagen: So hätte ich es jedenfalls nicht gemacht.

In Antwort auf:
Was Sie als Entschuldigen kritisieren, waren und sind harte Fakten.


Das habe ich in der Schule auch immer behauptet, wenn ich meinen Kram nicht erledigt hatte. Hart ist daran gar nichts: Wenn die Kanzlerin vier Jahren nicht in der Lage war irgendwas mit der SPD zu bewegen, dann fragt man sich, was sie überhaupt in der Regierung verloren hat. Wenn ich durch meinen Koaltionspartner nix durchgesetzt bekomme, dann sehe ich keine Chance vier Jahre zu regieren. Hat sie aber getan. Und ich sehe keinerlei Grund, warum sich das ändern sollte.
Ist immernoch ein Treppenwitz der Geschichte: Da tritt jemand an, Kanzler zu werden und gibt sich als wirtschaftsliberal und nichtmal 3 Jahre später redet die selbe Person über die Verstaatlichung einer Bank. Warum sollte man so jemanden auch nur irgendetwas glauben ? Sie und ich haben einfach 2005 den Fehler gemacht zu glauben, sie wäre eine wirtschaftsliberale Reformerin. Sie war es nur nie, sie hat immernur davon geredet.

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

30.10.2009 00:49
#25 RE: Arbeitslosenhilfe und Hartz IV Antworten

In Antwort auf:
Und das Allerungerechteste ist, daß die Betroffenen erst einmal ihr Erspartes aufzehren müssen, bis auf einen kleinen Rest.


Ist das eigentlich wirklich so ungerecht ? Das entspricht doch folgender Situation:

Jemand kommt zu einem und bittet um Hilfe, er hat nichts zu essen und niemand gibt ihm Arbeit. Jetzt stehen wir vor der Frage, ob wir diesem Hilfe zukommen zu lassen. Und jetzt sage mir jemand, es sei das selbe, wenn dieser jemand 10.000 Euro in der Tasche hat, als wenn er gar nichts in dieser Tasche hat. Würden wir nicht von jedem, der uns um HILFE bittet, erwarten, dass er kein Geld mehr hat ?
Vielleicht bin ich ja viel zu neoliberal, aber ich verstehe es wirklich nicht. Ich verstehe, warum man jemandem das Auto nicht in Abrede stellt, denn das braucht er ja, um in Zukunft zu arbeiten, aber wieso jemandem unter die Arme greifen, der noch 10.000 Euro hat ?
Ist gar nicht böse gemeint, die Frage, aber irgendwie geht bei mir Sparen (und das ist ja "Schonvermögen") und soziale Hilfe emfangen irgendwie nicht zusammen.

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