Zitat von Stefanie. Aber ich kann mir wirklich vorstellen, dass so ein Pakt zwischen den USA und dem ägyptischen Militär hinter den Kulissen geschlossen wurde.
Und Frau Clinton und Herr Obama nicht eingeweiht wurden? Das könnte möglich sein.
Das Gegenteil, meine Vermutung ist doch gerade die, dass die USA und damit Clinton und Obama das initiiert und mit Europa abgesprochen haben könnten. Nicht sicher, aber das erschiene mir schlüssig. Ist mir daher völlig schleierhaft Ihr Kommentar.
Zitat von StefanieIst mir daher völlig schleierhaft Ihr Kommentar.
Meine Vermutung ging dahin, dass den Militärs das Hin-und Hergewackele zu gefährlich wurde und sie den kleinen Dienstweg gegangen sind, bevor es ernst wird und zu spät ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Clinton und Obama Ansprechpartner direkt beim ägyptischen Militär haben oder diesen kontakt suchen, aber vielleicht habe ich auch zuviel Navy CIS geguckt.
Zitat von Martinich schaue mir die Dinge nicht nur durch die statistische Brille an, das ist der Schreibtischansatz.
Ah ja. Was gibt es denn sonst noch für sinnvolle Ansätze, um zu entscheiden, ob der Sozialismus in die Armut führt und dergleichen Fragen mehr? Dass Sie mal eine Suppenküche mit langen Schlangen gesehen haben? Oder Ihr Bauchgefühl? Wahrscheinlich sind Sie einfach kein Zahlenmensch?
Nein, lieber Gorgosal,
ich lebe den größten Teil meines Lebens mit Zahlen und weiß deshalb wo ihre Grenzen sind.
Man belege einen statistischen Grenzwert nicht mit einem emotional belegten Begriff wie 'Armut' um damit Lebensverhältnisse zu beschreiben, dann ist eine Diskussion etwas einfacher. Vor allem, wenn solche Vergleiche dann auch noch verschiedene Ecken dieser Welt wertend in Einklang bringen sollen. Die 'Armuts'-Statistik sagt etwas über Einkommensverteilung aus, sie sagt aber nichts über die Kausalität aus. Sie kennen ja das Beispiel Geburtenrate und Aufkommen von Störchen zur Genüge.
Meine Vermutung ging dahin, dass den Militärs das Hin-und Hergewackele zu gefährlich wurde und sie den kleinen Dienstweg gegangen sind, bevor es ernst wird und zu spät ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Clinton und Obama Ansprechpartner direkt beim ägyptischen Militär haben oder diesen kontakt suchen, aber vielleicht habe ich auch zuviel Navy CIS geguckt.
Da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Dass Clinton und/oder Obama selbst mit denen geredet haben, glaube ich auch nicht. Dachte eher so, vielleicht in deren Auftrag oder begleitend ausgehandelt. Aber Ihre Überlegung ist nahe liegender, wenn man sich so den ganz Ablauf der politischen Statements anguckt. Dass ägyptische Militär hat ein Angebot gemacht und deren Ansprechpartner haben es weitergeleitet und sich dafür eingesetzt. So könnte es vielleicht gewesen sein.
Aber vielleicht ist es auch so, dass Obama, Clinton und Europa das Militär in Ägypten überhaupt nicht unterstützen. Gibt Dinge die dafür und andere die dagegen sprechen.
Ist alles spannend für uns hier. Für die auf den Straßen ist es weitaus mehr als das.
Das Washington Institute for Near East Policy hat in einer telefonischen Umfrage, an der 350 Ägypter teilnahmen, die Einstellung zu den Demonstrationen, Personen etc. abgefragt:
1. This is not an Islamic uprising. The Muslim Brotherhood is approved by just 15 percent of Egyptians -- and its leaders get barely 1 percent of the vote in a presidential straw poll. Asked to pick national priorities, only 12 percent of Egyptians choose sharia (Islamic law) over Egypt's regional leadership, democracy, or economic development. And, when asked to explain the uprising, the issues of economic conditions, corruption, and unemployment (around 30 percent each) far outpace the concern that "the regime is not Islamic enough" (only 7 percent).
