Nein, sozialistische Regierungen sind nicht der alleinige Faktor bei den wirtschaftlichen Problemen Spaniens und Portugals; aber sie sind doch auch ein Faktor, und ein oft übersehener.
Erstens zu Spanien: Spanien hat zwar ein Finanzproblem. Allerdings ist dies KEIN Problem der Staatsfinanzen. Diese sind sogar im Euro-Vergleich sehr solide mit aktell 60% des BIP (Vergleich Deutschland: 83%). Das spanische Finanzproblem sind vielmehr die hohe Verschuldung der spanischen Banken und Privaten. Ausgelöst durch einen extremen Bauboom (der seine Wurzel wiederum im für Spanien zu niedrigen Zinsniveau hatte und somit auf einen Konstruktionsfehler des Euro zurück geführt werden kann).
Ich schreibe dies nur, weil man bei der Diskussion über die Euro-Krise immer wieder den Eindruck hat, dass alle "PIGS"-Staaten in einen Topf geworfen werden. Dabei sind die Probleme den Staaten jeweils verschieden, ebenso wie die Ursachen und wie die Lösungs-Möglichkeiten. (Zum Beispiel würde im Fall Spanien der für Griechenland diskutierte Haircut nichts bringen sondern lediglich das Banken.-Problem verschärfen).
Zweitens zu "Abwahl wirtschaftlich erfolgloser Regierungen": Ich bin eigentlich immer wieder überrascht, wie wenig wichtig dieser Effekt faktisch ist. Bestes Beispiel die letzten Landtagswahlen: Das erfolgreichste Bundesland Baden-Württemberg wählt seine Regierung ab. Das wirtschaftlich deprimierend erfolglose Bremen bestätigt die SPD-Regierung. Württemberg war meinetwegen noch ein Sonderfall.
Aber Bremen ist wirklich krass: Das einzige Bundesland, in dem eine Partei von 1949-2011 durchregieren durfte. Und zwar mit katastrophaler Leistungsbilanz (die Arbeitslosenquote ist in Bremen mittlerweile höher als in fast allen ostdeutschen Bundesländern. Das Wirtschaftswachstum ist seit langem unterdurchschnittlich. Auch im Vergleich mit den anderen Stadtstaaten Hamburg und selbst Berlin fällt Bremen seit Jahren immer weiter zurück. Die Pisa-Ergebnisse sind die schlechtesten der Repuplik - auch schlechter als in den anderen Stadtstaaten. usw.usw.).
All dies hat aber nicht dazu geführt, dass die Weiterführung der SPD-Regierung bei der letzten Wahl auch nur fraglich gewesen wäre. Die sitzt da felsenfest im Sattel. Ist doch eigentlich komplett unverständlich, wenn man davon ausgeht, dass Wähler sich bei ihrer Wahl an vergangenem Regierungshandeln orientieren.
Spanien ist in der Tat ein Fall, bei dem man sich fragt, wem man eigentlich die Schuld geben soll - nicht nur an der sogenannten Schuldenkrise des Staates, sondern auch an der hohen Arbeitslosigkeit usw.
Das spanische Wirtschaftswunder dauerte ca. von 2000 bis 2008. Ein Teil davon fiel in die Amtszeit von JM Aznar (den ich als konservativ, aber nicht als liberal bezeichnen würde), dessen Partido Popular im ökonomischen Bereich durchaus ordentlich regiert hat. Der andere Teil davon fiel in die Amtszeit von Rodriguez Zapatero, dessen PSOE sich im ökonomischen Bereich (zumindest bis 2008) auch keine größeren Fehltritte leistete.
So enwickelte sich das Staatsdefizit denn auch sehr ordentlich. Hier eine Reihe des Finanzierungssaldos des Staates in Prozent des BIP, beginnend mit dem Jahr 1998, endend mit dem Jahr 2010: -3.2 -1.4 -1.0 -0.6 -0.5 -0.2 -0.3 1.0 2.0 1.9 -4.2 -11.1 -9.2
Wie man sieht, konsolidierte Spanien auch unter Zapatero weiter, bis zum Crashjahr 2008. Da traf Spanien nicht nur der internationale Konjunktureinbruch, sondern auch der nationale Verfall der Immobiliennachfrage - bei der Bedeutung des Bausektors für Spanien eine harte links-rechts-Kombination. Dies deutet bereits an, wo die wahren Versäumnisse der spanischen Volkswirtschaft lagen: Der Bausektor war als konjunkturelles Standbein extrem einflussreich, was wunderbar war, solange die Wohnungsnachfrage boomte. Diese NAchfrage war aber nicht nachhaltig durchzuhalten, sondern von einigen Sonderfaktoren getrieben, deren Laufzeit begrenzt sein musste. Aber mal ehrlich: Wer hätte diese prächtig laufende Baumaschine aufhalten können? Wer hätte daran überhaupt ein Interesse gehabt?
