Es war zwar nicht meine Aussage, aber da ich auch dieser Meinung bin, möchte ich ein paar Sätze dazu sagen.
Zitat von ex-blondWie begründen Sie (logisch-rational) Ihre Aussage, die Abschaffung sei "für jeden Fall, zu 100%" eine positive Errungenschaft?
Neben der Grausamkeit der Exekution, der Fehlbarkeit der Richter und der Nicht-Umkehrbarkeit der Todesstrafe darf meiner Meinung nach eines nicht vergessen werden: zur Ausführung der Todesstrafe braucht man Henker und Helfer.
Die Henker müssen im blinden Vertrauen auf die Funktionstüchtigkeit der Instrumente und die Unfehlbarkeit der Richter einen Menschen töten; in vielen Fällen quälen sie ihn und in wenigen Fällen töten sie ihn zu Unrecht. Die Helfer müssen ihnen dabei zur Hand gehen. Das kann weder an den Henkern noch an den Helfern spurlos vorübergehen.
Zitat von ex-blondIch möchte in Frage stellen, dass die Emotionen beispielsweise einer Mutter, deren Tochter vergewaltigt und umgebracht wurde, 'nur' atavistische Gefühle sind, die keine weitere Bedeutung, keinen tieferen Sinn haben, außer dass sie (wie sie behaupten) zu Racheakten führen und demzufolge selbst "bösartig" sind.
Mir scheint, es gibt einen Übergang zwischen der Emotion, der Willensbestimmung und schließlich der Handlung. Etwa: vom Gefühl des Hungers zum Entschluß: "ich will jetzt etwas essen" zum Erwerb von Nahrung. Die Emotion legt die Willensbestimmung nahe, determiniert sie aber nicht. Man kann sich durchaus anders entscheiden: z.B. "ich will erstmal nichts essen und dann sehe ich weiter".
Das Leid der Angehörigen eines Mordopfers haben Sie überzeugend beschrieben. Insbesondere, daß Emotionen auch Folge von Einsicht sind, finde ich zutreffend. Sie erklären, liebe ex-blond, damit aber nur die Wut der Angehörigen (und Gottes); die Willensbestimmung: "der Täter soll sterben" wird von der Wut zwar nahegelegt, jedoch nicht determiniert. Man kann in seiner Wut über den Mord auch etwas anderes wollen als die Vernichtung des Täters. Die Willensbestimmung zur Rache war es, die ich als "bösartig" bezeichnet habe, nicht die Emotion, die ihr vorausgeht.
Dafür habe ich zwei Gründe anzubieten.
Erstens sehe ich nicht, inwiefern die Rache ein Mittel zum Zweck sein kann. Mir kommt es so vor, als sei sie Zweck in sich. Während aber destruktive Mittel zu positiven Zwecken möglich sind, sollen Zwecke selbst niemals destruktiv sein. Solche Zwecke halte ich grundsätzlich für böse.
Zweitens. Bei der Beurteilung von Handlungen ist die Frage wesentlich: Hätte der Betreffende auch anders handeln können? Bei der Bewertung von Motiven (wie Rache usw.) spielen auch die wahrscheinlichen Begleitumstände eine Rolle. So sind Rächer typischerweise blind; sie stürzen sich auf den Erstbesten, der sich irgendwie verdächtig gemacht hat, der Täter zu sein. Angehörige lieben in der Regel den Freispruch aus Mangel an Beweisen gar nicht - so als komme es vor allem darauf an, irgendwen zu bestrafen, und weniger darauf, daß es sich dabei wirklich um den Täter handelt.
Ebenso typisch ist die Maßlosigkeit der Rache. Verminderte Schuldfähigkeit und dergleichen täterbezogene Betrachtungen werden kaum angestellt. Man nimmt den eigenen Schmerz zum Maß der Strafe, nicht die Schuld des Täters.
Ferner haben die Opfer der Rache ja oft ebenfalls Angehörige, die das Böse in Gestalt der Rache erfahren müssen und dann selber auf Rache sinnen mögen. Als Folge davon kann eine dauerhafte Feindschaft zwischen Gruppen von Angehörigen entstehen, die zu immer weiter fortgesetzten Bluttaten führt, und sich nur sehr schwer beenden läßt.
Man kann sich durchaus einen "rationalen Rächer" vorstellen, der diese typischen Irrtümer vermeidet. Sehr häufig aber dürfte das nicht der Fall sein. Der Rachedurst ist daher nicht nur bösartig in sich selbst (als destruktiver Zweck), sondern der Rachegedanke sollte zudem aufgrund seiner Gefährlichkeit moralisch abgelehnt und diskreditiert werden.
An dieser Stelle ist der Staat von Nutzen; indem er straft, aber nicht rächt, zieht er auch keine Gegenrache auf sich. Indem er selbst emotional kühl bleibt, kann er die Unschuldigen, die sich bloß verdächtig gemacht haben, leichter vor Schaden behüten, und er kann das Maß der Strafe nach der Schuld des Täters, nicht nach dem Schmerz der Opfer zuteilen. Damit kann der Staat wesentlich gerechter urteilen als es Angehörige zustandebringen. Die Strafe ist ferner nicht Selbstzweck, sondern dient dazu, die Privatrache zu verhüten.
Soweit wäre die Todesstrafe als Ersatz für Rache gerechtfertigt, und wie ich schon geschrieben habe, kann es Situationen geben, in denen man so vorgehen sollte.
Gefestigte Rechtsstaaten sollten jedoch nicht so vorgehen, und zwar aus diesem Grund: die Todesstrafe ist der Rache immer noch ähnlich, denn sie stillt ja den Rachedurst. Da aber wie ich meine der Rachegedanke bösartig ist, geht das zu weit. Wenn der Staat Mord aus welchen Motiven auch immer, einschließlich dem der Rache, verurteilt, dann soll er das Motiv der Rache nicht legitimieren, indem er die Ausführung in die eigene Hand nimmt. Der Rachedurst der Angehörigen soll nur beschwichtigt, aber nicht befriedigt werden. Die Strafe soll so hart sein, daß sich die Angehörigen beruhigen (abgesehen von der Erschwernis der Rache durch die Gefängnismauern), ohne jedoch der Rachlust selbst Zugeständnisse zu machen.
Der Staat soll sich auf den Standpunkt stellen: "wir wollen nicht, daß irgendwer getötet wird", und daraus folgt zweierlei. Erstens muß der Staat Totschlägern entgegentreten und sie verurteilen; zweitens muß er dem Töten eine Absage erteilen, indem er selbst nicht tötet.
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