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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 71 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
WasIstLiberal? ( gelöscht )
Beiträge:

10.11.2011 12:36
#51 RE: Europas Krise Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Klartext von Ambrose Evans-Pritchard im Telegraph :



Entschuldigung, ich habe diesen Link übersehen und noch mal bei der Schuldenkrise gepostet.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

10.11.2011 13:09
#52 RE: America and China must crush Germany into submission Antworten

Zitat von Reader

Der von Ihnen verlinkte Artikel läuft unter diesem Titel:
America and China must crush Germany into submission

Hier noch ein Zitat aus selbigem:

Zitat
One can imagine joint telephone calls to Chancellor Angela Merkel more or less ordering her country to face up to the implications of the monetary union that Germany itself created and ran (badly).



Ambrose Evans-Pritchard hat eine Meinung. Mehr aber auch nicht. Meiner Meinung nach.



Ja, meiner Meinung nach auch. Aber ich hätte sie nicht zitiert, stünde sie allein auf weiter Flur. Bei mir setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass wir mit der Verfolgung rein nationaler Interessen (Exportwirtschaft) nicht nur die Krise zu einer Depression ausweiten, sondern, dass uns unsere nationale Wirtschaftspolitik an den Punkt gebracht hat, wo wir uns jetzt befinden.
Und deshalb ist es so wichtig für die Länder der Eurozone europäische Wirtschafts-Interessen zu definieren, wenn eine gemeinsame Währung als gewinnbringend für alle Mitglieder angesehen wird.
Ein Land dass nationale Wirtschaftsinteressen verfolgt, brauch eine nationale Währung.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.11.2011 14:59
#53 Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten
Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

11.11.2011 15:11
#54 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Zitat von Zettel
Ein wenig Kulturphilosophie.

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"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

11.11.2011 16:05
#55 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Hm. Leben totgesagte nicht länger? Und ist das Aufwachen aus der Zufriedenheit in einer Krise nicht das beste Mittel um die Krise zu überwinden? Hat nicht jede Generation geglaubt, das "Ende der Geschichte" erreicht zu haben?

Sind die westlichen Werte Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte, Marktwirtschaft selbst heute nicht noch stark genug, um mehr Dynamik hervorzubringen als China oder Indien? Zumal China eine massiv inverse Alterspyramide hat und schneller alt als reich wird?

Nein, ich mag nicht glauben, dass "der Westen" nach 500 Jahren seine Position abgeben muss. Die dies antreibenden Werte sind stark genug. Eher wird sich "der Westen" erweitern. Zur Erinnerung: Um 1500 wurde Amerika gerade mal entdeckt und war weit entfernt davon, Leitnation zu sein. Oder Japan, welches auch erst spät in den Club "des Westens" vorgedrungen ist.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.11.2011 16:25
#56 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Zitat von Dagny
Und ist das Aufwachen aus der Zufriedenheit in einer Krise nicht das beste Mittel um die Krise zu überwinden?


Völlig richtig.
Ich teile den größten Teil von Zettels Analyse, aber nicht den Pessimismus. Wieso sollte das Einigungsprojekt insgesamt gescheitert sein, nur weil wir uns in einem (zugegeben wichtigen) Teilbereich gerade in einer Sackgasse befinden?
Der zentralistische Merkozy-Ansatz mit Kolonialregimen in den ClubMed-Staaten ist gerade am Scheitern. Aber gerade dieses Scheitern gibt die Chance, die EU wieder vernünftiger, d.h. föderalistischer aufzustellen.

Die europäischen Staaten haben insgesamt über viele Jahre über ihre Verhältnisse gelebt. Und werden jetzt von den Konsequenzen ihrer Schuldenpolitik eingeholt. Da wird eine Kurskorrektur nötig sein, und die wird schmerzlich sein.
Aber grundsätzlich sind immer noch alle Rahmenbedingungen da, um den Erfolgskurs fortzuführen. Denn in den meisten Bereichen waren die letzten Jahrzehnte ein Erfolg.

Zitat
Nein, ich mag nicht glauben, dass "der Westen" nach 500 Jahren seine Position abgeben muss. Die dies antreibenden Werte sind stark genug. Eher wird sich "der Westen" erweitern.