Nebenbemerkung: "Die Anschläge von Madrid brachten die PSOE an die Macht." Das ist nicht falsch. Richtiger wäre es zu sagen: Die Anschläge von Madrid und das sofort beginnende Abwiegeln der PP, es handle sich auf keinen Fall um einen islamistisch motivierten Anschlag, begleitet von einem mantraartig wiederholten "Es war die ETA", führten zu einem extremen Vertrauensverlust in die PP. Dieser Vertrauensverlust brachte die PSOE an die Macht.
Zitat von FlorianZweitens zu "Abwahl wirtschaftlich erfolgloser Regierungen": Ich bin eigentlich immer wieder überrascht, wie wenig wichtig dieser Effekt faktisch ist. [...] Ist doch eigentlich komplett unverständlich, wenn man davon ausgeht, dass Wähler sich bei ihrer Wahl an vergangenem Regierungshandeln orientieren.
1. ist es scheinbar rational, nach vorne zu sehen. Man möchte mit der Stimmabgabe die Zukunft gestalten, nicht über Vergangenes beckmessern. Also vergleicht man lieber Hoffnungen und Befürchtungen, statt Ergebnisse zu bewerten. 2. Schlechte Regierungen abzuwählen bringt nur dann etwas, wenn man nicht allzu schlechte Regierungen wiederwählt: es ergibt ja keinen Sinn, jede Regierung sofort wieder abzuwählen, denn dann werden sich die Amtsträger kaum viel Mühe geben. In vielen Diskussionen hört oder liest man, eine Partei, bei der jemand dies-oder-das gesagt habe, sei unwählbar. Wer so denkt, wird kaum dazu beitragen, daß wir mittelfristig bessere Regierungen bekommen. In diesem Sinne setzt das Verfahren eine Beurteilung mit Augenmaß voraus, was keinen Spaß macht. 3. verlangt die Technik des Abwählens sehr viel Vertrauen in die parlamentarische Demokratie; man muß den Glauben haben, daß die politisch ferner stehenden Parteien das Land nicht gleich ruinieren werden, wenn sie mal ein paar Jahre an der Macht sind. Vermutlich ist es mit solchem Vertrauen nicht sehr weit her. (Ich habe es übrigens; z.B. würde ich am nächsten Sonntag die SPD wählen, weil ich von den Leistungen der jetzigen Regierung enttäuscht bin - ohne mir davon kurzfristig etwas Positives zu erwarten. Ich glaube indessen nicht, daß viele Zimmerleute hier eine solche Wahlentscheidung gutheißen würden.)
Zitat Die gegenwärtige Regierung ist Teil des Problems, das die spanische Wirtschaft (und mit ihr der Euroraum) hat. Dem spanischen Ministerpräsidenten fehlt, anders als seinen Vorgängern González und Aznar, das Grundverständnis dafür, wie Wirtschaft funktioniert. Dass die Rückkehr zu einem stetigen Wachstumspfad nur durch eine langfristig ausgerichtete, in sich schlüssige Wirtschaftspolitik und nur mit adäquaten Anreizen für unternehmerische Investitionen und die Leistungsbereitschaft des Einzelnen möglich ist, das versteht Zapatero nicht. Es interessiert ihn auch nicht wirklich. Wichtiger als die Ökonomie ist für ihn, die spanische Gesellschaft im Sinne sozialistsicher Fortschrittsideen zu verändern und den Sozialstaat auszubauen, ohne auf kontraproduktive Anreizwirkungen zu achten und schon gar nicht auf die fiskalischen Kosten (die sich auf jährlich zig-Milliarden akkumuliert haben).
Ich schätze Prof. Donges als Ökonom sehr. Seine Analyse der Entwicklung der spanischen Krise ist im Großen und Ganzen schlüssig. Seine Kritik an Zapatero mag berechtigt sein, er untermauert sie in seinem Text nur wenig.
