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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 87 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Herr Offline




Beiträge: 406

09.05.2011 23:28
Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Durch die Achse bin ich auf das letzte Wort vom Sonntag gestoßen. Ich schäme mich für meine Kirche, zumindest für manche Leute in meiner Kirche. Hier meine Reaktion.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

09.05.2011 23:55
#2 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Mir ist Ihr Beitrag offen gestanden nicht ganz klar; das mag am abendlichen Alkoholpegel und dem Schlafmangel (ich habe einige Tage einer sehr unerfreulichen Interaktion hinter mir) liegen... Erklären Sie's mir, damit ich schlauer werde?

Mein eines Problem ist folgender Satz:

Zitat von Herr
An diesem Tag als Osama bin Laden starb, da ist ihnen Gerechtigkeit widerfahren.


Offen gestanden kann ich das nicht wirklich mit "Bergpredigt-Gerechtigkeit" in Einklang bringen. (Mit verschiedenen anderen Spielarten von Gerechtigkeit sehr wohl, beispielsweise mit "Ceterum censeo Carthaginem delendam esse"-Gerechtigkeit, aber wir sind ja hier beim christlichen Standpunkt.) Wem genau ist hier Gerechtigkeit widerfahren? Den Amerikanern, die nach der Nachricht von Bin Ladens Tod auf der Straße gefeiert haben? Den Opfern von 9/11? Ihren Angehörigen?

Und das andere Problem:

Zitat von Herr
Und das vollständige Ausblenden und Vergessen der biblischen und reformatorischen Lehre vom Staat, vom gerechten Krieg, und von der darin waltenden Nächstenliebe, die gerade diejenigen verteidigt, die Opfer menschlicher, ja teuflischer Bosheit zu werden drohen.


Können Sie vielleicht diese reformatorische Lehre kurz darlegen, oder Literatur empfehlen? Möglicherweise bin ich da zu sehr der katholischen Gnaden-Denke verhaftet, Sie wissen ja, "Ihr wisset weder den Tag noch die Stunde" und dergleichen, aber jemandem dermaßen plötzlich vom Leben zum Tod zu verhelfen, dass ihm kaum noch die Zeit für Reflektion und Reue verbleibt, und das auch noch fernab eines Schlachtfelds, auf dem man sich bewusst ist, dass der Tod mit jeder Kugel kommen kann, das kann ich wirklich nur unter Anwendung von Gewalt in ein Konzept des gerechten Kriegs pressen.

Schließlich - folgende Passage im von Ihnen verlinkten WzS gibt recht gut meine Ansicht wieder:

Zitat von Ulrich Haag
Und bitte, meine Damen und Herren Staatsoberhäupter, wenn es nicht anders ging, als einen Menschen zu töten, wollen wir hinterher kein Hurra hören. Sondern erwarten, dass sie aufrichtig und öffentlich eingestehen, dass wir mitunter Schuld auf uns laden müssen, um Schlimmeres zu vermeiden.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

09.05.2011 23:56
#3 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Oh, und der Nachtrag:

Zitat von Herr
Ich schäme mich für meine Kirche, zumindest für manche Leute in meiner Kirche.


Das könnte ich manchmal auch unterschreiben

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

10.05.2011 00:15
#4 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zum gezielten Töten etwas, das mich interessiert hat:

http://blog.talkingphilosophy.com/?p=2810

Herr Offline




Beiträge: 406

10.05.2011 00:33
#5 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von Gorgasal
Mein eines Problem ist folgender Satz:

Zitat von Herr
An diesem Tag als Osama bin Laden starb, da ist ihnen Gerechtigkeit widerfahren.


Offen gestanden kann ich das nicht wirklich mit "Bergpredigt-Gerechtigkeit" in Einklang bringen. (Mit verschiedenen anderen Spielarten von Gerechtigkeit sehr wohl, beispielsweise mit "Ceterum censeo Carthaginem delendam esse"-Gerechtigkeit, aber wir sind ja hier beim christlichen Standpunkt.) Wem genau ist hier Gerechtigkeit widerfahren? Den Amerikanern, die nach der Nachricht von Bin Ladens Tod auf der Straße gefeiert haben? Den Opfern von 9/11? Ihren Angehörigen?



Ich meinte eindeutig letztere. Vielleicht ist das durch den Absatz dazwischen verundeutlicht worden. Tut mir leid.

Und was, genau, ist Bergpredigt-Gerechtigkeit? Muss man da mehr hineininterpretieren als einfach die Sehnsucht der Menschen, die Unrecht leiden?

Zitat
Und das andere Problem:

Zitat von Herr
Und das vollständige Ausblenden und Vergessen der biblischen und reformatorischen Lehre vom Staat, vom gerechten Krieg, und von der darin waltenden Nächstenliebe, die gerade diejenigen verteidigt, die Opfer menschlicher, ja teuflischer Bosheit zu werden drohen.


Können Sie vielleicht diese reformatorische Lehre kurz darlegen, oder Literatur empfehlen?



