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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 51 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Llarian Offline



Beiträge: 7.117

13.03.2011 12:49
#26 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von meyer
Japan hat im Kern zwei Möglichkeiten: Entweder in noch größerem Stil fossile Brennstoffe importieren (die eigenen Ressourcen sind sehr begrenzt!) - oder eben auf Atomkraftwerke setzen.


Es gibt einen dritten Weg, nämlich den der gerade in Deutschland gegangen wird und den die Grünen/Linken auch gerne in Japan sehen würden. Deindustrialisierung. Man kann schlicht alle "herkömmlichen" Energieformen totbesteuern oder verbieten bis nur noch Windrädchen übrig sind, deren Energie so teuer und schlecht ist, dass sich keine ernsthafte Industrie mehr ansiedeln kann, bzw. die alte ganz abstirbt. Die Industrie bauen wir dann in China und an die ehemaligen Industrieländern hängen wir ein Schild "Naturschutzgebiet freier Westen". Und bevor mir das als Ironie ausgelegt wird, mit Ausnahme von dem Naturschutzschild ist das genau der Weg, der derzeit beschritten wird.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

13.03.2011 13:20
#27 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von lemmyPaz
für mein persönliches Gefühl ist die drohende Kernschmelze tatsächlich das wirkliche Problem.



Also ein ziemlich wirkliches Problem haben die vom Erdbeben und Tsunami betroffenen Menschen in Japan. Da bedarf es nicht noch einer Explosion durch eine Kernschmelze, welchen den Reaktor zerstört und verseuchtes Material in die Luft lässt. Aber ich denke, ich habe verstanden, was Sie meinen und kann das unterschreiben. Auch mich besorgt es zutiefst, was da in den Atomanlagen abgeht. Wenn da wirklich der "super Gau" eintreten sollte, ist das, was die Menschen jetzt durchmachen müssen, ein Spaziergang im Vergleich zu dem, was da auf sie zukommen würde.

Mein Problem ist, ich kann das alles nicht beurteilen. Ich habe mich Freitag durch zig internationale Medienartikel gewühlt, mir hier Dinge erklären lassen - Danke hierfür noch mal an Energist - und und und. Es ist aber illusorisch zu denken, ich könnte mir so ein Wissen aneignen, was mir helfen könnte, irgend etwas tatsächlich beurteilen zu können. Und atomare Brennstäbe sind eben keine Lakritzstangen, sondern ziemlich gefährliches Zeug. So dass ich denke, Sorge über die Vorgänge ist auch völlig angemessen mit Blick auf die Menschen, welche in Japan und angrenzenden Regionen leben. Aber insbesondere bei denen, welche in recht unmittelbarer Nähe dort leben.

Darüber hinaus auch mit Blick auf unsere Zukunft hier. Ohne Atomenergie kann unsere Wirtschaft einpacken. Dann haben wir zwar keinen anwachsenden Atommüllhaufen in Asse, können aber alle wieder aufs Fahrrad umsteigen, weil Öl für PKWs nicht mehr verschwendet werden dürfte und auch ansonsten würde es hier ziemlich düster.

Von daher denke ich, was jetzt in Japan passieren wird, hat für uns alle Auswirkungen. Angela Merkel wurde gestern auf den Öffis zitiert mit, dass sei eine Art Wendepunkt, was da jetzt in Japan geschehe. Bekomme das Zitat nur noch sinngemäß hin, dachte aber, Holla die Waldfee, denn das es ihr Stimmen einbringen würde, wenn sie den Ausstieg aus dem Ausstieg wieder rückgängig machen würde, ist klar und dass sie bestimmt nicht zu denen gehört, welche hier auf Wählerstimmen verzichtet, ist mir auch klar. So dass das jetzt in Japan mich schon in vielerlei Hinsicht beunruhigt. Es erschüttert ein bisschen mein Technikvertrauen, da bisher machte ich mir keine Sorgen, dass etwas mit unseren Werken passieren könnte. Dachte, die werden schon alles im Griff haben - trotz Tschernobyl, woran ich aber keine bewussten Erinnerungen mehr habe. Dann auf der anderen Seite das Wissen um die Notwendigkeit dieser Technologie und alles andere als last but not least: die Sorge, dass die Technik in Japan endgültig versagt und die Ingenieure nicht verhindern können, dass Schlimmes für die Menschen in die Luft kommt. Das mag ich mir gar nicht vorstellen und schreie innerlich, evakuiert doch bitte endlich weiträumig, auch wenn nichts passieren wird, aber was wenn doch?

meyer Offline



Beiträge: 29

13.03.2011 13:21
#28 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Llarian

Es gibt einen dritten Weg, nämlich den der gerade in Deutschland gegangen wird und den die Grünen/Linken auch gerne in Japan sehen würden. Deindustrialisierung.



Tja, das ist so eine Frage, die ich mir stelle. Wie sehr ist diesen Leuten eigentlich klar, dass ihre energiepolitischen Vorstellungen auf eine Deindustrialisierung rauslaufen? Ich würde unterstellen, bei den allermeisten nicht so sehr. Klar gibt es so Leute, die wirklich in einer Art Auenland leben wollen, aber da gibt es auch viele, zu viele, die sich keinerlei Vorstellungen davon machen, wie viel Strom eigentlich aus welcher Quelle kommt.

