Zitat von ZettelNicht mehr der Kanzler bestimmt die Richtlinien der Außenpolitik. Nicht der Minister leitet sein Ministerium in eigener Verantwortung. Sondern die Linie gibt der Chef einer Partei vor, aus deren Reihen der Außenminister zufällig kommt.
Chapeau! So viel bitteren Sarkasmus kannte ich noch gar nicht von ihnen, lieber Zettel.
Zitat von ZettelNicht mehr der Kanzler bestimmt die Richtlinien der Außenpolitik. Nicht der Minister leitet sein Ministerium in eigener Verantwortung. Sondern die Linie gibt der Chef einer Partei vor, aus deren Reihen der Außenminister zufällig kommt.
Chapeau! So viel bitteren Sarkasmus kannte ich noch gar nicht von ihnen, lieber Zettel.
Gegen diese Tendenz, daß die Parteien Befugnisse okkupieren, die ihnen das Grundgesetz gar nicht zuerkennt, habe ich mich schon gelegentlich gewandt, lieber Erling Plaethe. Vielleicht nicht ganz so sarkastisch, da haben Sie recht. Beispielsweise anläßlich der Vorgänge bei der Wahl des aktuellen Bundespräsidenten.
Wenn jetzt Rösler Westerwelle am Nasenring durch die Manege zieht, dann ist das nur die logische Folge der Regelungen in dem "Koalitionsvertrag". Wenn die Parteien allein bestimmen, wer aus ihren Reihen die ihnen "zustehenden" Ministerien besetzt, dann ist eben jeder Minister von seiner Parteiführung abhängig. Das läßt Rösler jetzt Westerwelle spüren.
Wäre es so, wie es das Grundgesetz vorsieht, dann wäre Westerwelle allein von Vertrauen der Kanzlerin abhängig. Keine Partei hat ihn zum Minister gemacht, sondern der Präsident hat ihn auf Vorschlag der Kanzlerin ernannt.
Das Parlament soll die Gesetze beschließen, die der "Koalitionsvertrag" festgelegt hat. Die Regierung soll so zusammengesetzt sein, wie es die "Verhandlungskommission" beschlossen hat.
Das Bedenkliche bei dieser Entwicklung ist aus meiner Sicht nicht nur, daß sie nicht dem GG entspricht; sondern es kommt hinzu, daß die Parteiführungen mit sinkender Mitgliederzahl ja immer weniger demokratisch legitimiert sind.
Alle Parteien zusammen haben kaum mehr als eine Million Mitglieder (ich habe jetzt nicht nachgesehen; schätze aber, daß die aktuelle Zahl zwischen einer Million und 1,5 Million liegt). Davon sind wiederum vielleicht 10 Prozent aktiv; der Rest zahlt nur Beiträge. Vielleicht 150.000 Menschen bestimmen in Deutschland also über die Gesetzgebung und die Besetzung der Ressorts, nämlich in Gestalt der von den Parteien gebildeten "Verhandlungskommissionen". Tatsächlich sind es noch viel weniger, weil ja nicht alle Parteien an einer Regierung beteiligt sind.
Diese Parteiendemokratie, die so - wie gesagt - vom GG nicht gewollt ist, halte ich für eine der schlimmsten Fehlentwicklungen in der Bundesrepublik.
Weil Guido Westerwelle inzwischen auch für jedes andere Amt »verbrannt« ist? Eine Rochade innerhalb des Kabinetts ist somit undenkbar.
Sie zitieren am Ende Ihres Beitrags die Stellungnahme des FDP-Parteivorsitzenden. Ich habe sie mir im Video angeschaut. Ich bin nicht sicher, welche Deutung richtig ist:
(a) Philipp Rösler will damit allen Zweiflern zeigen, dass er das Steuer fest in der Hand hat. Ein Chef, der so etwas nötig hat, ist eigentlich kein richtiger Chef. (b) Philipp Rösler gibt damit ganz absichtlich Guido Westerwelle den letzten Tritt vor dem Rücktritt. Ein Chef, der so mit seinem Vorgänger umgeht, ist eigentlich auch kein Chef.
Ein FDP-Spruch aus Guido Westerwelles Zeiten:
Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer, der die Sache regelt.
Später soll ein längst vergessener CSU-Politiker von dem »Leichtmatrosen der FDP« gesprochen haben. Ich habe lange Zeit nicht glauben wollen, dass er damit richtig lag.
Heute wird das FDP-Schiff von einem Mann ohne Kapitänspatent geführt, der keinen Kurs kennt und keine natürliche Autorität hat. Der ehemalige Kapitän scheint nicht mehr Leichtmatrose, sondern nur noch Schiffsjunge zu sein. Der Schiffskoch hält die Kombüse für das Kraftzentrum des Schiffs. Der Steuer(fach)mann ist unter Deck kaltgestellt.
Dieses Schiff wird auch ohne Eisberg bald untergehen.
Wenn es allgemein um das Thema Parteieneinfluß ginge, würden wir uns bestimmt in vielen Punkten einig sein. Aber der Koalitionsvertrag ist da überhaupt kein Problem.
Denn er ist nur eine Ausdrucksform für das, was schon immer galt und auch immer gelten wird: Politik ist ein Aushandlungsprozeß zwischen Personen und Gruppen. Da gibt es auch immer Bündnisse und Kompromisse, sowohl zu Sachthemen wie zu Personalentscheidungen.
Auch zu Zeiten, als es noch überhaupt keine Parteien gab, waren die Führer wichtiger Parlamentsgruppen die Entscheidungsträger, ohne die kein Kanzler oder Premierminister regieren konnte.
