Zitat von ZettelEin, wie ich finde, glänzendes Plädoyer gegen einen verwaschenen protestantischen Pazifismus, gestützt auf Martin Luther.
Dem schließe ich mich uneingeschränkt an.
Dennoch ist für mich klar, daß die NATO keinfalls aus Gründen der Nächstenliebe oder Mildtätigkeit in Afghanistan ist, sondern womöglich (und hoffentlich) aus eiskalt kalkulierten Interessen heraus. Es gäbe wohl ein Dutzend Staaten, die unserer militärischen Fürsorge weitaus dringender oder wenigstens ebenso dringend bedürften, die aber nirgends Erwähnung finden.
Folgt man also der hier von Herr dargestellten Argumentation, stellt sich mir die Frage, wieso man es also bei Afghanistan belassen sollte? In Somalia werden die jungen Frauen nicht nur vom Schulbesuch abgehalten, sondern aus religiösen Grunden sogar bestialisch an den Genitalien verstümmelt. Wieso fordern wir nicht, nachdem wir diesen Artikel gelesen und ihm beigepflichtet haben, daß die Bundeswehr in Somalia für unsere Werte und Ansichten eintritt? Wieso soll die NATO und damit die Bundeswehr nicht auch in Myanmar die Menschen befreien? Und, wenn man mich fragen würde, müsste man gleich den gesamten afrikanischen Kontinent befreien, von Kleptokraten, Autokraten, Tyrannen und Verrückten, die das ihr anvertraute Volk von einer Misere in die nächste Katastrophe führen!
Ist das Prinzip also richtig, welches z. Zt. in Afghanistan angwendet wird, dann muß es doch auch für alle gleich gelagerten Fälle zur Richtschnur werden. Dies ist aber offenbar nicht der Fall, was mich daran zweifeln läßt, daß dieses Prinzip im Fall Afghanistan das richtige ist. Ich halte diese ganze Sache für eine Rechtfertigung von militärisch umgesetzter Interessenpolitik mit vorgeschobenen humanitären Argumenten.
Zitat von HajoIst das Prinzip also richtig, welches z. Zt. in Afghanistan angwendet wird, dann muß es doch auch für alle gleich gelagerten Fälle zur Richtschnur werden. Dies ist aber offenbar nicht der Fall, was mich daran zweifeln läßt, daß dieses Prinzip im Fall Afghanistan das richtige ist. Ich halte diese ganze Sache für eine Rechtfertigung von militärisch umgesetzter Interessenpolitik mit vorgeschobenen humanitären Argumenten.
Rechtfertigt, lieber Hajo, denn irgendwer den Afghanistan-Einsatz mit humanitären Argumenten?
Es wird doch argumentiert, daß wir unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen müssen. Der Wiederaufbau (bzw überhaupt erst mal der Aufbau) Afghanistans ist ein Mittel zum Zweck, um damit den Taliban und der Kaida das Wasser abzugraben.
Eine ganz andere Frage ist, ob wir denn auf dem richtigen Terrain kämpfen. Die Kaida ist wie ein multinationaler Konzern, der seine Geschäftstätigkeit dorthin verlagert, wo die Bedingungen am günstigsten sind.
Also ist man von Afghanistan zunächst in den Irak gezogen, wo ja in der Provinz Anbar schon die Islamische Republik ausgerufen worden war. Dank des Muts von Präsident Bush, gegen die öffentliche Meinung und selbst viele seiner Parteifreunde den Surge zu wagen, ist das gescheitert.
Jetzt zieht die Kaida nicht nach Afghanistan zurück, sondern etabliert sich im Jemen. Afghanistan verliert damit an Bedeutung. Oder besser gesagt: Es geht in Wahrheit um Pakistan. Daß Islamisten dort die Macht erobern, kann wegen der Nuklearrüstung unter keinen Umständen zugelassen werden.