Sehr gute Änderung der Sichtperspektive!

Europa als Kontinent wird natürlich relativ an Bedeutung verlieren. Ganz einfach deshalb, weil es sich in den letzten Jahrhunderten eine völlig überproportionale Bedeutung verschaffen konnte - das Aufholen der Anderen ist eine schlichte Normalisierung.

Aber man sieht doch deutlich, daß nur die Staaten aufholen können, die sich weitgehend dem europäischen Vorbild anschließen. Der Aufstieg der USA bedeutete zwar eine relative Schwächung des Kontinents Europa, aber eine Stärkung des europäischen Modells in der Welt.
Der Versuch Chinas, ein anderes Modell zu etablieren, wird genauso scheitern wie das in Rußland gescheitert ist. Erfolgreich sind dagegen Länder wie Japan oder die "Tiger", weil sie sich freiwillig und konsequent als integraler Teil des Westens aufstellen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.11.2011 18:13
#57 Europas Krise (5): Der echte Tiefpunkt Antworten

Nachdem Zettel gerade vom Niedergang geschrieben hat, möchte ich mal aufzeigen, daß Europa noch ganz andere Krisen durchgemacht hat.

Juno Offline



Beiträge: 332

11.11.2011 18:52
#58 RE: Zitat des Tages: Habermas' Mahnung; Papandreous Trickserei Antworten

Zitat
Aber der Trick des ausgekochten Politikers Papandreaou hatte mit Demokratie ungefähr so viel zu tun wie das Reuebekenntnis des Reineke Fuchs gegenüber König Nobel mit echter Reue.



Über die Motive Papandreous werden die Historiker wahrscheinlich noch lange diskutieren. Es gibt allerdings einen interessanten Präzedenzfall in seiner Biographie. Als er 2004 von Kostas Simitis die Führung der ausgelaugten Pasok übernehmen sollte, setzte Papandreou durch, dass darüber das ganze Volk abstimmen konnte.

In einem Interview nach diesem Plebiszit beschrieb er seine Überlegungen damals so:

Zitat
my whole approach was “OK, now we must renew”. And not just the party, but also the political system and, most of all, what I might call the “political way” – the way we do politics, from which people had become more and more alienated...
I said that I would like to be elected not only by the party central committee, which was a throwback to a more hierarchical party, I wanted immediately to make politics more participatory and direct.

I proposed, and it was accepted, that we change our party constitution before I was elected so that the leader would be elected directly by the public; both the membership of the party and non–members. We opened up the polling stations to everybody who wanted to vote, somewhat like a primary.

...We didn’t have a category of “registered supporters”. But this immediately raises the issue: what forms of relationship should a voter have with political parties? We wanted to experiment with something new. We said: “Let’s see what happens if we open up the polling to a wider public”. Would this mobilise people? Would they want to participate? Is this something that could work? We were happily surprised. Over one million voters participated in a country of around ten million. It wasn’t as if I had someone who was running against me, instead it became almost like a plebiscite in favour of direct democracy. People said that they want to be able to participate, and many today call it just that – a plebiscite. For us it was a profound moment, and coming away from this we understood that we have to make major changes to allow voters to participate much more.
http://www.opendemocracy.net/democracy-o...ndreou_2255.jsp



Einiges spricht dafür, dass bei dem studierten Soziologen Papandreou neben der ausgebufften Machttaktik auch idealistische Vorstellungen von neuen Formen der politischen Partizipation eine Rolle gespielt haben. Dass ein noch so idealistisch gedachtes Referendum in der aktuellen Situation nichts mit seriöser Demokratie zu tun hätte, steht auf einem anderen Blatt.