Ein Adenauer war eine deutlich stärkere Führungsfigur als eine Merkel. Aber auch seine kraftvoll inszentierten Revirements waren natürlich genauso mit den Parteispitzen der Koalition abgesprochen wie das heute der Fall wäre. Und natürlich wäre es auch heute kein Problem, nicht nur ein kleines Revirement durchzuführen wie das im Frühjahr bei den FDP-Ministerien stattgefunden hat, sondern auch ein großes mit Tausch zwischen den Parteien. Der Koalitionsvertrag ist da überhaupt kein Hindernis, der wird ständig geändert.
Bei einem großen Revirement müßte natürlich die CDU mitmachen. Was theoretisch kein Problem wäre, weil CDU-Chefin und Kanzlerin identisch sind. Aber in der Praxis ist das ein Problem, weil Entscheidungs- und Konzeptschwäche der Kanzlerin dagegen stehen.
Sie hätte jederzeit die Möglichkeit einen neuen Kabinettsentwurf mit den Koalitionspartnern zu verhandeln. Und ihre Chancen dazu sind nicht schlechter als damals bei Adenauer. Aber das kriegt sie eben von ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht hin, sie kann nur Einzelentscheidungen, wenn sie dazu gedrängt wird und/oder die öffentliche Meinung es nahelegt.
In der Tat wäre aktuell der Zeitpunkt, die Regierungsarbeit durch eine personelle und inhaltliche Neuorientierung wieder flott zu machen und bis zur nächsten Wahl wieder Schwung zu bekommen. Aber Merkel wird auch diese Chance verpassen und unbeirrt auf das Wahldesaster zusteuern.
Zitat von ZettelDiese Parteiendemokratie, die so - wie gesagt - vom GG nicht gewollt ist, halte ich für eine der schlimmsten Fehlentwicklungen in der Bundesrepublik.
Da gibt es leider wenig hinzuzufügen.
Das schlimme ist, dass es auf Bundes- und Landesebene keine Bestrebungen dies zu ändern. In Baden-Württemberg hatte ich das Gefühl, dass auf kommunaler Ebene die Demokratie noch recht ausgeglichen funktioniert hat. Zwar auch mit Schwächen, aber deutlich mehr auf Personenpolitik statt Parteipolitik konzentriert.
Ich finde eine echte Trennung von Exekutive und Legislative könnte hier helfen.
Zitat von ZettelDiese Parteiendemokratie, die so - wie gesagt - vom GG nicht gewollt ist, halte ich für eine der schlimmsten Fehlentwicklungen in der Bundesrepublik.
Da stimme ich ihnen zu, aber dies hat m.E. tiefere Ursachen, die auch die Zusammensetzung des Parlaments betrifft, das Wahlrecht und die Bedeutung von Direktmandaten. Mitbestimmung, und nicht unbedingt Mitverantwortung, ist des Deutschen Obsession, nicht nur in Gewerkschaftskreisen.
Zitat von ZettelWäre es so, wie es das Grundgesetz vorsieht, dann wäre Westerwelle allein von Vertrauen der Kanzlerin abhängig. Keine Partei hat ihn zum Minister gemacht, sondern der Präsident hat ihn auf Vorschlag der Kanzlerin ernannt.
Ist er das denn nicht? Sie hat ihm doch ihr Vertrauen ausgesprochen, so wie auch dem ehemalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg und dem ehemaligen Wirtschaftsminister Michael Glos von der CSU. Und ohne ihr Vertrauen hätten die letztgenannten sich halten können, nur mit der Unterstützung ihrer Partei? Beide Ressorts werden jetzt von einer anderen Partei besetzt.
Zitat von ZettelDas Parlament soll die Gesetze beschließen, die der "Koalitionsvertrag" festgelegt hat. Die Regierung soll so zusammengesetzt sein, wie es die "Verhandlungskommission" beschlossen hat.
Wenn ich mir den Koalitionsvertrag ansehe, dann gibt es nur ein Gesetz was aus dem Koalitionsvertrag heraus, bis jetzt beschlossen wurde: Dass zum Einstieg in das Zeitalter der regenerativen Energien. Worin besteht denn der Druck der sich aus dem Koalitionsvertrag ergibt? Hier heraus vielleicht:
Zitat Was wir vor der Bundestagswahl den Wählerinnen und Wählern versprochen haben, gilt auch danach: Steuererhöhungen zur Krisenbewältigung kommen für uns nicht in Frage. Wir wollen, dass sich Leistung und Arbeit wieder lohnen.
Zitat Deswegen wollen wir ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem.
Zitat Wir setzen die im Grundgesetz neu verankerte Schuldenbremse um. Damit nähern wir uns Schritt für Schritt dem Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts.
Und das ist nur die Präambel. Gewiss kennt hier jeder diesen Vertrag, der keiner ist, weil er zu rein gar nichts verpflichtet. Entschuldigen sie lieber Zettel, aber ich wollte auch mal wieder etwas meinen Sarkasmus pflegen.
Zitat von Erling Plaethe Wenn ich mir den Koalitionsvertrag ansehe, dann gibt es nur ein Gesetz was aus dem Koalitionsvertrag heraus, bis jetzt beschlossen wurde: Dass zum Einstieg in das Zeitalter der regenerativen Energien.
Es wurde noch mehr umgesetzt und das war der Anfang vom Ende der FDP:
Zitat von KoalitionsvertragDaneben gibt es Handlungsbedarf bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen. Benachteiligungen gehören auf den Prüfstand. Aus diesem Grund wollen wir eine Kommission einsetzen, die sich mit der Systemumstellung bei der Umsatzsteuer sowie dem Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze befasst. Dabei gilt es auch, die europäische Wettbewerbssituation bestimmter Bereiche zu berücksichtigen. Deshalb wollen wir ab dem 1.1.2010 für Beherbergungsleistungen in Hotel- und Gastronomiegewerbe den Mehrwertsteuersatz auf 7 Prozent ermäßigen.
Zitat von R.A.Oha, unser Lieblings-Dissens-Thema wieder
Zitat von R.A. Politik ist ein Aushandlungsprozeß zwischen Personen und Gruppen. Da gibt es auch immer Bündnisse und Kompromisse, sowohl zu Sachthemen wie zu Personalentscheidungen.
