Zitat von GansguoterMag sein, dass eine solche Argumentation juristisch korrekt ist, ich halte aber eine Argumentation, die auf das juristisch Korrekte abhebt und zugleich in der Konsequenz den Tod für die Betroffenen bedeutet, für zynisch. Ein Befehl für die Schweizer Grenzpolizei von 1942 (erlassen von einem Polizeioffizier der SChweiz, der 1942 im Reichssicherheitshauptamt zu Besuch war und auch Sachsenhausen aus eigener Anschauung kannte) lautete: "Nicht zurückzuweisen sind 1. Deserteure, entwichene Kriegsgefangene und andere Militärpersonen (...) 2. Politische Flüchtlinge, d.h. Ausländer die sich bei der ersten Befragung von sich aus als solche ausdrücklich ausgeben und es glaubhaft machen können. Flüchtlinge nur aus Rassegründen, z.B. Juden, gelten nicht als politische Flüchtlinge." Es ist natürlich ganz toll, wenn man juristisch begründen kann, dass die Schweiz als souveräner Staat selbst entscheiden durfte, wen sie aufnimmt. Ich bin begeistert zu lesen, dass die Schweiz nur als souveräner Staat gehandelt hat, wenn sie auch Flüchtlinge abgewiesen hat, die darauf verwiesen, dass ihre Angehörigen in Auschwitz seien und dass ihnen die Zwangssterilisation drohte. Wahrscheinlich ist es auch nur Ausdruck der Souveränität der SChweiz, wenn Grenzpolizisten flüchtigen Juden mit Erschießen drohten und sagten: "Diese Bande muss verrecken und ausgerottet werden." Aber das ist völkerrechtlich, verwaltungsjuristisch und so weiter völlig in Ordnung. Nun, für mich steht die Verpflichtung, einem Menschen in unmittelbarer Lebensgefahr zu helfen, über dem Verwaltungsrecht. Dabei ist mir egal, ob das nun durch Moral, Ethik, Menschenrechte, Naturrecht oder irgendetwas anderes begründet ist. Bleibt zu hoffen, dass Sie nie in der Situation sind, dass Sie aus verwaltungsjuristisch und völkerrechtlich völlig korrekt und sauber argumentiert dem Tod ausgeliefert werden. Zitate aus der "Weltwoche" von 1999, siehe http://www.thata.ch/feingoldreinhardtweltwoche991209.htm
Ja, und deshalb muß man zwischen dem souveränen Recht der Schweiz darüber zu entscheiden und dem Inhalt der hier konkret getroffenen Entscheidung unterscheiden. Und die ist vor allem unter den von Ihnen hier konkret aufgeführten Umständen doch blamabel.
Daß, wie Jeff aufzeigt, schweizer Bürger jüdischer Herkunft natürlich Anspruch auf Schutz hätten hilft da wenig. Wäre ja auch noch schöner, wenn es nicht so wäre.
Das Abheben auf eine solch schrankenlose Souveränität ist genau der Grund, warum die Rückbindung des positiven Rechtes auf ein Naturrecht nötig ist. Die sich souverän gerierenden Staaten haben damit ja schon länger ein Problem - womit wir dann wieder beim Absolutismus aus einem anderen Thread wären.
Zitat von JeffDavisImmer vorausgesetzt, es gibt ein Naturrecht und ein schrankenloses, von jeder staatlichen Gewalt überall auf der Welt zu respektierendes Recht auf Leben gehöre dazu
...muß man doch festhalten, daß es ohne ein über positives Recht hinausgehendes Naturrecht, der Weg in den Unrechtsstaat bereits abgeschlossen ist. Das positive Recht würde nur zu einem halt zufällig so gefaßten Katalog von Willensäußerungen irgendwelcher, nicht sonderlich kompetenter Menschen.
Hervorhebungen von mir!
Liebe Lois Jane! Nehmen Sie es mir nicht übel, aber wenn Sie ernsthaft und erkenntnisbringend über Naturrecht und/oder positives Recht diskutieren wollen, dann sollten ihre Bemerkungen mehr Substanz enthalten. So lohnt sich das nicht.