Ich frage mich insbesondere: Wer hätte diese Entwicklung stoppen können? Von wem hätte man erwarten können, diese Entwicklung überhaupt stoppen zu wollen?
"Das erfolgreichste Bundesland Baden-Württemberg wählt seine Regierung ab."
Das tut es ja nicht wegen des wirtschaftlichen Erfolges, sondern wegen eines Staatsprojektes, das teils allzu autokratisch verkauft wurde und das die Vorlage für populistische Manöver derjenigen Partei bot, die nun den MP stellt.
"Aber Bremen ist wirklich krass: Das einzige Bundesland, in dem eine Partei von 1949-2011 durchregieren durfte. Und zwar mit katastrophaler Leistungsbilanz."
Da ist das Argument doch simpel: "Mit den andern wär es noch viel schlechter." Die SPD hat eben das Image, ob zu Recht oder nicht, sich für die "kleinen Leute" einzusetzen. Für die hohen Arbeitslosenzahlen usw. kann man eben viele Ursachen finden: Renditegeile Unternehmer, die die Betriebe ins Ausland verlagern, Pech usw. Vielleicht war die Wirtschaftsförderung in BRemen nicht optimal? Kaum zu beweisen,und: Was zählt das, wenn Henning Scherf ein sympathischer Mann war, der mit dem Fahrrad ins Rathaus fuhr. Und der dank des bündischen Prinzips seinen Haushalt durch Milliarden-Sonderzahlungen des Bundes aufgefüllt bekam.
Zitat von Westfale"Das erfolgreichste Bundesland Baden-Württemberg wählt seine Regierung ab."
Das tut es ja nicht wegen des wirtschaftlichen Erfolges, sondern wegen eines Staatsprojektes, das teils allzu autokratisch verkauft wurde und das die Vorlage für populistische Manöver derjenigen Partei bot, die nun den MP stellt.
Manchmal wird eine Regierung wegen wirtschaftlichen Mißerfolgs abgewählt, wie gestern die von José Sócrates. Aber umgekehrt ist eine Regierung, die wirtschaftlich erfolgreich ist, keineswegs vor einer Abwahl sicher.
Eher im Gegenteil: Wenn die Leute sich, wie in BW, über Jahrzehnten an den Wohlstand gewöhnt haben, halten sie ihn für selbstverständlich. Da es ihnen wirtschaftlich gut geht, können sie ruhig emotional und ideologisch wählen.
Stuttgart21 dürfte eine Rolle gespielt haben. Eine größere möglicherweise aber Fukushima. In den Umfragen waren ja vor Fukushima die Grünen wieder abgesackt gewesen, und Mappus hatte gute Aussichten auf einen Sieg gehabt.
Zitat von Westfale"Aber Bremen ist wirklich krass: Das einzige Bundesland, in dem eine Partei von 1949-2011 durchregieren durfte. Und zwar mit katastrophaler Leistungsbilanz."
Da ist das Argument doch simpel: "Mit den andern wär es noch viel schlechter." Die SPD hat eben das Image, ob zu Recht oder nicht, sich für die "kleinen Leute" einzusetzen.
Was ja für die Wähler der Grünen und der SPD durchaus rational gedacht ist. Eine unionsgeführte Regierung, die Bremen wirtschaftlich voranbringen wollte, müßte bei den sozialen Wohltaten kürzen. Andererseits bleiben diese unter der SPD erhalten oder werden weiter ausgebaut; das Defizit regelt ja der Länderfinanzausgleich.
Und wer leistungsbereit ist, der zieht weg. Nach Niedersachsen ist es ja nicht so weit.
"Das erfolgreichste Bundesland Baden-Württemberg wählt seine Regierung ab."
Nun ja die FDP hat hier halt Ihre Rechnung bekommen und alleine ist die CDU allemale zu schwach irgendetwas zu schaffen. Wahrscheinlich wäre die CDU glücklicher wenn Sie mit der großen Koalition weiter machen könnte. Die FDP spielt ja bei den "Ausstiegsplänen" keine Rolle mehr. Warum auch die FDP schafft sich selbst ab und da muß man halt als CDU sehen wo man bleibt. Also versucht man es mit den Parteien die noch verbleiben....