Ich habe den Eindruck, dass wir es mit einer Art von magischem Denken zu tun haben, bei dem der Strom eben aus der Steckdose kommt, bei dem nichts unmöglich ist, bei dem man gleichzeitig kurzfristig aus Kernenergie aussteigen kann, und weniger fossile Brennstoffe nutzt, und außerdem den Lebensstandard halten kann. Und wenn es doch nicht geht, sind die "Spekulanten" oder die böse Energiewirtschaft schuld.

Ich bin entsetzt darüber, dass zu einer Zeit, in der es keineswegs sicher ist, dass die Ölproduktion in den nächsten Jahren gesteigert werden kann, gleichzeitig ein Ausstieg aus der Kernenergie gepusht werden soll. Das hat das Potential, wirtschaftlich sehr, sehr unangenehme Folgen zu haben.

Die Leute, die diesem magischen Denken anhängen, bringen nach meiner Erfahrung aus etlichen Diskussionen unter Kollegen und Freunden normalerweise zweierlei mit: Totale Unkenntnis über Energieproduktion, und totale Unkenntnis über ökonomische Zusammenhänge, z.B. darüber, was es bedeutet, wenn über längere Zeit kein Wirtschaftswachstum stattfindet.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

13.03.2011 13:32
#29 RE: Die Deutschen und das Atom (8): Besessen von der Kernschmelze Antworten

Zitat von C.

Nachtrag: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte vom Händchenhalten gegen den Atomtod in Baden-Württemberg.



Als ich die Bilder sah wunderte ich mich, dass sich diese Menschen so nah ohne Schutzanzüge an das Atomkraftwerk gestellt hatten. Sonst höre ich von denen immer nur, dass alles drum herum Krebs habe und nun standen sie aber ohne jeden Schutz lachend davor und feierten sich ohne erkennbare Besorgnis. Passt nicht.

meyer Offline



Beiträge: 29

13.03.2011 13:46
#30 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Stefanie

So dass das jetzt in Japan mich schon in vielerlei Hinsicht beunruhigt. Es erschüttert ein bisschen mein Technikvertrauen, da bisher machte ich mir keine Sorgen, dass etwas mit unseren Werken passieren könnte. Dachte, die werden schon alles im Griff haben - trotz Tschernobyl, woran ich aber keine bewussten Erinnerungen mehr habe. Dann auf der anderen Seite das Wissen um die Notwendigkeit dieser Technologie und alles andere als last but not least: die Sorge, dass die Technik in Japan endgültig versagt und die Ingenieure nicht verhindern können, dass Schlimmes für die Menschen in die Luft kommt. Das mag ich mir gar nicht vorstellen und schreie innerlich, evakuiert doch bitte endlich weiträumig, auch wenn nichts passieren wird, aber was wenn doch?




Ich finde wirklich, dass es für solche Befürchtungen noch etwa zu früh ist. Wenn ein Staudamm versagt, dann schreit niemand danach, diese Technologie ganz aufzugeben. Wenn Ölbohrungen in tiefem Meerwasser schief laufen - niemand schreit danach, dass Ölförderung unter dem Meeresboden generell eingestellt werden soll. Wenn mal wieder eine Massenkarambolage mit zig Toten auf einer deutschen Autobahn stattfindet - niemand fordert den Ausstieg aus der Autoproduktion. In keinem dieser Fälle wird die jeweilige Technologie grundsätzlich in Frage gestellt. Warum hier? Ich denke, Zettel hat in seinem Beitrag zum deutschen Verhältnis zur Atomkraft die richtige Antwort gegeben.

Auch wenn die Nachrichtenlage weiterhin sehr unklar ist, auch wenn niemand weiß, was in den nächsten Tagen oder vielleicht sogar Stunden passiert: Bislang bin ich ausgesprochen beeindruckt von der japanischen Ingenieurkunst (nicht dass ich das wirklich beurteilen könnte...): Immerhin waren die Atomkraftwerke einem sehr starken Erdbeben und den Folgen eines Tsunamis ausgesetzt. Trotzdem ist bislang keine Radioaktivität in großem Ausmaß freigesetzt worden. Das spricht meines Erachtens für hohe Sicherheitsstandards. Welche Talsperre hätte das ausgehalten?

Stefanie Offline



Beiträge: 606

13.03.2011 13:55
#31 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von meyer

Ich finde wirklich, dass es für solche Befürchtungen noch etwa zu früh ist.



Was ist früh, ich fordere nichts, sondern beschreibe nur meinen Gemütszustand. Dass ich auf der einen Seite nicht mehr unbesorgt bin, dass auch hier in Deutschland nichts passieren wird zumindest nichts Größeres. Ferner, dass ich befürchte, dass nur der Ausstieg aus dem Ausstieg eingeläutet werden könnte, weil man die Angstwelle nicht ignorieren möchte und das Risiko ausschließen will, Wähler zu verlieren. Und dann natürlich die Sorge um die Menschen dort. Wir haben übereinstimmend nach Medienberichten Personen die bereits verstrahlt wurden.