Gewiß. Auch Adenauer hat 1956 Wochen verhandelt, bis er das Kabinett umgebildet hat. Aber er hat dann eben entschieden; er als der Kanzler, und keine der Koalitionsparteien.
Zitat von R.A.Auch zu Zeiten, als es noch überhaupt keine Parteien gab, waren die Führer wichtiger Parlamentsgruppen die Entscheidungsträger, ohne die kein Kanzler oder Premierminister regieren konnte.
Sie waren deren Widerpart. So soll es sein. In den USA sogar gleich mächtig wie der Präsident.
Aber was wir in Deutschland jetzt erleben, ist ja nicht, daß das Parlament der Widerpart der Regierung wäre. Sondern sowohl Parlament als auch Regierung tanzen nach der Pfeife der Parteien. Das Parlament beschließt die Gesetze, die zuvor eine "Verhandlungskommission" nicht legitimierter Personen ausgehandelt hat. In der Regierung sind die Ressorts als Erbhöfe so auf die Parteien verteilt, wie diese "Verhandlungskommission" es ausgeguckt hat. Ist ein Minister zu ersetzen, dann ersetzt ihn nicht der Kanzler, sondern seine Partei. Die Partei, wohlgemerkt, und nicht wenigstens die Fraktion.
Zitat von R.A. Und natürlich wäre es auch heute kein Problem, nicht nur ein kleines Revirement durchzuführen wie das im Frühjahr bei den FDP-Ministerien stattgefunden hat, sondern auch ein großes mit Tausch zwischen den Parteien. Der Koalitionsvertrag ist da überhaupt kein Hindernis, der wird ständig geändert.
Sie sagen es: "Tausch zwischen den Parteien".
Die Parteien würden dann über die Zusammensetzung der Regierung verhandeln, statt daß der Kanzler sein Kabinett bestimmt. Adenauer hatte der FDP oder der DP etwas getutet, wenn diese beansprucht hätten, zu entscheiden, wer von ihnen im Kabinett welchem Ressort vorsteht. Das wäre unvorstellbar gewesen.
Ach ja: Ihr ceterum censeo, die Kanzlerin betreffend, habe ich jetzt glatt überlesen.
Ein Thema, zu dem ich als Politikwissenschafler nicht schweigen kann. Leider habe ich heute nicht viel Zeit, daher nur ganz kurz. Grundsätzlich stimme ich R. A. zu: Die ausschlaggebende Rolle der Parteien bei Entscheidungen über Sach- und Personalfragen hat es so schon seit 1949 (und auch schon davor) gegeben. Aus langjähriger Beschäftigung mit dem Parlamentarischen Rat kann ich sagen: Zumindest ein großer Teil der Ratsmitglieder hatte auch nichts dagegen. Es handelt sich auch nicht um einen Verfassungsbruch; wer das behauptet, verwechselt formelle und materielle Ebene von Politik.
Westerwelle kommt nicht "zufällig" aus der FDP, sondern er ist nur Außenminister, weil er in der FDP ist und, zumindest bei Amtsantritt, die Führungsfigur Nummer Eins dieser Partei war.
Adenauer hat auch nicht autonom entschieden über Kabinettsumbildungen: So etwas wird immer im Konsens in der Koalition (bzw. in der Partei) entschieden. Alles andere wäre wohl auch undemokratisch. Parlamentarische Demokratie hat keinen Platz für einsame Entscheider.
Woran es liegt, dass Kabinettsumbildungen heute anders oder weniger stattfinden als früher: Das ist in der Tat eine gute Frage, auf die ich keine einfache Antwort kenne. An eine Zunahme der Parteiendemokratie als Grund glaube ich aber nicht, denn auch schon zu Kohls Zeiten hat die Parteiendemokratie dasselbe Ausmaß gehabt wie heute. Es mag einfach auch am politischen Stil der beiden seitdem amtierenden Kanzler, vor allem Merkels, liegen.
Wie gesagt, ich habe nicht viel Zeit heute, aber zumindest soviel wollte ich dazu dennoch schreiben. Letztlich geht es auch hier um die Frage, ob man Geschlossenheit (von Parteien & Koalitionen) akzeptiert oder nicht. In Bezug auf die Haltung 1948/49 habe ich dazu mal einen Aufsatz veröffentlicht, Titel: Hat der Parlamentarische Rat Fraktionsdisziplin abgelehnt? - Sie finden den Volltext (als pdf) hier.
Zitat von SGDie ausschlaggebende Rolle der Parteien bei Entscheidungen über Sach- und Personalfragen hat es so schon seit 1949 (und auch schon davor) gegeben. Aus langjähriger Beschäftigung mit dem Parlamentarischen Rat kann ich sagen: Zumindest ein großer Teil der Ratsmitglieder hatte auch nichts dagegen. Es handelt sich auch nicht um einen Verfassungsbruch; wer das behauptet, verwechselt formelle und materielle Ebene von Politik.
Wenn sich die Verfassungswirklichkeit vom Geist der Verfassung entfernt, dann ist das in der Tat kein Verfassungsbruch. Ich jedenfalls haben einen solchen ja nicht behauptet.
Daß im PR den Parteien eine bedeutende Rolle zugedacht wurde, bestreite ich auch nicht; schließlich waren dessen Mitglieder überwiegend (vielleicht alle, da müßte ich nachsehen) in der Weimarer Republik parteipolitisch tätig gewesen. Die Frage ist nur eben, welche Rolle.
Ein Koalitionsvertrag oder ein Koalitionsausschuß ist im GG nicht vorgesehen. Bis 1961 gab es da auch gar nicht; und damals handelte es sich um ein kurzes Ergebnisprotokoll von Gesprächen. Gedacht zur Absicherung der FDP, daß die getroffenen Vereinbarungen mit Adenauer auch eingehalten werden würden. Angefertigt übrigens von einem gewissen Hans-Dietrich Genscher, damals Fraktionsanwalt der FDP.