Zettel: "Was ja für die Wähler der Grünen und der SPD durchaus rational gedacht ist. Eine unionsgeführte Regierung, die Bremen wirtschaftlich voranbringen wollte, müßte bei den sozialen Wohltaten kürzen. Andererseits bleiben diese unter der SPD erhalten oder werden weiter ausgebaut; das Defizit regelt ja der Länderfinanzausgleich."
Schon klar. Das ist ja genau das, worauf ich hinaus wollte: Es ist eben nicht so, dass es für Wähler (aus ihrer individuellen Sicht) in jedem Fall sinvoll ist, eine schlecht wirtschaftende Regierung abzuwählen.
Speziel dann, wenn man die Hoffnung hat, dass jemand anders die Rechnung bezahlen wird.
In sofern war - um auf Ihren Beitrag zurück zu kommen - eben auch keinesfalls zwangsläufig, dass die Portugiesen ihre Regierung abwählen. Zumindest nicht, so lange sie darauf spekulieren können, dass die deutsche Bundesregierung sich irgendwie um die portugiesischen Staatsschulden kümmern wird...
Ich will nicht widersprechen, dass im allgemeinen konservative oder liberale Regierungen eine bessere Wirtschafts-und Finanzpolitik als sozialistische oder sozialdemokratische Regierungen machen. Allerdings ist dies wahrlich nicht immer so. Letztendlich machen auch konservativ-liberale Regierungen eine Menge Unsinn, wenn Sie hinreichend viel Geld zur Verfügung haben und andererseits sparen auch sozialistische Regierungen, wenn es notwendig ist. Hier wurde ja schon die Sparmaßnahmen in den 80ern in Frankreich genannt. Spanien und Griechenland sind aber eher Gegenbeispiele. Unter Zapatero wurde bis 2007 ein erheblicher Haushaltsüberschuß erwirtschaftet. Die Finanzkrise und das Platzen der Immobilienblase kann man auch keinen Sozialisten in die Schuhe schieben. Und ab 2010 hat die Regierung Zapatero massiv gespart und viele Reformen auf den Weg gebracht (Arbeitsmarkt, Renten, Sparkassen...), die viele Neoliberale erbleichen lassen. Den verkrusteten Arbeitsmarkt hat die Regierung Aznar zumindest nicht aufgebrochen. Noch massiver die Diskrepanz in Griechenland. Die ND-Regierung hat bis 2010 die Verschuldung und die Ausgaben expoldieren lassen und die Bücher gefälscht. Die aktuelle PASOK-Regierung hat ein Spar- und Reformprogramm auf den Weg gebracht, das international beispiellos ist.
Zitat von FriedrichAllzu wahr darum ist ja auch heute zur Wahl gehen vergebliche Mühe. Man bekommt öko-sozialistisch-grüne-politsich-korrekte Einheitspampe....
Keineswegs. Wer die "Einheitspampe" schätzt, tut gut daran, sie mit seiner Stimme zu unterstützen. Wer sie ablehnt, tut gut daran, die jeweilige Regierung abzuwählen, um den Konsens zu ermüden, und den Parteien einen Anreiz zu geben, durch Profilierung Wähler fester an sich zu binden.
Keineswegs. Wer die "Einheitspampe" schätzt, tut gut daran, sie mit seiner Stimme zu unterstützen. Wer sie ablehnt, tut gut daran, die jeweilige Regierung abzuwählen, um den Konsens zu ermüden, und den Parteien einen Anreiz zu geben, durch Profilierung Wähler fester an sich zu binden.
Ich hoffe ich verstehe Sie da richtig. Also wenn jetzt im Augenblick (noch) Schwarz/Gelb regiert dann sollte bei der nächsten Wahl grün oder rot gewählt werden. Wenn wie hier in BW gerade grün/rot regiert sollte man CDU oder was anderes wählen? Interessanter Ansatz dazu habe ich nur eine Frage wie soll ich das mit meiner politischen Einstellung unter einen Hut bekommen?
Bei der BW Wahl habe ich mir mit der Abgabe eines "leeren" Zettels geholfen. Obwohl ich am liebsten drauf geschrieben die SED 2.0 Parteien lehne ich alle ab....
Zitat Bei der BW Wahl habe ich mir mit der Abgabe eines "leeren" Zettels geholfen. Obwohl ich am liebsten drauf geschrieben die SED 2.0 Parteien lehne ich alle ab....