Juno Offline



Beiträge: 332

11.11.2011 19:33
#59 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Der Historiker Niall Ferguson argumentiert, dass der steile Aufstieg des Westens ab 1500 im Wesentlichen auf einige institutionelle Errungenschaften zurückzuführen ist. Er nennt sie die "6 Killer-Apps": competition, science, democracy, medicine, consumerism and the Protestant work ethic.
http://www.amazon.de/Civilization-Killer...r/dp/0141044586

Der relative Niedergang des Westens ergibt sich dann zum einen daraus, dass der Rest der Welt gelernt hat, diese "Killer Apps" ebenfalls "herunterzuladen". Japan hat das schon vor über 100 Jahren getan, heute folgt fast die ganze Welt. Zum anderen spricht einiges dafür, dass wir selbst diese Institutionen nicht mehr richtig begreifen und wertschätzen - dass die "Apps" also bei uns sozusagen abstürzen.

Man kann sicher darüber streiten, ob Fergusons Liste richtig und vollständig ist. Wenn es allerdings einen neuen Aufbruch im Westen geben soll, dann muss man sich zumindest seine Grundfrage stellen: Woher kommt es eigentlich, dass die westliche Kultur so unglaublich erfolgreich war?

Weite Kreise unserer Gesellschaft stellen diese Frage gar nicht, sondern halten die führende Rolle des Westens einfach für eine Art Naturgesetz.
Die progressivsten und politisch immer stärker tonangebenden Kreise drehen die Frage sogar um: Was für Erfolge des Westens, bitte??? Wir waren und sind doch in Wahrheit die allerschlimmsten Umweltzerstörer, Kriegstreiber, Ausbeuter ...you name it...Unsere heutige Hauptaufgabe ist es, dafür Buße zu tun und unser destruktives Gesellschaftsmodell in Fesseln zu legen.

Solange das die Grundphilosophie ist, sehe ich nicht, woher die schöne neue Dynamik kommen sollte.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

11.11.2011 20:20
#60 RE: Europas Krise (5): Der echte Tiefpunkt Antworten

Zitat von R.A.
Nachdem Zettel gerade vom Niedergang geschrieben hat, möchte ich mal aufzeigen, daß Europa noch ganz andere Krisen durchgemacht hat.

Ich gestehe, dass ich bei der Lektüre des Artikels doch ein bissl grinsen musste. Die Wikinger wurden christianisiert, die Russen zurückgedrängt. Aber ansonsten hat es die Europäer vor allem geeint gemeinsam die Moslems rauszuwerfen? Weiß Christian Wulff schon davon? Au weia!

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"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.11.2011 20:36
#61 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Zitat von Juno
Der Historiker Niall Ferguson argumentiert, dass der steile Aufstieg des Westens ab 1500 im Wesentlichen auf einige institutionelle Errungenschaften zurückzuführen ist. Er nennt sie die "6 Killer-Apps": competition, science, democracy, medicine, consumerism and the Protestant work ethic.


Eine interessante These, und natürlich ist da was dran. Aber so ganz trifft es m. E. noch nicht.

Erst einmal bin ich mir bei "competition" unsicher. Bis ins 19. Jahrhundert war die europäische Wirtschaftsstruktur ja eher korporatistisch und an Privilegien/Monopolen orientiert. Und ich wäre auch zögerlich, bei diversen anderen Zivilisationen weniger Wettbewerb zu konstatieren.

"science" ist eine klare Sache. Wobei ich eher "applied science" sagen würde. In der Theorie waren andere ja auch nicht schlecht - aber bei der Umsetzung ins praktisch Nutzbare waren die Europäer wohl besser.

"democracy" spielt ja erst spät eine Rolle, da war der Vorsprung der Europäer eigentlich etabliert.

"medicine" ist eigentlich nur eine Variante von "science", und auch erst recht spät wirksam. Und ich sehe auch nicht, daß das nennenswert Wettbewerbsvorteile gegeben hätte.

"consumerism" verstehe ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht, dazu müßte ich wohl das Buch lesen.

Und die "protestant work ethic" ist natürlich ein Faktor bei der Industrialisierung - aber einen guten Teil der Welt hatten diverse katholische Länder schon erobert, bevor die "work ethic" überhaupt zum Tragen kam.


