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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 86 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3 | 4
Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

11.12.2009 14:17
#26 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat
Die Taktik war ausgetüftelt und darauf gerichtet, möglichst viele Zivilisten zu töten. Dazu wurden als erstes Brandbomben geworfen, die die Menschen aus ihren Häusern trieben. Dann folgten Sprengbomben, die sie töten sollten. Es gab besondere Bomben - ich glaube, sie hießen Luftbomben -, die einen hohen Druck erzeugten und dadurch die Lungen zerrissen. Das war ihr Sinn.



Mit den Luftbomben meinen Sie wahrscheinlich Luftbomben, das waren tonnenschwere, dünnwandinge Bomben mit hohem Sprengstoffanteil, und wurden vor den Brandbomben ageworfen, bzw. damit. Damit konnten ganze Wohnblöcke verwüstet werden (d.h. der englische Name Blockbuster bomb), damit die Brandbomben dannach leichter Zugang zu brennbaren Material hatten.


Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

11.12.2009 14:24
#27 RE: Flächenbombardements Antworten

Im Deutschen nannte man sie Luftminen, englisch Block Buster.

Florian Offline



Beiträge: 3.171

11.12.2009 15:13
#28 RE: Gorgasal liest ein Buch (3): Zum Zweiten Weltkrieg Antworten

Es ist wirklich schade, dass man aus deutscher Perspektive den 2. Weltkrieg immer ganz überwiegend als europäischen Krieg wahrnimmt.
(Anders ist z.B. die US-Perspektive. Aus deren Sicht war Europa eigentlich fast ein Nebenaspekt: der eigentliche Kriegsgegner war Japan. Dieser Krieg dauerte auch länger als der in Europa und verschlang mehr amerikanische Ressourcen).


Was ich nur immer wieder empfehlen kann "Rise and Fall of the Great Powers" von Paul Kennedy.
Dort wir zum 2.WK im Pazifik folgende Theorie vertreten:

In Japan gab es zwei deutlich getrennte Einflusskräfte: Die Armee und die Marine.
Die Armee (deren Sicht in der Regel dominierte), bevorzugte eine "kontinentale" Strategie.
Entsprechend kam es zur japanischen Intervention in China. (Und bis zuletzt hatte Japan deutlich mehr Truppen auf dem chinesischen Festland im Einsatz als im Pazifik-Krieg gegen die USA).

Diese kontinentale Strategie hatte allerdings einen Konstruktionsfehler: die fehlenden Rohstoffe.
Es gab gegen Japan ein westliches Embargo, der Krieg verschlang viele Rohstoffe und Japan hatte kaum welche.

Daher wurde Japan die Logik schon fast aufgezwungen: man musste sich die Rohstoffe in Südostasien sichern (was damals noch westlich kolonialisiert war). Das bedeutete Krieg mit den Westmächten - was natürlich die Stoßrichtung war, die die Marine immer bevorzugt hatte.

Für einen gleichzeitigen dritten Krieg gegen Russland (neben dem aufwändigen Engagement in China und dem Krieg mit den Westmächten im Pazifik) fehlten schlicht die Ressourcen.
Frieden mit Russland war daher eine schlichte Notwendigkeit (und anders als Hitler waren die Japaner nüchterne Imperialisten, für die eine ideologische Gegnerschaft zu Stalin keine große Rolle spielte).

Man darf dabei auch nicht übersehen, dass von allen Kriegsparteien im 2. Weltkrieg Japan wahrscheinlich die größte "strategic overextension" hatte:
Japan war ein halbindustrialisiertes Land mit einer deutlich kleineren wirtschaftlichen Basis als z.B. Deutschland und extrem rohstoff-arm.
Und der Ressourcenverbrauch war gigantisch, nicht zuletzt aufgrund des riesigen Seegebiets im Pazifik.
Deutschland hatte eine handvoll Schiffe der Bismarck-Klasse. Ganz anders Japan, die solche Schiffe dutzendweise baute. Mit dem Material- und Personalaufwand der in einem einzigen Schlachtschiff der Yamato-Klasse steckte, hätte man mehrere hundert deutsche Panzer bauen können.

Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

11.12.2009 15:27
#29 RE: Gorgasal liest ein Buch (3): Zum Zweiten Weltkrieg Antworten

Deutschland baute 2 Schiffe der Bismark-Klasse, Japan 3 der Yamato-Klasse, wovon eines als Flugzeugträger fertiggestellt wurde. Zählt man noch die beiden Schiffe der Scharnhorst-Klasse dazu hatte Deutschland mehr neue Schlachtschiffe als Japan im 2. WK. In Japan wurden seit den Anfang der 20er keine neuen Schlachtschiffe gebaut. Aber im Gegensatz zu Deutschland konnte Japan im 2.WK auf die Schlachtschiffe aus dem 1. WK zurückgreifen.
Dagegen haben die USA 10 neue Schlachtschiffe vor und während des Krieges gebaut. Die Britten immerhin auch noch 5 der King George V Klasse.