Zitat von JeffDavisLiebe Lois Jane! Nehmen Sie es mir nicht übel, aber wenn Sie ernsthaft und erkenntnisbringend über Naturrecht und/oder positives Recht diskutieren wollen, dann sollten ihre Bemerkungen mehr Substanz enthalten. So lohnt sich das nicht.
Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich habe kein Interesse daran mit dem Rechtspositivismus (dem viel mehr als nur ein Rad gebrochen ist) zu diskutieren.
Ohne Rückbindung an das Naturrecht sinkt das Recht auf das Niveau der Straßenverkehrsordnung herab.
Und ohne eine solche Rückbindung ist das Recht bei Juristen nicht in besten Händen.
Zitat von Gansguoter Nun, für mich steht die Verpflichtung, einem Menschen in unmittelbarer Lebensgefahr zu helfen, über dem Verwaltungsrecht. Dabei ist mir egal, ob das nun durch Moral, Ethik, Menschenrechte, Naturrecht oder irgendetwas anderes begründet ist. Bleibt zu hoffen, dass Sie nie in der Situation sind, dass Sie aus verwaltungsjuristisch und völkerrechtlich völlig korrekt und sauber argumentiert dem Tod ausgeliefert werden.
Erfahrungsgemäß geht die größte Gefahr für die Freiheit und den Rechtsstaat von Personen aus, die Rechtsvorschriften und Verfahrensregeln immer dann über Bord werfen, wenn die Ergebnisse ihrer Anwendung ihnen nicht genehm sind oder sie sie nicht verstehen. Dann wird das Naturrecht, das gesunde Volksempfinden, das Klassenbewußtsein, die Moral, und was dergleichen an Ersatz nach zur Verfügung steht, hervorgekramt.
Bleibt zu hoffen, daß Sie nie in der Situation sein werden, in der Sie nicht nach rechtsstaatlichen Regeln, sondern durch ein Gremium juristischer Laien nach "naturrechtlichen" Regeln abgeurteilt werden. So ein Gremium könnte zB die Frage aufwerfen, ob Sie - jetzt und hier - nicht gegen das Recht auf Leben (Naturrecht!) verstoßen, und zwar weil Kinder in Afrika deshalb verhungern, weil Sie nicht Ihr über der Pfändungsfreigrenze liegendes Einkommen zur Linderug der Not spenden. Jeder Jurist, jedes Gericht wird das als absurd bezeichnen, aber mit dem Naturrecht, so wie Sie es aus jedem Kontext reißen und des konkreten Inhalts berauben, schaffe ich es spielend, Sie zu verurteilen. Absurd, nicht?
Im übrigen war meine Kritik gerichtet auf die "saloppe" Verwendung des Begiffs "Naturrecht". Ich will mich da nicht (erneut) wiederholen. Nur soviel: JETZT erst bringen Sie das Beispiel eines Polizeioffiziers. Nehmen wir an, der Mann würde wegen dieses Befehls vor einem Strafgericht stehen, dann könnte dieses die Frage diskutieren, ob der Befehl gegen Grundsätze des Naturrechts verstößt, NACHDEM ein Verstoß gegen andere, dem Befehl übergeordnete schweizer und völkerrechtliche Vorschriften nicht in Betracht kommt, NACHDEM auch das Schweizer oder Völkergewohnheitsrecht keine Regeln zur Lösung bietet, NACHDEM festgestellt worden ist, das der bloße Befehl überhaupt kausal für den Tod der Flüchtlinge gewesen ist, NACHDEM festgestellt worden ist, das es überhaupt ein Naturrecht auf Schutz vor Verfolgung und auf Leben gibt.
Lesen Sie doch mal eines der BGH-Urteile, damit Sie einen Eindruck vonder Komplexität der Problematik bekommen...
#80 RE: Zitat des Tages: "Ihr werdet einen Holocaust erleben"
Thread geschlossen
Aber nicht doch. Ich habe von einer Eigenverantwortung gesprochen, die natürlich jeder für sein Handeln, auch als Gruppe, übernehmen muß, woraus man eine Mitverantwortung bzw. Teilschuld ableiten mag (oder auch nicht).