Leute wie Käßmann haben mich erfolgreich aus der evangelischen Kirche vertrieben. Sie sind nicht von dieser Welt und haben mir deshalb nichts zu sagen. Traurig. In meiner Familie hat es evangelische Pastoren gegeben, an denen ich die progressive Entmannung dieser einst stolzen Glaubensrichtung studieren konnte. Wirklich traurig!
Was mich bei den Kirchen verwundert, ist diese Schizophrenie. Einerseits gibt es die realistischen Militärpfarrer, andererseits diese friedensbewegten Träumer.
Ich musste zu meiner Wehrdienstzeit mal zum, obligatorischen, Besuch beim Standortpfarrer marschieren. Im kleinen Dienstanzug ca. 6 km in Kompaniestärke durch die Heide. Dabei waren bestimmt die meisten Kameraden, wie ich selbst, nicht gläubig. Der Marsch war natürlich ätzend, aber das, was die beiden Pastoren gesagt haben (ich weiß nicht mehr, was es genau war) hat uns allen dann doch gefallen.
Ein paar Monate später war ich privat auf einem ökumenischen Jugendgottesdienst. Dort wurden die Fürbitten ausdrücklich nur für diejenigen ausgesprochen, die sich dem Dienst an der Waffe verweigern ... denn Soldaten seien ja potentielle Mörder.
Ich hätte der Bande ins Gesicht springen können. Hätte ich zu dem Zeitpunkt Uniform getragen, wäre es sicherlich laut geworden.
Wie erklärt sich dieses Wischi-Waschi? Gibt es in den Kirchen keine klare Linie? Erzählt da jeder Würdenträger gerade das, was seiner Ansicht nach zum Publikum passt?
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat von HajoDennoch ist für mich klar, daß die NATO keinfalls aus Gründen der Nächstenliebe oder Mildtätigkeit in Afghanistan ist, sondern womöglich (und hoffentlich) aus eiskalt kalkulierten Interessen heraus. Es gäbe wohl ein Dutzend Staaten, die unserer militärischen Fürsorge weitaus dringender oder wenigstens ebenso dringend bedürften, die aber nirgends Erwähnung finden.
Da ist wohl was dran. Es macht aber m.E. einen Unterschied, ob wir irgendwo einmarschieren sollten, oder ob wir, wenn wir schon einmarschiert sind, dann auch nicht abziehen, ohne unsere Ziele erreicht zu haben.
Welche Rolle dabei humanitäre Werte und handfeste politische Interessen spielen, ist noch mal eine weiter gehende Frage.
Wahrscheinlich ist uns weitgehend der Begriff des Politischen im Carl-Schmitt'schen Sinne abhanden gekommen.
Zitat von CalimeroWie erklärt sich dieses Wischi-Waschi? Gibt es in den Kirchen keine klare Linie? Erzählt da jeder Würdenträger gerade das, was seiner Ansicht nach zum Publikum passt?
Nein, lieber Calimero (und lieber Thomas), es gibt keine klare Linie, und das ist auch gut so. Die evangelische Kirche ist Volkskirche und pluralistisch. Die ethischen oder gar politischen Konsequenzen aus dem Evangelium sind nun mal so eindeutig nicht. Und ein verbindliches Lehramt gibt es bei uns nicht.
Ich denke auch, dass es nicht nur Anpassung ans Publikum ist, sondern auch Prägung. Und auch Erfahrungen prägen. Ich kenne Wilfried Fritzsch persönlich. So deutliche Äußerungen habe ich von ihm noch nie zuvor gehört. Es sind wohl auch die frischen Erfahrungen und Gespräche in Afghanistan, die ihn beeinflusst haben. Umgekehrt wird so ein richtiger Peacer gar nicht erst als Militärpfarrer zur Bundeswehr gehen.