R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.12.2009 15:58
#30 RE: Gorgasal liest ein Buch (3): Zum Zweiten Weltkrieg Antworten

Zitat von Florian
Es ist wirklich schade, dass man aus deutscher Perspektive den 2. Weltkrieg immer ganz überwiegend als europäischen Krieg wahrnimmt.


Was man schon daran sieht, daß man den Beginn des Weltkriegs in Europa 1939 ansetzt (siehe die Gedenkfeiern dieses Jahr).
Nach normalen historischen Maßstäben, und wenn man den Aspekt "Weltkrieg" ernst nimmt, dann begann dieser Krieg natürlich am 7. Juli 1937 mit dem Angriff Japans auf China.

Florian Offline



Beiträge: 3.171

11.12.2009 16:19
#31 RE: Gorgasal liest ein Buch (3): Zum Zweiten Weltkrieg Antworten

ok, ich bin korrigiert.

Allerdings entwertet das nicht mein eigentliches Argument:

Aus deutscher Perspektive waren Hitlers Kriegspläne Größenwahn.
Japan war in dieser Hinsicht allerdings noch ein ganz anderes Kalliber.

Ich habe die Statistiken jetzt nicht zur Hand.
Aber Japan hat sich mit den USA einen Gegner ausgesucht, der (von mir jetzt aus der hohlen Hand geschätzt) ein 10 bis 20 mal so großes industrielles Potenzial besaß - und Japan konzentrierte auf diesen Gegner nur einen relativ kleinen Teil seiner begrenzten Ressourcen.
Dass da einfach kein dran denken war, sich auch noch mit Russland anzulegen, scheint unmittelbar einzuleuchten.

Natürlich ist aus deutscher Sicht die "was wäre wenn"-Überlegung ganz interessant.
Aber das ist eben eine vollkommen irreale Spekualation.

(Eines der großen und m.E. bis heute nicht richtig erforschten Rätsel ist übrigens, warum Hitler den USA den Krieg erklärte.
Hat er wirklich geglaubt, die Japaner dadurch zu Verbündeten gegen Russland zu bekommen?
Falls ja: Deutschland hätte über diesen Punkt doch mit Japan verhandeln müssen, BEVOR man den USA den Krieg erklärt. Ist aber m.W. nicht passiert.
Was da in Hitlers Kopf vorging, ist mir ein echtes Rätsel*).


Nota bene:
Auch der Angriff z.B. auf die UdSSR war verrückt.
Aber er war innerhalb des Hitlerschen Weltbildes immerhin logisch.
Die USA-Kriegserklärung ergibt hingegen selbst innerhalb Hitlers Logik keinen rechten Sinn.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.12.2009 17:04
#32 RE: Gorgasal liest ein Buch (3): Zum Zweiten Weltkrieg Antworten

Zitat von Florian
Allerdings entwertet das nicht mein eigentliches Argument


Richtig. Japan hatte sich wirklich übernommen, noch deutlich stärker als Deutschland.

Zitat
Aber Japan hat sich mit den USA einen Gegner ausgesucht, der (von mir jetzt aus der hohlen Hand geschätzt) ein 10 bis 20 mal so großes industrielles Potenzial besaß


Nicht ganz, es war "nur" das 5-fache: http://en.wikipedia.org/wiki/Military_pr...oduct_.28GDP.29

Und das bedeutet nicht unbedingt eine entsprechend größere militärische Stärke - tendenziell kostet es ein Land mit niedrigerer Wirtschaftskraft auch weniger, einen ausgerüsteten Soldaten ins Feld zu stellen. Ein Land kann (wenn andere Faktoren es begünstigen) auch einen Krieg gegen einen wirtschaftlich deutlich stärkeren Gegner gewinnen.

Der Punkt war wohl, daß Japan (wie Hitler) den westlichen Demokratien nicht zugetraut hat, einen längeren Krieg moralisch durchzuhalten (obwohl der erste Weltkrieg das Gegenteil bewiesen hatte). Man hoffte wohl, nach ordentlichen Anfangserfolgen die USA zu einem Friedensschluß bewegen zu können.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.12.2009 17:04
#33 RE: Gorgasal liest ein Buch (3): Zum Zweiten Weltkrieg Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Der letzte derartige Krieg in Europa war der von 1870/71. Mit dem Ersten Weltkrieg begannen die totalen Kriege, die die gesamte Zivilbevölkerung einbezogen.