Da schicke ich Sie einfach mal zu meinem alten Afghanistan-Artikel (Ab der ersten Trennlinie). Da habe ich ganz kurz Luthers Zwei-Reiche-Lehre referiert.

Zitat
aber jemandem dermaßen plötzlich vom Leben zum Tod zu verhelfen, dass ihm kaum noch die Zeit für Reflektion und Reue verbleibt, und das auch noch fernab eines Schlachtfelds, auf dem man sich bewusst ist, dass der Tod mit jeder Kugel kommen kann, das kann ich wirklich nur unter Anwendung von Gewalt in ein Konzept des gerechten Kriegs pressen.


Auf diese Sicht, man hätte ihm noch einen Priester schicken sollen, der ihm die Chance der Reue und Vergebung eröffnet, bin ich, ehrlich gesagt, nicht gekommen.

Zitat
Schließlich - folgende Passage im von Ihnen verlinkten WzS gibt recht gut meine Ansicht wieder:

Zitat von Ulrich Haag
Und bitte, meine Damen und Herren Staatsoberhäupter, wenn es nicht anders ging, als einen Menschen zu töten, wollen wir hinterher kein Hurra hören. Sondern erwarten, dass sie aufrichtig und öffentlich eingestehen, dass wir mitunter Schuld auf uns laden müssen, um Schlimmeres zu vermeiden.




Dass wir mitunter Schuld auf uns laden müssen, um Schlimmeres zu vermeiden, ist ja richtig. Aber auch nur wieder zum Teil. Es ist in dem Fall – wieder nach lutherischer Lehre – das Amt der Obrigkeit, mit Gewalt gegen die Bösen vorzugehen. Was für mich persönlich eine Sünde wäre: jemanden töten, und wenn es mein ärgster Feind wäre, ist für mich als Soldaten oder als Oberbefehlshaber geradezu geboten, mithin keine Sünde.

Zitat von Martin Luther: Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können
Ist denn das Schwert von Gott eingesetzt, um die Bösen zu strafen, Rechtschaffene zu schützen und den Frieden zu erhalten (Röm 13,1ff; 1Petr 2,13ff), so ist es auch stark genug bewiesen, dass Kriegführen und Würgen und was des Krieges Lauf und Recht mit sich bringt, von Gott eingesetzt ist. [...] Nun sieht es zwar nicht so aus, als ob Würgen und Rauben ein Werk der Liebe wäre. Deshalb mag ein Unwissender denken, es sei kein christliches Werk; es zieme sich auch nicht für einen Christen, es zu tun. Aber in Wahrheit ist es doch auch ein Werk der Liebe.



Herzlichen Gruß!
Herr

HStafo Offline



Beiträge: 43

10.05.2011 06:54
#6 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Ich bin vor ganz vielen Jahren aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Seither hat sich dieser Verein (ich sage das absichtlich respektlos) in einer Weise nach unten entwickelt, daß es mich nur noch graust. Dieses alltäglich Anbiedern an den Zeitgeist, dieses So-gut-Tun, dieses salbungsvolle Gedöns wie aus einer anderen Welt, dieses Mitmischen in politischen Fragen, dieses Verbiegen der eigentlichen Botschaften der Bibel, es ist nicht zum Aushalten. Aus meiner Sicht wird diese "Kirche" über kurz oder lang sich selbst überflüssig gemacht haben.

Entscheidend bei alledem aber ist: Sie vergißt letztlich den Menschen. Zentrale Aufgabe der Kirche ist das Kümmern um die Menschen, um ihre seelischen Befindlichkeiten und Nöte ("Seelsorge"). Das wird zumindest in weiten Teilen der evanglischen Kirche vergessen und durch Dritte-Welt-Gesänge ersetzt.

Würde sich der Staat hier nicht zum Büttel machen und Steuereintreibungsaufgaben für die Kirche übernehmen, wäre schon viel gewonnen. Dann würde dieser aufgeblasene Verein einfach in sich zusammenfallen.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

10.05.2011 07:44
#7 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von Herr

Zitat von Gorgasal
Mein eines Problem ist folgender Satz:

Zitat von Herr
An diesem Tag als Osama bin Laden starb, da ist ihnen Gerechtigkeit widerfahren.


Offen gestanden kann ich das nicht wirklich mit "Bergpredigt-Gerechtigkeit" in Einklang bringen. (Mit verschiedenen anderen Spielarten von Gerechtigkeit sehr wohl, beispielsweise mit "Ceterum censeo Carthaginem delendam esse"-Gerechtigkeit, aber wir sind ja hier beim christlichen Standpunkt.) Wem genau ist hier Gerechtigkeit widerfahren? Den Amerikanern, die nach der Nachricht von Bin Ladens Tod auf der Straße gefeiert haben? Den Opfern von 9/11? Ihren Angehörigen?



Ich meinte eindeutig letztere. Vielleicht ist das durch den Absatz dazwischen verundeutlicht worden. Tut mir leid.

Und was, genau, ist Bergpredigt-Gerechtigkeit? Muss man da mehr hineininterpretieren als einfach die Sehnsucht der Menschen, die Unrecht leiden?