Dass in der evangelischen Kirche so gedacht und geredet wird, hat sicher viele Gründe, die zusammenspielen: - der tiefe Eindruck des Weltkrieges mit der Konsequenz: Nie wieder Krieg, nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen ... - der Eindruck der Bedrohung durch Nuklearwaffen und die Konsequenz, Krieg dürfe unter den Bedingungen atomarer Bedrohung überhaupt kein Mittel der Politik mehr sein - der linke Zeitgeist und die Diskreditierung konservativen Denkens, verstärkt dadurch, dass große konservative Denker dem Nationalsozialismus sehr nahe standen (Heidegger, Schmitt, in der Theologie Emanuel Hirsch) - das Versagen der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus, das nun die Konsequenz einer staatskritischen Politisierung nach sich zog - die so genannte Dialektische Theologie im Gefolge Karl Barths, die in Wahrheit völlig undialektisch war und u.a. die Zwei-Reiche-Lehre durch eine Lehre von der "Königsherrschaft Jesu Christi" ersetzte, die durchaus totalitäre Züge hatte (Falk Wagner [1939 - 1998] hat diesem Ansatz den polemischen Titel "Christologische Gleichschaltung" verpasst.) - die Krise der traditionellen theologischen Eschatologie, die gerne durch innerweltliche Utopie ersetzt wurde (Moltmann: "Theologie der Hoffnung" in Anbie... äh Anlehnung an Bloch).
nun, die Eingreif-Kapazitäten von USA,NATO,etc. sind nun einmal begrenzt.
Es ist ganz offensichtlich nicht möglich, jedes diktatorische Regime der Welt zu bekämpfen und jede humanitäre Katastrophe abzuwenden. Weil das nun aber nicht ÜBERALL möglich ist, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen es doch lieber gleich ganz bleiben zu lassen, halte ich für moralisch abwegig.
Wenn man sich aber nun auf einige wenige Fälle konzentrieren muss, dann halte ich es für durchaus legitim (und sogar notwendig), eine Kosten-Nutzen-Überlegung anzustellen: die Mittel sind begrenzt, die Bedürfnisse (faktisch) unbegrenzt - also muss man versuchen, mit den begrenzten Mitteln möglichst viel Effekt zu erzielen.
Und ich finde es angesichts dieser Realitäten auch angemessen, dass die beteiligten westlichen Länder auch in diese Überlegungen mit einfließen lassen, welche eigenen Interessen hier betroffen sind. (Wobei ich anmerken möchte, dass dies im Falle Afghanistan gar nicht so klar ist. Das Land hat weder wichtige Bodenschätze noch eine besonders wichtige geostrategische Lage. Es wäre dem Westen durchaus möglich gewesen, das Land - ähnlich wie Darfour - sich selbst zu überlassen, ohne damit offensichtliche eigene Interessen zu gefährden).
Aus moralischer Sicht erscheint mir nur wichtig, dass eine westliche Intervention zwar AUCH aus Eigeninteresse geschehen darf, dass sie aber zugleich die humanitäre oder menschenrechtliche Situation im betroffenen Land verbessern muss. Soweit ich das sehe, ist diese Bedingung in Afghanistan auf jeden Fall erfüllt, m.E. auch im Irak und in allen anderen Fällen der letzten Jahrzehnte.
Sie können nun allerdings tatsächlich in Frage stellen, ob man in Afghanistan eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz hat oder ob die knappen Mittel nicht vielleicht woanders besser eingesetzt wären (etwa in Darfour). (Ich finde es übrigens auch schade, dass eine solche Diskussion, die sowohl die eigenen Interessen als auch die Knappheit der eigenen militärischen Ressourcen berücksichtigt, zumindest in der deutschen Politik nicht stattfindet).
Lieber Bernd D. und lieber Herr, danke für diese guten Artikel. Endlich kommt so etwas wie "Heimatahnung" da ich selbst vor vielen Jahren aus der ev. luth. Kirche ausgetreten bin. Ich freue mich, über ihren Mut und die Ehrlichkeit Fakten beim Namen zu nennen.