Daraus jetzt aber eine Alleinschuld zu konstruieren ist der grundlegendste Kunstgriff nach Schopenhauer: Die Übertreibung und Verallgemeinerung der Position des Gegners, um sie einfacher widerlegen zu können. Nur habe ich die Position ja nie eingenommen, wohlwissend :)
Zitat von JeffDavis Erfahrungsgemäß geht die größte Gefahr für die Freiheit und den Rechtsstaat von Personen aus, die Rechtsvorschriften und Verfahrensregeln immer dann über Bord werfen, wenn die Ergebnisse ihrer Anwendung ihnen nicht genehm sind oder sie sie nicht verstehen. Dann wird das Naturrecht, das gesunde Volksempfinden, das Klassenbewußtsein, die Moral, und was dergleichen an Ersatz nach zur Verfügung steht, hervorgekramt. Bleibt zu hoffen, daß Sie nie in der Situation sein werden, in der Sie nicht nach rechtsstaatlichen Regeln, sondern durch ein Gremium juristischer Laien nach "naturrechtlichen" Regeln abgeurteilt werden. So ein Gremium könnte zB die Frage aufwerfen, ob Sie - jetzt und hier - nicht gegen das Recht auf Leben (Naturrecht!) verstoßen, und zwar weil Kinder in Afrika deshalb verhungern, weil Sie nicht Ihr über der Pfändungsfreigrenze liegendes Einkommen zur Linderug der Not spenden. Jeder Jurist, jedes Gericht wird das als absurd bezeichnen, aber mit dem Naturrecht, so wie Sie es aus jedem Kontext reißen und des konkreten Inhalts berauben, schaffe ich es spielend, Sie zu verurteilen. Absurd, nicht?
Ich denke, auch Sie werden damit leben müssen, dass auch Nichtjuristen Vorstellungen über Recht und Gerechtigkeit besitzen, wie Juristen sich prinzipiell keinen Sachverhalt kennen, zu dem sie sich nicht berufen fühlen, ihre Meinung zu äußern. Im Gegenteil ist die juristische Sphäre im demokratischen Rechtsstaat doch viel mehr an die Überzeugungen der nichtjuristischen Wählermehrheit rückgebunden als bspw. der Ökonom, dessen Annahmen über das Individuum als Keimzelle seiner Modelle doch relativ invariant gegenüber irgendwelchem politischen Mehrheitsempfinden ist. Dazu kommt, dass die Rechtswissenschaft kein Monopol auf die Diskussion des "Naturrechts" haben. Mir fielen da schon die Philosophie oder die Theologie ein, die das mit vergleichbarem Recht tun. Deswegen denke ich, dass es nicht zielführend ist, wenn Sie - in einem einigermaßen anmaßend-aggressivem Duktus - jedem, der hier eine andere Auffassung zum Thema "Naturrecht" vertritt, seine vermeintliche Naivität vorhalten, weil er sich nicht innerhalb dessen bewegt, was man so in den juristischen Fakultäten (dieses Landes) lehrt, denkt und vertritt. Vielmehr würde ich mich freuen, wenn Sie Ihr offenkundig vorhandenes juristisches Wissen über die Materie in einem positiv erhellenden Sinn hier einfließen lassen könnten, ohne den anderen Diskussionsteilnehmern fortlaufend Naivität vorzuwerfen.
da liegt ein Mißverständnis vor. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn sich Nichtjuristen zum Naturrecht oder zu Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit äußern. Dazu können sie sich sogar eher äußern als zu praktischen Details, ganz so, wie es mir zB bei der Klimaforschung oder anderen Gebieten gehen würde. Speziell das Naturrecht gehört eher in den Bereich Rechtsphilosophie oder Theologie als in die praktische Rechtsanwendung. Naivität werfe ich ebenfalls niemandem vor.
Ich habe aber ein Problem damit, wenn Argumente durch Schlagworte ersetzt werden, wenn aufgeworfenen Fragen ausgewichen wird, wenn komplexe Sachverhalte holzschnittartig auf simple Schwarz-Weiß - Muster reduziert werden, und wenn man auch als Laie sofort merken sollte, daß eine bestimmte Bemerkung vor der Niederschrift nicht durchdacht worden ist.
