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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 51 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Libero Offline



Beiträge: 393

20.04.2010 14:43
#26 RE: Marginalie: Warum unterfliegt man nicht die Aschewolke? Antworten

Hallo Herr Zettel

dieses Ereignis ist eine kostspielige Generalprobe. Eine reale vulkanische Wolke würde die anfälligen Meßinstrumente und Strömungsmaschinen schachtmatt setzen und wäre noch viel kostspieliger.

In den letzten 100 Jahren ist die Menschheit von wirklich gravierenden vulkanischen Eruptionen verschont geblieben. Krakatau und Mont St. Helens sind ja nur unbedeutende Rülpser gewesen. Das kann locker um den Faktor 1000 hinsichtlich des Auswurfes in die Atmosphäre gesteigert werden. Dann hätten wir ein Jahr ohne Sommer wie 1816 (?). Die folgenden Jahre waren ja auch nicht der Brüller für die Volkswirtschaften.

Bisher hatten wir als industrielle Menschheit Glück mit vulkanischen Ereignisse. Das wird nicht so bleiben. Die Magmakammer unter dem Yellowstone wird eines Jahres wieder aktiv und was das für die Menschheit als Ganzes, nicht nur für die Amerikaner bedeuten würde, will ich mir lieber nicht vorstellen.

Man muß sich wohl langsam überlegen, wie man das Problem Vulkanismus lösen kann. Sonst lösen einige der Vulkane und Magmakammern das Problem Menschheit.

Früh übt, wer überleben will.

Man sollte vorsichtig sein in der Wahl seiner Feinde: Früher oder später wird man ihnen ähnlich.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

20.04.2010 15:09
#27 RE: Marginalie: Warum unterfliegt man nicht die Aschewolke? Antworten

Ja, dann haben wir global cooling aufgrund einer simulierten in Realität aber nicht vorhandenen Aschewolke. Wäre mal was. Und da der Flugverkehr zum Erliegen kommt, können auch die Warmer recht behalten: Seht Ihr, war doch das CO2, das uns so schwitzen ließ.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

20.04.2010 15:17
#28 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Liebe Dagny,

ich will Ihnen ein bisschen widersprechen:

Man muss nicht gleich den Flugverkehr stilllegen.

Wir haben eine Situation, in der weder die Konzentration der Asche, noch die genaue Wirkung (abhängig von der Konzentration) auf die Flugzeugtriebwerke bekannt sind. Es ist aber plausibel, dass die Aschekonzentration nicht sehr plötzlich ansteigt, es ist plausibel, dass die Konzentration deutlich niedriger als bei bekannten Vorkommnissen ist. Unter gegebenen Umständen kann man also die Wirkung am Besten und Schnellsten per Sichtprüfung bei gelandeten Flugzeugen feststellen.

Das einfachste wäre also gewesen, den Flugverkehr aufrechtzuerhalten, gelandete Flugzeuge visuell zu begutachten, und Ergebisse nach Route und Zeit zu erfassen. Mit diesen Daten hätte man eine qualifizierte Information gehabt, und gezielte Entscheidungen treffen können.

Dabei habe ich im Hinterkopf, dass der spektakuläre Fall einer 747 in Indonesien in extremen Verhältnissen geflogen ist, die die Fensterscheiben blind gemacht hat. Da sich die Dinge in der Natur selten sprungartig verändern, hätte man durchaus darauf vertrauen dürfen, dass Indikatoren für eine wirkliche Gefährdung rechtzeitig vorliegen. Man hätte ja auch die Regionalflüge etwas einschränken können, um das Gesamtaufkommen etwas zu reduzieren.

Wenn jetzt allerdings die Flugzeuge mit Sondergenehmigung um jede Wolke herumfliegen sollen, gibt es keine Datensammlung. Ich vermute allerdings, dass die Piloten sich nicht 100%ig darum scheren, und keiner das verfolgen wird.

Gruß, Martin

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

20.04.2010 15:49
#29 RE: Sehr gute Erklärung des Hintergrunds Antworten

Zitat von Libero

Meines Wissen, Herr Pauli, war das Flugzeug für ein ganz anderen Meßflug ausgerüstet und mußte umgerüstet werden. Aber vielleicht können Sie persönlich das tatsächlich schneller leisten. Obwohl ich das ehrlich gesagt nicht glaube.