Umgekehrt fehlt mir ein ganz wichtiger Faktor, und der ist eigentlich schon vor 1500 ständig präsent und für Europa typisch - aber natürlich überhaupt nicht PC: Militärische Tüchtigkeit.
Das ist eigentlich ein durchgängiger Charakterzug schon bei den Germanen, und in diesem Bereich haben ja die Germanen auch ziemlich alle europäischen Länder geprägt.
Natürlich haben alle Zivilisationen, insbesondere die Großreiche, ihre tapferen Krieger gehabt und oft auch gegen Europäer gewonnen. Aber es fällt schon auf, wie schon seit der Völkerwanderungszeit und auf jeden Fall seit dem Mittelalter europäische Armeen allen möglichen Opponenten fast immer überlegen sind und insbesondere auch bei der Kampfmoral entscheidende Vorteile haben. Extreme Beispiele findet man dafür bei den Kreuzzügen, bei den spanischen Konquistadoren oder den Portugiesen in Indien. Da gibt es teilweise ganz unglaubliche Disproportionen bei den Truppenstärken, die normalerweise auch durch überlegene Waffentechnik nicht auszugleichen sind. Aber die Europäer greifen mit einer tollkühnen Dreistigkeit an, die eigentlich völlig selbstmörderisch ist - und gewinnen fast immer.

Zitat
Der relative Niedergang des Westens ergibt sich dann zum einen daraus, dass der Rest der Welt gelernt hat, diese "Killer Apps" ebenfalls "herunterzuladen". Japan hat das schon vor über 100 Jahren getan, heute folgt fast die ganze Welt.


Das auf jeden Fall. Deswegen schrieb ich ja auch: Aufholen können letztlich nur die Länder, die das europäischen Modell übernehmen.

Zitat
Zum anderen spricht einiges dafür, dass wir selbst diese Institutionen nicht mehr richtig begreifen und wertschätzen - dass die "Apps" also bei uns sozusagen abstürzen.


Vielleicht.
Aber es ist natürlich auch so, daß man sich etwas Luxus leisten kann, wenn man reich geworden ist. Auch so Wohlfühl-Dinge wie überzogener Sozialstaat, Krötentunnel und Frauenbeauftragte. Das heißt aber nicht, daß die Erfolgsfaktoren nicht mehr präsent wären.

Zitat
Wenn es allerdings einen neuen Aufbruch im Westen geben soll, dann muss man sich zumindest seine Grundfrage stellen: Woher kommt es eigentlich, dass die westliche Kultur so unglaublich erfolgreich war?


Ich halte einen "neuen Aufbruch" für unwahrscheinlich bis unmöglich. Dazu müßten wir ja eine ganze Gruppe neuer "Killer-Apps" finden, um uns wieder vom Feld abzusetzen.

Es ist auch nicht wirklich nötig. Es ist doch gut, wenn immer mehr Länder unsere Standards übernehmen und uns damit auch Vorteile bringen - mehr Handelspartner, mehr Ideen, mehr Austausch, mehr Urlaubsziele. Das geht zwar alles lange nicht so schnell, wie das Manche nach dem Ende des Ostblocks erwartet hatten. Aber der Trend ist positiv.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.11.2011 20:45
#62 RE: Europas Krise (5): Der echte Tiefpunkt Antworten

Zitat von Calimero
Ich gestehe, dass ich bei der Lektüre des Artikels doch ein bissl grinsen musste.


Das freut mich, ich habe es auch bewußt ein bißchen zugespitzt.

Zuerst hatte ich ja die Idee, ein fiktives interplanetarisches Wettbüro zu schildern, in dem irgendwelche Aliens auf die Zivilisationen primitiver Planeten ihre Einsätze machen. Mit Europa als dem krassen Außenseiter, bei dem der Einsatz "Weltbeherrschung in 1000 Jahren" gar nicht möglich ist, weil der Buchmacher so schwachsinnige Quoten nicht macht ;-)

Aber das wäre zu lang geworden und als Gag doch nicht tragfähig genug, hätte nur den eigentlichen Text überwuchert.

Zitat
Die Wikinger wurden christianisiert, die Russen zurückgedrängt.


DIe Russen?

Zitat
Aber ansonsten hat es die Europäer vor allem geeint gemeinsam die Moslems rauszuwerfen?