2. Surprisingly, when asked two different ways about the peace treaty with Israel, more support it (37 percent) than oppose it (27 percent) -- although around a third say they "don't know" or refuse to answer this question. Only 18 percent of Egyptians approve either Hamas or Iran. And a mere 5 percent say the uprising occurred because their government is "too pro-Israel.
Die Studie mit weiteren Eregbnissen finden Sie hier:
"Im Vergleich zur iranischen Opposition ist Obamas Unterstützung der ägyptischen Demonstranten recht stark. Was ich aber interessant finde ist, dass die USA ihren wichtigsten Verbündeten in der Region, Mubarak, in dem Moment fallen gelassen haben, als er schwach war. Und als der Moment da war, an dem der wichtigste Feind der USA in der Region, das iranische Regime, hätte gestürzt werden können, hat Obama diese Chance nicht genutzt."
"Ich halte diese Angst schon für legitim. Eine Studie des Pew Research Center ergab, dass mehr als 80 Prozent der Ägypter Steinigungen als legitime Strafen für Ehebrecher betrachten. Also ich verstehe diese Angst durchaus. Zudem die Muslimbruderschaft die bestorganisierte Gruppe der Opposition ist. Aber ich glaube, dass die Ägypter diese Angelegenheit gut regeln werden. Mubarak hat sich klug verhalten, als er nach außen hin nicht auf Obama gehört hat. Das war sein letztes Zugeständnis dem Westen gegenüber. Wäre er zu Beginn des Aufstandes gleich gegangen, wäre die Situation viel gefährlicher als sie es jetzt ist. Wenn alle Gruppen, inklusive der Armee zusammenarbeiten, kann eine echte, demokratische Revolution stattfinden. "
Zitat von ZettelZu dem Artikel gibt es jetzt einen (nichtpolemischen) Nachtrag. Anders, als ich es heute Nacht beurteilt habe, ist Stratfor der Meinung, daß Mubarak möglicherweise das Militär nicht mehr hinter sich hat.
Ich war davon ausgegangen, daß er sich den Entschluß, entgegen allen Erwartungen zu bleiben, nur mit Rückendeckung des Militärs hatte leisten können. - Heute Abend sind wir klüger.
Und können feststellen, daß Stratfor wieder einmal richtig gelegen hat. Wie es vorhersagte, hat das Militär sich für Option drei entschieden.
Es sieht so aus, als hätte Obamas Spekulation Erfolg gehabt. Wer zu schwach ist wird fallengelassen. So sind nun mal die Regeln in den Beziehung zwischen Staaten. Darüber können sich die Saudis nicht beschweren.
Zitat von MichelEs sieht so aus, als hätte Obamas Spekulation Erfolg gehabt. Wer zu schwach ist wird fallengelassen. So sind nun mal die Regeln in den Beziehung zwischen Staaten. Darüber können sich die Saudis nicht beschweren.
Ich habe mich, als ich vergangene Nacht den Artikel schrieb, geirrt. Wie schon erwähnt, war ich davon ausgegangen, daß Mubarak sich nicht gegen den Rücktritt zur Wehr gesetzt hätte, wenn er sich nicht zuvor der Unterstützung des Militärs vergewissert hätte.
Das war offenbar falsch gewesen. Als ich die Red Alert von Stratfor bekam, das ja etwas mehr weiß als der kleine deutsche Blogger, war mir klar, daß ich falsch gelegen hatte; deshalb ja der Nachtrag zu dem Artikel.
Bedeutet das nun, daß Obama doch nicht hilflos agiert hat, sondern erfolgreich? Ich kann das nicht sehen. Der Eindruck in der arabischen Welt und auch in Israel, daß er einen Verbündeten nach Belieben fallen läßt, ist ja jetzt nun nicht weg; ich habe darüber in dem Artikel über die Konferenz in Herzliya berichtet.