Welcher dieser Punkt ist verfrüht? Erklären Sie mir das bitte ;-)


Zitat von meyer
Wenn ein Staudamm versagt, dann schreit niemand danach, diese Technologie ganz aufzugeben. Wenn Ölbohrungen in tiefem Meerwasser schief laufen - niemand schreit danach, dass Ölförderung unter dem Meeresboden generell eingestellt werden soll. Wenn mal wieder eine Massenkarambolage mit zig Toten auf einer deutschen Autobahn stattfindet - niemand fordert den Ausstieg aus der Autoproduktion. In keinem dieser Fälle wird die jeweilige Technologie grundsätzlich in Frage gestellt. Warum hier? Ich denke, Zettel hat in seinem Beitrag zum deutschen Verhältnis zur Atomkraft die richtige Antwort gegeben.



Der Unterschied ist, dass bei einem Ereignis im worst case nicht tausende von Menschen betroffen wären und keine Quellen für weitere Gefahren bestehen bleiben. Das ist psychologisch eine ganz andere Nummer.

C. Offline




Beiträge: 2.639

13.03.2011 13:59
#32 RE: Die Deutschen und das Atom (8): Besessen von der Kernschmelze Antworten

Zitat von Stefanie

Zitat von C.

Nachtrag: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte vom Händchenhalten gegen den Atomtod in Baden-Württemberg.



Als ich die Bilder sah wunderte ich mich, dass sich diese Menschen so nah ohne Schutzanzüge an das Atomkraftwerk gestellt hatten. Sonst höre ich von denen immer nur, dass alles drum herum Krebs habe und nun standen sie aber ohne jeden Schutz lachend davor und feierten sich ohne erkennbare Besorgnis. Passt nicht.




Diese Gedanken habe ich, wenn der "höchstgefährliche" Castor-Transport über Stunden blockiert wird. Das ist schizophren.

http://www.iceagenow.com/ Cooling is the New Warming

meyer Offline



Beiträge: 29

13.03.2011 14:07
#33 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Stefanie

Zitat von meyer

Ich finde wirklich, dass es für solche Befürchtungen noch etwa zu früh ist.



Was ist früh, ich fordere nichts, sondern beschreibe nur meinen Gemütszustand. Dass ich auf der einen Seite nicht mehr unbesorgt bin, dass auch hier in Deutschland nichts passieren wird zumindest nichts Größeres. Ferner, dass ich befürchte, dass nur der Ausstieg aus dem Ausstieg eingeläutet werden könnte, weil man die Angstwelle nicht ignorieren möchte und das Risiko ausschließen will, Wähler zu verlieren. Und dann natürlich die Sorge um die Menschen dort. Wir haben übereinstimmend nach Medienberichten Personen die bereits verstrahlt wurden.

Welcher dieser Punkt ist verfrüht? Erklären Sie mir das bitte ;-)




Ich fand es verfrüht, angesichts der derzeitigen Nachrichtenlage in seinem Technikvertrauen erschüttert zu sein. Die Befürchtung, dass die Forderung nach einem Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland lauter wird, und auch innerhalb der CDU/CSU, teile ich momentan.

Ich stelle allerdings auch an mir selbst fest, dass es nicht leicht ist, unberührt zu bleiben von der jeweils neuesten journalistischen Sau, die durchs Dort getrieben wird. Will heißen: Wir wissen nicht, ob in ein paar Wochen dieses Thema noch so groß ist, ob es Atomkraftgegnern wirklich gelingt, das weiterhin tagesaktuell zu halten. Sie waren sehr erfolgreich in ihrem Versuch, das kurzfristig zu instrumentalisieren, das ist wahr. Ob das zu einer dauerhaften Machtverschiebung ausreicht, wenn über etwas anderes erhitzt geredet wird, muss sich erst zeigen. Wer redet heute noch von Ägypten?

energist Offline




Beiträge: 322

13.03.2011 14:08
#34 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Stefanie

Zitat von meyer
Wenn ein Staudamm versagt, dann schreit niemand danach, diese Technologie ganz aufzugeben. Wenn Ölbohrungen in tiefem Meerwasser schief laufen - niemand schreit danach, dass Ölförderung unter dem Meeresboden generell eingestellt werden soll.



Der Unterschied ist, dass bei einem Ereignis im worst case nicht tausende von Menschen betroffen wären und keine Quellen für weitere Gefahren bestehen bleiben. Das ist psychologisch eine ganz andere Nummer.




Die Liste der Talsperren-Katastrophen in Wikipedia sieht das ganz anders. „Spitzenreiter“ ist die Banqiao-Katastrophe in Henan, die direkt 85.000 bis 86.000 Todesopfer forderte, indirekt (ihre „Quellen für weitere Gefahren“) weitere 145.000. Glauben Sie wirklich, daß man das mit den Folgen eines eventuellen GAU oder meinetwegen Super-GAU in Fukushima vergleichen kann?

Wie ich bereits an anderer Stelle schrieb: auch wenn viele Leute das nicht wahrhaben wollen – eine Kontamination mit radioaktiven Substanzen ist keineswegs das Ende der Geschichte.

vivendi Offline



Beiträge: 663

13.03.2011 14:08
#35 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Stefanie
Wir haben übereinstimmend nach Medienberichten Personen die bereits verstrahlt wurden.