In der Tat. Das war tatsächlich eine ganz wesentliche Konstante über die gesamte europäische Geschichte hinweg.
Es gab die direkte Bedrohung durch Eroberung, es gab konstant bis ins 19. Jahrhundert die ständige Gefahr durch Piraten und Sklavenhändler. Und zwar auch außerhalb des Mittelmeers: Selbst im Britannien des 16. Jahrhunderts war die Abwehr von muslimischen Sklavenjägern eines der wesentlichen politischen Themen - insbesondere in Cornwall, Wales und Irland.

Zitat
Weiß Christian Wulff schon davon? Au weia!


Was weiß der schon
Wahrscheinlich nur die gängigen kitschigen Mythen vom toleranten Andalusien, dem edlen Saladdin und der vielen Kultur, die wir den Arabern verdanken sollen ...

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

11.11.2011 20:46
#63 RE: Europas Krise (5): Der echte Tiefpunkt Antworten

Zitat von Calimero
Aber ansonsten hat es die Europäer vor allem geeint gemeinsam die Moslems rauszuwerfen?


Natürlich. Und gut so. Lepanto. Die Polen vor Wien. Und Frankreichs immer wieder eigene Vorstellungen von Europa.

Zitat von Calimero
Weiß Christian Wulff schon davon? Au weia!


Wahrscheinlich noch nicht. Weil das noch nicht alternativlos ist.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

11.11.2011 20:58
#64 RE: Europas Krise (5): Der echte Tiefpunkt Antworten

Nicht zu vergessen auch die epische Verteidigung Candias gegen kretische Bürger mit Migrationshintergrund, die Soldaten aus ganz Europa anzog. Es kämpften dort nicht nur zahlreiche Verbände aus dem Reich, sondern auch (mit Erlaubnis seiner Majetät des Königs) auch Franzosen. Die Franzosen haben mit den Osmanen ohnehin wohl eher ein doppeltes Spiel gespielt. Ein franz. Kontingent hat auch im 4. öst Türkenkrieg gegen die Osmanen in der Schlacht von Sankt Gotthard an der Raab mitgekämpft. Auch die USA haben immer wieder Kriegsschiffe und das USMC gegen muselmanische Piraten in Nordafrika eingesetzt.

Die NATO hat also ihre frühen Vorläufer. Alles schon dagewesen...

Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

11.11.2011 20:59
#65 RE: Europas Krise (5): Der echte Tiefpunkt Antworten

Zitat von R.A.

Zitat
Die Wikinger wurden christianisiert, die Russen zurückgedrängt.


DIe Russen?



Ich hatte die Schlacht auf dem Peipussee im Kopf, irgendwann Zwölfhundert-Blumenkohl gegen die Nowgoroder. Da haben tatsächlich aber die Deutschordensritter die Dresche bekommen, nicht? Okay, also nicht die Russen, sondern die Balten haben Haue bekommen. - Ich hatte wohl einen geschichtlichen Kurzschluss. 'Tschuldigung.

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"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011

DrNick Offline




Beiträge: 809

11.11.2011 21:48
#66 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Zitat von R.A.
"science" ist eine klare Sache. Wobei ich eher "applied science" sagen würde. In der Theorie waren andere ja auch nicht schlecht - aber bei der Umsetzung ins praktisch Nutzbare waren die Europäer wohl besser.



Vielleicht ist es (teilweise) auch genau umgekehrt: Im Bereich der "applied science", also der Technik und der Ingenieurswissenschaften war z.B. China Europa viele Jahrhunderte weit voraus. Was es in China aber lange nicht gegeben hat, war eine Grundlagenforschung um ihrer selbst willen, wie sie in Europa seit der Neuzeit betrieben wurde. (Diese Überlegungen finden sich z.B. bei J. Needham genauer ausgeführt.)

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

11.11.2011 21:58
#67 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Zitat von R.A.
Erst einmal bin ich mir bei "competition" unsicher. Bis ins 19. Jahrhundert war die europäische Wirtschaftsstruktur ja eher korporatistisch und an Privilegien/Monopolen orientiert. Und ich wäre auch zögerlich, bei diversen anderen Zivilisationen weniger Wettbewerb zu konstatieren.