Heute hingegen bestimmen die Parteispitzen - und zwar unabhängig davon, ob die Mitglieder der Verhandlungskommissionen überhaupt gewählte Abgeordnete sind - beim Aushandeln des "Koalitionsvertrags" weitgehend sowohl die Politik der Regierung als auch deren personelle Zusammensetzung. Das ist eine entscheidende, aus meiner Sicht eine qualitative Veränderung gegenüber der Verfassungswirklichkeit bis zum Ende der Regierungszeit Kohls.
Zitat von SGWesterwelle kommt nicht "zufällig" aus der FDP, sondern er ist nur Außenminister, weil er in der FDP ist und, zumindest bei Amtsantritt, die Führungsfigur Nummer Eins dieser Partei war.
Ja, wer würde denn das bestreiten wollen, lieber SG? Aber das rechtfertigt es doch nicht, daß der Vorsitzende seiner Partei, der selbst überhaupt nicht für Außenpolitik zuständig ist, kraft seines Parteiamts die "Linien" der deutschen Außenpolitik bestimmt, denen der Minister dann gehorsam folgt.
Das ist allein dadurch möglich, daß unter der jetzigen Parteienherrschaft die Minister faktisch von den Koalitionsparteien ins Kabinett entsandt werden und auch aus ihm abberufen werden können. Eine Abhängigkeit der Minister vom Parteiapparat, für die ich keinerlei Basis im GG sehe.
Zitat von SGAdenauer hat auch nicht autonom entschieden über Kabinettsumbildungen: So etwas wird immer im Konsens in der Koalition (bzw. in der Partei) entschieden. Alles andere wäre wohl auch undemokratisch. Parlamentarische Demokratie hat keinen Platz für einsame Entscheider.
Genau das habe ich ja geschrieben, lieber SG. Obwohl, wie Sie wissen, der Terminus "einsame Entscheidungen" auf Adenauer gemünzt gewesen war.
Auch Sarkozy und Fillon sondieren und verhandeln, bevor sie über die Zusammensetzung eines Kabinetts entscheiden. Aber es sind eben sie, die dann entscheiden, wer welches Ressort erhält. Die Kanzlerin kann nicht entscheiden, wer das AA leitet. Auch nicht nach Konsultationen. Das entscheiden allein Rösler und seine Kollegen in der FDP.
Zitat von ZettelAuch Adenauer hat 1956 Wochen verhandelt, bis er das Kabinett umgebildet hat.
Und zwar verhandelt mit Parteifunktionären und in Parteigremien, wie heute.
Zitat Aber er hat dann eben entschieden; er als der Kanzler, und keine der Koalitionsparteien.
Er hat nur entschieden, das Verhandlungsergebnis zu akzeptieren. Wie das ein Kanzler auch heute kann. Es gibt zwischen damals und heute nur einen Unterschied in der medialen Inszenierung.
Zitat Aber was wir in Deutschland jetzt erleben, ist ja nicht, daß das Parlament der Widerpart der Regierung wäre.
Das ist richtig, hat aber eigentlich nichts mit dem Parteieneinfluß oder gar dem Koalitionsvertrag zu tun.
Und es ist die logische Folge der Tatsache, daß unsere Exekutive vom Parlament gewählt wird. In einem Präsidialsystem wie in den USA oder früher in der Monarchie, wo der Monarch die Regierung einsetzt - da ist das Parlament natürlich Gegenpart. Aber bei uns ist die Regierung ja vom Parlament eingesetzt und geht aus diesem hervor, da wäre es ja eigentlich widersinnig, wenn das Parlament gegen seine eigene Regierung arbeiten würde.
Zitat Das Parlament beschließt die Gesetze, die zuvor eine "Verhandlungskommission" nicht legitimierter Personen ausgehandelt hat.
Ich bin vielen Punkten dieses Prozesses auch nicht zufrieden. Aber "nicht legitimiert" halte ich für falsch. Es gibt da demokratisch einwandfreie Legitimation aller Handelnden. Es ist freie und legitime Entscheidung der demokratisch gewählten Abgeordneten, die in den Parteien demokratisch bestimmten Vorsitzenden bei der Gestaltung der Parlamentspolitik mitreden zu lassen.
Zitat In der Regierung sind die Ressorts als Erbhöfe so auf die Parteien verteilt, wie diese "Verhandlungskommission" es ausgeguckt hat. Ist ein Minister zu ersetzen, dann ersetzt ihn nicht der Kanzler, sondern seine Partei.
Richtig. Wie eben schon immer.
Zitat Adenauer hatte der FDP oder der DP etwas getutet, wenn diese beansprucht hätten, zu entscheiden, wer von ihnen im Kabinett welchem Ressort vorsteht. Das wäre unvorstellbar gewesen.
Das halte ich für falsch, müßte das aber nachprüfen. Aus diversen sicheren Quellen weiß ich, daß schon in den 70er Jahren das klare Prinzip der gegenseitigen Nicht-Einmischung galt, d.h. jeder Koalitionspartner bestimmte sein Personal selber. Das ist ein grundlegendes Prinzip, auch in vielen anderen Demokratien. Und vor allem galt das schon in den 70er Jahren als althergebracht - es würde mich sehr wundern, wenn Adenauer jemals eigenmächtig ein FDP-Ministerium hätte besetzen können.
Zitat Ach ja: Ihr ceterum censeo, die Kanzlerin betreffend, habe ich jetzt glatt überlesen.
Keine Angst, ich werden noch genügend Gelegenheiten finden, es wieder zu bringen. Weil sich an Merkels Defiziten nichts ändern wird.
Lieber C. , ich frage mich doch was nun genau an dieser "Mehrwertssteuersenkung" so schlimm gewesen seien soll? Natürlich sind Subventionen von Übel und auch Steuererleichterungen können eine Subvention sein, wenn sie nicht pauschale Steuersatzsenkungen sind.