Und dass Zehntausende von Menschen von Trümmern erschlagen und von Fluten ertränkt wurden, ist dann wohl Nebensache.

Es handelt sich um eine der schlimmsten Naturkatastrophen in einer der am dichtesten besiedelten Region unseres Planeten. Der Mensch ist diesen Naturgewalten nicht gewachsen und wird es nie sein.

Leibniz Offline




Beiträge: 383

13.03.2011 14:12
#36 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von energist

Zitat von Stefanie
Der Unterschied ist, dass bei einem Ereignis im worst case nicht tausende von Menschen betroffen wären und keine Quellen für weitere Gefahren bestehen bleiben. Das ist psychologisch eine ganz andere Nummer.

Die Liste der Talsperren-Katastrophen in Wikipedia sieht das ganz anders. „Spitzenreiter“ ist die Banqiao-Katastrophe in Henan, die direkt 85.000 bis 86.000 Todesopfer forderte, indirekt (ihre „Quellen für weitere Gefahren“) weitere 145.000. Glauben Sie wirklich, daß man das mit den Folgen eines eventuellen GAU oder meinetwegen Super-GAU in Fukushima vergleichen kann?

Wie ich bereits an anderer Stelle schrieb: auch wenn viele Leute das nicht wahrhaben wollen – eine Kontamination mit radioaktiven Substanzen ist keineswegs das Ende der Geschichte.


Wie würden Sie denn das worst case scenario im gegenwärtigen Fall beschreiben?

Zitat von Wikipedia
Die Einwohnerzahl der Metropolregion liegt nach einer UN-Schätzung aus dem Jahr 2007 bei 35,7 Millionen [...]. In anderen Definitionen liegt die Einwohnerzahl sogar über 40 Millionen.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

13.03.2011 15:01
#37 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von energist

Zitat von Stefanie

Zitat von meyer
Wenn ein Staudamm versagt, dann schreit niemand danach, diese Technologie ganz aufzugeben. Wenn Ölbohrungen in tiefem Meerwasser schief laufen - niemand schreit danach, dass Ölförderung unter dem Meeresboden generell eingestellt werden soll.



Der Unterschied ist, dass bei einem Ereignis im worst case nicht tausende von Menschen betroffen wären und keine Quellen für weitere Gefahren bestehen bleiben. Das ist psychologisch eine ganz andere Nummer.




Die Liste der Talsperren-Katastrophen in Wikipedia sieht das ganz anders. „Spitzenreiter“ ist die Banqiao-Katastrophe in Henan, die direkt 85.000 bis 86.000 Todesopfer forderte, indirekt (ihre „Quellen für weitere Gefahren“) weitere 145.000. Glauben Sie wirklich, daß man das mit den Folgen eines eventuellen GAU oder meinetwegen Super-GAU in Fukushima vergleichen kann?

Wie ich bereits an anderer Stelle schrieb: auch wenn viele Leute das nicht wahrhaben wollen – eine Kontamination mit radioaktiven Substanzen ist keineswegs das Ende der Geschichte.





Ich sprach in meinem Post von Deutschland. Da gibt es solche Fälle nicht. Dennoch, ist es psychologisch anderes, auch wenn das zynisch ist. Nach einer der von Ihnen beschriebenen Katastrophen, kann die Gefahr beseitigt werden. Nach einem atomaren Unglück kann auf lange Zeit der Boden versucht bleiben. Auch kann sich bei einem Staudammunglück keine genetischen Defekte bilden, welche dann Auswirkungen noch für die nächste Generation hat. Ferner beschränken sich die direkten Auswirkungen auf den Ort des Unglücks, während eine "Atomwolke" auch entfernter Auswirkungen hat.

Das kann man sachlich und nüchtern alles relativieren, aber es ist schon eine andere Art von Horror, als wenn ein Staudamm einstürzt.

Gestern sah ich Interviews mit Japanern. Die wirklich vorbildlich sind, was Ruhe bewahren anbelangt. Dort wurde u.a. gesagt, das Erbeben sei schrecklich und auch der Tsunami, aber das könnte man jeweils spüren oder sehen. Strahlen kann man nur messen, aber nicht fühlen. Deshalb hätte sie große Angst.

Das nun alles vom Tisch zu wischen mit, sei irrational, wird dem Menschen nicht gerecht. Man muss diese Angst nicht teilen, aber man kann sie schon verstehen. Ich teile das. Ein Erdbeben*, eine Windhose etc. habe ich alles schon erlebt. Die Windhose war ganz schlimm, aber ich begriff was geschah und konnte instinktiv handeln und mich schützen. Ich konnte noch zwei weitere schützen, indem ich sie mit mir mitreiß. Das könnte ich bei einem atomaren Unglück nicht. Da kann ich mich nicht unter etwas kauern, was mich schützt und über jemanden werfen, für den ich verantwortlich bin. Auch wenn eine Brücke einbricht, kann ich versuchen, von dem Ort wegzukommen, mich festzuhalten was auch immer. Das kann ich alles nicht bei einem atomaren Vorfall, weil es mir nicht hilft. Weil ich nichts tun kann, um mich aus eigener Kraft zu versuchen zu schützen. Dieses Ausgeliefert sein hat auch noch mal eine psychologische Komponente.