Auch da widerspreche ich Ihnen gerne. Ich würde die totalen Kriege auf die Französische Revolution datieren, als mit der levée en masse plötzlich jeder Staatsbürger (auch ein Konzept der Revolution) wehrpflichtig wurde und auch die "Heimatfront" plötzlich auf eine ganz andere Art und Weise mobilisiert wurde - das ganze Umfeld der Bürgersoldaten wurde zum Hass gegen die inneren wie äußeren "Feinde der Revolution" aufgestachelt.



Mag sein, daß das ein Vorläufer war. Aber die Kriege des 19. Jahrhunderts hatten diesen Charakter eben überwiegend noch nicht.

Auch nicht der Krieg 1870/71. An ihm hat Theodor Fontane als Kriegsberichterstatter teilgenommen (war auch zeitweise von den Franzosen als Spion inhaftiert worden) und eine mehrbändige, außerordentlich detaillierte Geschichte dieses Kriegs geschrieben; sehr lesenswert.

Da wird das sichtbar, was ich meine: Der Krieg zog sozusagen über die Zivilisten hinweg. Dort, wo gerade die Front verlief, litten sie. Aber sonst merkten sie so gut wie nichts vom Krieg. Er war immer noch im wesentlichen eine Angelegenheit der Soldaten, und nur ihre.

Allerdings wurde in diesem Krieg mit den franc-tireurs das Unwesen des Partisanentums geboren, das inzwischen die Kriegsführung zu beherrschen scheint.

Denn auch diese ideologisierten Massenkriege des 20. Jahrhunderts sind ja Geschichte; der letzte große war vermutlich der Koreakrieg. Mit dem Vietnamkrieg begannen die asymmetrischen Kriege - ohne Kriegserklärung, ohne Kennzeichnung vieler Kombattanten, ohne einen klaren Frontverlauf, im Grunde auch ohne Kriegsrecht. Alle foltern zum Beispiel, nur werden die einen dabei erwischt und die anderen nicht.

Nichts ist halt so wandelbar wie der Krieg, diese Geißel der Menschheit. Die Generäle planen immer den letzten Krieg, aber der nächste ist dann schon wieder ganz anders.

Herzlich, Zettel

Hias Offline



Beiträge: 138

11.12.2009 17:05
#34 RE: Gorgasal liest ein Buch (3): Zum Zweiten Weltkrieg Antworten

Naja, logisch ist so einiges.
Natürlich war sowohl der Kriegseintritt gegen die USA und die SU durch Deutschland verrückt, genauso wie es der Krieg Japans gegen die USA war.

Der entscheidende Punkt war die Zeit.

Das deutsche Reich hätte den Krieg gewinnen können, wenn man Moskau eingenommen hätte. Zumindest war so die Überlegung bei der Wehrmacht. Denn dann hätte die SU seine Trümpfe, nämlich die höhere Produktion (die sich v.a. im europäischen Teil befand) und die größere Armee nicht ausspielen können.

Ähnlich sieht dies für Japan aus. Soweit ich weiß, sah sich die japanische Regierung an die Wand gedrängt durch den Stop der amerikanischen Öllieferungen. Gleichzeitig konnte es nicht an die südostasiatischen Ölfelder ran, da zwischen denen und Japan die Philipinnen lagen, die damals ein Mandatsgebiet der USA waren. Ein weiter Eroberungsfeldzug in den Südostasiatischen Raum lief daher Gefahr, dass die USA eingreifen und die eroberten Gebiete vom Nachschub abschneiden konnten. Daher blieb nur noch eines. Die Pazifikflotte der USA ausschalten und gleichzeitig die Rohstoffreichen Gebiete in Südostasien zu erobern. Dann die Pazifikinseln besetzen und durch die überlegene Flotte die USA aus Asien heraushalten. Die USA hätten mehrere Jahre gebraucht um wieder in die Offensive gehen zu können und bis dahin hätte man in aller Ruhe China erobern können und dort zusätzliche Produktionskapazitäten aufbauen können.
Ich weiß, das klingt alles nicht viel besser und ist ein ziemliches Vabanquespiel, aber soweit ich weiß, sind das ungefähr die Überlegungen in der japanischen Regierung gewesen.