Mag sein. Vielleicht ging es wegen des Wochenendes auch nicht schneller. Sonntagsarbeit. Wenn man nicht aus einem dienstleistungorientieren Unternehmen kommt, macht man das schlicht nicht.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

20.04.2010 15:55
#30 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Zitat von Martin

Das einfachste wäre also gewesen, den Flugverkehr aufrechtzuerhalten, gelandete Flugzeuge visuell zu begutachten, und Ergebisse nach Route und Zeit zu erfassen. Mit diesen Daten hätte man eine qualifizierte Information gehabt, und gezielte Entscheidungen treffen können.
Dabei habe ich im Hinterkopf, dass der spektakuläre Fall einer 747 in Indonesien in extremen Verhältnissen geflogen ist, die die Fensterscheiben blind gemacht hat. Da sich die Dinge in der Natur selten sprungartig verändern, hätte man durchaus darauf vertrauen dürfen, dass Indikatoren für eine wirkliche Gefährdung rechtzeitig vorliegen. Man hätte ja auch die Regionalflüge etwas einschränken können, um das Gesamtaufkommen etwas zu reduzieren.
Wenn jetzt allerdings die Flugzeuge mit Sondergenehmigung um jede Wolke herumfliegen sollen, gibt es keine Datensammlung. Ich vermute allerdings, dass die Piloten sich nicht 100%ig darum scheren, und keiner das verfolgen wird.
Gruß, Martin



Sie haben recht, was den 1982er Fall angeht. Das war v.a. nachts passiert.

Meine drei Lieblingsmitarbeiter sind 'jemand', 'einer' und 'man muesste': Hat es an den Flughaefen Techniker, die mit welchen Instrumenten in welcher Zeit in die Triebwerke schauen und wie genau messen ob da Sand / Glas drinnen ist, diesen quantifizieren und testen was vertraeglich und was nicht vertraeglich ist? Das mag unter Laborbedingungen (z.B. fuer die Luftwaffe) funktionieren, wo einer Maschine ein ganzer Stab an Technikern gegenubersteht, wo keine Fahrplaene eingehalten werden muessen, wo es nicht auf die unglaubliche Praezision der Massenanwendung ankommt.

So stichhaltig ich selber Ihr Argument finde, dass es besser gewesen waere sich nach einem (kurzzeitigen) Verbot empirisch an diese Gefahr heranzutasten, methodisch ist das eine wissenschaftliche Aufgabe, die mit wissenschaftlichen Methoden in wissenschaftlichen Zeitskalen bearbeitet werden muss. Das duerfte nicht so ad hoc aus dem taeglichen Betrieb heraus machbar sein. - Nachtrag: Muenchen oder Frankfuert moegen mit den Lufthansa-Stuetzpunkten technisches Personal vor Ort haben, die sich ein Flugzeug kompetent 'anschauen' koennen. Kleinere Flughaefen haben dies wohl eher nicht.

So jedenfalls meine Einschaetzung als Wissenschaftler.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.04.2010 15:57
#31 RE: Marginalie: Warum unterfliegt man nicht die Aschewolke? Antworten

Zitat von Libero
Bisher hatten wir als industrielle Menschheit Glück mit vulkanischen Ereignisse. Das wird nicht so bleiben. Die Magmakammer unter dem Yellowstone wird eines Jahres wieder aktiv und was das für die Menschheit als Ganzes, nicht nur für die Amerikaner bedeuten würde, will ich mir lieber nicht vorstellen.

Man muß sich wohl langsam überlegen, wie man das Problem Vulkanismus lösen kann. Sonst lösen einige der Vulkane und Magmakammern das Problem Menschheit.


Ich stimme Ihnen zu, lieber Libero, was die Gefahr angeht. Ich sehe aber nicht, was man dagegen tun kann.

Wir leben nun einmal auf dünnen Schollen, die auf einem See von Magma treiben. Die Hölle unter uns ist so real und so potentiell wirkmächtig wie der Himmel über uns, aus dem jederzeit ein Meteorit auf uns stürzen kann.