Typischerweise denkt man da auch eher an den Wettbewerb zwischen den europäischen Staaten. Kolumbus beispielsweise stieß mit seinem Projekt, nach Westen segelnd Indien zu erreichen, bei einem Geldgeber (i.e., Herrscher) nach dem anderen auf Ablehnung, bis das spanische Königspaar drei Karavellen wagnisfinanzierte. Umgekehrt führte Zheng He schon Anfang des 15. Jh. deutlich besser ausgerüstete Entdeckungsfahrten durch, die von China bis nach Ostafrika führten - aber ein politischer Umschwung am Kaiserhof setzte diesen Fahrten ein abruptes Ende, ohne dass potentielle Entdecker sich an alternative Geldgeber hätten wenden können. Offen gestanden kann ich dieser Argumentation durchaus einiges abgewinnen.

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Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.11.2011 05:58
#68 Der Aufstieg des Abendlandes Antworten

Zitat von DrNick

Zitat von R.A.
"science" ist eine klare Sache. Wobei ich eher "applied science" sagen würde. In der Theorie waren andere ja auch nicht schlecht - aber bei der Umsetzung ins praktisch Nutzbare waren die Europäer wohl besser.



Vielleicht ist es (teilweise) auch genau umgekehrt: Im Bereich der "applied science", also der Technik und der Ingenieurswissenschaften war z.B. China Europa viele Jahrhunderte weit voraus. Was es in China aber lange nicht gegeben hat, war eine Grundlagenforschung um ihrer selbst willen, wie sie in Europa seit der Neuzeit betrieben wurde. (Diese Überlegungen finden sich z.B. bei J. Needham genauer ausgeführt.)


Ja, und sie brachte sozusagen den dritten Schub.

Der erste kam aus dem Italien der Renaissance, überwiegend im 15. Jahrhundert. Dort entstand, so scheint mir, die doppelte Dynamik, die alles ins Rollen brachte - das, was Machiavelli vertù nannte, der rücksichtslose Wille zur Macht (und die Fähigkeit, sie zu erlangen und zu sichern), und sodann die Selbständigkeit des Denkens, die sich im Beruf des Humanisten verkörperte, des gebildeten Lehrers, der den Kindern der Reichen das freie Denken beibrachte. In den Naturwissenschaften gab es damals noch wenig Fortschritt; man war eben "humanistisch" orientiert.

Den zweiten Schub brachte die Entdeckung und anschließende Ausbeutung Amerikas, verbunden mit dem Aufschwung der beiden Mächte, die geografisch "nach Amerika hin lagen"; Portugal und Spanien. Später kam England hinzu.

Rund ein Jahrhundert danach setzte der Aufschwung der Naturwissenschaften ein; begründet durch das Dreigestirn Galilei, Descartes und Francis Bacon. Und hier finden wir jetzt das, lieber DrNick, was Sie beschreiben: Einen Erkenntniswillen, der sich wenig um Anwendungen kümmert.



Jeder der drei hat eine der Grundlagen von science gelegt - Galilei mit der experimentellen Methode; Francis Bacon, indem er die Regeln wissenschaftlichen Vorgehens explizit gemacht und damit in gewisser Weise die Wissenschaftstheorie begründet hat; Descartes mit seiner radikalen Forderung, Aussagen immer wieder auf ihre Beweisbarkeit hin zu prüfen.

Die naturwissenschaftliche Seite von Descartes wird aus meiner Sicht oft zu wenig gewürdigt. Gewiß, er hat mit seinem radikalen Zweifel die Erkenntnistheorie und mit seinem Dualismus die Ontologie bis ins 18. Jahrhundert geprägt. Aber er war eben auch Naturwissenschaftler; an Astronomie ebenso interessiert wie an Physiologie. Er gilt als derjenige, der als erster aus wissenschaftlichem Interesse ein Auge (das eines Ochsen, wenn ich mich recht erinnere) seziert hat. Aber seine beiden naturwissenschaftlichen Werke Le Monde und L'homme, die er schon vor den meisten seiner philospischen Werke mit Ende Dreißig geschrieben hatte, traute er sich nicht zu publizieren, u.a. nachdem er vom Schicksal Galileis erfahren hatte.