Und warum Hitler den USA den Krieg erklärt hat, darüber rätseln heute die Historiker immer noch. Bislang gibt es keine schlüssige Erklärung. Aber wahrscheinlich hat er einfach alles auf eine Karte gesetzt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.12.2009 17:09
#35 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Thomas Pauli
Im Deutschen nannte man sie Luftminen, englisch Block Buster.


Ja, richtig, das war das Wort, das ich suchte.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

11.12.2009 22:48
#36 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat
Damit haben Sie recht. Aber nach wie vor wehre ich mich dagegen, die alliierten Bombardements mit den deutschen gleichzusetzen. Hätten die Deutschen nicht in Holland, Jugoslawien und England angefangen, dann hätten die Alliierten es kaum getan.



Ohne die dt. Verantwortung für Warschau, Rotterdam und Belgrad zu bestreiten - die britische Luftkriegsführung verfolgte das Ziel, eine Liste von rund 100 Städten abzuarbeiten. Wenn Harris eine Stadt für genügend zerstört hielt, wurde sie von der Liste gestrichen. Churchill sagte einmal sinngemäß, es gewinnt derjenige, der in kürzerer Zeit mehr Frauen und Kinder tötet als der Gegner. Bonn wurde zerstört, um ein neues Ortungssystem zu testen (zur Klärung der Frage: Lässt sich eine Stadt auch bei geschlossener WOlkendecke finden und zerstören?). Als das Ergebnis nicht ausreichte, hat man dasselbe mit Koblenz probiert.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.12.2009 23:04
#37 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Gansguoter
Ohne die dt. Verantwortung für Warschau, Rotterdam und Belgrad zu bestreiten - die britische Luftkriegsführung verfolgte das Ziel, eine Liste von rund 100 Städten abzuarbeiten. Wenn Harris eine Stadt für genügend zerstört hielt, wurde sie von der Liste gestrichen. Churchill sagte einmal sinngemäß, es gewinnt derjenige, der in kürzerer Zeit mehr Frauen und Kinder tötet als der Gegner. Bonn wurde zerstört, um ein neues Ortungssystem zu testen (zur Klärung der Frage: Lässt sich eine Stadt auch bei geschlossener WOlkendecke finden und zerstören?). Als das Ergebnis nicht ausreichte, hat man dasselbe mit Koblenz probiert.


So ist es. Ich habe das auch nicht geglaubt, bevor ich das offenbar gut dokumentierte Buch von Jörg Friedrich gelesen habe.

Churchill, der ja für die deutsche Rechte eine Art Satanas ist (Goebbels hatte ihn dazu befördert), war dafür weder verantwortlich, noch hat er sich der Entsetzlichkeit dieser Strategie verschlossen.

Alles wurde halt dadurch gerechtfertigt, daß es für alle Seiten - meinten sie - um Leben und Tod ging.

Ging es darum? Waren alle diese unglaublichen Opfer richtig? Ich tendiere dazu, das zu bejahen.

Hätte Hitler gesiegt, dann würde Europa vermutlich noch heute einer Diktatur ausgeliefert sein. Dann wären noch viel mehr Juden "ausgerottet" worden.

Ich denke, daß die Opfer notwendig waren. Das ändert nichts daran, daß die Alliierten Kriegsverbrechen begangen haben.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

11.12.2009 23:10
#38 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Zettel

Ich denke, daß die Opfer notwendig waren.
Das ändert nichts daran, daß die Alliierten Kriegsverbrechen begangen haben.



Ich glaube, daß diese beiden Sätze nicht gut zusammenpassen.
Ich glaube auch, daß die Alliierten den Krieg auch ohne diese Verbrechen gewonnen hätten.
Und er hätte sicher auch nicht länger gedauert, eher im Gegenteil.
Die Feuerstürme haben ja auch einen Haufen Ressourcen gebunden, die man in militärisch wirksame Operationen hätte stecken können.
Allerdings glaube ich nicht, daß jeder bei den Alliierten das erkennen konnte.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.12.2009 12:10
#39 Churchill-Zitate Antworten

Zitat von Gansguoter
Churchill sagte einmal sinngemäß, es gewinnt derjenige, der in kürzerer Zeit mehr Frauen und Kinder tötet als der Gegner.


Hat er das, lieber Gansguoter?

Ich habe vor Jahren, noch bevor es ZR und dieses Forum gab, einmal im damaligen Schrippe-Forum eine lange Diskussion über diese "Churchill-Zitate" gehabt.

Ich habe mir die Mühe gemacht, sie im einzelnen nachzuprüfen. Schrippe ist damals in seine UB gegangen und hat andere nachgeprüft. So gut wie keines stimmte.