Aber sonst hat man doch mit Subventionen kein Problem. Jetzt ausgerechnet den ermäßigten Mehrwertssteuersatz als verwerfliches Beispiel zu nennen wirkt schon etwas seltsam. Sind die ermäßigten Sätze für Lebensmittel denn auch eine Subvention? Warum nun die für Hotels? Besonders wenn man bedenkt, dass dies nun wirklich kein deutscher Sonderweg ist, im Gegenteil, die Schweiz kennt auch einen ermäßigten Satz für Beherbergungsleistungen, wurde dort de facto per Volksentscheid bestätigt. Und dort haben es Subventionen mE nach schwerer, wegen der direktdemokratischen Kontrolle (wie auch andere Ausgaben dadurch kritischer beäugt werden; ein Grund warum die Schweiz und ihre Kantone wohl einen ausgeglicheneren Haushalt haben).
Es gibt viel an der FDP zu kritisieren, auch in Sachen Missachtung ihrer eigentlichen Prinzipien, mit denen Sie zur Wahl angetreten ist (wie Subventions- und Privilegienabbau). Aber dafür gibt es doch viel bessere Beispiele.
Warum soll nun ausgerechnet dieses Thema der Todesstoß der FDP gewesen sein? Warum nicht ihre Haltung zu Apotheken, welche Apothekenketten verhindert?
Klar, weil die Medien die FDP damit ins Kreuzfeuer genommen haben. Aber warum ausgerechnet damit? Das sie die FDP nicht anprangern, weil sie nicht wirtschaftsliberal genug ist, versteht sich von selber. Schließlich ist den meisten Journalisten die FDP zu Wirtschaftsliberal (und wollen jedem einreden, daran scheitere sie, und sie verliere dadurch Wähler). Aber auch davon abgesehen, warum wird ausgerechnet diese angebliche "Subvention" angeprangert?
Zitat von Techniknörgler(…) Klar, weil die Medien die FDP damit ins Kreuzfeuer genommen haben. Aber warum ausgerechnet damit? Das sie die FDP nicht anprangern, weil sie nicht wirtschaftsliberal genug ist, versteht sich von selber. Schließlich ist den meisten Journalisten die FDP zu Wirtschaftsliberal (und will jedem einreden, daran scheitete sie, und sie verliere dadurch Wähler). Aber auch davon abgesehen, warum wird ausgerechnet diese angebliche "Subvention" angeprangert?
- Weil die FDP vor der Wahl immer gesagt hat, dass sie das Steuersystem einfacher und gerechter machen will. - Weil sich die FDP gern und oft über die überflüssigen Sonderregelungen im Umsatzsteuerrecht erregt hat. - Weil diese Steuererleichterung nicht als "gerecht" empfunden wird. - Weil diese Steuererleichterung nur ganz wenigen Personen nutzt, aber für die große Mehrheit überhaupt nichts bringt.
Die Haltung der FDP in der Frage der Apotheken muss man den meisten Bürgern in mindestens fünf Minuten erläutern. Die Auswirkung der Hotelier-Subvention versteht jeder Bürger in wenigen Sekunden.
Danke für den Beitrag. Ich teile Ihre Sicht und die von R.A.
Zitat Woran es liegt, dass Kabinettsumbildungen heute anders oder weniger stattfinden als früher: Das ist in der Tat eine gute Frage, auf die ich keine einfache Antwort kenne. An eine Zunahme der Parteiendemokratie als Grund glaube ich aber nicht, denn auch schon zu Kohls Zeiten hat die Parteiendemokratie dasselbe Ausmaß gehabt wie heute.
Das ist tatsächlich eine interessante Frage.
Meine Theorie: Es wird weniger getauscht, weil es immer weniger wichtig wird, welche Person nun genau welchen Kabinettsposten hat. Denn die tatsächlichen Entscheidungen fallen immer weniger im Kabinett und auch immer weniger im jeweiligen Fachministerium.
Hinzu kommt, dass die heutige Politikergeneration weniger als früher "ideologische gefestigt" ist, sondern überall die Pragmatiker dominieren. Wenn man da einen Politikwechsel will, muss man daher immer weniger das Personal austauschen.
ich spiele ja selten auf die Gnade meiner frühen Geburt an, aber jetzt tu ich es einmal.
Ich habe die Adenauerzeit ja als politisch sehr interessierter junger Mensch erlebt, der täglich die beiden von meinen Eltern abonnierten Zeitungen (die FAZ und die "Welt") und wöchentlich den "Spiegel" von vorn bis hinten las. Wenn ich meine Erinnerung überprüfen möchte, dann lese ich gern "Spiegel"-Artikel aus der jeweiligen Zeit nach. Ich habe sie gebunden in meiner Bibliothek stehen, bis Ende der sechziger Jahre; inzwischen gibt es sie viel bequemer ja aber auch im Web zu lesen.
Ich meine deshalb mit einiger Bestimmtheit sagen zu können, daß es, was die Macht der Parteien anging, damals erheblich anders war als heute. Nur ein Beispiel. Sie schreiben "es würde mich sehr wundern, wenn Adenauer jemals eigenmächtig ein FDP-Ministerium hätte besetzen können". Aber "FDP-Ministerien" gab es ja gar nicht. Ein Ministerium war kein Erbhof einer Partei; auch nicht innerhalb einer Legislaturperiode.
Vor dem Revirement 1956 zum Beispiel war der Vizekanzler Franz Blücher (FDP). Er gehörte nach der Spaltung der FDP der FVP an, wie der gesamte "Ministerflügel". Adenauer machte aber Brentano (CDU) Hoffnung auf dieses Amt, ließ es dann aber doch Blücher. Der FDP-Justizminister Neumayer wurde entlassen, und v. Merkatz (DP) übernahm dieses Ressort zusätzlich zu seinem Amt als Bundesratsminister. Im Verteidigungsministerium folgte auf Theodor Blank (CDU) Franz Josef Strauß (CSU).