Warum hast du, dass nicht drauf geschrieben? So etwas ähnliches habe ich tatsächlich mal auf einen Wahlzettel gepackt. Nachdem ich zu dem Schluss gekommen bin, dass auch eine 1:1 Umsetzung des FDP-Landtagwahlprogramms kein Schritt in die richtige Richtung wäre.
Zitat Bei der BW Wahl habe ich mir mit der Abgabe eines "leeren" Zettels geholfen. Obwohl ich am liebsten drauf geschrieben die SED 2.0 Parteien lehne ich alle ab....
Warum hast du, dass nicht drauf geschrieben? So etwas ähnliches habe ich tatsächlich mal auf einen Wahlzettel gepackt. Nachdem ich zu dem Schluss gekommen bin, dass auch eine 1:1 Umsetzung des FDP-Landtagwahlprogramms kein Schritt in die richtige Richtung wäre.
Das gibt mir die Gelegenheit, etwas zu fragen, das ich immer schon einmal jemanden fragen wollte: Was bezwecken Menschen damit, sich zum Wahllokal zu bemühen, dann aber doch nicht zu wählen, sondern einen leeren Stimmzettel abzugeben, oder gar einen, auf dem sie ihrem Herzen Luft gemacht haben?
Ich kann verstehen, daß für jemanden das Wählen nicht die Mühe wert ist und er ergo zu Hause bleibt. Aber diess Ungültigwählen kann ich nicht nachvollziehen.
Den Wahlvorstand interessiert den Teufel, was da drauf steht. Ich habe das Jahrelang gemacht: Man will ja schnell mit dem Zählen fertig werden. Man liest das also oft gar nicht, was da einer geschrieben hat. Jeder Zusatz macht den Wahlzettel ungültig, also ab auf den Stapel "ungültig".
Also, den Wahlvorstand können Sie damit nicht beeindrucken, lieber Michel. Und andere? Der Prozentsatz der ungültigen Stimmen taucht zwar im vorläufigen amtlichen Endergebnis auf, wird aber (zu Recht) von der Öffentlichkeit überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.
Also nochmal meine Frage: Warum haben Sie das gemacht? Warum macht es überhaupt jemand?
Zitat von ZettelAlso nochmal meine Frage: Warum haben Sie das gemacht? Warum macht es überhaupt jemand?
Selbst hab ich es noch nicht getan, aber ich denke es ist die Alternative zum Nichtstun und Nichtwählen. Man beeindruckt damit zwar niemanden aber man hat wenigstens seinen Unmut aktiv kund getan anstatt sich passiv zuhause zu ärgern.
Ein bisschen vergleichbar damit, wenn man vor Ärger über etwas aus Radio oder Fernsehen auf den Tisch haut. Beeindruckt ist schlimmstensfalls der Tisch ... oder die Hand aber der Dampf ist ein wenig abgelassen.
Zitat von ZettelAlso nochmal meine Frage: Warum haben Sie das gemacht? Warum macht es überhaupt jemand?
Selbst hab ich es noch nicht getan, aber ich denke es ist die Alternative zum Nichtstun und Nichtwählen. Man beeindruckt damit zwar niemanden aber man hat wenigstens seinen Unmut aktiv kund getan anstatt sich passiv zuhause zu ärgern.
Ein bisschen vergleichbar damit, wenn man vor Ärger über etwas aus Radio oder Fernsehen auf den Tisch haut. Beeindruckt ist schlimmstensfalls der Tisch ... oder die Hand aber der Dampf ist ein wenig abgelassen.
Mag sein, lieber Elmar. Aber wenn man mit der Faust auf den Tisch haut (ich bevorzuge einen kurzen Kraftausdruck, denn unter einem Faustschlag würde vor allem meine Faust leiden), dann ist das doch eine unmittelbare Reaktion; ein angestauter Affekt macht sich Luft. Danach hat man sich wieder unter Kontrolle.
Aber diesen Aufwand zu treiben, das verstehe ich nicht: Sich zum Wahllokal zu bemühen, die ganze Prozedur zu absolvieren, und das für ein Ergebnis, das man ebenso durch Zuhausebleiben hätte erreichen können - man hat darauf verzichtet, auf das Wahlergebnis Einfluß zu nehmen.
Manchmal habe ich mir gedacht: Ob diejenigen, die das machen, sich vorstellen, daß irgendwie Merkel oder Wowereit etc. ihren Stimmzettel kriegen, das lesen und beeindruckt sind?