Es gibt Themen, die nur allzu gern von den Kirchen ignoriert werden und was noch schlimmer ist, für mein Empfinden auch falsch kommentiert werden um das Weltbild der politischen Korrektheit nicht zu stören. Dazu gehörte eine reale Einschätzung im Verhältnis Christentum und Islam.
Luther tat das, seiner Zeit gemäß, anhand der Türkenschriften.
Zitat von Herr- das Versagen der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus, das nun die Konsequenz einer staatskritischen Politisierung nach sich zog
Die Zeiten, in denen die Kirche einen weltlichen Herrscher zum Gang nach Canossa nötigen konnte, also entsprechende Machtmittel in der Hand hielt, waren auch damals schon lange vorbei. Ein christlicher Widerstand gegen die Nationalsozialisten hätte nicht nur einer Unzahl handfester Märtyrer bedurft, sondern auch der Voraussicht über die Dinge, die da noch kommen würden. Selbst wenn die Voraussicht klar und die Märtyrer Willens gewesen wären, hielte ich die Frage für offen, ob es nicht auch unter einer anderen Führung zum Krieg mit Polen gekommen wäre.
Konsequenzen, die nun aus einer solchen Aneinanderreihung von Annahmen bestehen, können m.E. kaum sinnvolles nach sich ziehen.
Zitat von Bischöfin Käßmann... unsere Kirche sagt: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Das war 1948 in Amsterdam beim ersten Treffen des Ökumenischen Rates der Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg der entscheidende Satz. Auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist dieser Krieg so nicht zu rechtfertigen. Deshalb, denke ich, muss die gewalttätige Auseinandersetzung möglichst rasch beendet werden. Wir brauchen eine klare Exit-Strategie.
... Möglichst bald sollten die deutschen Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden.
Lieber Herr,
Sie haben ja sicherlich Kontakt zu Amtsbrüdern und -schwestern, die ähnlich argumentieren. Ich frage mich, was sie antworten, wenn man ihnen entgegenhält:
"Wenn Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll - wieso soll das dann nur für westliche Truppen gelten?
Es liegt doch auf der Hand, daß nach einem Abzug der westlichen Truppen in Afghanistan nicht Frieden herrschen wird, sondern ein blutiger Bürgerkrieg über Jahre hinweg. Sollten ihn die Taliban gewinnen, dann werden sie wieder ihr Schreckensregime errichten, mit Massenhinrichtungen in den Stadien, mit einer allmächtigen Geheimpolizei, mit willkürlichen Verhaftungen. Dann werden die Taliban sich an allen rächen, die für die Freiheit, für Bildung auch für Mädchen, für eine gerechtere Gesellschaft eingetreten waren.
Wollen Sie das, lieber Amtsbruder und liebe Amtsschwester, indem Sie der Bischöfin folgen und fordern, daß die deutschen Soldaten 'möglichst bald' aus Afghanistan abgezogen werden?"
Ich versuche mir eine glaubwürdige und rationale Antwort auf eine solche Frage vorzustellen. Mir ist bisher keine eingefallen. Haben Sie, lieber Herr, vielleicht solche Gespräche schon geführt und können uns sagen, wie geantwortet wird?
Wenn ich an den Öumenischen Rat der Kirchen oder den Lutherischen Weltbund denke, bekomme ich sowieso die Krise. Ihre eigenen Leute haben diese Herrschaften während des Kalten Krieges in den Gefängnissen des Ostblocks verrotten lassen und keinen Finger für sie gerührt, stattdessen mit den dortigen Machthabern gekungelt.
Man denke nur daran, wie sie Pfarrer Wurmbrand im Stich gelassen hatten.
Heute kungeln dieselben Leute mit den Machthabern in der islamischen Welt, sagen kein Wort zum iranischen Terrorregime und nichts zum versauten UN-Menschenrechtsrat.