Man muss das alles nicht teilen, aber ich denke, Verständnis kann man für diese Gedanken schon aufbringen.

Edit: *Das war ein kleines, bei dem nicht mehr als Gewackel im Geschirrschrank etc. zu bemerken war. Man wusste dennoch instinktiv, raus und ab auf eine freie Fläche.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

13.03.2011 15:05
#38 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

[quote="Leibniz"]Wie würden Sie denn das worst case scenario im gegenwärtigen Fall beschreiben? [quote="Wikipedia"]

Wie soll ich da etwas beschrieben können? Kein Mensch kann das. Woher soll ich wissen, welche Gefahren da jetzt aktuell der worst case sind. Der worst case i.S. atomares Vorfälle ist Tschernobyl mit noch mehr angreicherten "radioaktiven Substanzen", weil die Stäbe länger in Gebrauch waren. Aber kann das wirklich passieren.

Abgesehen davon, dass wir nicht einmal wissen, wie viele Tote und Verletzte es bereits jetzt gab. Das was bereits passiert ist, ist schlimm genug. Da muss nicht noch weiteres hinzukommen.

Leibniz Offline




Beiträge: 383

13.03.2011 15:14
#39 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Stefanie

Zitat von Leibniz
Wie würden Sie denn das worst case scenario im gegenwärtigen Fall beschreiben?

Wie soll ich da etwas beschrieben können?


Die Frage war an energist gerichtet nachdem er „Spitzenreiter“ bei anderen Katastrophen angeführt hat.

Zitat von Stefanie
Das was bereits passiert ist, ist schlimm genug. Da muss nicht noch weiteres hinzukommen.

Natürlich nicht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.03.2011 15:18
#40 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Stefanie
Der worst case i.S. atomares Vorfälle ist Tschernobyl mit noch mehr angreicherten "radioaktiven Substanzen", weil die Stäbe länger in Gebrauch waren. Aber kann das wirklich passieren.

Es kann nicht passieren, liebe Stefanie. In einem der Threads wurde das schon erwähnt: Tschernobyl hatte kein Containment.

Nach allem, was ich dazu inzwischen gelesen habe, ist es extrem unwahrscheinlich, daß die jetzigen Vorgänge im Inneren der Containments diese Stahlummantelungen zum Schmelzen bringen könnten.

Die beiden wahrscheinlichen Szenarien sind im Augenblick: a) es gelingt, diese Prozesse durch weiteres Abkühlen jetzt bald zu stoppen; b) es kommt zu einer Kernschmelze, die dann aber wegen der Containments nicht zu einer flächendeckenden Verstrahlung führen würde wie in Tschernobyl.

Natürlich kann man nie mit absoluter Sicherheit ausschließen, daß es anders kommt, als es jetzt zu erwarten ist. Es können auch morgen Aliens auf dem Domplatz in Köln landen. Man kann das nicht ausschließen.

Herzlich, Zettel

Stefanie Offline



Beiträge: 606

13.03.2011 15:35
#41 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Stefanie
Der worst case i.S. atomares Vorfälle ist Tschernobyl mit noch mehr angreicherten "radioaktiven Substanzen", weil die Stäbe länger in Gebrauch waren. Aber kann das wirklich passieren.

Es kann nicht passieren, liebe Stefanie. In einem der Threads wurde das schon erwähnt: Tschernobyl hatte kein Containment.

Nach allem, was ich dazu inzwischen gelesen habe, ist es extrem unwahrscheinlich, daß die jetzigen Vorgänge im Inneren der Containments diese Stahlummantelungen zum Schmelzen bringen könnten.

Die beiden wahrscheinlichen Szenarien sind im Augenblick: a) es gelingt, diese Prozesse durch weiteres Abkühlen jetzt bald zu stoppen; b) es kommt zu einer Kernschmelze, die dann aber wegen der Containments nicht zu einer flächendeckenden Verstrahlung führen würde wie in Tschernobyl.

Natürlich kann man nie mit absoluter Sicherheit ausschließen, daß es anders kommt, als es jetzt zu erwarten ist. Es können auch morgen Aliens auf dem Domplatz in Köln landen. Man kann das nicht ausschließen.

Herzlich, Zettel




Lieber Zettel,

nach alledem, was ich bisher gelesen habe, scheint das so zu sein wie Sie das schreiben. Ich schrieb auch an anderer Stelle, dass ich davon ausgehe, dass Ingenieure bereits an einer Lösung arbeiten. Auf CNN meine ich, hörte ich gestern, dass die USA auch schon Unterstützung i.S. Fachleute nach Japan geschickt haben.

Ich kenne jemanden, der Ingenieur auf diesem Bereich ist und bei der Errichtung von Kernkraftwerken Projekte leitete. Den versuche ich seit heute -leider erfolglos - zu erreichen, um mal etwas Licht in mein Dunkles bringen zu lassen. In dem Bereich, auch in Japan - deutsche Wartungsingenieure waren zum Zeitpunkt des Erdbebens z.B. in einem der betroffenen Werke - sind hochspezialisierte Fachleute tätig. Die wissen schon, was zu tun ist und ich bin ganz sicher, die wissen auch aktuell was sie machen. Das ist ja keine Disziplin, die es erst seit gestern gibt, sondern in der bereits ein langjähriger Erfahrungsschatz vorhanden ist, denn es jetzt auch zu übertragen gilt auf die aktuelle Situation.