Gerechtigkeit für die Opfer eines Terroranschlags auf ein großes Gebäude und für die Angehörigen: Mich interessiert in diesem Zusammenhang, wie Sie das Urteil gegen den Oklahoma-Attentäter Timothy McVeigh bewerten. In diesem Fall konnte der Attentäter ja lebend festgenommen werden und er stand dann vor Gericht. — Hilft das Urteil den Menschen, die getötet wurden? Hilft es den Hinterbliebenen, die heute noch leiden?

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

10.05.2011 08:14
#8 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von HStafo
Ich bin vor ganz vielen Jahren aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Seither hat sich dieser Verein (ich sage das absichtlich respektlos) in einer Weise nach unten entwickelt, daß es mich nur noch graust. Dieses alltäglich Anbiedern an den Zeitgeist, dieses So-gut-Tun, dieses salbungsvolle Gedöns wie aus einer anderen Welt, dieses Mitmischen in politischen Fragen, dieses Verbiegen der eigentlichen Botschaften der Bibel, es ist nicht zum Aushalten. Aus meiner Sicht wird diese "Kirche" über kurz oder lang sich selbst überflüssig gemacht haben.



Ich weiß nicht, ob Sie eine Antwort haben wollten. Ich stehe der Evangelischen Kirche auch kritisch gegenüber, aber ich bilde mir eine differenzierte Meinung.

In Dresden wird im Juni ein Kirchentag stattfinden, zu dem 100.000 Dauergäste und bis zu 300.000 Teilnehmer an Veranstaltungen erwartet werden. Überflüssig sieht anders aus. Ich sehe die Evangelische Kirche ganz pragmatisch (und natürlich im übertragenen Sinne) als eine Art Volkspartei. Unter ihrem Dach kann es viele Meinungen und Einstellungen geben. Kann man denn erwarten, dass gesellschaftliche Entwicklungen an der Kirche spurlos vorübergehen?

Zitat von HStafo
Entscheidend bei alledem aber ist: Sie vergißt letztlich den Menschen. Zentrale Aufgabe der Kirche ist das Kümmern um die Menschen, um ihre seelischen Befindlichkeiten und Nöte ("Seelsorge"). Das wird zumindest in weiten Teilen der evanglischen Kirche vergessen und durch Dritte-Welt-Gesänge ersetzt.



Auch das sehe ich sehr differenziert. Es gibt in Bezug auf die »Dritte Welt« von wirklich nachhaltigem Engagement bis zur Phrasendrescherei wohl jede Abstufung. Es gibt Menschen, die körperliche und geistige Arbeit hineinstecken, es gibt die unterschiedlichsten Arten der Geldspenden und es gibt auch unerträgliche Lippenbekenntnisse. Das Engagement für Arme in den Ländern der Dritten Welt kann mit Seelsorge an den hiesigen Gemeindemitgliedern sehr eng verbunden sein.

Zitat von HStafo
Würde sich der Staat hier nicht zum Büttel machen und Steuereintreibungsaufgaben für die Kirche übernehmen, wäre schon viel gewonnen. Dann würde dieser aufgeblasene Verein einfach in sich zusammenfallen.



Das bezweifle ich. Die Evangelische Kirche wäre dann eine neue und andere Gemeinschaft, aber sie würde keineswegs untergehen. Ich würde die konsequente Trennung von Staat und Kirche eher als Chance sehen.

Das gnadenlose Vorgehen gegen Bürger, die irgendwann in ihrem Leben aus der Kirche ausgetreten sind und das nach Jahrzehnten nicht mehr mit einem Schriftstück beweisen können, bringt der Evangelischen Kirche ganz wenig Geld, dafür aber negative Berichte und in der Konsequenz wohl eher Austritte als Eintritte.

Zitat von Frankfurter Allgemeine Zeitung, Dezember 2010 (Artikel hinter der Bezahlschranke):
Noch nach Jahrzehnten können Finanzämter von Konfessionslosen eine Bescheinigung über ihren Kirchenaustritt verlangen. Allein in Berlin kommt es darüber jährlich in 4000 Fällen zu Streit. Denn die Beweislast hat der Bürger.



In dem Artikel wurde damals beschrieben, wie im Auftrag der Evangelischen Kirche zum Beispiel Bürger behandelt werden, die aus westlichen Bundesländern in den Osten gekommen sind und nach Jahrzehnten keinen Beweis mehr vorlegen konnten: bürokratisch und gnadenlos. Und dafür tragen nicht die Finanzämter die Verantwortung, sondern der Auftraggeber des Kirchensteuereinzugs.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

10.05.2011 08:54
#9 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von vielleichteinlinker
Zum gezielten Töten etwas, das mich interessiert hat:

http://blog.talkingphilosophy.com/?p=2810



Liest sich ein bisschen wie 'tit for tat'. Trotzdem bleibt - in Ergänzung zu der Betrachtung - für mich im Zusammenhang mit bin Laden unbeantwortet, was ihn genau zum Kombatanten gemacht hat: Seine Videobotschaften? Reguläre Soldaten weisen sich durch Uniformen und Kennzeichen aus. Eine sichtbare Waffe kann u.U. einen Kombatanten auch noch identifizieren (als Unterscheidungsmerkmal allerdings schwierig in manchen Ländern). Aber Worte?