Oft waren die "Zitate" so aus dem Zusammenhang gerissen, daß sie das Gegenteil dessen zu besagen schienen, was sich aus dem Zusammenhang ergab. Wenn Churchill beispielsweise vor einem totalen Krieg gewarnt hatte, dann wurde das so zitiert, als hätte er ihn gewünscht.

Können Sie die Quelle für das angeben, was Sie zitieren?

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.12.2009 12:22
#40 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von califax

Zitat von Zettel

Ich denke, daß die Opfer notwendig waren.
Das ändert nichts daran, daß die Alliierten Kriegsverbrechen begangen haben.


Ich glaube, daß diese beiden Sätze nicht gut zusammenpassen.
Ich glaube auch, daß die Alliierten den Krieg auch ohne diese Verbrechen gewonnen hätten.
Und er hätte sicher auch nicht länger gedauert, eher im Gegenteil.
Die Feuerstürme haben ja auch einen Haufen Ressourcen gebunden, die man in militärisch wirksame Operationen hätte stecken können.
Allerdings glaube ich nicht, daß jeder bei den Alliierten das erkennen konnte.



Das sehe ich genauso. Der Bombenkrieg gegen Zivilisten war ein Kriegsverbrechen, und er war nicht notwendig. Aber aus der damaligen Sicht der Briten ging es um Leben oder Tod.

Das ist ja diese verfluchte Logik des Kriegs, daß er jede Moral, jede Menschlichkeit aufhebt. Die oder wir, darauf läuft es hinaus.

Übrigens ist das ja immer so gewesen. Krieg bedeutete immer die Aufhebung jeder Menschlichkeit. Daß man im humanitären 19. und 20. Jahrhundert ein "Kriegsrecht" etablierte, ist im Grunde ein Witz.

Ebenso könne man per Recht festlegen, wer wen in der Mafia umbringen darf.

Herzlich, Zettel

Florian Offline



Beiträge: 3.171

12.12.2009 13:37
#41 RE: Flächenbombardements Antworten

"Daß man im humanitären 19. und 20. Jahrhundert ein "Kriegsrecht" etablierte, ist im Grunde ein Witz."

Ich weiß nicht so recht.

Einerseits haben Sie natürlich recht:
Ein Recht muss durchsetzbar sein. Und das Kriegsrecht ist im Ernstfall nicht durchsetzbar:
Wenn ein Kriegsteilnehmer sich nicht daran hält, wer will ihm wirksam mit Sanktionen drohen?

Andererseits:
Es bringt glaube ich schon etwas, wenn man zumindest einmal festlegt, was akzeptable Methoden im Krieg sind und was nicht.
In den meisten ziviliserten Armeen dürfte z.B. irgendwo festgelegt sein, dass Vergewaltigungen von Zivilisten nicht zulässig ist.

Wenn nun ein einzelner Soldat so etwas macht, weiß er, dass er sich strafbar macht.

Wenn die eigene Armeeführung trotzdem will, dass Vergewaltigungen vorkommen (als Terrormaßnahme), dann muss sie dies den eigenen Truppen irgendwie (halb-)offiziell bekannt machen. Es muss also das Verbrechen ausdrücklich angeordnet werden - was natürlich schon besser ist, als wenn man das Verbrechen ausdrücklich vebieten müsste und dies dann einfach unterläßt.

Selbst im Falle des 3.Reiches würde ich vermuten, dass das Kriegsrecht hier hemmend wirkte:
Natürlich hat auch die Wehrmacht Verbrechen begangen. Es ist allerdings sicher kein Zufall, dass diese Verbrechen quantitativ wesentlich geringer waren als jene der SS (und von der Wehrmacht selbst auch wesentlich weniger dokumentiert wurden).
Eben deshalb, weil es juristisch, moralisch und disziplinarmäßig schwierig ist, einem Soldaten einen Befehl zu erteilen, von dem dieser und der Befehlsgeber beide wissen, dass er rechtswidrig ist.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

12.12.2009 13:42
#42 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Zettel
Das sehe ich genauso. Der Bombenkrieg gegen Zivilisten war ein Kriegsverbrechen, und er war nicht notwendig. Aber aus der damaligen Sicht der Briten ging es um Leben oder Tod.
Das ist ja diese verfluchte Logik des Kriegs, daß er jede Moral, jede Menschlichkeit aufhebt. Die oder wir, darauf läuft es hinaus.
Übrigens ist das ja immer so gewesen. Krieg bedeutete immer die Aufhebung jeder Menschlichkeit. Daß man im humanitären 19. und 20. Jahrhundert ein "Kriegsrecht" etablierte, ist im Grunde ein Witz.
Ebenso könne man per Recht festlegen, wer wen in der Mafia umbringen darf.

