Manchmal habe ich, wenn ich einen Artikel schreibe wie diesen, den Eindruck, nur Selbstverständlches zu schreiben.
Aber offenkundig ist es das ja nicht. Jedenfalls habe ich in den vergangenen Tagen wenig über das Faktum gelesen, daß der Rechtsextremismus eine Fortsetzung der DDR mit anderen Mitteln ist.
Sich zum Faschismus zu bekennen, ist in der DDR sicher die härtestmögliche Abgrenzung vom Regime gewesen, und distanzierte einen auch von der Bürgerrechtsbewegung, die einen anderen Sozialismus anstrebte.
Soweit gebe ich Ihnen recht. Was ich nicht glaube, ist die These von der "eminent erfolgreichen Umerziehung" im Westen. Gerade in der Wendezeit hatte der Rechtsradikalismus in der alten Bundesrepublik einen Höhepunkt erreicht, und zwar im Zusammenhang mit der Asyldebatte. Nach der Vereinigung freute man sich im Westen, Asylbewerber auch auf die neuen Länder verteilen zu können und schuf damit einen wirksamen Treibsatz für die Entwicklung der rechten Szene dort.
Was den Rechtsterrorismus betrifft, so hat es die schlimmsten Attentate um 1980 herum im Westen gegeben, und der verheerendste Brandanschlag der Wendezeit ereignete sich im demokratischen Solingen (NRW).
Vielen Dank für den Beitrag, ich kann Ihnen in weiten Teilen zustimmen. Ich halte es allerdings nicht für unlogisch, dass die ökonomische und soziale Situation zu der Radikalisierung beiträgt, es ist schließlich bequem jemand anderen für seine Probleme verantwortlich zu machen. Ob das allerdings der Hauptgrund für die Verteilung ist wage ich auch sehr zu bezweifeln.
@Elmar:Vielen Dank für den Link, ein sehr schöner Artikel, sehr eingehend und angenehm geschrieben.
heute gab es im SWR1 ein Gespräch mit dem Kabarettisten Henning Venske, bei dem eine Diskussion der Mordtaten natürlich nicht fehlen durfte. Venske meinte dann erwähnen zu müssen, dass nach dem Krieg im Westen die Altnazis weiter an der Macht bleiben konnten, während im Osten - das als positive Sicht - die Nazis von der SED aus den Ämtern gejagt worden seien. Sein Vorschlag, alle Rechtsradikalen nach Meckpom verbringen, einen Zaun außen herumziehen, und sie alten SED-Leuten überlassen, wurde vom Moderator recht unkritisch im Raum stehen lassen.
Das klang ein bisschen nach Internierungslager oder schlimmer. Da habe ich mir dann gedacht, wie wenig Widerstand es für eine solche Maßnahme in der Bevölkerung und bei Amtsträgern wohl gäbe: Wer (außer vielleicht den Mecklenburg Vorpommeranern) würde es schon wagen, sich den öffentlichen Angriffen auszusetzen, und sich dagegenzustellen? Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich die deutsche Welt in den letzten 70 Jahren wenig geändert hat, geändert haben sich nur die Etiketten.
Zitat von KalliasSich zum Faschismus zu bekennen, ist in der DDR sicher die härtestmögliche Abgrenzung vom Regime gewesen, und distanzierte einen auch von der Bürgerrechtsbewegung, die einen anderen Sozialismus anstrebte.
Ja, gewiß, lieber Kallias. Sich als Mitglied einer Mafiafamilie zu einer anderen zu bekennen ist auch tödlich.
Die Unterschiede zwischen den beiden Spielarten des Totalitarismus sind minimal; aber natürlich sind die Nazis und die Kommunisten aufeinander losgegangen. Das ist ja kein Widerspruch.
Übrigens hielt sich die Feindschaft ja oft in Grenzen. Nach dem Molotow-Ribbentrop-Pakt schwenkten die Kommunisten Westeuropas auf Freundschaft mit den Nazis um. In Buchenwald waren bekanntlich die Kommunisten die besten Kapos, die gemeinsam mit dem Wachpersonal die Ordnung im Lager aufrechterhielten. Man wußte schon, daß man desselben Geistes Kind war.