Heute gab es nicht, wie "Spiegel-Online" im Augenblick titelt, ein "Fanal für die Freiheit", sondern einen Militärputsch.
Was das Militär mit seiner Macht tun wird, ist völlig ungewiß. Die Ägypter werden jetzt erst einmal nach Hause gehen und sich wieder um ihre Familien und ihre Geschäfte kümmern. Es wird sich dann zeigen, wer der Starke Mann der Putschisten ist; das muß nicht Suleiman sein. Dann wird sich zeigen, welchen Weg das Militär gehen wird.
Die Situation erinnert an Chile 1973, als in einer ebenfalls aus dem Ruder laufenden Situation das Militär putschte. Damals nur, um die Ordnung wieder herzustellen; es ist daraus bekanntlich eine langjährige Militärregierung geworden.
Sie schreiben, lieber Michel, "Wer zu schwach ist, wird fallengelassen". Aber der Sinn von Bündnissen ist es ja gerade, daß der Bündnispartner nicht fällt, auch wenn er sich einmal in einer Position der Schwäche befindet.
Realpolitik ist die einzige vernünftige Politik. Aber zur Realpolitik gehören auch Verläßlichkeit und Bündnistreue. Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil sie ein Instrument des Erfolgs sind.
Zitat Aber der Sinn von Bündnissen ist es ja gerade, daß der Bündnispartner nicht fällt, auch wenn er sich einmal in einer Position der Schwäche befindet.
Ich denke man muss zwischen verschiedenen Bündnissen differenzieren. Wenn es eine breite Basis an Gemeinsamkeiten gibt macht es Sinn auch in schwache Partner zu investieren. Gegenüber Ägypten gibt es allein schon wegen den unterschiedlichen politischen Systemen keine solche Basis, der einzige Punkt der eine Zusammenarbeit rechtfertigt ist es, gemeinsame Feinde zu bekämpfen. Da die Nachfolgeregierung die gleichen Feinde hat wie Mubarak, solange sie nicht selbst maßgeblich von den Islamisten gestützt wird, kann auf Mubarak selbst verzichtet werden.
Verlässlichkeit kann man auch erreichen, indem das man sich vorhersehbar verhält. Dazu bietet sich extremer Opportunismus fast an.
Friedrich
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12.02.2011 10:29
#35 RE: Aufruhr in Arabien (10): Obamas Niederlage
Sehr geehrter herr Zettel sie schrieben: " .. es gab einen Militärputsch."
Ich teile Ihre Bedenken was das angeht. Das Problem mit dem Militär ist: "Die haben die Waffen" und eine ziemlich klare "Auffassung" was Befehl und Gehorsam angeht. Man denke nur mal zurück an folgendes Ereignis: http://de.wikipedia.org/wiki/Tian%E2%80%99anmen-Massaker
Wenn man dann noch dazu in Betracht zieht, daß speziell auch in Afrika derzeit mit am meisten Kriege (es heist vielleicht anders) toben, MUSS man sehr besorgt sein.
Und ich hatte die Hoffnung (und hoffe noch), daß es wirklich nicht böse endet.
Zitat von FriedrichSehr geehrter herr Zettel sie schrieben: " .. es gab einen Militärputsch."
Ich teile Ihre Bedenken was das angeht. Das Problem mit dem Militär ist: "Die haben die Waffen" und eine ziemlich klare "Auffassung" was Befehl und Gehorsam angeht. Man denke nur mal zurück an folgendes Ereignis: http://de.wikipedia.org/wiki/Tian%E2%80%99anmen-Massaker
Genau dieses ist ja nun nicht eingetreten, weil das Militär es nicht darauf ankommen lassen wollte. Ein Militär kann in der Politik eines Landes positive wie negative Einflüsse haben, wie es in Ägypten ausgeht, ist abzuwarten.