Zitat Die Zeiten, in denen die Kirche einen weltlichen Herrscher zum Gang nach Canossa nötigen konnte, also entsprechende Machtmittel in der Hand hielt, waren auch damals schon lange vorbei. Ein christlicher Widerstand gegen die Nationalsozialisten hätte nicht nur einer Unzahl handfester Märtyrer bedurft, sondern auch der Voraussicht über die Dinge, die da noch kommen würden. Selbst wenn die Voraussicht klar und die Märtyrer Willens gewesen wären, hielte ich die Frage für offen, ob es nicht auch unter einer anderen Führung zum Krieg mit Polen gekommen wäre.
Lieber Hajo, ich denke nicht, dass es nur um handfestes Martyrium ging, sondern um nicht ganz so bereitwillige Unterstützung. 1933 haben vor allem Protestanten NSDAP gewählt. Die NS-Ideologie hat in evangelischen Kreisen ganz anders Fuß gefasst als in katholischen. Die Katholiken waren durch ihre ultramontane und weltkirchliche Orientierung ganz anders immun gegen völkisches und rassistisches Denken. Und sie hatten mit dem Zentrum eine eigene politische Kraft ...
Wie auch immer: das alleine war's ja auch nicht. Nur ein Faktor, und wohl nicht der bedeutendste.
immer schon habe ich vermutet, daß es in der evangelischen Kirche doch auch Stimmen wie die Ihren geben müßte! Nur, warum kann man sie nirgends hören? Oder habe ich an den falschen Plätzen gehorcht? Ich habe nur wahrgenommen, daß die Kirche ihre Festigkeit verlor, als sie ihre Botschaft immer mehr aufweichte, offenbar um für jeden akzeptabel zu sein. Man nannte das wohl gerne "modern". Natürlich heben die Kirchen versucht, sich gegen den Mitgliedschwund zu stemmen, wenn "stemmen" nicht ein zu starkes Wort ist. Ich fürchte, diese Strategie ist, wenn es denn eine war, nach hinten losgegangen.
ich habe erstaunlich wenige solche Kontakte. In unserem Pfarrkonvent geht es meistens um andere Themen. Aber als der zitierte Bruder Fritzsch von seinem ersten Afghanistan-Einsatz berichtet hat und als er mal mit uns in Frankenberg in der Kaserne war und wir auch mit Soldaten und Offizieren gesprochen haben, war die Stimmung dann doch sehr nachdenklich.
Vermutlich würde man in der Richtung argumentieren, dass die Erfolge des militärischen Einsatzes ja doch ausgeblieben seien, dass die Lage in den letzten Jahren nur noch gefährlicher geworden sei, dass der zivile Einsatz vernachlässigt worden wäre, und selbstverständlich würde die "Spirale der Gewalt" ins Felde geführt werden.
Und fairerweise wird man auch der Bischöfin zugutehalten müssen, dass sie nicht von einem Hals-über-Kopf-Abzug spricht, sondern von einer Exit-Strategie. Es soll also wohl irgendeine Art von ziviler (?) Aufbauhilfe bleiben. Freilich wird man fragen dürfen, wie das funktionieren soll. Aber solche Fragen fallen natürlich nicht in die Kompetenz von Kirchenleuten
Landesbischof Bohl (Sachsen) hatte ursprünglich einen Besuch in Afghanistan geplant, während Fritzsch dort war. Das wäre ein gutes Zeichen gewesen und hätte ihn gewiss auch beeindruckt. Leider ist das nicht zustande gekommen.
es gibt sie noch, die aufmüpfigen "schwarzen Schafe" in der lutherischen Kirche. Wenigstens heute wieder einmal. Zum Glück. Nur werden unsere Stimmen in einer Kirche, die das Evangelium zu einem pädgogisierenden Selbstbedienungsladen umfunktioniert hat, zu wenig gehört.
Aber vielleicht muss man nur ein wenig mehr in diesem verknöcherten Laden provozieren - im besten Sinne natürlich.