Was mich halt beunruhigt ist, dass so viel Pech da auch am Werke war. Dass sich so viele Umstände verknüpften, dass es zu der aktuellen Situation kam und wir wissen halt nicht, ob das jetzt endlich ein Ende hat oder ob wieder etwas eigentlich eher Unwahrscheinliches passiert, was die Situation verschärfen könnte.

Wir werden sehen und es bleibt zu hoffen, dass man weiter davon ausgehen kann, dass es zu keiner weiteren Explosionen kommt, die dann vielleicht doch die Ummantellung derart beschädigen könnten, das größere Mengen an gefährlichen Stoffen nach außen dringen.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

13.03.2011 15:43
#42 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von meyer
Ich fand es verfrüht, angesichts der derzeitigen Nachrichtenlage in seinem Technikvertrauen erschüttert zu sein.



Ist aber bei mir ein Stück weit. Was da gerade passiert, hätte ich vor einer Woche ausgeschlossen. Ich hätte nie gedacht, dass ein Notsystem nach dem anderen versagen könnte. Mindestens drei nachrangige Vorrichtungen zur Kühlung gab es. Alle den Geist aufgegeben ohne dass es offensichtlich möglich ist, hier Ersatz kurzfristig ranschaffen zu können. Mit meinem Laienverständnis - schrieb ich schon Freitag - dachte ich einfach, wenn Aggregate versagen, deren Ersatz, nämlich Batterien auch, dass man dann zumindest Ersatzbatterien herbei schaffen könnte, dass es kein Rennen gegen die Zeit wird. Ich verstehe es nicht, warum es in unserer hoch technologischen Zeit, in der jede Armee portable Stromversorgung hat, jedes Krankenhaus Notysteme hat, nichts davon jetzt in Japan einsetzbar sein soll. Das erschüttert schon ein bisschen mein Vertrauen in diese Technik, dass man hier keine weiteren Fallschirme eingebaut oder zumindest zur ersatzweise zur Verfügung hat.

Edit: Worte eingefügt

energist Offline




Beiträge: 322

13.03.2011 16:19
#43 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Leibniz

Zitat von Stefanie

Zitat von Leibniz
Wie würden Sie denn das worst case scenario im gegenwärtigen Fall beschreiben?

Wie soll ich da etwas beschrieben können?


Die Frage war an energist gerichtet nachdem er „Spitzenreiter“ bei anderen Katastrophen angeführt hat.




Werter Leibniz, mir ist natürlich klar, daß das „Aufrechnen“ von Toten schrecklicher Unsinn ist. Ich wollte mit dem Beispiel des „Spitzenreiters“ nur verdeutlichen, daß entgegen der Annahme von Stefanie auch andere Arten der Energieerzeugung ein Gefährdungspotential besitzen.

Um Ihre Frage dennoch zu beantworten: der absolute worst case wäre wohl

1. eine massive Öffnung im Containment einhergehend mit
2. einer weiteren Verpuffung und
3. einer Änderung der Windrichtung von Westsüdwestwind zu Nordostwind und
4. erbebenbedingter Probleme beim Evakuieren.

Die Folgen abzuschätzen ist… naja, mindestens hoch spekulativ. Wenn Sie möchten, daß ich trotzdem etwas in den Raum stelle: Um beim allgegenwärtigen Vergleich mit der Katastrophe von Tschernobyl zu bleiben, etwas 85 % der Menge freigesetzter radioaktive Stoffe in Tschernobyl trat aufgrund des Graphitbrandes aus – insbesondere für das hohe Aufsteigen der Teilchen in die Atmosphäre war die Hitze nötig. In Fukushima gibt es kein Graphit oder sonstiges brennbares Material im Reaktorkern.

Hinzu kommt, daß die Evakuierung einer großen Zone um das Kraftwerk bereits im Gange ist, die eingesetzten Kräfte ABC-Schutzausrüstung besitzen und vor allem Iodtabletten schon in großem Umfang an die Zivilbevölkerung verteilt werden. All das war bspw. bei Tschernobyl nicht der Fall und hat zu entsprechenden Todesopfern bzw. Spätfolgen durch Schilddrüsenkrebs geführt.

Die Metropolregion Tōkyō ist 300 km weit entfernt. Die Bevölkerung dort würde vermutlich (!) bei entsprechenden Katastrophenschutzmaßnahmen nicht relevant belastet werden. (Auch hier wieder der Tschernobylvergleich:

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Katastrophe...Personengruppen
Im Frühjahr und Sommer 1986 wurden etwa 116.000 Personen aus der 30 Kilometer-Zone rund um den Reaktor evakuiert. Später wurden zirka 240.000 weitere Personen umgesiedelt. Für die ukrainischen Evakuierten wurde ein mittlerer Dosiswert von 17 mSv (Schwankungsbereich 0,1 bis 380 mSv) errechnet, für die weißrussischen Evakuierten ein Mittelwert von 31 mSv (mit einem maximalen Durchschnittswert in zwei Ortschaften von 300 mSv).