Friedrich
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12.02.2011 11:39
#37 RE: Aufruhr in Arabien (10): Obamas Niederlage
Zitat von ZettelWas das Militär mit seiner Macht tun wird, ist völlig ungewiß. Die Ägypter werden jetzt erst einmal nach Hause gehen und sich wieder um ihre Familien und ihre Geschäfte kümmern. Es wird sich dann zeigen, wer der Starke Mann der Putschisten ist; das muß nicht Suleiman sein. Dann wird sich zeigen, welchen Weg das Militär gehen wird.
Ich habe gestern in den Radionachrichten einen Kommentator gehört, der sagte, dass viel Geld in der Vergangenheit an das Militär geflossen sei, und dass Militärangehörige inzwischen Eigentümer von Industrie- und Handelsunternehmen sind. Größenordnung 30% der ägyptischen Wirtschaft seien in Militärhand.
Ich habe diesen Kommentar nicht weiter recherchiert. Stimmt diese Aussage, dann kann man davon ausgehen, dass die Offiziere alles daran setzen werden, den Status Quo, beziehungsweise ihre Pfründe mit allem zu erhalten, was in ihrer Macht steht. Dann ist auch plausibel, dass Mubarak letztlich ein Bauernopfer ist. Es wäre natürlich auch ein Hinweis darauf, dass die ägyptische Militärführung 'gekauft' ist, und zwar vom Westen.
Lieber Zettel,
in Ihrem weiteren Beitrag haben Sie die Frage gestellt, ob hinter den ganzen 'revolutionären' Vorgängen nicht letztlich die Frustration der Jugend steckt. Ich würde tatsächlich vermuten, dass es die aktuellen 'Revolutionen' nicht gäbe, wenn die jugendliche Arbeitslosigkeit niedriger wäre. Uns sollte aber dabei klar sein, dass Mitte letzten Jahres beispielsweise in Spanien die Arbeitslosenrate der unter 25jährigen bei über 40% lag. Vielleicht zieht man hierzulande viel zu leichtfertig Schlussfolgerungen aus den Unruhen in Tunesien, Ägypten, usw.
Zitat von MartinIch habe diesen Kommentar nicht weiter recherchiert. Stimmt diese Aussage, dann kann man davon ausgehen, dass die Offiziere alles daran setzen werden, den Status Quo, beziehungsweise ihre Pfründe mit allem zu erhalten, was in ihrer Macht steht. Dann ist auch plausibel, dass Mubarak letztlich ein Bauernopfer ist.
Auch wenn es nicht stimmen sollte, daß das Militär so stark auch an der Wirtschaft beteiligt ist - darüber, daß es privilegiert ist, gibt es kaum einen Zweifel.
Ägypten hat eben ein sozialistisches System. Ich habe das in ZR für Tunesien beschrieben, wie dort der Sozialismus nach dem Vorbild Moskaus Einzug hielt; vielleicht sollte ich es auch noch für Ägypten dokumentieren. Nach der Verstaatlichung des Suezkanals 1956 war Ägypten zwar nicht ein Satellit Moskaus, wurde aber von sowjetischen Experten aller Art in Besitz genommen; bis hin zu den vielen Experten des KGB. Die Staatspartei, die heutige NDP, wurde nach sowjetischem Vorbild eingerichtet.
Zum Sozialismus gehört immer auch die Privilegierung des Militärs. Nicht der Masse der Soldaten, denen es bekanntlich in der UdSSR erbärmlich ging, aber des Offizierscorps. Denn jeder Sozialist weiß, daß die Macht aus den Gewehrläufen kommt; so hat es einst Mao formuliert.
Natürlich war und ist Ägypten kein marxistisches Land; aber das Herrschaftssystem und weitgehend auch das Wirtschaftssystem ist das des Sozialismus.
Zitat Es wäre natürlich auch ein Hinweis darauf, dass die ägyptische Militärführung 'gekauft' ist, und zwar vom Westen.