Zitat von HerrVermutlich würde man in der Richtung argumentieren, dass die Erfolge des militärischen Einsatzes ja doch ausgeblieben seien, dass die Lage in den letzten Jahren nur noch gefährlicher geworden sei, dass der zivile Einsatz vernachlässigt worden wäre, und selbstverständlich würde die "Spirale der Gewalt" ins Felde geführt werden. Und fairerweise wird man auch der Bischöfin zugutehalten müssen, dass sie nicht von einem Hals-über-Kopf-Abzug spricht, sondern von einer Exit-Strategie. Es soll also wohl irgendeine Art von ziviler (?) Aufbauhilfe bleiben. Freilich wird man fragen dürfen, wie das funktionieren soll. Aber solche Fragen fallen natürlich nicht in die Kompetenz von Kirchenleuten
In der Tat nicht, lieber Herr.
Und das ist es, was ich nicht nachvollziehen kann. Man kann ja mit guten Gründen für einen Abzug aus Afghanistan sein und dann eben hinnehmen, daß dort ein blutiger Bürgerkrieg von unbestimmter Dauer stattfindet, mit der Möglichkeit eines Sieges der Taliban.
Nur, wie in aller Welt kann man eine solche politische Haltung theologisch begründen mit "... unsere Kirche sagt: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein"?
Als wenn Krieg nicht mehr wäre, wenn die Deutschen und die anderen ISAF-Truppen abzögen. Es wäre dann erst recht Krieg, das liegt doch auf der Hand.
Mir kommt das vor wie die Haltung eines Kindes, das die Augen zumacht und denkt, daß man es jetzt nicht mehr sieht.
Zitat Nur, wie in aller Welt kann man eine solche politische Haltung theologisch begründen mit "... unsere Kirche sagt: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein"?
Das Hauptproblem ist, dass viele Theologen erklären, Gewaltanwendung sei mit (aktiv begonnenem) Krieg gleichzusetzen. Und die Lämmer blöken's nach.
Aber Gewaltanwendung gegen Atomanlagen ist sogar geboten, wenn man sie einem Terrorregime nicht "abverhandeln" kann. Und Gewaltanwendung ist auch dringend geboten, wenn man die Demokratie, die Menschenrechte und alles andere, was human ist auf dieser Welt, nicht dem Aggessor ins Maul werfen will, nachdem alles Verhandeln nichts mehr nutzt.
All jene, die so reden wie die (Radikal-) Pazifisten jetzt, stehen in der unheilvollen Tradition der britischen Pazifisten der 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts vor Ausbruch des WK II, denn sie verhöhnen 1 Million GI's und Millionen anderer Allierter, die sich in den beiden Weltkriegen für die Befreiung Europas und der Welt eingesetzt hatten. Sie waren meistens um die 20, hatten also ihr ganzes Leben noch vor sich. Wenn die heute diesem Treiben zusehen müssten....
Und wer sich auf die Bergpredigt beruft sollte Mt. 5,17 ff. nicht vergesen. Für mich der realistischste Satz im Text. Jesus kannte die Menschen....
Zitat Aber Gewaltanwendung gegen Atomanlagen ist sogar geboten, wenn man sie einem Terrorregime nicht "abverhandeln" kann. Und Gewaltanwendung ist auch dringend geboten, wenn man die Demokratie, die Menschenrechte und alles andere, was human ist auf dieser Welt, nicht dem Aggessor ins Maul werfen will, nachdem alles Verhandeln nichts mehr nutzt.