Ich möchte Ihnen da, das "Kriegsrecht" betreffend, sehr zustimmen. Ich würde, wenn es jemand unmittelbar auf mein Leben abgesehen hätte auch nicht zuerst im BgB nachblättern.

Umso weniger kann ich jedoch den erbitterten Kampf um die Tatsache verstehen, ob es nun dies oder jenes ein "Kriegsverbrechen" war oder nicht. Man braucht sich doch nur konkrete Bilder vergegenwärtigen, vollkommen egal auf welcher Seite der Front oder welchem Keller auch immer, um sich einer solcher juristischen Fingerhakelei zu enthalten. Welchen Sinn soll das denn haben?

Manchmal ist Schweigen einfach die bessere Lösung, wenn auch nicht ganz blogkompatibel. Ich bin eben kein Historiker oder Verbandsfunktionär, "und das ist gut so"

Schönen Tag noch, Ungelt

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

12.12.2009 14:54
#43 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von califax
Ich glaube auch, daß die Alliierten den Krieg auch ohne diese Verbrechen gewonnen hätten.
Und er hätte sicher auch nicht länger gedauert, eher im Gegenteil.
Die Feuerstürme haben ja auch einen Haufen Ressourcen gebunden, die man in militärisch wirksame Operationen hätte stecken können.


Das ist unklar. Die Sowjets haben nachdrücklich darauf gedrängt, dass die Westalliierten das deutsche Hinterland angreifen. Und ganz so einfach sind zivile Ziele und Rüstungsindustrie nun einmal nicht zu trennen. Selbst eine Konzentration nur auf die Industrie hätte genügend zivile Opfer gefordert, dass man sie heutzutage als Kriegsverbrechen ansehen könnte. Und dann gibt es die Grenzfälle: dürfen Eisenbahntrassen, Kanäle und Schleusen bombardiert werden? Häfen, bei denen man nicht gezielt auf Kriegshäfen hätte zielen können?

Ich fürchte, die Alliierten hätten höchstens die Bombardierung Deutschlands ganz sein lassen können, um sich nicht dem Vorwurf des Kriegsverbrechens auszusetzen. Und dann hätte der Krieg tatsächlich länger gedauert.

EDIT zum letzten Satz: die Bombardements der rumänischen und anderer Ölfelder sowie der deutschen synthetischen Ölindustrie sorgte beispielsweise dafür, dass die deutsche Luftwaffe irgendwann vor Spritmangel kaum aufsteigen konnte - und die Mannschaften waren, ebenfalls aus Treibstoffmangel, kaum trainiert. Die Angriffe auf die deutsche Flugzeugindustrie zwang Deutschland dazu, sie zu verteilen und unter Tage zu bringen. Schließlich führte die Zerstörung des deutschen Eisenbahnnetzes zu deutlichen Verzögerungen im U-Boot-Bau (mal ganz zu schweigen davon, wie bei Overlord die französischen Eisenbahnen zerbombt wurden, um den deutschen Nachschub in die Normandie zu stören, was besser klappte und weniger französische zivile Opfer forderte als man es zuvor in England befürchtet hatte). Alles gute Beispiele für Bombenziele, die den Krieg in der Tat verkürzt haben.

--
La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

12.12.2009 15:09
#44 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Zettel
Der Bombenkrieg gegen Zivilisten war ein Kriegsverbrechen, und er war nicht notwendig.


Zu letzterer Aussage habe ich gerade etwas geschrieben.

Zitat von Zettel
Das ist ja diese verfluchte Logik des Kriegs, daß er jede Moral, jede Menschlichkeit aufhebt. Die oder wir, darauf läuft es hinaus.
Übrigens ist das ja immer so gewesen. Krieg bedeutete immer die Aufhebung jeder Menschlichkeit.


Ich kann nicht wirklich glauben, dass Sie das so meinen, wie es für mich beim ersten (oder zweiten, oder dritten) Lesen klingt. "Die Aufhebung jeder Menschlichkeit"? "Immer"? So wie etwa die Westalliierten die deutschen Kriegsgefangenen verhungern ließen? Und wie die Amerikaner in Deutschland beim Einmarsch alles in Schutt und Asche legten? Oder wie die US-Luftwaffe im Irak ihr bestes tat, um zielgerichtet militärische Einrichtungen zu zerstören, ohne die Schule daneben zu zertrümmern?

Zitat von Zettel
Daß man im humanitären 19. und 20. Jahrhundert ein "Kriegsrecht" etablierte, ist im Grunde ein Witz.