Gruß, Martin

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.05.2011 09:28
#10 Gesetzlose Kombattanten Antworten

Zitat von Martin
Trotzdem bleibt - in Ergänzung zu der Betrachtung - für mich im Zusammenhang mit bin Laden unbeantwortet, was ihn genau zum Kombatanten gemacht hat: Seine Videobotschaften? Reguläre Soldaten weisen sich durch Uniformen und Kennzeichen aus. Eine sichtbare Waffe kann u.U. einen Kombatanten auch noch identifizieren (als Unterscheidungsmerkmal allerdings schwierig in manchen Ländern). Aber Worte?

Osama Bin Laden war Kombattant, lieber Martin, nur ein gesetzloser. Der Begriff "Kombattant" wird in zwei Bedeutungen verwendet: 1. im engeren Sinn der Genfer Konvention als jemand, auf den die von Ihnen genannten Merkmale zutreffen; dann genießt er den Schutz der Genfer Konvention; 2. als gesetzloser Kämpfer (unlawful combattant), der weder Abzeichen noch sichtbar eine Waffe trägt. Er bleibt Kombattant, hat dann aber keine Rechte nach der Genfer Konvention.

Früher war für solche gesetzlosen Kämpfer der Begriff Partisan üblich; er ist aus der Mode gekommen, vielleicht, weil partisan im Englischen eine umfassendere Bedeutung hat. Partisanen durften noch im Zweiten Weltkrieg standrechtlich erschossen werden, sobald sie aufgegriffen worden waren; allein aufgrund ihres Status als Partisan.

Obama war nach damaligem Sprachgebrauch ein Partisan. Er war ein irregulärer feindlicher Kämpfer, der Freischärler befehligte - beispielsweise diejenigen, die den Angriff auf das World Trade Center flogen. Offenbar sind jetzt in seinem Haus Dokumente erbeutet worden, aus denen hervorgeht, daß er bis in jüngste Zeit an militärischen Operationen gegen die USA beteiligt gewesen war.

Zu gesetzlosen Kämpfern (unlawful combatants) siehe hier. Dazu, daß die Kaida den USA förmlich den Krieg erklärt hat, siehe diesen Beitrag von C..

Daß die Dschihadisten gar keine Kombattanten (in diesem weiteren Sinn) seien, sondern gewöhnliche Kriminelle, erscheint mir als eine willkürliche Konstruktion, die weder juristisch Sinn macht noch durch irgendwelche Faktent gestützt wird. Sie führen zweifelsfrei einen Krieg gegen die USA.

Daß Kriege seit 1945 anders geführt werden als zuvor - ohne Kriegserklärung, oft als Bürgerkriege, als Guerrillakriege, als asymmetrische Kriege - ändert ja nichts daran, daß es Kriege sind. Die Geschichte richtet sich nicht nach juristischen Normen.

Herzlich, Zettel

DasPio Offline



Beiträge: 26

10.05.2011 09:55
#11 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Ich danke Ihnen für das "Wort zu Montag".

Meine Zwei Gedanken zum Thema:
- Als bekennender Christ kann ich mich prinzipiell nicht über eine Ermordung freuen, da Gott alle Menschen gleich liebt
ABER auch
- Wir Christen sollen dem Staaat dienen, der (auch) die Aufgabe hat uns zu schützen vor Gefahren von anderen "Mächten"
-> Der Staat hat jetzt reagiert und einen schrecklichen Feind des Landes eliminiert (in einer chirogischen Kommandoaktion)
-> Der Staat hat also seine Pflicht erfüllt zum Schutz seiner Bürger

Ich bin jetzt einfach erleichtert das von diesen Mörder keine Gefahr mehr ausgeht und hoffe das viele seiner Opfer / Angehörige
jetzt Frieden finden können. Und genau so eine Äußerung fehlt beim Wort zum Sonntag von Ulrich Haag. Es geht ihm nicht um die
Opfer sondern nur um sein Ego das immer alles besser weiß. Schade.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

10.05.2011 09:56
#12 RE: Gesetzlose Kombattanten Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Martin
Trotzdem bleibt - in Ergänzung zu der Betrachtung - für mich im Zusammenhang mit bin Laden unbeantwortet, was ihn genau zum Kombatanten gemacht hat: Seine Videobotschaften? Reguläre Soldaten weisen sich durch Uniformen und Kennzeichen aus. Eine sichtbare Waffe kann u.U. einen Kombatanten auch noch identifizieren (als Unterscheidungsmerkmal allerdings schwierig in manchen Ländern). Aber Worte?


Osama Bin Laden war Kombattant, lieber Martin, nur ein gesetzloser.