Asteroiden lassen sich vielleicht ablenken oder zerstören, bevor sie zum Meteoriten werden. Das scheint ja Obamas neue Vision für die bemannte Raumfahrt zu sein; obwohl es, wie stets bei Obama, eine ebenso hochgespannte wie vage Vision ist. Aber gegen den Vulkanismus kann man meines Wissens nichts tun, außer bessere Vorhersagen von Ausbrüchen zu machen, damit man sich in Sicherheit bringen kann.

Herzlich, Zettel

Martin Offline



Beiträge: 4.129

20.04.2010 16:43
#32 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Liebe Dagny,

ich habe über 15 Jahre in der Forschung und Entwicklung gearbeitet - etwas näher an der Praxis, und genausolange im Qualitätsbereich. Sichtprüfungen sind ein verbreiteter Standard, schwer beschreibbar, auf Erfahrung beruhend. Sichtprüfungen z.B. von Oberflächen sind unerlässlich in der Wartung, und ich bin sicher, dass diese auch bei Flugzeugen stattfinden. Wenn Ihre Werkstatt Ihre Windschutzscheibe prüft geschieht dies ganz unwissenschaftlich.

Gruß, Martin

Libero Offline



Beiträge: 393

20.04.2010 16:56
#33 RE: Marginalie: Warum unterfliegt man nicht die Aschewolke? Antworten

Zitat von Zettel
Ich stimme Ihnen zu, lieber Libero, was die Gefahr angeht. Ich sehe aber nicht, was man dagegen tun kann.
Wir leben nun einmal auf dünnen Schollen, die auf einem See von Magma treiben. Die Hölle unter uns ist so real und so potentiell wirkmächtig wie der Himmel über uns, aus dem jederzeit ein Meteorit auf uns stürzen kann.
Asteroiden lassen sich vielleicht ablenken oder zerstören, bevor sie zum Meteoriten werden. Das scheint ja Obamas neue Vision für die bemannte Raumfahrt zu sein; obwohl es, wie stets bei Obama, eine ebenso hochgespannte wie vage Vision ist. Aber gegen den Vulkanismus kann man meines Wissens nichts tun, außer bessere Vorhersagen von Ausbrüchen zu machen, damit man sich in Sicherheit bringen kann.



Lieber Herr Zettel,

wenn die Magmakammer des Yellowstone hochgeht, das wäre ja nicht das erste Mal, dann kann man 400 Millionen Menschen vielleicht in Sicherheit bringen. Dann dauert es einige Jahre, bis die Atmosphäre wieder genug Sonnenlicht durchlässt und es wieder Sommer und Winter gibt. In diesen Jahren wird es zu drastischen Ernteausfälle kommen.

Sie haben natürlich recht, im Augenblick weiss keiner, was man dagegen tun kann. Vielleicht kann man wirklich nichts dagegen tun.

Glauben Sie, die Menschheit würde einen solchen Ausbruch überleben?

Ich nicht

Also muß man sich auf den schweren und vor allem riskanten Weg machen, Wissen zu erwerben, wie man die Auswirkungen solcher Ausbrüche mindert. Wir haben gar nicht die Wahl, das ist natürlich eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera.

Libero

Man sollte vorsichtig sein in der Wahl seiner Feinde: Früher oder später wird man ihnen ähnlich.

Libero Offline



Beiträge: 393

20.04.2010 17:05
#34 RE: Sehr gute Erklärung des Hintergrunds Antworten

Zitat von Dagny
Mag sein. Vielleicht ging es wegen des Wochenendes auch nicht schneller. Sonntagsarbeit. Wenn man nicht aus einem dienstleistungorientieren Unternehmen kommt, macht man das schlicht nicht.


Soweit ich weiss, Dagny, wurde auch am Wochenende das Flugzeug umgerüstet. Es wäre sicherlich besser gewesen, wenn das Flugzeug mit Beginn des Ausbruches umgerüstet worden wäre, da ja abzusehen war, daß sich die Wolke auf Europa zubewegen wird. Das war sicherlich ein Versäumnis. Der DLR?
Halten Sie die DLR für eine nicht dienstleistungsorientierte Institution?

Nachtrag

Ich empfehle Ihnen, sich auf der DLR website die Modifizierungen des Falcon für die üblichen Meßflügen anzusehen. Einige diese Modifizierungen sind nicht unbedingt dafür geeignet, sich einer solchen Wolke zu nähern.