Wenn zB geschrieben wird, daß ohne ein über positives Recht hinausgehendes Naturrecht, der Weg in den Unrechtsstaat bereits abgeschlossen sei, dann braucht man kein Jurist zu sein, um die Fehlerhaftigkeit sofort zu bemerken. Zum einen ist in den davorgehenden Beiträgen bereits darauf hingewiesen worden, daß die Existenz eines Naturrechts bestritten wird (zB vom Rechtspositivismus), zum anderen hätte sich das auch durch eine einfache und schnelle Suche bei Wikipedia herausfinden lassen. Ich muß auch kein Jurist sein um zu wissen, daß es nicht nur zwei Formen, den Unrechtsstaat und den Staat mit einem Naturrecht hinter seiner positiven Rechtsordnung, aber weder Übergangs- noch Mischformen gibt.
Das gilt auch für die Bemerkung, daß ohne Naturrecht das positive Recht nur zu einem halt zufällig so gefaßten Katalog von Willensäußerungen irgendwelcher, nicht sonderlich kompetenter Menschen würde. Erstens gibt es nicht nur "ein" Naturrecht (was sich unschwer hätte feststellen lassen). Zweitens sind alle positiven Rechtsnormen schriftlich fixierte Willensäußerungen, die idR in einem festgelegten Verfahren und von einem bestimmten Personenkreis beschlossen und für eine mehr oder weniger befristete Zeit in Geltung gesetzt werden (bis zur Änderung des Gesetzes). Woher weiß übrigens der Verfasser, daß die Normen von "irgendwelchen, nicht sonderlich kompetenten Menschen" verfaßt werden. Eine sehr oberflächliche, herabwertende Äußerung, finden Sie nicht?
Was die Position von Gansguoter betrifft, auf die sich meine von Ihnen zitierten Passage bezieht, so habe ich in meinen ersten Beitrag schlicht auf die Problematik hingewiesen. Lesen Sie bitte meine Beiträge vom 15.02.2010 10:37, 11:44 und 14:20. Sie sind weder aggressiv noch anmaßend. Es hätte nach meinem Verständnis nahegelegen, auf diese Punkte einzugehen, nachzufragen, um Erläuterung oder Präzisierung zu bitten. So würde ich es jedenfalls machen. Trotz mehrfacher weiterer Erklärungen und Beispiele blieb die Argumentation immer dieselbe. Mit keiner einzigen Zeile beispielweise ist er auf die Kausalität eingegangen, auf die entscheidende Frage überhaupt, wieso nämlich die Abweisung an der Grenze kausal für den Tod der Flüchtlinge gewesen sein soll und nicht die Mordtat selbst. Spätesten da, nehmen Sie es mir nicht übel, drängt sich mir der Eindruck auf, daß jemand recht behalten, aber nicht wirklich diskutieren will.
Ich finde meine Äußerungen weder agressiv noch anmaßend. Das können Sie den oa. zitierten ersten Beiträgen entnehmen. Wenn Sie allerdings einen Punkt mehrfach und erklären, und Sie erhalten immer noch keine Antwort, würde vermutlich auch Ihr Ton unduldsamer werden. Ich habe niemanden persönlich angegriffen, sondern immer zur Sache argumentiert. Wenn unsere Stile da unterschiedlich sind, sollten wir das akzeptieren.
Zitat Zweitens sind alle positiven Rechtsnormen schriftlich fixierte Willensäußerungen, die idR in einem festgelegten Verfahren und von einem bestimmten Personenkreis beschlossen und für eine mehr oder weniger befristete Zeit in Geltung gesetzt werden (bis zur Änderung des Gesetzes).
Auf das "Ermächtigungsgesetz" von 1933 trifft diese Definition auch zu (wenn man von dem Druck durch aufmarschierte SA und vorherige Verhaftung von Kommunisten absieht). Für die weitere Gesetzgebung des Dritten Reiches (nach der Übertragung der Legislative auf die Regierung durch das Ermächtigungsgesetz) trifft diese Definition dann auch weiterhin zu.