Nochmal gesagt: Es wäre damals undenkbar gewesen, daß eine Koalitionspartei, ohne daß der Kanzler darauf auch nur einen Einfluß hat, darüber entscheidet, wie sie "ihre" Ministerien besetzt. Oder daß, wie Glos das gemacht hat, ein Minister seinen Parteivorsitzenden und nicht den Kanzler um seine Entlassung aus dem Amt bittet.
ich kann Ihre Bedenken was die Abweichung zwischen Verfassungswortlaut und der gelebten Demokratie betrifft zwar nachvollziehen. Ich teile sie allerdings nicht.
Im Übrigen ist mir auch die Stoßrichtung Ihrer Bedenken nicht ganz klar.
Sie schreiben:
Zitat Das Bedenkliche bei dieser Entwicklung ist aus meiner Sicht nicht nur, daß sie nicht dem GG entspricht; sondern es kommt hinzu, daß die Parteiführungen mit sinkender Mitgliederzahl ja immer weniger demokratisch legitimiert sind. Alle Parteien zusammen haben kaum mehr als eine Million Mitglieder (ich habe jetzt nicht nachgesehen; schätze aber, daß die aktuelle Zahl zwischen einer Million und 1,5 Million liegt). Davon sind wiederum vielleicht 10 Prozent aktiv; der Rest zahlt nur Beiträge. Vielleicht 150.000 Menschen bestimmen in Deutschland also über die Gesetzgebung und die Besetzung der Ressorts, nämlich in Gestalt der von den Parteien gebildeten "Verhandlungskommissionen". Tatsächlich sind es noch viel weniger, weil ja nicht alle Parteien an einer Regierung beteiligt sind.
Ja was denn nun? Es stört Sie also, dass eine kleine Anzahl Personen über wichtige Entscheidungen (etwa die Ressortverteilung) entscheidet? Dann sollte es doch gerade in Ihrem Sinne sein, dass diese Entscheidung der Kanzler de facto eben nicht im stillen Kämmerlein trifft. Denn dann wäre die Anzahl der Entscheider ja noch viel kleiner. Eben nur der Kanzler und ggf. der Präsident.
Zitat Das Parlament beschließt die Gesetze, die zuvor eine "Verhandlungskommission" nicht legitimierter Personen ausgehandelt hat.
Ich bin vielen Punkten dieses Prozesses auch nicht zufrieden. Aber "nicht legitimiert" halte ich für falsch. Es gibt da demokratisch einwandfreie Legitimation aller Handelnden. Es ist freie und legitime Entscheidung der demokratisch gewählten Abgeordneten, die in den Parteien demokratisch bestimmten Vorsitzenden bei der Gestaltung der Parlamentspolitik mitreden zu lassen.
Formal mag das richtig sein, in der Praxis leider nur begrenzt. Die gewählten Abgeordneten sind nicht ihrem Wähler erstverantwortlich, sondern ihrer Partei. Die stellt sie nämlich auf, bzw. legt ihren Platz auf der Wahlliste fest und somit ihre Chancen gewählt zu werden. Die Wahlentscheidung der Wähler ist damit erst einmal zweitrangig. Wenn der Abgeordnete aber erst einmal seiner Partei und deren Vorsitzenden gegenüber verantwortlich ist, dann bestimmt auch erst einmal die Partei wo und wie "mitgeredet" wird. Ob das jetzt eine neue Entwicklung ist, kann ich nicht beurteilen. Vermutlich hängt das auch stark von der Persönlichkeit des Bundeskanzler ab, in wie weit er sich hineinreden lassen will oder es zuläßt.
Zitat von FlorianEs wird weniger getauscht, weil es immer weniger wichtig wird, welche Person nun genau welchen Kabinettsposten hat. Denn die tatsächlichen Entscheidungen fallen immer weniger im Kabinett und auch immer weniger im jeweiligen Fachministerium.
Also wo, lieber Florian?
Erstaunt es nicht auch Sie, daß der Vorsitzende der FDP die "Linie der Außenpolitik" festlegt und mitteilt, der Außenminister sei bereit, ihr zu folgen?
Zitat von FlorianHinzu kommt, dass die heutige Politikergeneration weniger als früher "ideologische gefestigt" ist, sondern überall die Pragmatiker dominieren. Wenn man da einen Politikwechsel will, muss man daher immer weniger das Personal austauschen.
Revirements dienten kaum jemals einem Politikwechsel. Sie dienten vor allem dazu, die Arbeit des Kabinetts effizienter zu machen, schlechte Minister zu entlassen, gute Minister dorthin zu schicken, wo sie am dringendsten benötigt wurden.
So ist das auch heute noch in Frankreich. Minister, mit denen Sarkozy unzufrieden ist, entläßt er; wenn diese nicht durch ihren Rücktritt zuvorkommen, wie Bernard Kouchner. Besonder gute Minister wie Michèle Alliot-Marie werden in jeweils das Ressort geschickt, in dem es besondere Probleme gibt.
So hat es auch Helmut Kohl bei seinem Revirement 1989 gemacht, als diejenigen Minister, die aus verschiedenen Gründen Probleme hatten - Zimmermann, Schneider, Scholz - ersetzt wurden und der besonders effiziente Minister Stoltenberg in das schwierige Verteidigungsministerium wechselte.
Koalitionsausschuss uns Koalitionsvertrag sind ja nur Symptome für den eigentlichen Grund des Zustandes, den du, lieber Zettel, so beklagst: Die Regierung wird von einer Koalition gestellt. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man auf das Ritual des Vertrags verzichtete, der ja sowieso in weiten Teilen das Papier nicht wert ist, auf das man ihn ausdrucken müsste, oder kein bestimmtes Gremium zur internen Kommunikation einsetzte.