Man sollte vorsichtig sein in der Wahl seiner Feinde: Früher oder später wird man ihnen ähnlich.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.04.2010 17:09
#35 RE: Marginalie: Warum unterfliegt man nicht die Aschewolke? Antworten

Zitat von Libero
Glauben Sie, die Menschheit würde einen solchen Ausbruch überleben?


Die Menschheit schon - eine sehr große Zahl (die Mehrzahl?) von Menschen wohl nicht.
Es wäre auf jeden Fall ein ganz schlimmes Szenario.

Zitat
Also muß man sich auf den schweren und vor allem riskanten Weg machen, Wissen zu erwerben, wie man die Auswirkungen solcher Ausbrüche mindert.


Um sich auf diesen Weg zu machen, bräuchte man ja wenigstens eine Idee, in welche Richtung man gehen muß. Mir fällt da wenig ein.

Libero Offline



Beiträge: 393

20.04.2010 17:33
#36 RE: Marginalie: Warum unterfliegt man nicht die Aschewolke? Antworten

Zitat von R.A.
Um sich auf diesen Weg zu machen, bräuchte man ja wenigstens eine Idee, in welche Richtung man gehen muß. Mir fällt da wenig ein.



Hallo R.A.

Ein Superschwergewicht wie der hot spot des Yellowstone ist natürlich nicht der richtige sparring partner. Gott sei Dank gibt es unter den Magmakammern auch Fliegengewichte.

Im Grunde genommen ist eine explodierende Magmakammer nichts anderes als ein natürlicher und daher unvollkommener gigantischer Hochdruckreaktor auf einer Wärme- und Magmaquelle, der durch zu starke Temperatur- /Druckerhöhung seinen Inhalt auswirft.

Libero

Man sollte vorsichtig sein in der Wahl seiner Feinde: Früher oder später wird man ihnen ähnlich.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.04.2010 20:29
#37 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Hier ergänzende Informationen.

Herr Offline




Beiträge: 406

20.04.2010 21:57
#38 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Die FAQ ist sehr hilfreich.

Als Argument für den Kontrollierten Sichtflug kommt m.E. als entscheidender Grund hinzu, dass sich damit die DFS aus der Verantwortung stiehlt. Bei (C)VFR-Flügen ist der Pilot für die Flugsicherheit, insbesondere für die Separation verantwortlich, bei IFR ist es die Luftverkehrskontrolle. Das ist ein Grund für die Kritik der Pilotenvereinigung "Cockpit".

Der Artikel selber ist mir – bei allen zutreffenden Informationen – zu polemisch. Es handelt sich um eine Situation ohne Präzedenz, die deshalb schwerlich ohne Fehler gehandlet werden kann. Dass politische Entscheidungsträger und Behörden in einem so sensiblen Bereich wie dem Luftverkehr zugunsten der Sicherheit möglicherweise zu weit reichende Entscheidungen treffen, ist ihnen m.M.n. nicht vorzuwerfen.

Was die Behandlung der Transitreisenden anbelangt, würde ich das auch nicht überdramatisieren. Es ist eine außerordentliche Notsituation entstanden, die man versucht hat, vernünftig und menschenwürdig zu lösen. Es sind ja inzwischen wohl auch Visa erteilt worden.

Insgesamt finde ich die Skandalisierung nicht angemessen. Die Gelassenheit der meisten betroffenen Passagiere, die in den Medien gezeigt wurde, ist angesichts der "höheren Gewalt" doch zu begrüßen. Im Grunde genommen ist der Mensch in der Lage, wesentlich extremere Situationen zu bewältigen und aus Schaden und Fehlern zu lernen.

Herzliche Grüße!
Herr

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.04.2010 22:54
#39 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Zitat von Herr
Als Argument für den Kontrollierten Sichtflug kommt m.E. als entscheidender Grund hinzu, dass sich damit die DFS aus der Verantwortung stiehlt. Bei (C)VFR-Flügen ist der Pilot für die Flugsicherheit, insbesondere für die Separation verantwortlich, bei IFR ist es die Luftverkehrskontrolle. Das ist ein Grund für die Kritik der Pilotenvereinigung "Cockpit".