Zitat auf die entscheidende Frage überhaupt, wieso nämlich die Abweisung an der Grenze kausal für den Tod der Flüchtlinge gewesen sein soll und nicht die Mordtat selbst
Wo ist das Problem? Ich habe nie behauptet, dass die Abweisung selbst ein Tötungsdelikt war. Die Abweisung lieferte die Opfer aber ihren Mördern aus. Ohne Abweisung auch keine Ermordnung. Oder? "Kausal" ist nur die Tat des SS-Mannes, der den Gashahn aufgedreht hat. Nach dieser Logik haben also die SS- und GeStaPo-Beamten, die die Juden in den dt. Städten verhaftet und zur Bahn eskortiert haben, die Lokomotivführer, die Begleitmannschaften der Züge, die SS-Männer in Auschwitz und so fort alle nicht kausal zum Tod der Juden beigetragen. Soll das im Umkehrschluss heißen, diese alle sind schuldlos?
Zitat Ich finde meine Äußerungen weder agressiv noch anmaßend.
Zitat Zweitens sind alle positiven Rechtsnormen schriftlich fixierte Willensäußerungen, die idR in einem festgelegten Verfahren und von einem bestimmten Personenkreis beschlossen und für eine mehr oder weniger befristete Zeit in Geltung gesetzt werden (bis zur Änderung des Gesetzes).
Auf das "Ermächtigungsgesetz" von 1933 trifft diese Definition auch zu (wenn man von dem Druck durch aufmarschierte SA und vorherige Verhaftung von Kommunisten absieht). Für die weitere Gesetzgebung des Dritten Reiches (nach der Übertragung der Legislative auf die Regierung durch das Ermächtigungsgesetz) trifft diese Definition dann auch weiterhin zu.
Richtig, es trifft auf alle Gesetze zu, die formal auf die in der jeweiligen Verfassung vorgesehene Weise zustandekommen, ob im 3.Reich oder in der UdSSR. Wobei ich, um nicht abzuschweifen, die Frage nicht anschneide, ob alle Rechtsakte der NS-Zeit formal rechtmäßig gewesen sind. Bei den Führerbefehlen und -erlassen habe ich erhebliche Zweifel.
Auf diese Schwäche des Rechtspositivismus und den sich daraus ergebenden Folgen in Unrechtsregimes ist ua. das Ringen der Justiz in der Nachkriegsszeit um eine Bestrafung von NS-Tätern zurückzuführen. Sie mußte sich in deren Strafverfahren oft (nicht immer) mit der Frage auseinandersetzen, ob sich diese auf rechtliche Vorschriften berufen konnten, die formal korrekt zustandegekommen waren, inhaltlich aber gegen fundamentale Prinzipien der Gerechtigkeit verstießen. Und der BGH hat hier auf die Naturrechtslehre zurückgegriffen, wenn eine Bestrafung wirklich nicht anders zu begründen war, ein Freispruch aber - wie es im Juristendeutsch so schön heißt - gegen das Anstandsgefühl aller Billig- und Gerechtdenkenden verstoßen hätte. Ich finde, der BGH hat sich die Sache zu Recht nicht leicht gemacht und das gesunde Volksempfinden der NS-Zeit nicht durch einen schwammigen Naturrechtsbegriff ersetzt, sondern mit großem Ernst in krassen Fällen der Gerechtigkeit den Vorrang gegenüber dem formalen Gesetz gegeben. Eine ähnliche Problematik ergab sich dann wieder in den Mauerschützenfällen nach 1991.
Die oa. Schwäche - oder besser Begrenztheit - des positiven Rechts findet zB auch ihren Widerklang in der berühmten Streitfrage, ob es eine verfassungswidrige Verfassungsvorschrift geben kann. Das einfachgesetzliche Recht ist oft schon schwierig genug auszulegen und anzuwenden, umso schwerer ist es bei den sehr allgemein gehaltenen Vorschriften des Verfassungs- und Völkerrechts, noch problematischer beim Gewohnheitsrecht, und danach fangen die Probleme mit einer Anwendung des Naturrechts erst an...
Zitat von Gansguoter
Zitat auf die entscheidende Frage überhaupt, wieso nämlich die Abweisung an der Grenze kausal für den Tod der Flüchtlinge gewesen sein soll und nicht die Mordtat selbst
Wo ist das Problem? Ich habe nie behauptet, dass die Abweisung selbst ein Tötungsdelikt war.