Wieso das, lieber Martin? Ägypten erhielt bisher von den USA hohe Militärhilfe. Aber nicht, um jemanden zu kaufen, sondern als Partner des Westens; als Gegengewicht zum Iran und Syrien, vor dem Sturz Saddam Husseins auch zum Irak.
Zitat in Ihrem weiteren Beitrag haben Sie die Frage gestellt, ob hinter den ganzen 'revolutionären' Vorgängen nicht letztlich die Frustration der Jugend steckt. Ich würde tatsächlich vermuten, dass es die aktuellen 'Revolutionen' nicht gäbe, wenn die jugendliche Arbeitslosigkeit niedriger wäre. Uns sollte aber dabei klar sein, dass Mitte letzten Jahres beispielsweise in Spanien die Arbeitslosenrate der unter 25jährigen bei über 40% lag. Vielleicht zieht man hierzulande viel zu leichtfertig Schlussfolgerungen aus den Unruhen in Tunesien, Ägypten, usw.
Gunnar Heinsohns Erklärungsansatz ist faszinierend; aber wie alle monokausalen Erklärungen vermutlich zu einfach. Der youth bulge ist sicher ein kritischer Faktor; aber zum sozialen Sprengstoff wurde er aus meiner Sicht erst dadurch, daß die Wirtschaft eines sozialistischen Landes nicht expansiv genug sein kann, um diese demographische Entwicklung aufzufangen.
Es wäre interessant, die Zahlen für Indien zu kennen; oder für Brasilien. Eine boomende kapitalistische Wirtschaft hat, vermute ich, dieses Problem jedenfalls in erheblich geringerem Maß als die vergleichsweise ineffizienten Varianten des Sozialismus in den meisten arabischen Ländern.
Zitat von MartinIch habe gestern in den Radionachrichten einen Kommentator gehört, der sagte, dass viel Geld in der Vergangenheit an das Militär geflossen sei, und dass Militärangehörige inzwischen Eigentümer von Industrie- und Handelsunternehmen sind. Größenordnung 30% der ägyptischen Wirtschaft seien in Militärhand.
-- Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April
Ja, sogenanntes Military Business kann für die Machtbalance in einem Land zum Problem werden. Pakistan dürfte ähnliche Probleme haben, in der Türkei gab es zumindest Ansätze davon, aber auch das größte (auf dem Papier) muslimische Land, Indonesien, bleibt davon nicht verschont.
Auf jeden Fall habe ich zu diesem Thema im Zusammenhang mit Ägypten einen etwas ausführlicheren Bericht gefunden, den ich hier nicht vorenthalten möchte: http://news.yahoo.com/s/time/08599204696300 . Hier werden Zahlen des Military Business von 10-20% des BIP genannt, dass es aber auch schwer genauer zu beziffern sei.
Bei der Suche bin ich über einen Beitrag von (ehemaligen pakistanischen) General Mirza Aslam Beg in der newscentralasia (scheint ein Nachrichtendienst ehemaliger Sowjetstaaten zu sein) gestoßen: http://www.newscentralasia.net/moreNews.php?nID=67 , mit der Einschätzung, dass die Muslimbruderschaft in Ägypten wohl letztlich siegen wird. Vielleicht ist dieser Beitrag zur Abrundung der Meinungsbildung ganz hilfreich.
Zitat von ZettelBedeutet das nun, daß Obama doch nicht hilflos agiert hat, sondern erfolgreich? Ich kann das nicht sehen. Der Eindruck in der arabischen Welt und auch in Israel, daß er einen Verbündeten nach Belieben fallen läßt, ist ja jetzt nun nicht weg; ich habe darüber in dem Artikel über die Konferenz in Herzliya berichtet.
Lieber Zettel,
wie von der DEBKA http://www.debka.com/article/20650/ berichtet, könnte sich Obama tatsächlich ein größeres Problem geschaffen haben. Wenn sich die Saudis in Reaktion auf Obamas Einmischung demonstrativ dem Iran annähern, spricht das nicht für einen Erfolg Obamas. Die klare von DEBKA transportierte Aussage ist die, dass auf Obama im Nahen Osten kein Verlass ist. Ob sich Israel im Zweifel einschließen würde, wäre dabei interessant.