Nur muß halt am Ende ausgeschossen werden, welche Mafiafamilie in einem Stadtteil die Macht hat.
Übrigens haben, wenn ich das richtig gelesen und behalten habe, Stalin und Hitler einander persönlich geschätzt. Eine persönliche Diffamierung, wie sie die Nazi-Propaganda bei Roosevelt und Churchill versucht hat, fand gegenüber Stalin nicht statt.
Zitat von KalliasWas ich nicht glaube, ist die These von der "eminent erfolgreichen Umerziehung" im Westen. Gerade in der Wendezeit hatte der Rechtsradikalismus in der alten Bundesrepublik einen Höhepunkt erreicht, und zwar im Zusammenhang mit der Asyldebatte.
Es gibt, lieber Kallias, in jedem demokratischen Rechtsstaat einen Bodensatz an Links- und an Rechtsextremismus.
Die Umerziehung war aus meiner Sicht eminent erfolgreich. Sie hat uns Deutsche zu einem anderen Volk gemacht - in der Bundesrepublik.
Ich sage das mit einer gewissen Emphase, weil ich sie selbst miterlebt habe.
Nichts hat mich, außer der Lektüre des "Spiegel", in den Grundschuljahren mehr geprägt als das Amerikahaus in der kleinen Stadt, in der wir damals wohnten. Da habe ich eine Freiheit, eine Freundlichkeit und Direktheit auch im Umgang mit uns Kindern, eine Vielfalt an Informationen und Meinungen kennengelernt, wie es sie sonst nirgends gab.
Ich habe dann auf dem Gymnasium Lehrer gehabt, die uns wieder und wieder das Wesen der Demokratie erklärt haben; die uns in der Klasse demokratisch abstimmen ließen, die eine Art Rechtsstaatlichkeit etablierten (Ich war zB Vorsitzender des "Klassengerichts"; eine Art Friedensrichter, der Streitigkeiten zwischen Schülern ohne Eingriff des Lehrers lösen sollte ).
In der DDR wurde in dieser Zeit (und danach) der Obrigkeitsstaat der Nazis weitergeführt und ausgebaut. Man hing eine andere Fahne hin; ein paar Parolen wurden ausgewechselt. Ansonsten nur Kontinuität.
Hätten die Nazis den Krieg nicht verloren, lieber Kallias, dann dürfte im Jahr 1989 das ganze Deutschland (und vermutlich ein großer Teil Europas) so gewesen sein, wie es tatsächlich die DDR war.
Zitat von KalliasNach der Vereinigung freute man sich im Westen, Asylbewerber auch auf die neuen Länder verteilen zu können und schuf damit einen wirksamen Treibsatz für die Entwicklung der rechten Szene dort.
Aber es waren doch immer noch viel weniger als im Westen.
Ich wollte dieses Thema eigentlich auch noch in der Marginalie ansprechen: Die Fremdenfeindlichkeit gehörte ja auch zu den Grundzügen der DDR. Afrikanische Studenten und vietnamesische Fremdarbeiter wurden kaserniert. Hinzu kam die Feindschaft zwischen den Staaten des Warschauer Pakts. Ich habe das 1990 erlebt, mit welcher Verbittertheit man über die "Brüder" sprach und über die Polen.
Auch im engstirnigen Nationalismus setzte die DDR das Dritte Reich fort; wenn auch - mangels Macht - nicht so aggressiv.
Wobei ich noch die Umetikettierung, beispielsweise der HJ die zur FDJ wurde, ergänzen will.
Es ging bei uns im Osten um die richtigen Labels. Man konnte Rassismus gegen über "dem Neger" genauso pflegen, wie Nationalismus gegenüber "dem Amerikaner" (oder anderen nicht Bruderstaaten). Solange man das Label "Antifaschist" hatte, durfte man jede Gesinnung im privaten, aber auch im beruflichen Umfeld haben. Wir haben uns weder 45-60 noch in Folge der 68er mit unserer Geschichte auseinandergesetzt. Die Nazis, das waren laut Schulbildung die auf der anderen Seite der Mauer.
Zitat von lutWobei ich noch die Umetikettierung, beispielsweise der HJ die zur FDJ wurde, ergänzen will.