Gut, Merkel ist in der Demütigung ihres "Partners" ja schon recht weit gekommen, aber so bar jeder Selbstachtung ist dann auch die FDP nicht (und wenn dich daran stört, dass es sich um eine Partei handelt, dann nimm meinetwegen die Fraktion), dass sie sich von der Kanzlerin diktieren lassen würde, welche Posten sie mit welchen Leuten zu besetzen habe. Schon der reine Überlebenstrieb müsste den kleineren Koalitionspartner darauf bestehen lassen, die eigenen Leute im Kabinett selbst zu bestimmen.
Ich glaube auch nicht, dass man Beispiele aus einem Präsidialsystem (wie wird man denn Premier in Frankreich?) auf Deutschland da sinnvoll übertragen kann.
Und vielleicht ist es mal ganz nützlich, noch auf folgendes hinzuweisen:
Die Regierung ist noch nicht zwei Jahre im Amt. In dieser Zeit haben wir bereits gesehen: den 2. Wirtschaftsminister, den 2. Gesundheitsminister, die 2. Ministerin für Frauen und Gedöns, den/die 2. Minister/in für Arbeit und Soziales, den 2. Innenminister und sogar den 3. Verteidigungsminister. Für diese Ämter ist ein Schnitt von einem neuen Minister pro Jahr doch nicht so übel, oder? Wo könnte man also noch sinnvoll "herumreviren"? Den Finanzminister in der jetzigen Situation auszutauschen, dürfte keine besonders gute Idee sein. Gleiches gilt für den Umweltminister. Bleiben noch die Posten für Verkehr, Bildung, Justiz, Entwicklungshilfe, Landwirtschaft/Verbraucherschutz, Kanzleramt und eben das Außenministerium. Wenn das nicht nur ein munteres Stühletauschen werden soll, bei dem sich Wähler sowieso meist nur hereingelegt fühlen, stellt sich die Frage, wer da nachrücken soll. Bei CSU und FDP besonders eklatant, aber auch bei der CDU. Bewährte und kompetente Persönlichkeiten? Von Merkel ins Abseits geschoben. Überzeugende Nachwachskräfte, die sich aufdrängen würden? Fehlanzeige.
Hinzu kommt: Die FDP wird ihren bürgerrechtsliberalen Leuchtturm SLS keinesfalls zur Verfügung stellen, und Merkel nicht ihre Homies Schavan und Pofalla. Da bleibt irgendwie nicht viel.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat Das Bedenkliche bei dieser Entwicklung ist aus meiner Sicht nicht nur, daß sie nicht dem GG entspricht; sondern es kommt hinzu, daß die Parteiführungen mit sinkender Mitgliederzahl ja immer weniger demokratisch legitimiert sind. Alle Parteien zusammen haben kaum mehr als eine Million Mitglieder (ich habe jetzt nicht nachgesehen; schätze aber, daß die aktuelle Zahl zwischen einer Million und 1,5 Million liegt). Davon sind wiederum vielleicht 10 Prozent aktiv; der Rest zahlt nur Beiträge. Vielleicht 150.000 Menschen bestimmen in Deutschland also über die Gesetzgebung und die Besetzung der Ressorts, nämlich in Gestalt der von den Parteien gebildeten "Verhandlungskommissionen". Tatsächlich sind es noch viel weniger, weil ja nicht alle Parteien an einer Regierung beteiligt sind.
Ja was denn nun? Es stört Sie also, dass eine kleine Anzahl Personen über wichtige Entscheidungen (etwa die Ressortverteilung) entscheidet? Dann sollte es doch gerade in Ihrem Sinne sein, dass diese Entscheidung der Kanzler de facto eben nicht im stillen Kämmerlein trifft. Denn dann wäre die Anzahl der Entscheider ja noch viel kleiner. Eben nur der Kanzler und ggf. der Präsident.
Ich habe mich vielleicht nicht verständlich machen können, lieber Florian.
Es geht mir um die demokratische Legitimation. Die Abgeordneten werden vom ganzen Volk gewählt, die Parteispitze nur von den (aktiven) Mitgliedern der jeweiligen Partei. Rösler vertritt als Parteivorsitzender formal die rund 65.000 Mitglieder der FDP; faktisch haben davon rund ein Zehntel, also 6500 Menschen, indirekt Einfluß darauf gehabt, daß er Vorsitzender wurde. 65.000 sind weniger als ein Promille der deutschen Bevölkerung. Allein durch sie soll Rösler legitimiert sein, die "Linie der deutschen Außenpolitik" festzulegen?
Was die Berufung von Kabinettsmitgliedern angeht, so sieht nun einmal das GG vor, daß sie vom Bundestag weder gewählt noch auch nur (wie in anderen Verfassungen) bestätigt werden müssen. Gewählt wird allein der Kanzler, und dieser ist grundsätzlich frei in der Wahl seiner Minister. Faktisch wird er natürlich Rücksicht auf viele politische Faktoren nehmen; aber letztlich entscheidet er.
Die demokratische Legitimation ist dabei, anders als im zuvor genannten Fall, vollkommen gewährleistet. Denn der Kanzler wird vom Parlament und dieses vom Volk gewählt. Das Volk hat aber nicht Philip Rösler und die FDP-Spitze gewählt.
Habe ich jetzt besser verständlich gemacht, was ich meine?
Zitat von stefanolix - Weil die FDP vor der Wahl immer gesagt hat, dass sie das Steuersystem einfacher und gerechter machen will. - Weil sich die FDP gern und oft über die überflüssigen Sonderregelungen im Umsatzsteuerrecht erregt hat. - Weil diese Steuererleichterung nicht als "gerecht" empfunden wird. - Weil diese Steuererleichterung nur ganz wenigen Personen nutzt, aber für die große Mehrheit überhaupt nichts bringt.