Herr Martin schrieb: "Ich habe bisher Sozialismus durchaus mit individueller Freiheit und Eigentumsrechten vereinbaren können, halt mit anderen Schwerpunkten als im Kapitalismus."
Das ist nicht möglich. Jedenfalls im Lichte der Arbeiten von von Mises, Hayek, Friedman. In jedem der Bücher werden diese "Möglichkeiten" beleuchtet und das Ergebnis ist jedesmal "funktioniert nicht". Wie Sie sich das vorstellen könnten, kann ich mir nicht vorstellen ;-)
Zitat von FriedrichHerr Martin schrieb: "Ich habe bisher Sozialismus durchaus mit individueller Freiheit und Eigentumsrechten vereinbaren können, halt mit anderen Schwerpunkten als im Kapitalismus."
Das ist nicht möglich. Jedenfalls im Lichte der Arbeiten von von Mises, Hayek, Friedman. In jedem der Bücher werden diese "Möglichkeiten" beleuchtet und das Ergebnis ist jedesmal "funktioniert nicht". Wie Sie sich das vorstellen könnten, kann ich mir nicht vorstellen ;-)
Na gut, lieber Friedrich,
dann ist vielleicht manches als sozialistisch bezeichnetes Land eben nicht sozialistisch. Es ging mir ja nicht um graue Theorie, sondern um die Realität. Sie können ja gerne die Kernelemente des Sozialismus aufzählen, die ihn beipielsweise in Ägypten (ein bisschen Detail bitte) repräsentieren, und die Ägypten an seiner Entwicklung als wesentliche Ursache hemmen. Ohne Hayek et al. gelesen zu haben: Mein Verständnis bisher war, dass es keine einheitliche Definition von Sozialismus gibt. Sollte das nicht stimmen, sollte auch die Überzeugungsarbeit einfach sein.
Zitat von MartinEs ging mir ja nicht um graue Theorie, sondern um die Realität. Sie können ja gerne die Kernelemente des Sozialismus aufzählen, die ihn beipielsweise in Ägypten (ein bisschen Detail bitte) repräsentieren, und die Ägypten an seiner Entwicklung als wesentliche Ursache hemmen. Ohne Hayek et al. gelesen zu haben: Mein Verständnis bisher war, dass es keine einheitliche Definition von Sozialismus gibt. Sollte das nicht stimmen, sollte auch die Überzeugungsarbeit einfach sein.
Wenn ich mich da einmal kurz einschalten darf, lieber Martin:
Zum Sozialismus in Ägypten werde ich wahrscheinlich noch einen Artikel schreiben; solche nicht an die Aktualität gebundenen Artikel wandern auf meiner To-Do-Liste nur gern immer weiter nach unten.
Nein, es gibt keine einheitliche Definition von Sozialismus; einheitliche Definitionen gibt es ja fast nur in der Mathematik und teilweise in den Naturwissenschaften. Aber wahrscheinlich kann man eine gewisse Übereinstimmung darin erzielen, daß ein definierendes Merkmal des Sozialismus die (weitgehende oder vollständige) Aufhebung des Privatbesitzes an den Produktionsmitteln ist.
"Weitgehende" kann dabei entweder bedeuten, daß es noch einen "privaten Sektor" gibt wie anfänglich in der DDR und wie zum Beispiel in Tunesien; das habe ich beschrieben. Es kann auch bedeuten, daß der Staat durch Fünfjahrespläne usw. in einem Maß in die Wirtschaft hineinregiert, daß diese sozialistische Züge trägt; in Frankreich hat es solche Tendenzen zum Beispiel sogar unter den Gaullisten gegeben (planification).