Lieber Zettel,

das ist eine Behauptung. Was aber genau identifiziert ihn als solchen? Partisanen haben sich irgendwann dadurch identifiziert, dass sie auf Soldaten geschossen haben, mit Kugeln. Bin Laden ist m.W. solchermaßen nie in Erscheinung getreten. Er hat sich zwar in seinen Botschaften als Feind der USA bezeichnet, er hätte aber ja auch irgendein Großmaul sein können. Es gab die letzten zehn Jahre auch keine bei ihm gefundenen Unterlagen, die irgendwelche Beweiskraft gehabt hatten.

Mein Punkt ist: Wie einfach kann man jemanden zum gesetzlosen Kombattanten erklären? Man kann sich für einen tit for tat - Ansatz einigen, als Einzelner ist man aber ohne gerichtliche Klärung der Willkür des Eliminators ausgesetzt. Was hindert also Ghadafi daran, Sie und mich zum gesetzlosen Kombattanten zu erklären, weil wir hier die Bombardierung seiner Residenz gut geheissen und vielleicht noch dafür gespendet haben (bewusst übertrieben )?

Gruß, Martin

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

10.05.2011 10:07
#13 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von Herr
Und was, genau, ist Bergpredigt-Gerechtigkeit?


Ich zitiere einmal ein paar Verse:

Zitat von Mt 5
4 Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
5 Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
6 Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
7 Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
8 Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.


Die Passage mit der Gerechtigkeit ist umgeben von "keine Gewalt anwenden", "Barmherzigkeit", "reines Herz", "Frieden stiften". In diesem Kontext erscheint es mir ein wenig diskussionsbedürftig, dass den Angehörigen der 9/11-Opfer mit der Tötung Bin Ladens Gerechtigkeit im Sinne der Bergpredigt widerfahren sei... Und dass dieser Gerechtigkeitsbegriff sich doch stark von beispielsweise dem klassisch-römischen oder den diversen Fehde- und Blutgeldsystemen unterscheidet, erscheint mir offensichtlich.

Zitat von Herr
Muss man da mehr hineininterpretieren als einfach die Sehnsucht der Menschen, die Unrecht leiden?


Sehnsüchte sind schwierig. Bei Sehnsüchten würde ich dann doch darauf dringen, dass sie durch die Moral gezähmt und gebändigt werden, beispielsweise die Bergpredigt. Gerade wenn es darum geht, dass jemand Sehnsucht danach hat, dass jemand anders von SEALs vom Leben zum Tode gebracht wird.

Bei den Katholiken gibt es analog dazu die Pflicht zur Gewissensbildung: das Gewissen nicht von Natur aus korrekt in seinen Entscheidungen, und man kann seinem Gewissen die Zügel schießen lassen oder es auch mutwillig gehirnwaschen. Auch ein Michael Kohlhaas hat eine Sehnsucht nach der Gerechtigkeit und ist dabei mit seinem Gewissen im Reinen.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Herr Offline




Beiträge: 406

10.05.2011 10:20
#14 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von stefanolix
Gerechtigkeit für die Opfer eines Terroranschlags auf ein großes Gebäude und für die Angehörigen: Mich interessiert in diesem Zusammenhang, wie Sie das Urteil gegen den Oklahoma-Attentäter Timothy McVeigh bewerten. In diesem Fall konnte der Attentäter ja lebend festgenommen werden und er stand dann vor Gericht. — Hilft das Urteil den Menschen, die getötet wurden? Hilft es den Hinterbliebenen, die heute noch leiden?


Gute Frage, lieber stefanolix. Den Getöteten hilft es sicher nichts. Den Hinterbliebenen wahrscheinlich schon. Wobei ich sehr wohl der Meinung bin, dass nicht erst ein Todesurteil hilfreich gewesen wäre. Ich bin kein Anhänger der Todesstrafe.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.05.2011 10:22
#15 RE: Gesetzlose Kombattanten Antworten

Zitat von Martin

Zitat von Zettel

Zitat von Martin
Trotzdem bleibt - in Ergänzung zu der Betrachtung - für mich im Zusammenhang mit bin Laden unbeantwortet, was ihn genau zum Kombatanten gemacht hat: Seine Videobotschaften? Reguläre Soldaten weisen sich durch Uniformen und Kennzeichen aus. Eine sichtbare Waffe kann u.U. einen Kombatanten auch noch identifizieren (als Unterscheidungsmerkmal allerdings schwierig in manchen Ländern). Aber Worte?


Osama Bin Laden war Kombattant, lieber Martin, nur ein gesetzloser.





Lieber Zettel,

das ist eine Behauptung. Was aber genau identifiziert ihn als solchen? Partisanen haben sich irgendwann dadurch identifiziert, dass sie auf Soldaten geschossen haben, mit Kugeln. Bin Laden ist m.W. solchermaßen nie in Erscheinung getreten. Er hat sich zwar in seinen Botschaften als Feind der USA bezeichnet, er hätte aber ja auch irgendein Großmaul sein können. Es gab die letzten zehn Jahre auch keine bei ihm gefundenen Unterlagen, die irgendwelche Beweiskraft gehabt hatten.