Eine berechtigte Kritik. Ich frage mich auch, wieviel Erfahrung denn Piloten mit Sichtflug haben, die sonst nur im Instrumentenflug arbeiten, wenn sie nicht gar streckenweise den Autopiloten sein Werk tun lassen.

Zitat von Herr
Der Artikel selber ist mir – bei allen zutreffenden Informationen – zu polemisch. Es handelt sich um eine Situation ohne Präzedenz, die deshalb schwerlich ohne Fehler gehandlet werden kann. Dass politische Entscheidungsträger und Behörden in einem so sensiblen Bereich wie dem Luftverkehr zugunsten der Sicherheit möglicherweise zu weit reichende Entscheidungen treffen, ist ihnen m.M.n. nicht vorzuwerfen.


Das sehe ich auch so, und Brill, glaube ich, auch.

Vorwerfbar ist aber, daß man nicht sofort alle Möglichkeiten genutzt hat, die tatsächliche Gefahr zu bestimmen.

Und warum müssen eigentlich die Behörden die Entscheidungen treffen? Hier im Thread ist ein Beitrag von André Thiele, dem ich sehr zustimme: Man könnte es doch auch den einzelnen Luftlinien überlassen, die Entscheidungen über Flüge zu fällen. Und jedem Pax, ob er den Flug riskiert oder nicht.

Mir fällt in dieser ganzen Diskussion wieder einmal diese seltsame Voraussetzung auf, daß Behörden besser informiert oder klüger seien als die Betroffenen selbst, oder daß sie die richtigeren Entscheidungskriterien hätten.

Nachgerade infam finde ich den Vorwurf, der gelegentlich laut wurde oder den man durchblicken ließ, die Lufthansa wolle um des schnöden Mammons willen fliegen, obwohl das unsicher sei. So, als würde den Verantwortlichen der Lufthansa ein Menschenleben weniger wert sein als den Verantwortlichen der Flugaufsicht.

Herzlich, Zettel

Martin Offline



Beiträge: 4.129

21.04.2010 06:01
#40 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Herr
Als Argument für den Kontrollierten Sichtflug kommt m.E. als entscheidender Grund hinzu, dass sich damit die DFS aus der Verantwortung stiehlt. Bei (C)VFR-Flügen ist der Pilot für die Flugsicherheit, insbesondere für die Separation verantwortlich, bei IFR ist es die Luftverkehrskontrolle. Das ist ein Grund für die Kritik der Pilotenvereinigung "Cockpit".


Eine berechtigte Kritik. Ich frage mich auch, wieviel Erfahrung denn Piloten mit Sichtflug haben, die sonst nur im Instrumentenflug arbeiten, wenn sie nicht gar streckenweise den Autopiloten sein Werk tun lassen.




Im Risikomanagement würde ich das Risiko einer Abweichung von einer eingespielten Routine tendenziell immer höher einstufen als das Beibehalten einer Routine, dies, je mehr Menschen am Ablauf beteiligt sind.

Zitat

Zitat von Herr
Der Artikel selber ist mir – bei allen zutreffenden Informationen – zu polemisch. Es handelt sich um eine Situation ohne Präzedenz, die deshalb schwerlich ohne Fehler gehandlet werden kann. Dass politische Entscheidungsträger und Behörden in einem so sensiblen Bereich wie dem Luftverkehr zugunsten der Sicherheit möglicherweise zu weit reichende Entscheidungen treffen, ist ihnen m.M.n. nicht vorzuwerfen.


Das sehe ich auch so, und Brill, glaube ich, auch.
Vorwerfbar ist aber, daß man nicht sofort alle Möglichkeiten genutzt hat, die tatsächliche Gefahr zu bestimmen.




Würde man die jetzige Situation auf den Fall des IEC-Achsenbruchs vor zwei? Jahren übertragen, dann hätte man deutschlandweit den IEC-Verkehr so lange einstellen müssen, bis eine klare Analyse der Schwachstelle vorgelegen hätte. Man wusste ja nicht gleich, ob ein isolierter Fehlermodus vorlag, oder ob es ein systematisches Problem gab, das sich jederzeit wiederholen könnte.