So, wie Kinder glauben, daß ihr weihnachtlicher Wunschzettel vom Christkind gelesen wird?
Zitat von ZettelDas gibt mir die Gelegenheit, etwas zu fragen, das ich immer schon einmal jemanden fragen wollte: Was bezwecken Menschen damit, sich zum Wahllokal zu bemühen, dann aber doch nicht zu wählen, sondern einen leeren Stimmzettel abzugeben, oder gar einen, auf dem sie ihrem Herzen Luft gemacht haben?
Ich hänge mich einmal mit einer Frage dran: Was bezwecken wir überhaupt mit der Teilnahme an einer Wahl? Die Wahrscheinlichkeit, daß meine Stimme bei einer Bundestagswahl irgendeinen Unterschied macht, ist unendlich klein. Wieso investiert man also alle paar Jahre etwa eine halbe Stunde seines Lebens in eine Handlung, die höchstwahrscheinlich nicht die geringsten Konsequenzen hat? Ich gehe auch zur Wahl, aber wenn ich die Frage beantworten sollte, ob es dafür irgendeinen Grund gibt, würde ich wohl mit "Nein!" antworten. Es ist halt eine Gewohnheit.
Dr. Nick: In den USA wurde 1998 eine Präsidentschaftswahl mit wenigen 100 Stimmen Vorsprung gewonnen.
Ähnliches kann auch in Deutschland passieren. Zum Beispiel hatte die Union bei der Wahl 2005 nur 4 Sitze mehr als die SPD und hat darauf ihren Kanzler-Anspruch begründet. Allerdings hatte die Union 7 Überhangmandate. D.h. allein schon eine Änderung bei den Erststimmen in einer Handvoll Wahlkreise hätte gereicht, um den Mandatsvorsprung zu kippen. Die CDU hatte zum Beispiel in Baden-Württemberg 33 Direktmandate errungen. Dies führte zu 3 Überhangmandate errungen. Wenn die Erststimmen in irgendeiner dieser 33 Stimmkreise gekippt wäre, hätte das die Union ein Mandat gekostet. D.h. wir könnten uns jetzt die 3 knappsten Stimmkreise raussuchen. Zusammengenommen war der Stimmenvorsprung der Union dort sicher nur wenige Tausend Stimmen.
Zitat von DrNickWas bezwecken wir überhaupt mit der Teilnahme an einer Wahl? Die Wahrscheinlichkeit, daß meine Stimme bei einer Bundestagswahl irgendeinen Unterschied macht, ist unendlich klein. Wieso investiert man also alle paar Jahre etwa eine halbe Stunde seines Lebens in eine Handlung, die höchstwahrscheinlich nicht die geringsten Konsequenzen hat?
Und ja nicht nur dasjenige des Wählers. Auch wer Vegetarier wird, erspart damit keinem einzigen Tier Leid. Auch wer Energiesparlampen in seine Fassungen schraubt, ändert nichts daran, wieviel CO2 in Deutschland ausgestoßen wird. Wer schwarz Bahn fährt, schadet niemandem. etc. etc.
Die Abschätzung der Folgen unseres Handelns im Einzelfall scheint in vielen Fällen nicht ausreichend zu sein, um Entscheidungen zu begründen. So etwas wie der kategorische Imperativ ist offenbar erforderlich.
Wie schon im Thread angesprochen, mach Wählen nur dann Sinn, wenn das eigene Verhalten von vielen anderen geteilt wird. Wenn ich mich nun aber in der extremen Minderheit befinde, soll ich dann auf das Wählen verzichten? Ich denke nicht, denn nur wenn ich zeige, dass ich bereit bin für meine Überzeugungen einen Aufwand zu betreiben, habe ich die Change, dass sich andere meinem Verhalten anschließen.
Wenn keine der angebotenen Alternativen geeignet für eine Wahl erscheint, ist meines Erachtens das Ungültig stimmen, dem Nichtwählen vorzuziehen. Denn Nichtwählen wird zwangläufig als Desinteresse gewertet und damit als politisch irrelevant. Erst ein hoher Anteil ungültiger Stimmen kann eine Unzufriedenheit mit der gesamten poltischer Klasse signalisieren. Dazu ist es auch wichtig in einer Weise abzustimmen, die klar macht, dass es das Ziel war ungültig zu stimmen und es sich nicht um ein Versehen oder Scherz handelt.