Es geht, lieber Martin, um zwei Fragen: Erstens, welchen Status haben Dschihadisten wie beispielsweise diejenigen der Kaida? Ich hatte Ihren Beitrag, auf den ich geantwortet habe, so verstanden, daß Sie sich mit dieser Frage befaßt haben. Meine Antwort ist: Sie sind unlawful combattants, gesetzlose Kämpfer. Sie dürfen bekämpft werden wie jeder, der aktiv an einem Krieg teilnimmt, genießen aber nicht den Schutz der Genfer Konvention.

Jetzt thematisieren Sie die zweite Frage: War Bin Laden ein Dschihadist, war er ein Befehlshaber der Kaida? Diese Frage überrascht mich jetzt a bisserl. Gibt es denn daran wirklich Zweifel? Wenn Sie diese haben, dann finden Sie die erforderlichen Informationen in dem Artikel in der Wikipedia Militant activity of Osama bin Laden.

Herzlich, Zettel

Herr Offline




Beiträge: 406

10.05.2011 10:28
#16 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Lieber HStafo, ich kann Ihren Ärger über die Evangelische Kirche ja einerseits nachvollziehen. Aber, wie Stefanolix schon sagte: Das ist nicht die ganze Evangelische Kirche. Und Ihr folgendes Urteil kann ich einfach nicht bestätigen:

Zitat von HStafo
Entscheidend bei alledem aber ist: Sie vergißt letztlich den Menschen. Zentrale Aufgabe der Kirche ist das Kümmern um die Menschen, um ihre seelischen Befindlichkeiten und Nöte ("Seelsorge"). Das wird zumindest in weiten Teilen der evanglischen Kirche vergessen und durch Dritte-Welt-Gesänge ersetzt.


Ich kenne praktisch keine Pfarrer oder Kirchengemeinden, die sich nicht um die Menschen, ihre seelischen Befindlichkeiten und Nöte kümmern würden.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.05.2011 10:31
#17 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von Herr
Den Getöteten hilft es sicher nichts. Den Hinterbliebenen wahrscheinlich schon. Wobei ich sehr wohl der Meinung bin, dass nicht erst ein Todesurteil hilfreich gewesen wäre. Ich bin kein Anhänger der Todesstrafe.

Ich auch nicht, lieber Herr. Ich bin ein dezidierter Gegner der Todesstrafe, die ich für ein Relikt aus voraufklärerischer Zeit halte. Ich habe nie verstanden, wie man für die Todesstrafe als die äußerte Körperstrafe sein kann und nicht zugleich für die milderen Körperstrafen - Prügel, Amputationen usw.

Wie Sie sehe ich aber das Vorgehen gegen Bin Laden überhaupt nicht auf dieser Ebene des Strafens und der Gerechtigkeit.

Psychologisch mag das eine Rolle spielen, vor allem in den USA, ganz besonders natürlich bei den New Yorkern und denjenigen, die Opfer von 9/11 kannten oder mit ihnen verwandt waren.

Objektiv aber handelt es sich um eine Kommandoaktion innerhalb eins asymmtrischen Kriegs, den die Kaida gegen die USA führt und in dem die USA in der Rolle des Angegriffenen sind.

Ein hoher Kommandeur des Feindes wurde getötet; vollkommen legitim in einem Krieg. Daß statt eines Bombardements eine Kommandoaktion gewählt wurde, ändert nichts daran, daß es ein Kriegseinsatz war; er wurde ja auch von regulären Soldaten durchgeführt.

Herzlich, Zettel

Martin Offline



Beiträge: 4.129

10.05.2011 10:44
#18 RE: Gesetzlose Kombattanten Antworten

Zitat von Zettel
Jetzt thematisieren Sie die zweite Frage: War Bin Laden ein Dschihadist, war er ein Befehlshaber der Kaida? Diese Frage überrascht mich jetzt a bisserl. Gibt es denn daran wirklich Zweifel? Wenn Sie diese haben, dann finden Sie die erforderlichen Informationen in dem Artikel in der Wikipedia Militant activity of Osama bin Laden.

Herzlich, Zettel



Lieber Zettel,

"gibt es daran wirklich Zweifel?" als Frage an mich als Individuum: Es gibt nun mal keine mir zugängliche gerichtliche Feststellung. Der von Ihnen referenzierte Wikipedia Beitrag fasst die Situation ja schon am Anfang zusammen:

Zitat
He has been indicted in United States federal court for his alleged involvement in the 1998 U.S. embassy bombings in Dar es Salaam, Tanzania and Nairobi, Kenya, and is on the U.S. Federal Bureau of Investigation's Ten Most Wanted Fugitives list.