Den Witz verstehe ich jetzt offen gestanden nicht. Hätte man keine weißen Fahnen etablieren sollen? Keine Pflicht, Zivilisten so weit wie möglich zu schützen? Vielleicht sollte man rote Kreuze als Zielscheiben verwenden?

Zitat von Zettel
Ebenso könne man per Recht festlegen, wer wen in der Mafia umbringen darf.


Der bessere Vergleich ist wohl der mit dem Strafrecht. Ebenso wie es sinnvoll ist, dem staatlichen Gewaltmonopol im Inneren ein rechtliches Korsett anzulegen, ist es sinnvoll, ein Kriegsrecht einzuführen. Wenn Sie das Kriegsrecht als "Witz" ansehen, dann könnte man umgekehrt auch auf die konkreten Strafandrohungen im Strafrecht verzichten und den Richter nach Gusto entscheiden lassen, ob der Ladendieb drei Monate auf Bewährung oder 20 Jahre Zuchthaus bekommt.

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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

12.12.2009 15:11
#45 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Ungelt
Ich möchte Ihnen da, das "Kriegsrecht" betreffend, sehr zustimmen. Ich würde, wenn es jemand unmittelbar auf mein Leben abgesehen hätte auch nicht zuerst im BgB nachblättern.


Wenn es jemand auf Ihr Leben abgesehen hat, dann dürfen Sie sich wehren. Aber wenn Sie denjenigen k.o. geschlagen haben, dann dürfen Sie ihm dann nicht sein eigenes Messer zwischen die bewusstlosen Rippen stecken. Aus meiner Sicht ist das gut so. Sehen Sie diesen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wirklich als problematisch an?

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Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

12.12.2009 16:43
#46 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Ungelt
Ich möchte Ihnen da, das "Kriegsrecht" betreffend, sehr zustimmen. Ich würde, wenn es jemand unmittelbar auf mein Leben abgesehen hätte auch nicht zuerst im BgB nachblättern.

Wenn es jemand auf Ihr Leben abgesehen hat, dann dürfen Sie sich wehren. Aber wenn Sie denjenigen k.o. geschlagen haben, dann dürfen Sie ihm dann nicht sein eigenes Messer zwischen die bewusstlosen Rippen stecken. Aus meiner Sicht ist das gut so. Sehen Sie diesen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wirklich als problematisch an?


Nein, ich meinte den Zustand unmittelbarer Bedrohung, oder der subjektiv empfundenen unmittelbaren Bedrohung. In einer solchen Situation wird das Kriegsrecht für den Bedrohten eine eher untergeordnete Bedeutung haben. Sonst ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sicher berechtigt, er wird aber auch von den quasi "natürlichen" Prinzipien der Humanität überlagert. Ich kann mir gut vorstellen, daß die persönlichen Eigenschaften der Handelnden in einer Extremsituation wichtiger sind, als ein Stück Papier, von dem in der konkreten Situation keiner sagen kann, ob es noch gilt oder nicht.

Ich bin einfach etwas allergisch darauf, wenn sich nach einer für die "Täter" existentiell bedrohlichen Situation Leute hinstellen und genau alles klassifizieren und moralisch einordnen möchten. Leute, die u.U. noch nie eine solche Situation erlebt haben, und bei denen es zumindest fraglich ist, wie sie selbst gehandelt hätten. Da reagiere ich manchmal etwas emotional

Ein Angreifer muß meiner Meinung mit dem Risiko leben, daß sich der Angegriffene mit den Mitteln wehrt, die ihm zur Verfügung stehen. Und auch damit, daß der Angegriffene u.U. seine Lage nicht richtig einschätzt.

Schönen Tag noch, Ungelt

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

12.12.2009 17:09
#47 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Ungelt
Nein, ich meinte den Zustand unmittelbarer Bedrohung, oder der subjektiv empfundenen unmittelbaren Bedrohung.

...

Ein Angreifer muß meiner Meinung mit dem Risiko leben, daß sich der Angegriffene mit den Mitteln wehrt, die ihm zur Verfügung stehen. Und auch damit, daß der Angegriffene u.U. seine Lage nicht richtig einschätzt.


Der Meinung bin ich auch, und genau aus diesem Grund finde ich mancherlei Verurteilung der alliierten Bombenangriffe als Kriegsverbrechen ein wenig schnell und wohlfeil. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass ich die Etablierung des Kriegsrechts als "Witz" ansehen könnte. Wahrscheinlich sind wir in unseren Ansichten gar nicht so weit auseinander.