In den ersten Tagen nach dem Unfall führte die Aufnahme von radioaktivem Iod mit der Nahrung zu stark schwankenden Schilddrüsendosen in der allgemeinen Bevölkerung von im Mittel etwa 0,03 bis 0,3 Gy mit Spitzenwerten bis zu etwa 50 Gy. Eine Ausnahme davon bildeten die wenigen Einwohner von Prypjat, die durch die rechtzeitige Ausgabe von Tabletten mit stabilem Jod (Iodblockade) wesentlich geringere Schilddrüsendosen erhielten.

mit Hervorhebungen von mir.)

Alles in allem wäre dieser Fall (dessen Eintritt – nur um das nochmal zu betonen – nach normalen Maßstäben höchst höchst unwahrscheinlich ist) zwar sehr unschön, aber lokal begrenzt und von einem hochtechnisierten und zivilisierten Land wie Japan „beherrschbar“.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

13.03.2011 16:21
#44 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Stefanie
Mit meinem Laienverständnis - schrieb ich schon Freitag - dachte ich einfach, wenn Aggregate versagen, deren Ersatz, nämlich Batterien auch, dass man dann zumindest Ersatzbatterien herbei schaffen könnte, dass es kein Rennen gegen die Zeit wird. Ich verstehe es nicht, warum es in unserer hoch technologischen Zeit, in der jede Armee portable Stromversorgung hat, jedes Krankenhaus Notysteme hat, nichts davon jetzt in Japan einsetzbar sein soll. Das erschüttert schon ein bisschen mein Vertrauen in diese Technik, dass man hier keine weiteren Fallschirme eingebaut oder zumindest zur ersatzweise zur Verfügung hat.


Die Notversorgungsbatterien füllen ganze Räume, da kann man nicht einfach ersatzweise eine LKW-Ladung Autobatterien anschließen. Grund ist, dass einzelne Zellen jeweils nur ca 2 Volt bringen, und man jede Menge davon neben- und hintereinander schalten muss um auf das erforderliche Spannungslevel zu kommen, und dieses auch noch über etliche Stunden halten zu können.

Dazu kommt noch, dass externe, transportable Notstromgeneratoren erstmal das erforderliche Spannungsniveau bringen müssen, und nicht gleich beim Zuschalten einer Pumpe zusammenbrechen. Das ist ganz einfach keine Haushaltstechnik, wo man einfach 'nen Stecker in die Dose steckt.
Sowas steht sicherlich auch nicht in Massen in irgendwelchen THW-Garagen rum.

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Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Stefanie Offline



Beiträge: 606

13.03.2011 16:30
#45 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

@Calimero

Danke!

Besteht denn aber auch keine Möglichkeit, zumindest sagen wir mal den Strom dann für einzelne Pumpen zu liefern. Dass man also nicht alles anschließt, nur einzelnes und somit zumindest Zeit schinden kann?

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

13.03.2011 16:39
#46 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von Stefanie
Besteht denn aber auch keine Möglichkeit, zumindest sagen wir mal den Strom dann für einzelne Pumpen zu liefern. Dass man also nicht alles anschließt, nur einzelnes und somit zumindest Zeit schinden kann?

Genau daran werden sie gerade arbeiten. Ich weiß aber nicht welche Dimensionen die Notkühlwasserpumpen dort haben, deshalb habe ich hier irgendwo vorhin was von eventueller Teilstromkühlung geschrieben.
Aber wir können hier rumspekulieren wie wir wollen, die Leute vor Ort werden das beste tun zu dem sie technisch in der Lage sind.

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Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Leibniz Offline




Beiträge: 383

13.03.2011 16:48
#47 RE: being contrarian and all that: Atomkraftwerke in Erdbebengebieten Nein Danke Antworten

Zitat von energist
... der absolute worst case wäre wohl

1. eine massive Öffnung im Containment einhergehend mit
2. einer weiteren Verpuffung und
3. einer Änderung der Windrichtung von Westsüdwestwind zu Nordostwind und
4. erbebenbedingter Probleme beim Evakuieren.

Die Folgen abzuschätzen ist… naja, mindestens hoch spekulativ. [..] Alles in allem wäre dieser Fall (dessen Eintritt – nur um das nochmal zu betonen – nach normalen Maßstäben höchst höchst unwahrscheinlich ist) zwar sehr unschön, aber lokal begrenzt und von einem hochtechnisierten und zivilisierten Land wie Japan „beherrschbar“.

Danke für Ihre Einschätzung!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.03.2011 17:46
#48 Ein wenig Wahrscheinlichkeitsrechnung Antworten

Zitat von Stefanie
Was da gerade passiert, hätte ich vor einer Woche ausgeschlossen. Ich hätte nie gedacht, dass ein Notsystem nach dem anderen versagen könnte. Mindestens drei nachrangige Vorrichtungen zur Kühlung gab es. Alle den Geist aufgegeben ohne dass es offensichtlich möglich ist, hier Ersatz kurzfristig ranschaffen zu können.