Warum hemmt der Sozialismus immer das, was Marx die "Entfaltung der Produktivkräfte" nennt? Weil nur Wettbewerb einen Anreiz zur Leistung schafft; weil Bürokraten kein Interesse an einem optimalen Output haben, sondern an ihrer Absicherung und Versorgung; weil Planung immer daran scheitert, daß ein so komplexes System wie eine Volkswirtschaft nicht planbar ist; weil nur das Spiel von Angebot und Nachfrage einerseits zu einer optimalen Nutzung der Ressourcen und andererseits einer optimalen Befriedigung der Nachfrage führen kann.
Der freie Markt ist eine geniale Erfindung; und ja nicht eine des Kapitalismus. Auch die Basare im mittelalterlichen Bagdad stellten einen freien Markt dar.
Ob aus den jetzigen Revolutionen in Arabien Demokratien hervorgehen, ist ungewiß. Stabile Demokratien wird es nur geben können, wenn der Sozialismus abgeschafft und durch eine kapitalistische Wirtschaftsordnung ersetzt wird. Sie allein kann die Bedürfnisse der Menschen befriedigen (übrigens auch, wenn das überhaupt möglich ist, mit dem youth bulge fertigwerden); und nur, wenn die Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden, kann eine Demokratie erfolgreich sein.
Herzlich, Zettel
Friedrich
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15.02.2011 07:25
#48 RE: Aufruhr in Arabien (10): Obamas Niederlage
Auch wenn es keine einheitliche Definition gibt (herr Zettel hatte das auch ausgeführt gibt) Hier wäre mal ein "Einstiegspunkt: http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialismus
Ich zitieren so das Ende des ersten Paragraphs: "Dabei vertreten sie meist eine Gesellschaftsauffassung, die im Privateigentum der Produktionsmittel die Wurzel des Übels sieht und deshalb die Vergesellschaftung desselben erstrebt.[1][2] Kritiker des Sozialismus sind der Ansicht, eine nicht marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung, insbesondere die Zentralverwaltungswirtschaft, sei unvermeidlich sowohl ökonomisch ineffizient als auch unvereinbar mit individuellen Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit."
Nehmen wir mal an das dieses "meist" zutrifft. Wenn Privateigentum das Übel ist gibt es keine Möglichkeit "Eigentum" und Sozialismus unter einen Hut zu bringen. Pikanterweise kann man selbst in der Verfassung eines "untergegangenen" sozialistischen Deutschland: http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr.html#KAPITEL%201-2
etwas über Rechte finden und Rechte sind "Eigentum". Man staune und lese u.a. "Achtung und Schutz der Würde und Freiheit der Persönlichkeit"
ich bin gespannt auf diesen Artikel, machen Sie sich aber keinen Stress damit .
Wenn die Aufhebung von Privatbesitz mit Sozialismus gleichgesetzt wird, dann bin ich mit Ihnen einig, dass damit ein wesentlicher Faktor für die Mobilisierung privater oder unternehmerischer Initiative fehlt, zumindest kenne ich aus eigener Erfahrung keine alternativen Anreizsysteme. Wobei ich einschränkend festestellen muss, dass das zeitweilige oder lebenslange Recht auf Nutzung u.U. zum Besitz vergleichbare Anreize bieten könnte. Da nenne ich in der Regel die Dinge lieber beim Namen, anstatt mich in einer -ismus-Debatte zu verlieren.
Ich kenne die Anreizsysteme beispielsweise in Ägypten nicht im Detail, war aber beispielsweise bisher davon ausgegangen, dass Privateigentum und halbwegs freies Unternehmertum dort möglich sind. Und unser Ausgangspunkt war die etwas desolate wirtschaftliche Situation und die hohe Arbeitslosigkeit. Bevor mir also 'Sozialismus' als Antwort einfällt, fallen mir ganz andere Fragen ein: Geburtenrate, Korruption, Ausbildung, usw. Mir ist dabei aber Eines klar: Ein Land wie Ägypten kann den Anschluss an starke Ökonomien nicht ohne Zufluss von viel ausländischem Kapital schaffen (das dann aber nicht gleich in den Taschen von Militär und Regierungsbeamten verschwinden darf). Ägypten steht mit vielen anderen Ländern in Konkurrenz um solches Kapital: Im Prinzip sind 80 Mio Menschen ein nicht zu verachtender potentieller Markt und auch potentiell leistungsfähige Humanresourcen. Für Investoren spielen viele Randbedingungen eine Rolle: Rendite und natürlich Zugriff auf diese, Ausbildung der Menschen, Arbeitsmentalität, politische Stabilität und Berechenbarkeit, Größe des lokalen oder des von dort bedienbaren Marktes, usw..