--
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califax Offline




Beiträge: 1.502

12.12.2009 17:12
#48 RE: Flächenbombardements Antworten

Zitat von Zettel

Ebenso könne man per Recht festlegen, wer wen in der Mafia umbringen darf.



Die Mafia tut das. Morde werden nach strengen Regeln von ganz oben authorisiert.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Leibniz Offline




Beiträge: 383

12.12.2009 18:59
#49 RE: Flächenbombardements Antworten

Statt einer Antwort eine Collage mit Sätzen von R. Augstein [1] aus einer Rezension von Rolf Hochhuths 'Soldaten'.

Zitat von Zettel
Kriegführung gegen Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen.


Zitat von Augstein
Daß man Frauen und Kinder, daß man "Zivilisten" keinesfalls totbomben dürfe, wie Hochhuth anklagend postuliert: ist das wohl überzeugend? Wer kein Gewehr trägt und auch keines herstellt, den darf man auch im Krieg laut Bischof Bell nicht töten. Aber den Arbeiter und die Arbeiterinnen in der Rüstung? Bell: "Ich fürchte ja -- die darf man töten."


Zitat von Zettel
Der Bombenkrieg gegen Zivilisten war ein Kriegsverbrechen, und er war nicht notwendig. Aber aus der damaligen Sicht der Briten ging es um Leben oder Tod.


Zitat von Augstein
... im Jahre 1943. Zu diesem Zeitpunkt glaubt auch der Churchill des Hochhuth-Stückes noch nicht, "daß die Verbrennung der Wohnzentren militärisch effektlos ist". Die Effektlosigkeit erkannten die führenden Männer von Churchills Luftwaffe, immer laut Hochhuth, erst im Sommer 1944. Ein bloßer Irrtum also, ein vielleicht folgenschwerer Irrtum meinetwegen, ein Irrtum der Fachleute, denen Churchill vertraut hat.
Nehmen wir einmal an, der britische Bombenkrieg gegen "deutsche Arbeiterwohnviertel" -- im Ernst: ein paar Angestellte und Mittelständler zählten auch zu den Opfern -- hätte bewirken können, daß der Krieg 300 Tage früher zu Ende gegangen wäre: wieviel Frauen und Kinder in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern, wieviel männliche "Zivilisten" und Soldaten wären wohl gerettet worden?


Zitat von Gorgasal
Oder wie die US-Luftwaffe im Irak ihr bestes tat, um zielgerichtet militärische Einrichtungen zu zerstören, ohne die Schule daneben zu zertrümmern?


Zitat von Augstein
... man kann auch den Krieg der USA gegen das Volk von Vietnam für unmoralisch halten. Aber nach Hochhuths chevaleresker Definition "Soldat ist, wer Soldaten bekämpft" wäre der Krieg in Vietnam vorn Berufsethos des Soldaten her kaum zu beanstanden. Die Amerikaner bomben "Panzer, Brücken, Industrien, Staudämme",
nicht aber "Wehrlose".


Zitat von Zettel
Das ist ja diese verfluchte Logik des Kriegs, daß er jede Moral, jede Menschlichkeit aufhebt.


[1] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46185268.html

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.12.2009 23:47
#50 Die Entsetzlichkeit des Kriegs Antworten

Lieber Leibniz,

eine interessante Collage. Alle, die Sie da collagieren, werden und wurden, glaube ich, mit dieser Ungeheuerlichkeit des Kriegs nicht fertig.

Augstein hat ihn als Soldat mitgemacht. Auf die Frage im Proust-Fragebogen "Die größte militärische Leistung?" hat er, aus dem Gedächtnis zitiert, geantwortet: Mein Rückzug aus der Ukraine.

Ich habe ihn als Kind mitgemacht; so jung, daß die Erinnerungen nur fragmentarisch sind. Aber während ich sprechen lernte, lernte ich, die Luftschutzsirene nachzusingen. Meinen Großeltern ist zweimal das Haus über dem Keller, in dem sie zum Glück saßen, über dem Kopf zusammengebombt worden. Die Wohnung, aller Besitz einfach weg. Natürlich hatte man eine Schatulle mit den Wertsachen, die man in den Luftschutzkeller mitnahm.

Wer nach 1945 in Europa geboren wurde, lieber Leibniz, der hat keine Vorstellung davon, was Krieg ist. Krieg ist derart entsetzlich, daß man es nicht beschreiben kann.

Es gibt robuste Naturen wie Ernst Jünger, die damit fertigwerden. Die meisten nicht. Sie verdrängen das Ungeheuerliche, sie verstummen. Manche werden verrückt wie die "Zitterer".

Herzlich, Zettel

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