Zitat Es geht mir um die demokratische Legitimation. Die Abgeordneten werden vom ganzen Volk gewählt, die Parteispitze nur von den (aktiven) Mitgliedern der jeweiligen Partei. Rösler vertritt als Parteivorsitzender formal die rund 65.000 Mitglieder der FDP; faktisch haben davon rund ein Zehntel, also 6500 Menschen, indirekt Einfluß darauf gehabt, daß er Vorsitzender wurde. 65.000 sind weniger als ein Promille der deutschen Bevölkerung. Allein durch sie soll Rösler legitimiert sein, die "Linie der deutschen Außenpolitik" festzulegen?
Zur demokratischen Legitimation:
Es ist doch so:
Warum muss die Kanzlerin denn auf einen Herrn Rösler hören, wenn es um die Ressortverteilung geht? Sie ist vom Bundestag gewählt und diesem verantwortlich. Sie bekommt also Schwierigkeiten (im Ernstfall ein konstruktives Misstrauensvotum), wenn die Abgeordneten mit ihrer Politik nicht einverstanden sind. Es ist nun aber die freie Entscheidung eines Abgeordneten, ob er Frau Merkel weiter sein Vertrauen schenkt. Allerdings wird der Abgeordnete in diese freie Entscheidung die Meinung seines Parteivorsitzenden sehr maßgeblich einfließen lassen.
Die Macht zur Postenvergabe hat Herr Rösler also nur, weil bzw. falls Abgeordnete bereit sind, seinen Wünschen zu folgen. In der Realität werden sie oft dazu bereit sein. Aber sie müssen es nicht. Keine Macht der Welt zwingt einen Abgeordneten, sich der Parteilinie zu unterwerfen.
Wenn also als konkretes Beispiel Herr Rösler gerne als eine "Richtlinie der Außenpolitik" die Einführung von Euro-Bonds hätte, aber die FDP-Abgeordneten die Bonds nicht wollen, dann wird Frau Merkel - wenn sie ihre Mehrheit im Bundestag behalten will - im Ernstfall sich an der Meinung der Abgeordneten orientieren und nicht an der Meinung des Herrn Rösler.
Die Legietimität durch das Volk ist da m.E. voll gewahrt: Volk wählt Abgeordnete. Abgeordnete wählen und kontrollieren Kanzler (und lassen in diese Überlegung die Parteilinie als eine wichtige Quelle mit einfließen).
Zitat - Weil die FDP vor der Wahl immer gesagt hat, dass sie das Steuersystem einfacher und gerechter machen will. - Weil sich die FDP gern und oft über die überflüssigen Sonderregelungen im Umsatzsteuerrecht erregt hat. - Weil diese Steuererleichterung nicht als "gerecht" empfunden wird. - Weil diese Steuererleichterung nur ganz wenigen Personen nutzt, aber für die große Mehrheit überhaupt nichts bringt.
Die Haltung der FDP in der Frage der Apotheken muss man den meisten Bürgern in mindestens fünf Minuten erläutern.
Davon sind eigentlich nur Punkt 1, 2, 3 und 5 überzeugend. Der 4te Punkt, die Steuersenkung würde nur wenigen nutzen, ist jedoch einem der größten Missverständnisse über Steuern geschuldet, das in Deutschland weiterhin sehr gepflegt wird: Steuern würden die Anbieter von Waren und Dienstleistungen belasten, dabei aber nicht die Kunden. Das stimmt so natürlich nicht. Alle Steuern sind zusätzliche Kosten, die an den Kunden weiter gegeben werden. Das heißt natürlich nicht, dass Steuern einem Anbieter egal wären. Mit weniger Kosten könnte er ja seine Dienstleistungen oder Waren entweder billiger oder aber besser anbieten: Dadurch könnte sich die Nachfrage nach der Ware oder Dienstleistung erhöhen, was indirekt zu mehr Profiten führt - aber der Kunde hat auch etwas davon.
Zitat Die Auswirkung der Hotelier-Subvention versteht jeder Bürger in wenigen Sekunden.
Bin ich mir daher gar nicht so sicher - viele meinen diese "Subvention" zu verstehen. Aber wie vielen ist wirklich klar, das der Wettbewerb die Gewinnquote (gemessen am Umsatz) im Rahmen hält und daher eine Steuersenkung nicht zur mehr Profiten auf Kosten der Staatsfinanzen führt, sondern nur dann zu mehr Profiten führen kann, wenn mehr Waren oder Dienstleistungen verkauft werden (oder die Qualität steigt, damit die Kunden nicht zu einem Billiganbieter wechseln). Ansonsten hat lediglich der Bürger mehr Geld in der Tasche (da er das gleiche wie vorher, aber für weniger, erhält), das er für andere Sachen ausgeben kann.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Besser wäre ein einheitlicher Steuersatz von sagen wir 10% bis 12% auf alles - ohne Ausnahmeregelung. Vielleicht eine komplette Befreiung von Medikamenten von der Mehrwertsteuer. Solange der "ermäßigte Satz" nicht mehr als 0% sondern genau 0% beträgt entstehen keine Erfassungs- und Bürokratiekosten dadurch.
Zitat Davon sind eigentlich nur Punkt 1, 2, 3 und 5 überzeugend. Der 4te Punkt, die Steuersenkung würde nur wenigen nutzen, ist jedoch einem der größten Missverständnisse über Steuern geschuldet, das in Deutschland weiterhin sehr gepflegt wird:
Grundsätzlich haben Sie natürlich absolut recht. Im ganz speziellen Fall der Hotel-Steuer gibt es allerdings einen sehr ärgerlichen Effekt: Diese Steuersenkung hat für mich (als Geschäftsreisender) das Übernachten TEURER gemacht.
Teilweise wurden zwar die Brutto-Übernachtungs-Preise leicht abgesenkt. Die Netto-Preise (und die sind für mich relevant) sind aber in praktisch jedem Hotel in Deutschland durch die Steuersenkung kräftig gestiegen.
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