Ich weiß nicht, wie Ägypten unter diesen Gesichtspunkten eingeschätzt wird, ich weiß aber, wie Investitionsentscheidungen in anderen Fällen abgelaufen sind. So hat ein amerikanisches Hightechunternehmen die vielen weltweit verteilten Produktionseinrichtungen innerhalb eines Jahres vorwiegend an einem Standort konzentriert, der nach einer Voruntersuchung 'gewonnen' hatte: Singapur. Wichtige Punkte war dabei die Verfügbarkeit von vergleichbar guten Ingenieuren und deren niedrigen Kosten, Infrastruktur, Steuern, u.a. Ägypten war vermutlich nie auf dem 'Radarschirm' dieser Auswahl.
Irland hat vor 10 bis 20 Jahren viele Investoren mit steuerlich attraktiven Bedingungen angezogen und prosperiert. Irland war zuvor keineswegs sozialistisch, aber bitter arm (ich war damals einige Male dort, es waren Verhältnisse eines Entwicklungslands).
Und wir hätten auch in Deutschland ohne die umfangreichen Transferleistungen viel größere Unterschiede zwischen prosperierenden und armen Regionen, alles unter dem gleichen politischen System.
Vielleicht ist so nachvollziehbar, warum ich den Fall Ägypten nicht auf 'Sozialismus' reduzieren will. Ich würde auch 5-Jahrespläne nicht pauschal verteufeln: Viele Länder haben ihre Attraktivität gezielt verbessert, indem sie zentral 'gesteuert' ihre Voraussetzungen für Investoren verbesserten (Infrastruktur, Ausbildung, usw.). Irgendwie erscheint mir alles ein bisschen die Frage der richtigen Dosis in der jeweiligen Situation. Kein Fall für Ideologen, sondern für kühl kalkulierende Regierungen.
Zitat von MartinIch kenne die Anreizsysteme beispielsweise in Ägypten nicht im Detail, war aber beispielsweise bisher davon ausgegangen, dass Privateigentum und halbwegs freies Unternehmertum dort möglich sind.
Zitat von Hernando de SotoAs far as real estate is concerned, 92% of Egyptians hold their property without normal legal title.
We estimated the value of all these extralegal businesses and property, rural as well as urban, to be $248 billion—30 times greater than the market value of the companies registered on the Cairo Stock Exchange and 55 times greater than the value of foreign direct investment in Egypt since Napoleon invaded—including the financing of the Suez Canal and the Aswan Dam. (Those same extralegal assets would be worth more than $400 billion in today's dollars.)
The entrepreneurs who operate outside the legal system are held back. They do not have access to the business organizational forms (partnerships, joint stock companies, corporations, etc.) that would enable them to grow the way legal enterprises do. Because such enterprises are not tied to standard contractual and enforcement rules, outsiders cannot trust that their owners can be held to their promises or contracts. This makes it difficult or impossible to employ the best technicians and professional managers—and the owners of these businesses cannot issue bonds or IOUs to obtain credit.
Zitat von MartinUnd wir hätten auch in Deutschland ohne die umfangreichen Transferleistungen viel größere Unterschiede zwischen prosperierenden und armen Regionen, alles unter dem gleichen politischen System.
Hm. Erst einmal hätten wir eine größere interne Migration, wie aktuell auch vom Osten in den Westen.
-- Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April
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