Es ging bei uns im Osten um die richtigen Labels. Man konnte Rassismus gegen über "dem Neger" genauso pflegen, wie Nationalismus gegenüber "dem Amerikaner" (oder anderen nicht Bruderstaaten). Solange man das Label "Antifaschist" hatte, durfte man jede Gesinnung im privaten, aber auch im beruflichen Umfeld haben. Wir haben uns weder 45-60 noch in Folge der 68er mit unserer Geschichte auseinandergesetzt. Die Nazis, das waren laut Schulbildung die auf der anderen Seite der Mauer.
So nehme ich das auch wahr, liebe(r) lut.
Der DDR-Kommunismus war die Fortsetzung des Nationalsozialismus - als politisches System, als Gesellschaftsmodell, weitgehend auch als Ideologie (hier wurden einige Versatzstücke ausgetauscht). Aber als solche konnte er nur funktionieren, weil die Etikette konsequent gewechselt wurden. Was bei den Nazis schlecht war, das war nun gut, weil ein anderer Name darauf stand.
Der Militarismus ist ein Beispiel. In der DDR gab es die vormilitärische Ausbildung, gab es die "Gesellschaft für Sport und Technik". Schon die Kinder wurden an den Gebrauch von Waffen "herangeführt". Wie bei den Nazis, offenkundig. Aber das Etikett lautete "Friedenspolitik".
Sie sprechen, liebe(r) lut, den Rassismus an. Dort wird das besonders deutlich. Es wurden schwarze Helden gekürt wie Angela Davis; man war solidarisch mit Angola usw. Aber wer als Afrikaner in der DDR lebte, der lebte in einem Parallel-Universum; abgeschirmt von der Bevölkerung. Wie auch als Vietnamese.
Es war eben alles verlogen. Die neuen Etikette, die man auf die alten NS-Inhalte pappte, blätterten sozusagen überall.
Zitat von KalliasNach der Vereinigung freute man sich im Westen, Asylbewerber auch auf die neuen Länder verteilen zu können und schuf damit einen wirksamen Treibsatz für die Entwicklung der rechten Szene dort.
Aber es waren doch immer noch viel weniger als im Westen.
Ja, umso größer war der "Kulturschock". Damals sind ja millionenfach gesicherte DDR-Lebensentwürfe über die Wupper gegangen, und die schöne Vorstellung, dass, wenn man erstmal in D-Mark bezahlt würde, alles gleich bliebe, bis auf dann verfügbare Volkswagen, Italienurlaub, Nutella und Levi's Jeans hat sich für viele sehr schnell und schmerzlich zerschlagen. Und dann wurden im "angestammten Lebensraum" dieses "ethnisch homogenen Volkes" plötzlich noch ärmere Schlucker aus fremden Ländern angesiedelt. - Und die bekamen auch noch Geld vom Staat!
Ich habe das ja damals miterlebt. Diese Gerüchte, was "den Ausländern" so alles bezahlt würde. Wie die leben könnten! Und das, wo man selbst, oder viele Bekannte und Freunde gerade arbeitslos wurden. Der Tenor war, dass man selbst, als nunmehr Bürger der BRD ja wohl Vorrang haben müsste, bevor "man's den Ausländern gibt". Da mussten gar keine Asylanten im Nebenhaus einziehen, oder irgendwie im Stadtbild präsent sein ... es war das pure Unverständnis darüber, dass überhaupt Ausländer in Deutschland entweder Arbeitsplätze wegnehmen durften (im Westen), oder gleich vom Staat versorgt wurden, während einem selbst der erhoffte BRD-Wohlstand vorenthalten wurde. Dieser "Futterneid" gegenüber Fremden war gerade in den ersten Nachwendejahren sehr präsent, und meine Generation (die gleiche wie Mundlos und Böhnhart) stellte dabei die jungen Radikalen.
Beste Grüße, Calimero
Nachtrag: Weil es, wie in allen Stammeskonflikten, so eine bewährt eskalierende Wirkung hat, fehlte natürlich auch die ungeprüfte Aussage "die machen sich an unsere Frauen ran" nicht.