Und bei schweren Unfällen geht in der Regel die Routine weiter, während im Hintergrund nach den Ursachen geforscht wird (deshalb die Black Box). Dies ist eine völlig andere Art mit Nichtwissen umzugehen, die nicht unbedingt zum plakativen 'Sicherheit zuerst' passt.

Gruß, Martin

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.04.2010 08:30
#41 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Zitat von Martin
Würde man die jetzige Situation auf den Fall des IEC-Achsenbruchs vor zwei? Jahren übertragen, dann hätte man deutschlandweit den IEC-Verkehr so lange einstellen müssen, bis eine klare Analyse der Schwachstelle vorgelegen hätte. Man wusste ja nicht gleich, ob ein isolierter Fehlermodus vorlag, oder ob es ein systematisches Problem gab, das sich jederzeit wiederholen könnte.

Und bei schweren Unfällen geht in der Regel die Routine weiter, während im Hintergrund nach den Ursachen geforscht wird (deshalb die Black Box). Dies ist eine völlig andere Art mit Nichtwissen umzugehen, die nicht unbedingt zum plakativen 'Sicherheit zuerst' passt.


Solche Überlegungen gehen mir, lieber Martin, auch durch den Kopf. Wieviele zusätzliche Unfälle passieren auf den Straßen bei einem plötzlichen Wintereinbruch? Wieviele Todesopfer nimmt man in Kauf, indem man nicht sofort den gesamten Straßenverkehr stilllegt?

Sprüche wie "Sicherheit hat absolute Priorität" sind leeres Gerede. Wer der Sicherheit absolute Priorität einräumt, der sollte am besten seine Tage im Bett verbringen; und dann kann ihn eine Thrombose ereilen, also noch nicht mal das ist sicher.

Nach dem, was ich bisher weiß, ist in dem ganzen bisherigen Ablauf keine ordentliche Risikoanalyse durchgeführt worden. Die Kosten einer Sperrung scheinen überhaupt nicht in die Entscheidungsfindung eingeflossen zu sein. Die Wahrscheinlichkeit eines Unglücks ohne Sperrung war offenbar unbekannt; man wußte nur, daß sie von null verschieden ist.

Wie es dazu kommen konnte, das wird hoffentlich aufgeklärt werden.

Soweit ich es bisher verstehe, scheint dieser seltsame Entscheidungsprozeß teils an dem zu liegen, was Brill analysiert hat (der Volcanic ash contingency plan EUR region enthält nur Vorschriften für den Fall, daß eine ash cloud vorhanden ist; aber das Londoner Rechenmodell liefert nur Projektionen zur Ausbreitung der contamination).

Weiterhin scheint mir das Horror-Szenario eines einzigen Flugs das Handeln bestimmt zu haben, der Vorfall in Indonesien 1982. Wie der Wikipedia-Artikel zeigt, flog das Flugzeug damals in eine so dichte Aschewolke, daß man kaum noch etwas sehen konnte. Dennoch fielen die Triebwerke nur vorübergehend aus; nach Verlassen der Aschenwolke im Gleitflug konnten alle vier wieder gestartet werden.

Bisher ist kein einziger Mensch in einem Flugzeug durch Vulkanasche zu Schaden gekommen. Anders, als zum Beispiel durch Vogelschwärme. Aber dieses Horrorbild von einem Flugzeug, bei dem in einer schwarzen Wolke plötzlich alle vier Triebwerke ausfallen, scheint die Phantasie sehr zu beflügeln.

Herzlich, Zettel

Herr Offline




Beiträge: 406

21.04.2010 09:51
#42 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Zitat
Eine berechtigte Kritik. Ich frage mich auch, wieviel Erfahrung denn Piloten mit Sichtflug haben, die sonst nur im Instrumentenflug arbeiten, wenn sie nicht gar streckenweise den Autopiloten sein Werk tun lassen.


Sichtflug und Autopilot schließen sich nicht aus. Moderne Airliner werden außer in der unmittelbaren Start- und Landephase durchweg mit AP geflogen.

Zitat
Vorwerfbar ist aber, daß man nicht sofort alle Möglichkeiten genutzt hat, die tatsächliche Gefahr zu bestimmen.


Diese Möglichkeiten waren offenbar zunächst sehr begrenzt.