Ich denke, es läßt sich die These vertreten, daß erst mit dem Aufschwung der Naturwissenschaften ab ungefähr der zweiten Hälfte des 17. Jh. und dann im 18. Jh Europa sich wirklich von der Entwicklung der anderen Hochkulturen abzukoppeln begann. Imperien wie diejenigen der Portugiesen und Spanier hatte es auch früher und anderswo schon gegeben. Eine systematische naturwissenschaftliche Forschung noch nie.

Herzlich, Zettel

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

12.11.2011 09:38
#69 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Und noch einmal nur eine Meinung. Noch dazu von einem Australier. Dr. Oliver Marc Hartwich über das europäische Modell:

Zitat
The social-democratic program was so attractive that it had been accepted by political parties Left, Right and Centre, argued Dahrendorf. This rendered the original social democrats strangely visionless because they no longer had anything to fight for, at least nothing that would distinguish them from other political parties.

In hindsight, Dahrendorf's obituary to social democracy came too early because he had underestimated social democrats' desire to extend the reach of the state. What he also probably did not realise was that, in the 1980s, social democracy had moved beyond workers' movements to activism in fields such as gender equality, environmentalism and political correctness.

In fact, Europe's social democracy turned away from its traditional labour roots and replaced them with a new statism of the inner-city elites.

The only constant was social democracy's unwavering trust in the power of the state to organise the economy and society. Nothing could deter social democrats from their belief in the primacy of politics over economics, not even the giant bill that came with it. Instead of questioning their underlying philosophy, they glossed over its inherent contradictions by running massive deficits.

In one aspect, however, Dahrendorf's analysis was spot-on. By the end of the 20th century, the once colourful political spectrum had shrunk to a single spot. Political parties may have still called themselves conservative, Christian democrat, liberal or green but in effect they were just different shades of social democrat. A Christian Democrat was just a social democrat who went to church on Sundays; a Greens supporter was a social democrat who recycled their rubbish to perfection; and a Liberal was a social democrat who liked to talk about freedom when it suited them.



Gefunden bei: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...social_failure/

Viele Grüße, Erling Plaethe

Florian Offline



Beiträge: 3.180

12.11.2011 11:54
#70 RE: Europas Krise (4): Der Niedergang des Abendlandes Antworten

Zitat
tat von R.A.
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Erst einmal bin ich mir bei "competition" unsicher. Bis ins 19. Jahrhundert war die europäische Wirtschaftsstruktur ja eher korporatistisch und an Privilegien/Monopolen orientiert. Und ich wäre auch zögerlich, bei diversen anderen Zivilisationen weniger Wettbewerb zu konstatieren.
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Typischerweise denkt man da auch eher an den Wettbewerb zwischen den europäischen Staaten. Kolumbus beispielsweise stieß mit seinem Projekt, nach Westen segelnd Indien zu erreichen, bei einem Geldgeber (i.e., Herrscher) nach dem anderen auf Ablehnung, bis das spanische Königspaar drei Karavellen wagnisfinanzierte. Umgekehrt führte Zheng He schon Anfang des 15. Jh. deutlich besser ausgerüstete Entdeckungsfahrten durch, die von China bis nach Ostafrika führten - aber ein politischer Umschwung am Kaiserhof setzte diesen Fahrten ein abruptes Ende, ohne dass potentielle Entdecker sich an alternative Geldgeber hätten wenden können. Offen gestanden kann ich dieser Argumentation durchaus einiges abgewinnen.





100% Zustimmung.
Übrigens zeigt sich hier auch ein weiterer Vorteil des Föderalismus: nämlich der Wettbewerb.
Das ist etwas, was von den zahlreichen Verfechter der Zentralisierung immer übersehen wird. Je mehr auf bundes- oder gar auf europa-ebene harmonisiert wird, desto weniger unterschiedliche Herangehensweisen gibt es. Und desto geringer die Möglichkeiten, neue optimale Verfahren zu entdecken.

Das ganze Gerede davon, man müsse Europa zentralisieren um es mächtiger zu machen ist daher eigentlich Blödsinn. Europa war nie mächtiger als zu Zeiten, in denen es innereuropäische Rivalitäten gab.