Zitat von ZettelUnd ja nicht nur dasjenige des Wählers. Auch wer Vegetarier wird, erspart damit keinem einzigen Tier Leid. Auch wer Energiesparlampen in seine Fassungen schraubt, ändert nichts daran, wieviel CO2 in Deutschland ausgestoßen wird. Wer schwarz Bahn fährt, schadet niemandem. etc. etc.
Die Abschätzung der Folgen unseres Handelns im Einzelfall scheint in vielen Fällen nicht ausreichend zu sein, um Entscheidungen zu begründen. So etwas wie der kategorische Imperativ ist offenbar erforderlich.
Wenn man einmal davon ausgeht, daß Schwarzfahren, ein hoher Energieverbrauch etc. moralisch verwerflich ist, dann kann man in der Tat überlegen, ob man auf den kategorischen Imperativ zur Begründung zurückgreift.
Das Wählen hingegen scheint mir keine Frage der Moral, sondern (wenn überhaupt) eine der Klugheit zu sein, nicht zuletzt weil der kategorische Imperativ in diesem Fall nicht zu greifen scheint. Meine Maxime, immer schwarz zu fahren, kann ich mir in der Tat nicht als allgemeines Gesetz wünschen, und noch nicht einmal als eine Maxime, die von vielen oder den meisten geteilt wird: Je mehr Leute schwarz fahren, desto größer sind die Kosten für diejenigen, die ihre Fahrkarten bezahlen.
Eine Welt, in der (fast) niemand zur Wahl geht, wäre hingegen aus Sicht eines Wählers optimal, weil das Gewicht der eigenen Stimme dadurch zunehmen würde. Eine weite Verbreitung der Maxime, am Walhlsonntag daheim zu bleiben, würde mir gerade einen (prudentiellen) Grund liefern, meine Stimme abzugeben.
Ich habe diese Frage auch deswegen gestellt, weil ein ehemaliger Kulturstaatsminister vor ein paar Jahren ein kleines Büchlein bei Reclam veröffentlicht hat, in dem für den Gedanken einer "strukturellen Rationalität" (man frage mich bitte nicht, was das genau ist) geworben wird, und zwar gerade mit dem Argument, daß die traditionellen, an Hume orientierten Theorien der Handlungsrationalität u.a. nicht aufzeigen könnten, daß es rational ist, an Wahlen teilzunehmen.
Zitat von MichelErst ein hoher Anteil ungültiger Stimmen kann eine Unzufriedenheit mit der gesamten poltischer Klasse signalisieren. Dazu ist es auch wichtig in einer Weise abzustimmen, die klar macht, dass es das Ziel war ungültig zu stimmen und es sich nicht um ein Versehen oder Scherz handelt.
Und there's the rub. Denn schon im Wahllokal verschwindet der Unterschied. Alle ungültigen Stimmzettel kommen auf dasselbe Häufchen.
Die meisten Wahlvorstände machen es so, daß man sie am Ende noch einmal kurz gemeinsam durchgeht, um nachzusehen, ob es vielleicht einen strittigen Fall gibt, der zu Unrecht als ungültig klassifiziert worden war (alle unklaren Fälle kommen zunächst einmal auf das Häufchen).
Zusätze sind eindeutig: Jeder noch so kleine Zusatz macht den Stimmzettel automatisch ungültig. Ein Grenzfall liegt aber zB vor, wenn jemand sein zuerst gemachtes Kreuz übermalt, das Kreuz dann woanders hin gemacht hat und dazu einen Pfeil mit der Erläuterung "das gilt!!!!" usf.
Ansonsten, lieber Michel, ist es völlig wurscht, ob Sie auf den ungültigen Stimmzettel einen klugen Kommentar oder einen Kraftausdruck schreiben, ob Sie nur vergessen, eine Partei anzukreuzen oder versehentlich zwei ankreuzen, oder ob Sie den Namen "Mao Tse Tung" hinzufügen und dort Ihr Kreuz machen. Keiner erfährt es, niemanden interessiert es. Ungültig ist ungültig.
Herzlich, Zettel
PS: In der DDR mag es anders gewesen sein, wo man mehr oder weniger gezwungen war, Wählen zu gehen, seinen Protest aber durch einen ungültigen Stimmzettel ausdrücken konnte.
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