Lieber Bernd D.,
es stimmt wohl häufig, daß der Krieg, den man heute nicht führen will, später mit härteren Methoden und unter ungünstigeren Umständen geführt werden muß. Die Crux von Demokratiuen ist jedoch, daß deren Führungspersonal gewählt werden muß, und daß es vermutlich leichter ist, gewählt zu werden, wenn man die Wähler nicht mit dem vollen Ausmaß der Probleme konforntiert, wenn diese unpopuläre Konequenzen haben (Genauso offenbar ist allerdings der Aufbau einer Drohkulisse nützlich, wenn es dabei nur um die Verteilung der Gelder vermeintlich anderer geht). Gleichzeitig stelle ich eine gewisse "juristisierung" der Weltsicht vieler meiner Landsleute fest, die schlicht meinen, daß Unrecht doch verboten sei. Vermutlich würde es ihnen genügen, wenn man Ahmadinejad vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schleppen würde, wenn er Israel mit einer Atombombe ausgelöscht hätte. Die Frage, wer ihn denn da hinschleppen sollte, bleibt natürlich unbeantwortet - als stummer Vorwurf an die USA. Natürlich hat diese Naivität, genau wie der Radikalpazifismus, Methode. Sie liefert das Argument dafür, nichts tun zu müssen und sich trotzdem moralisch überlegen zu fühlen. Das reicht Vielen!
Herzlich, Thomas
P.S.: Der kleine John Cleese stammt aus "Ministry of Silly Walks", für mich einer der Höhepunkte aus dem Schaffen der Monty Pythons!
ich bin ein ehemaliges absolut passives Mitglied der tschechischen "hussitischen" Kirche und bin später ebenso wie Nola aus der ev.Kirche ausgetreten. Das Thema der Gewaltfreiheit ist aus meiner Sicht wahrscheinlich das wichtigste überhaupt, denn ohne den Willen sich zu verteidigen sehe ich auf Dauer keine Zukunftchancen für die westliche Lebensart. Auch wenn ich "glaubenstechnisch" nichts beitragen kann, lese ich in diesen Thread aufmerksam mit.
Zitat von Bernd D...denn sie verhöhnen 1 Million GI's und Millionen anderer Allierter, die sich in den beiden Weltkriegen für die Befreiung Europas und der Welt eingesetzt hatten. Sie waren meistens um die 20, hatten also ihr ganzes Leben noch vor sich. Wenn die heute diesem Treiben zusehen müssten....
Das liegt mir auch schon sehr lange und schwer im Magen, denn ich verdanke u.A. diesen jungen Leuten meine Existenz. Erst reagierte ich lange mit Unverständnis auf den "nie wieder Krieg" Spruch, in der Hoffnung, daß es sich nur um eine etwas verunglückte bzw. verkürzte Formel handelt. Ich konnte/wollte mir einfach nicht vorstellen, daß man bereit sein könnte, sich z.B. einem beliebigen Diktator oder Gewaltsystem auszuliefern.
Dann fing ich an zu vermuten, daß es ein Weg sein könnte, durch die Gleichsetzung aller Gewalttaten auch die Schuldfrage für Vergangenes auszublenden. Auch eine Art beleidigte Reaktion, etwa so wie ein Kleinkind, dem eine bestimmte Turnübung nicht gelingt, anschließend jede Körperbetätigung ablehnen möchte. Und noch später bagann ich die von Thomas Pauli dankenswerter genannte "progressive Entmannung" (und Infantilisierung) der Gesellschaft zu verdächtigen. Es wird sicher individuell verschieden sein und auch aus einem Gemisch mehrerer Ursachen bestehen.
Wie auch immer, es ist höchste Zeit, auf dieses Thema nachdrücklich aufmerksam zu machen. Daher danke ich allen herzlich,, die sich mit diesem Thema beschäftigen und ein Umdenken bewirken wollen. Auch wenn es manchmal recht einsam macht.
Ein gutes neues Jahr mit weniger Phrasen und mehr Reflektion wünscht uns allen
Vielen Dank fuer diesen nachdenklichen, niveauvollen Beitrag den ich gern gelesen habe.