Dann lassen Sie bitte Ihren eigenen Beiträge vom 15.02.10 noch einmal durch. Ihre Argumentation ist auf die rechtliche Seite abgestellt:
"Wenn bei mir an der Haustür jemand klingelt und dringend um Hilfe bittet (sei es, dass es schwer verletzt ist infolge eines Unfalls, sei es, dass er von Verbrechern verfolgt wird, die ihn totschlagen wollen) - und ich mache dann die Tür nicht auf mit Ihrer Begründung ("Es ist das Recht des Hausbesitzers zu entscheiden, wer sein Haus betritt und wer nicht."), dann bin ich zumindest der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Diese unterlassene Hilfeleistung kann man wohl auch zurecht der Schweiz vorwerfen,(...) (11.30 Uhr)
"Das ist auch herzlich egal, da hier wohl eindeutig Naturrecht über positivem Recht steht. Nach der Gesetzeslage des Dritten Reiches war die Erschießung von Frauen und Kindern in Russland auch nicht strafbar." (13.19 Uhr)
"De facto das Recht auf Leben." (19.10 Uhr)
Diese Ausführungen sind mE so zu verstehen, daß Ihnen die völkerrechtliche oder einfachrechtliche Seite egal ist, denn es ist ja das Recht auf Leben verletzt. Ich habe von Anfang an darauf hingewiesen, daß diese Argumentation die Problematik unzulässig verkürzt und rechtlich falsch ist. Dem sind Sie ausgewichen. Es spielt keine Rolle, ob Sie expressis verbis von Tötungsdelikt sprechen oder nur von einer Verletzung des Rechts auf Leben durch die Abweisung der Flüchtlinge an der Schweizer Grenze. Und ich habe hervorgehoben, daß die Abweisung nicht kausal das Recht auf Leben verletzt.
Mit Ihrer neuerlichen Bemerkung über die Kausalität der Tätigkeit der Lokführer etcpp und dem Umkehrschluss begehen Sie nach wie vor dieselben Fehler. Natürlich hat der Lokführer rechtlich nicht in kausaler Weise am Tod der Juden mitgewirkt. Dann können Sie gleich auch die Stellwerksbeamten, Heizer, Weichenwärter oder das Lokwartungspersonal anklagen. Wo ist da die Grenze Ihrer Meinung nach? Wollen Sie auch die Beamten verantwortlich machen, die den Fahrplan aufgestellt haben? Mein überzogenes Beispiel mit Ihrem Gehalt sollte die Folgen Ihres uferlosen Kausalitätsbegriffes aufzeigen.
Schuldlos? Welche Schuld, die moralische oder die strafechtliche? Wer in den Lagern an Tötungshandlungen mitgewirkt hat, ist rechtlich wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord anzuklagen, wer in verantwortlicher Position den Befehl dazu gegeben hat, wegen Anstiftung oder - ich bin kein Strafrechtler - sogar in mittelbarer Täterschaft. Jedenfalls finden Sie in den Bänden der amtlichen Sammlung der BGH-Entscheidungen in Strafsachen genug juristische Beispiele für eine Strafbarkeit. Ganz zu schweigen von anderen Gerichten.
Sie argumentieren vage und unklar, springen zwischen moralischem und rechtlichem Schuldvorwurf hin und her, ziehen mal eben einen in ganz anderem Zusammenhang stehenden Befehl zur Bandenbekämpfung heran, und vertreten einen uferlosen Kausalitätsbegriff. Wie mein Beitrag am 15.023.10 um 21.33 zeigt, zitieren Sie gelegentlich auch nicht richtig. Lesen Sie meine ersten Beiträge durch, Ihre Reaktion und dann meine. Wenn Ihnen meine aggressiv-anmaßend vorkommen, liegt das nicht an den Beiträgen.
Zitat The mayor insisted to The Sunday Telegraph that he was opposed to anti-Semitism, but added: "I believe these are anti-Israel attacks, connected to the war in Gaza."
Ja, warum wird denn dann eine Gruppe von Personen angegriffen, die mit Israel nichts anderes gemeinsam haben als den Glauben? Warum fährt das Gesindel denn dann nicht nach Stockholm und wirft Mollies in die israelische Botschaft? Wie kommt man auf die Idee, das sei kein Antisemitismus?
-- La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
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