Michel Offline



Beiträge: 265

12.11.2011 15:00
#71 RE: America and China must crush Germany into submission Antworten

Zitat
Bei mir setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass wir mit der Verfolgung rein nationaler Interessen (Exportwirtschaft) nicht nur die Krise zu einer Depression ausweiten, sondern, dass uns unsere nationale Wirtschaftspolitik an den Punkt gebracht hat, wo wir uns jetzt befinden.



Die nationalen Interessen auf die der Exportwirtschaft zu beschränken geht fehl. Es geht eigentlich um etwas ganz anders. Der eigentliche Spielball um den es geht ist die Geldpolitik. Als jeder Staat noch seine eigne Geldpolitik gemacht hat, haben sich in den Staaten unterschiedlich Institutionen und Arrangements ausgebildet, die zur jeweiligen Geldpolitik passen. In Deutschland hat die Geldpolitik zu niedriger Inflation, niedrigen Zinsen und wenig Einnahmen aus Seigniorage geführt. In den Peripheriestaaten hat es höhere Inflation, höher Zinsen, aber auch höhere Einnahmen aus Seigniorage gegeben. Jetzt da es nur noch eine Geldpolitik gibt, versucht jeder Staat die Geldpolitik durchzusetzen, die am besten zu den Institutionen des eigenen Staates passt. Die Ungleichgewichte die sich ergeben haben, sind ein Folge davon, wie die unterschiedlichen Staaten mit den neuen Geldpolitischen Situation zurreicht kommen. Da sich in der Eurozone ein einheitlicher Zins herausbildet lag der Zins in Deutschland über seinem natürlichen Niveau und in der Peripherie unter diesem. Diese Missverhältnisse führten letztendlich zur realen Abwertung des deutschen Wirtschaftsraums, was der Exportwirtschaft zugutekam und zur Blasenbildung in der Peripherie, die letztendlich Depression und zerrüttete Staatfinanzen zur Folge hatte.
Die Krise ist also eine Folge der Gleichmacherei durch den Euro, auf die die Staaten nicht vorbereitet waren und nicht wirtschaftspolitischer Machtkämpfe. Von nationalen Egoismen zureden verschleiert nur die wirklichen Zusammenhänge.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

12.11.2011 16:24
#72 RE: America and China must crush Germany into submission Antworten

Zitat von Michel
Die nationalen Interessen auf die der Exportwirtschaft zu beschränken geht fehl.


Das war als Beispiel gedacht, wenngleich als ein wesentliches.

Zitat von Michel
Da sich in der Eurozone ein einheitlicher Zins herausbildet lag der Zins in Deutschland über seinem natürlichen Niveau und in der Peripherie unter diesem. Diese Missverhältnisse führten letztendlich zur realen Abwertung des deutschen Wirtschaftsraums, was der Exportwirtschaft zugutekam und zur Blasenbildung in der Peripherie, die letztendlich Depression und zerrüttete Staatfinanzen zur Folge hatte.


Genau, das ist der Punkt. Dies wird Deutschland jetzt vorgeworfen, parallel mit der Forderung die Binnennachfrage zu stärken. Offensichtlich sind die europäischen Partner nicht erfreut über die dominante deutsche Exportwirtschaft.

Zitat von Michel
Die Krise ist also eine Folge der Gleichmacherei durch den Euro, auf die die Staaten nicht vorbereitet waren und nicht wirtschaftspolitischer Machtkämpfe. Von nationalen Egoismen zureden verschleiert nur die wirklichen Zusammenhänge.


Das sehe ich auch so. Die nationalen Interessen Deutschlands (starke Orientierung auf die Exportwirtschaft) und die der europäischen Partner müssen besser in Einklang gebracht werden.
Das beste wären massive Steuersenkungen in Deutschland um die Binnennachfrage zu stärken, umfangreiche Kürzung der Sozialausgaben um die Neuverschuldung auf annähernd Null zu drücken, verbunden mit einer Senkung der Staatsquote und der Aufgabe des Wiederstands gegenüber der EZB zum Gelddrucken.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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