Although bin Laden has not been indicted[4] for the September 11, 2001 attacks, he has claimed responsibility for them[5] in videos released to the public.[6]



Ich habe die wesentlichen Aussagen fett hervorgehoben. Vor einem ordentlichen Gericht ist das erst mal eine schwache Ausgangsposition: Vermutungen und vielleicht Behauptungen eines Großmauls? Beim letzteren könnte man ja argumentieren, 'selbst Schuld', wenn der Mann sich so auf die Fahndungsliste redet. Trotzdem, ich meine, damit ist zwar gerechtfertigt auf die internationale Fahndungsliste zu kommen, aber reicht das zur Erklärung zum gesetzlosen Kombattanten?

Vor allem, wer legt die Schwelle dazu fest? Das ist m.E. in dieser Diskussion die Schlüsselfrage, wenn es um Wildwestmethoden geht. Die Schlüsselfrage ist weniger, ob ein gesetzloser Kombattant im 'tit for tat'-Verfahren liquidiert werden darf.

Gruß, Martin

Herr Offline




Beiträge: 406

10.05.2011 10:44
#19 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von Gorgasal
Sehnsüchte sind schwierig. Bei Sehnsüchten würde ich dann doch darauf dringen, dass sie durch die Moral gezähmt und gebändigt werden, beispielsweise die Bergpredigt. Gerade wenn es darum geht, dass jemand Sehnsucht danach hat, dass jemand anders von SEALs vom Leben zum Tode gebracht wird.


"Sehnsucht" war meine Übersetzung für die Metapher "hungern und dürsten nach ..."

Grundsätzlich stimme ich Ihnen auch zu. Nur können wir uns schlecht hinstellen und eine solche evangelische Moral von anderen einfordern. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn einem ein Familienangehöriger (Frau, Tochter, Mutter) weggebombt wird. Mir ist es ja auch nicht angenehm, wenn die Tötung eines Menschen gefeiert wird. Aber es von einer erhöhten moralischen Warte aus zu verurteilen, finde ich noch schlimmer. Und deshalb habe ich diesen Bergrpredigtsatz sozusagen mal vom Himmel auf die Erde geholt.

RichardT Offline




Beiträge: 287

10.05.2011 10:50
#20 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Der Pfarrer hat in seinem Wort zum Sonntag gewünscht Präsident Obama solle sich in Verantwortung vor dem verbeugen der allein Leben und Tod in Händen hält.
Der Präsident hat aufrecht (bildlich gesprochen) die Verantwortung OBL wieder genommen und dem der sie haben sollte zurückgegeben.
Das ist das Wichtigste an der ganzen Aktion. das Gerede über Versühnung und liebe deinen Nächsten hilft nichts mehr, wenn der Nächste mehrmals bewiesen hat, daß er von christlichen Grundsätzen nichts hält.



Schuld und Sühne, manchmal eine sehr theoretische Diskussion.

Gerade bei der Diskussion um OBLs Tod wird viel über Gerechtigkeit geredet.
Sehr viel wird über die Frage referiert ob man OBL einfach hinrichten durfte. Die Frage wie es seinen Opfern geht - und dazu zähle ich auch die Angehörigen der Toten - stellt kaum jemand.
Natürlich ist es archaisch und die reine Rache. Aber das Opfer einer Straftat möchte daß auch der Täter seine Strafe bekommt. Das braucht das Opfer um zur Ruhe zu kommen. Denn selber zu leiden und zu wissen, daß der der an dem Leid Schuld hat fröhlich und unbehelligt lebt ist furchtbar.
Den Ausgleich zwischen dem Bedürfnis nach Rache und dem Recht des Täters zu finden ist Aufgabe des Staates.
In Deutschland ist meiner Meinung nach in den letzten jahren viel zu viel über die Rechte der Täter gesprochen worden und die Opfer die sollen immer nur zivilisiert sein und vergeben. Wehe wenn sie das nicht tun. Dabei wird nur eines vergessen: Der Täter handelte bewusst. Er wollte Täter werden. Das Opfer hat sich seine Rolle nicht ausgesucht. Aber von ihm wird jetzt erwartet menschlich und rechtsstaatlich zu handeln. Verlangt man danicht etwas viel?

Herr Offline




Beiträge: 406

10.05.2011 10:51
#21 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von Zettel
Ein hoher Kommandeur des Feindes wurde getötet; vollkommen legitim in einem Krieg. Daß statt eines Bombardements eine Kommandoaktion gewählt wurde, ändert nichts daran, daß es ein Kriegseinsatz war; er wurde ja auch von regulären Soldaten durchgeführt.


Das habe ich praktisch vorausgesetzt. Mir ging es überhaupt nicht um die rechtliche Legitimation; die ist ja hier zur Genüge diskutiert worden. Mir ging es um die ethische Urteilsbildung und darum, was christlich-religiöse Deutung dazu beitragen kann oder eben nicht.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

10.05.2011 10:54
#22 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von Herr

Zitat von Gorgasal
Sehnsüchte sind schwierig. Bei Sehnsüchten würde ich dann doch darauf dringen, dass sie durch die Moral gezähmt und gebändigt werden, beispielsweise die Bergpredigt. Gerade wenn es darum geht, dass jemand Sehnsucht danach hat, dass jemand anders von SEALs vom Leben zum Tode gebracht wird.