Man kann es, liebe Stefanie, aber auch andersherum sehen:

Es ist eine Situation eingetreten, die so unwahrscheinlich war, daß man sie vielleicht bei Simulationen durchgespielt, aber nie ernsthaft mit ihr gerechnet haben dürfte:

* Ein Erdbeben dieser Stärke ist ein seltenes Ereignis. Aber ein Erdbeben geht nicht mit einem Tsunami einher.

* Ein Tsunami dieser Wucht ist ein seltenes Ereignis. Aber ein Land, das Opfer eines Tsunami wird, erlebt normalerweise kein Erdbeben.

Was wir jetzt gesehen haben, das ist das Zusammentreffen von zwei sehr unwahrscheinlichen Ereignissen dadurch, daß das Epizenter eines sehr starken Bebens ausgerechnet vor der japanischen Küste lag; so daß es einerseits einen Tsunami auslöste, andererseits das Beben aber auch den Nordwesten Japans umfaßte.

Die Verbundwahrscheinlichkeit ist bekanntlich das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten. Wenn also Ereignis A eine Wahrscheinlichkeit von p=.01 hat und Ereignis B eine Wahrscheinlichkeit von p=.01, dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß die beiden Ereingisse zusammen auftreten (sofern sie nicht korreliert sind). p=.0001.

Soweit ich das weiß, kommt sowohl ein Erdbeben dieser Stärke als auch ein Tsunami dieser Stärke in Japan seltener als einmal in 100 Jahren vor. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens wie jetzt liegt also in der Größenordnung von weniger als einmal in 10.000 Jahren.

Ich weiß, das ist eine angreifbare Überschlagsrechnung; es ist zB schwierig zu sagen, ob die beiden Ereignisse nicht doch korreliert sind. Aber es gibt einen Eindruck von der Größenordnung, von der wir reden.



Hätte es nur ein Erdbeben dieser Stärke gegeben, dann wäre möglicherweise die Stromversorgung unterbrochen worden, aber die Dieselgeneratoren hätten funktioniert. Hätte es nur den Tsunami gegeben, dann wäre den AKWs vermutlich gar nichts passiert, außer daß eben Teile des Komplexes vorübergehend überschwemmt gewesen waren. Erst das Zusammentreffen führte zu den Problemen. Jedenfalls nach meinem Erkenntnisstand.

Weiter: Bei Daiichi handelt es sich um eines der ältesten KKWs in Japan, das kurz vor der Schließung stand. Ein dritter unglücklicher Faktor.

Weiter: Durch das Zusammentreffen von Erdbeben und Tsunami ist ja nicht nur in den KKWs eine schwierige Situation entstanden, sondern im ganzen Norden Japans; in gewissem Umfang in ganz Japan. Alle Hilfsmaßnahmen für die KKWs sind dadurch erschwert.

Und dennoch sieht es, liebe Stefanie, im Augenblick nicht so aus, als käme es zu einer Katastrophe.

Ich habe mir eben die aktuelle Zusammenfassung bei CNN (Stand: 17.17 Uhr MEZ) angesehen:

Es wird keine Entwarnung gegeben. Aber niemand, der die Lage kennt - und nicht, wie "Spiegel-Online" und die deutschen ÖRs, agitatorisch herumspekuliert - spricht von einer Kernschmelze oder einer bevorstehenden Kernschmelze. Und selbst wenn es sie gäbe, wäre das nur unter den Bedingungen gefährlich, die Energist erläutert hat.



Die Tragödie, das sind die Zehntausende von Toten, die Hunderttausende, vielleicht Millionen Betroffener in Japan. Nach jetzigem Stand ist das, was in den AKWs passiert, eine Randerscheinung.

Es kann sich ändern. Aber die Panikmache in den deutschen Medien ist unverantwortlich. Sie dient allein durchsichtigen politischen Zielen. Die Meinungsdominanz der Linken soll zementiert werden.

Herzlich, Zettel

Martin Offline



Beiträge: 4.129

13.03.2011 18:17
#49 RE: Ein wenig Wahrscheinlichkeitsrechnung Antworten

Zitat von Zettel
Es ist eine Situation eingetreten, die so unwahrscheinlich war, daß man sie vielleicht bei Simulationen durchgespielt, aber nie ernsthaft mit ihr gerechnet haben dürfte:



Lieber Zettel,

man hat mit dieser Situation mit eben einer geringen Wahrscheinlichkeit gerechnet, deshalb gibt es ja die weiteren Schutzmaßnahmen, und deshalb gehört das was jetzt passiert auch zur Ausbildung des Personals. Was jetzt eintritt/eingetreten ist hat halt enorme? wirtschaftliche Konsequenzen: Vermutlich wird die Entsorgung des Reaktors etwas teurer als geplant. Darüber hinaus ist bisher nichts eingetreten, was außerhalb des Sicherheitskonzeptes liegt.

Gruß, Martin

vonhaeften Offline



Beiträge: 48

13.03.2011 18:21
#50 RE: Die Deutschen und das Atom (8): Besessen von der Kernschmelze Antworten

Der Physiker Dr Josef Oehmen vom MIT in Boston hat es in seinem Artikel http://morgsatlarge.wordpress.com/2011/0...rs/#wpl-likebox auf den Punkt gebracht:

There was and will *not* be any significant release of radioactivity.

Kann ich nur dringend empfehlen!

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