Zitat
Mir fällt in dieser ganzen Diskussion wieder einmal diese seltsame Voraussetzung auf, daß Behörden besser informiert oder klüger seien als die Betroffenen selbst, oder daß sie die richtigeren Entscheidungskriterien hätten.


Man sollte schon davon ausgehen, dass Fachbehörden (wobei die zuständige DFS formal keine Behörde ist) besser informiert und klüger ist als andere Beteiligte; insbesondere als Flugpassagiere, die nach André Thiele und Ihnen selber das Risiko abschätzen sollten, ein Flugzeug unter diesen Bedingungen zu besteigen.

Ich sehe das schon so, dass die Möglichkeit von Flugunfällen in der öffentlichen Wahrnehmung wesentlich dramatischer beurteilt wird als die anderer Unfälle. Ob das berechtigt ist oder nicht, mag man dahingestellt sein lassen. Tatsache ist aber, dass diese Beurteilung bislang dazu beigetragen hat, dass die Fliegerei aufgrund der hier geltenden Sicherheitsstandards und eines hohen Maßes an Regulierungen die sicherste Fortbewegungsart der Welt ist.

Herzliche Grüße!
Herr

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

21.04.2010 10:09
#43 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Lieber Zettel,

langsam geht die Suche nach Sündenböcken los, mehr zur Entscheidungsfindung hier wie auch die anderen Beiträge sehr lesensewert sind.

Für mich ist es nach wie vor eine ungeheure Blamage, den gesamten Luftverkehr in Europa tagelang aufgrund einer Computerprognose zum Erliegen zu bringen, ohne nachzusehen, ob die denn überhaupt die Realität wiedergibt oder nicht.

Herzlich, Thomas

Martin Offline



Beiträge: 4.129

21.04.2010 10:25
#44 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Zitat von Herr
Man sollte schon davon ausgehen, dass Fachbehörden (wobei die zuständige DFS formal keine Behörde ist) besser informiert und klüger ist als andere Beteiligte;



Lieber Herr,

ich vermute, dass keine Fachbehörde das so von sich behauptet. Sie ist nicht besser informiert, sondern lediglich 'zuständig'.

Gruß, Martin

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.04.2010 11:18
#45 RE: Hintergrund des Flugverbots. Bahnt sich ein Skandal an? Antworten

Zitat von Herr
Man sollte schon davon ausgehen, dass Fachbehörden (wobei die zuständige DFS formal keine Behörde ist) besser informiert und klüger ist als andere Beteiligte; insbesondere als Flugpassagiere, die nach André Thiele und Ihnen selber das Risiko abschätzen sollten, ein Flugzeug unter diesen Bedingungen zu besteigen.


Das mit den Passagieren - geschenkt, lieber Herr. Jeder ist letztlich immer selbst dafür verantwortlich, welches Risiko er eingeht.

Was die fachlichen Qualifikationen angeht, scheint es mir nach meinen bisherigen Kenntnissen so zu sein, daß es für den Fall einer solchen Situation schlicht keine hinreichende Vorbereitung gab.

Es gab diesen Kraterausbruch, Emissionen bewegten sich in Richtung Europa. Die Wetterfrösche modellierten im Londoner Rechner, wie sich diese contaminations bewegen würden. Die Flugsicherer kramten ICAO Doc 19 hervor. Die Regierungen waren besorgt, die Öffentlichkeit könnte sie für ein etwaiges Unglück verantwortlich machen. Die Airlines und die Piloten wurden offenbar gar nicht in den Entscheidungsprozeß einbezogen, sondern - so Ramsauer - als profitgeleitet hingestellt.

Aus dieser Gemengelage ist, so scheint mir, das hervorgegangen, was wir erlebt haben. Wie gesagt, nach meinem momentanen Informationsstand.

Zitat von Herr
Ich sehe das schon so, dass die Möglichkeit von Flugunfällen in der öffentlichen Wahrnehmung wesentlich dramatischer beurteilt wird als die anderer Unfälle.


Ja, das ist gewiß so. Wenn noch niemand das Auto erfunden hätte, und heute würde sich ein Erfinder melden und sagen: "Ich habe da ein wunderbar individuelles Verkehrsmittel, nur leider kostet es pro Jahr soundsoviele Tausend Tote", dann würde man den auslachen und vor die Tür setzen.