"Sehnsucht" war meine Übersetzung für die Metapher "hungern und dürsten nach ..."



Und meine Entgegnung bleibt vollumfänglich bestehen.

Zitat von Herr
Grundsätzlich stimme ich Ihnen auch zu. Nur können wir uns schlecht hinstellen und eine solche evangelische Moral von anderen einfordern. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn einem ein Familienangehöriger (Frau, Tochter, Mutter) weggebombt wird.


Ich verstehe, was Sie meinen. Aber ist es die Aufgabe des Christentums, in so einem Fall in den "gut, dass er weg ist"-Chor einzustimmen? Sollte man nicht - bei allem Verständnis für die Gefühle der Hinterbliebenen - darauf hinweisen, dass das Vorgehen in christlicher Sicht problematisch ist? Und wenn man sich damit unbeliebt macht - ist das ein Gegenargument? Gerade deswegen gefiel mir ja auch diese Passage im WzS so gut:

Zitat
Und bitte, meine Damen und Herren Staatsoberhäupter, wenn es nicht anders ging, als einen Menschen zu töten, wollen wir hinterher kein Hurra hören. Sondern erwarten, dass sie aufrichtig und öffentlich eingestehen, dass wir mitunter Schuld auf uns laden müssen, um Schlimmeres zu vermeiden.



Zitat von Herr
Mir ist es ja auch nicht angenehm, wenn die Tötung eines Menschen gefeiert wird. Aber es von einer erhöhten moralischen Warte aus zu verurteilen, finde ich noch schlimmer.


Hm. Gedankenexperiment: in welcher Situation würden Sie mir denn zubilligen, Obamas Entscheidung zu kritisieren? Dürfte ich das nur als 9/11-Hinterbliebener?

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Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Herr Offline




Beiträge: 406

10.05.2011 11:04
#23 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat von RichardT
das Gerede über Versühnung und liebe deinen Nächsten hilft nichts mehr, wenn der Nächste mehrmals bewiesen hat, daß er von christlichen Grundsätzen nichts hält.


Lieber RichardT, die Frage ist doch: "Wer ist mein Nächster?" – Die Staatsbürger, für die 'ich' als Präsident Verantwortung trage, oder ein Terroristenführer in Pakistan?

Zitat von RichardT
Natürlich ist es archaisch und die reine Rache. Aber das Opfer einer Straftat möchte daß auch der Täter seine Strafe bekommt. Das braucht das Opfer um zur Ruhe zu kommen. Denn selber zu leiden und zu wissen, daß der der an dem Leid Schuld hat fröhlich und unbehelligt lebt ist furchtbar.


Zum Thema "Rache" empfehle ich diesen Artikel.

Im übrigen stimme ich Ihnen zu.

RichardT Offline




Beiträge: 287

10.05.2011 11:17
#24 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Mit dem Nächsten ist hier der gemeint der mich bedroht. Und den ich lieben soll. Aber zuerst muß ich mich und meine Angehörigen vor der Bedrohung schützen. Dann kann ich über Liebe reden.


Zu Ihrem zweiten Zitat: Ich sehe keinen Widerspruch. Wenn ich etwas falsch verstehe bitte ich um Aufklärung, genauso wenn was von mir geschriebenes anders als gemeint ankam.

Danke

Herr Offline




Beiträge: 406

10.05.2011 11:30
#25 RE: Wort zum Sonntag - Wort zum Montag Antworten

Zitat
Hm. Gedankenexperiment: in welcher Situation würden Sie mir denn zubilligen, Obamas Entscheidung zu kritisieren? Dürfte ich das nur als 9/11-Hinterbliebener?


Vielleicht nicht mal das, lieber Gorgasal! Als 9/11-Hinterbliebener könnte ich sinngemäß sagen: "Mr President, für mich hätten Sie das nicht tun müssen. Ich habe ihm vergeben. Ich habe für ihn gebetet, dass er zur Einsicht kommt. - Aber: Für die Angehörigen der anderen 3.000 Toten, für das amerikanische Volk und für die freie Welt haben Sie richtig gehandelt."

Die Ethik der Bergpredigt wird immer dann problematisch, wenn Dritte mit einbezogen sind. Für mich selber soll ich die andere Backe hinhalten und jedes Unrecht willig annehmen. Für meinen Nächsten darf ich das nicht. Ich muss ihn schützen, verteidigen, für ihn kämpfen.

Und ich darf in einer Welt, die nicht nur aus gläubigen Christen besteht, nicht voraussetzen, dass andere sich nach der Ethik Jesu richten.

Es ist schon interessant, wie sehr konfessionelle Traditionen prägen. Für Sie ist die Ethik der Bergpredigt so etwas wie eine Verfeinerung der natürlichen Ethik (Schärfung des Gewissens sagten Sie, glaube ich). Für mich ist sie die Wirkung der Gnade, die der Hl. Geist bewirkt, die aber an sich menschenunmöglich ist.

Herzlichen Gruß!
Herr

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