@ Bernd D, T Pauli et al:
Es ist mir nicht klar wer sich hier moralisch ueberlegen fuehlt, die Pazifisten oder sie, die mit dem Argument des II WK's ( der ME gar nicht mit dem gegenwaertigen Krieg in Afghanistan oder dem Irak zu vergleichen ist) sagen "better we kill them now than later; and better that we kill them than for example the Taliban". Erinnert mich immer an das beruechtigte communique der US Army ueber die Eroberung von Hue damals im Vietnamkrieg (we had to destroy it in oder to save it - sinngemaess).
Vor rund 20 Jahren wurden die Aufstaendischem in Afghanistan noch als heldenmuetige Widerstandskaempfer gegen die Sowjets gefeiert. Heute sind sie barbarische Steinzeitislamisten die wir mit allen Mitteln bekaempfen muessen. Vllt ist doch etwas Wahres an den Satz "One man's freedom fighter is another man's terrorist".
Zitat von john jEs ist mir nicht klar wer sich hier moralisch ueberlegen fuehlt, die Pazifisten oder sie, die mit dem Argument des II WK's ( der ME gar nicht mit dem gegenwaertigen Krieg in Afghanistan oder dem Irak zu vergleichen ist) sagen "better we kill them now than later; and better that we kill them than for example the Taliban".
Was mich betrifft, fühle ich mich nicht moralisch überlegen, darum geht es aus meiner Sicht auch nicht.
Ich möchte auch nicht der moralisch überlegene Tote oder Unterdrückte sein. Ich möchte nur, daß die "westliche Lebensart" in den Ländern, in denen sie zuhause ist, auch in Zukunft fortbesteht. Der (wie ich hier glücklicherweise erfahren darf) falsch verstandene christliche Pazifismus ist aber einer der Faktoren, die dieses Fortbestehen fraglich machen.
Ich bin (genau so wie Frau Käßmann übrigens) nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Einsatz in Afghanistan sinnvoll ist oder nicht. Das möchte ich gerne berufeneren überlassen. Daß aber die dort zuvor herrschenden Taliban die westliche Zivilisation auslöschen möchten, ist selbst für mich unübersehbar. Es ist daher wohl auch nicht abwegig, sich dagegen zu wehren. Wenn es sein muß auch in Afghanistan.
Der II WK hat natürlich mit der gegenwärtigen Situation etwas Gemeinsames: es geht wieder um die Bedrohung der Freiheit durch ein absolutistisches und unmenschliches System. Eine "Vergleichbarkeit" ist daher schon gegeben, auch wenn die Bedrohungslage natürlich nicht identisch ist. Beiden Fällen ist aber auch gemeinsam, daß der Gefahr nur durch eine entschlossene Politik begegnet werden kann.
Zitat von john jVor rund 20 Jahren wurden die Aufstaendischem in Afghanistan noch als heldenmuetige Widerstandskaempfer gegen die Sowjets gefeiert.
Vor rund zwanzig Jahren war die SU die für die Freiheit des Westens bedrohlichste Macht und gleichzeitig die Macht, die dafür verantwortlich war, daß ich als sehr junger Mann meine Heimat aufgeben mußte bzw. sie aufgegeben habe. Über Afghanistan wußte ich vor zwanzig Jahren noch weniger als heute, aber schon die Tatsache, daß dieses Land die SU destabilisiert hatte, war für mich natürlich ein Grund zur Freude. Das dabei diese unbekannten Widerstandskämpfer von manchen (ich war nicht dabei) gefeiert wurden, finde ich nicht so vewunderlich. Es ging aber nicht, wenn ich mich richtig erinnere, um die politische Ausrichtung der Widerstandskämpfer, es ging immer um die Niederlage der SU. Vermutlich war aber vor zwanzig Jahren auch die Zielsetzung der Widerstandskämpfer noch eine andere.
Zitat von john jVllt ist doch etwas Wahres an den Satz "One man's freedom fighter is another man's terrorist".
An dem Spruch ist natürlich etwas Wahres, es ist doch an fast jedem Spruch etwas Wahres.
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