Herzlich, Zettel

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

21.04.2010 12:31
#46 Weil es einfach alles auf den Punkt bringt Antworten

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Mein derzeitiger Avatar bezeugt meine Solidarität mit unseren Jungs, die derzeit in irgendwelchen politisch-medial nicht unterstützten Kriegen verheizt werden. Das Truppenabzeichen im Hintergrund ist das des Fallschirmjägerbataillons 373, dem ich mich persönlich stark verbunden fühle. Kameraden, Glück ab!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.04.2010 12:53
#47 Der Flug des Falken Antworten

Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

Was hat "Falcon" gefunden? Partikel wie bei Sand aus der Saharas. Beschädigungen am Flugzeug: null.

Libero Offline



Beiträge: 393

21.04.2010 14:53
#48 RE: Der Flug des Falken Antworten

Lieber Herr Zettel

Zitat
Die in der Wolke konzentrierten Partikel drangen damals in die Triebwerke ein, schmolzen in deren Hitze und legten sie dadurch vorübergehend lahm.... konnten die Triebwerke wieder gestartet werden,


Ganz so harmlos war der Flug der City of Edinburgh nicht. Der Pilot Moody stand bei der Landung im Cockpit, um den schmalen Spalt der Scheibe, der nicht verdreckt war, nutzen zu können. Die City of Edinburgh war nach der Landung als Passagierflugzeug erst einmal außer Dienst. Die Triebwerke konnten zwar wieder gestartet werden, aber sie liefen nicht "rund".

Unmittelbar vor der Sperrung des Luftraumes war eine F-18 der finnische Luftwaffe unterwegs. Die Bilder der Turbinenschaufeln zeigen leichte, aber wirklich nur ganz leichte Veränderungen
http://www.flightglobal.com/articles/201...f-volcanic.html

Zumindest die Sperrung des Luftraumes über Nordeuropa wahr wohl gerechtfertigt.

Zitat
Partikel wie bei Sand aus der Saharas



Nicht nur. Relativ grobe Partikel können die Beschichtung der Turbinenschaufeln verschleißen. Gefährlich sind vor allem die sehr feinen Partikel, die während der kurzen Verweilzeit im Hochtemperaturbereich der Turbinen anschmelzen, wenn nicht aufschmelzen. Anhaftungen entstehen vor allem durch diese Partikeln, die mehr Oberfläche und nicht mehr bulk material sind und dadurch bei niedrigen Temperaturen an-/ bzw aufschmelzen. Dann "klebt" das Material auf den Schutzschichten der Turbinenschaufeln.

Libero

Nachtrag

BA Flight 9 which famously went through a volcanic storm and lost power in all four engines:
http://www.flightglobal.com/FlightPDFArc...%20-%201835.PDF

Der Flug und die Landung waren doch etwas dramatischer

Man sollte vorsichtig sein in der Wahl seiner Feinde: Früher oder später wird man ihnen ähnlich.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.04.2010 16:33
#49 RE: Der Flug des Falken Antworten

Zitat von Libero
Ganz so harmlos war der Flug der City of Edinburgh nicht.


Das hat wohl auch keiner hier gemeint. Und bestimmt hätte niemand es vertreten können, den ganzen europäischen Luftverkehr in die fette Aschewolke zu schicken um zu sehen, ob nicht doch ein Flugzeug abstürzt.

Aber umgekehrt ist das Asche-Risiko wohl doch nicht so katastrophal, wie es anfangs hieß. Insbesondere wenn es über Mitteleuropa gar keine Wolke gegeben hat, sondern maximal eine sehr dünne Partikel-Verteilung.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.04.2010 16:39
#50 Allmählich wird es interessant Antworten

Auch die Medien werden inzwischen auf die Widersprüche aufmerksam:
http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...,690219,00.html

Das kann noch lustig werden in den nächsten Tagen.

Nebenbei: Den im Text erwähnten grünen MdB Hermann werde ich mir mal merken. Der scheint sich hier vorbildlich verhalten zu haben: Kritische Opposition, aber konstruktiv. Nicht das blöde Geschwafel der beiden Sorten Rote.

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