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
Noch einige Ergänzungen zur Thematik DDR und Rechtsextremismus
1. Ausgangspunkt 1933. Beim Betrachten der Wahlergebnisse 1932 und März 1933 fällt sofort auf, dass der gesamte (DDR-)Osten mit Ausnahme von Berlin (KPD-Mehrheit) und des Eichsfeldes (katholische Zentrumspartei) NSDAP-orientiert war. In Westdeutschland war die NSDAP recht schwach, besonders im Emsland, Oldenburger Münsterland, im Rehinland und Westfalen, im südlichen Ba-Wü und in Oberbayern-Schwaben-Niederbayern
2. Entnazifizierung in der SBZ/DDR bedeutet Verdrändung und Vertreibung der adligen, großbürgerlichen und bildungsbürgerlichen Schichten. Die Nazis können durch 180-Grad-Wende sich in der neuen sozialistischen Einheitsgesellschaft integrieren. Für sie steht die SED offen, aber auch die extra für Altnazis gegründete Blockpartei Nationaldemokraten NDPD.
Wobei ich diese Mentalitätengeschichte für nachrangig halte. Mentalitäten sind eine Sache, wie wirkmächtig sie werden können, ist die spannende Frage und in dem Zusammenhang halte ich den Punkt den Klier anspricht für den entscheidenden: Die meißten die engagiert waren, gingen oder wurden vertrieben. Und die die jetzt dort aufwachsen verschwinden sobald sie die Gelegenheit bekommen, weil sie den Muff nicht ertragen. Die Stützen der "Zivilgesellschaft" (ganz schlimmer leerer Begriff, aber jeder weiß was gemeint ist), jene die aufstehen und den Mund aufmachen wenn etwas schief läuft. Das können schlechterdings gekaufte Antifaschisten der Landeszentralen für pol. Bildung sein. Das müssen Leute vor Ort sein, die man kennt, die in der Lage sind soziale Ächtung oder wenigstens Einhegung zu organisieren. Das fehlt. Da scheint mir der Begriff Menatlität unscharf, weil er suggeriert, die Änderung des Denkens sei der Ansatzpunkt, das glaube ich.
Zitat von C.K.Die meißten die engagiert waren, gingen oder wurden vertrieben. Und die die jetzt dort aufwachsen verschwinden sobald sie die Gelegenheit bekommen, weil sie den Muff nicht ertragen. Die Stützen der "Zivilgesellschaft" (ganz schlimmer leerer Begriff, aber jeder weiß was gemeint ist), jene die aufstehen und den Mund aufmachen wenn etwas schief läuft. Das können schlechterdings gekaufte Antifaschisten der Landeszentralen für pol. Bildung sein. Das müssen Leute vor Ort sein, die man kennt, die in der Lage sind soziale Ächtung oder wenigstens Einhegung zu organisieren. Das fehlt.
Sorry, aber solche Pauschalisierungen lösen bei mir gern einen Beißreflex aus. Der hier erweckte Anschein eines tief im braunen Sumpf steckenden, strukturell vermufften Dunkeldeutschlands, verlassen von allen Intelligenten und Empathiefähigen, entspricht weder der mich umgebenden Lebenswirklichkeit, noch spiegelt er sich in realen NPD-Wahlergebnissen.
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
Das ist wieder mal ein interessanter Artikel, welcher zum Nachdenken anregt. Zuerst drehte und wendete ich ihn etwas und kam zum Schluss, dass Sie sicher recht haben. Für mich kann ich Ihre Schilderungen aber so nicht bestätigen. Ich kannte Fidschis, ging in deren Wohnheim ein und aus, hatte Schwarze bei der NVA und beim Sport und meine Eltern und Verwandten, z.T. Vertriebene, waren wirklich gegen Krieg und Herabwürdigung anderer Nationaltäten. Nun gut, der Russe wurde etwas diskriminiert. Als ich aber deren (einfache Soldaten) Leben in der DDR sehen musste, waren sie auch nur arme Schweine, die einem leid taten.
Insgesamt halte ich es nicht für sehr glücklich, den DDR-Bürgern zu bescheinigen, sie seien faktisch Nazis gewesen und verlogen. Das führt nicht wirklich weiter. Ob im Westen eine erfolgreichere Umerziehung stattfand kann ich nicht beurteilen. Die, die durch ihre Erlebnisse kriegsmüde waren, brauchten bestimmt keinen Demokratisierungskurs. Andere passten vielleicht nur ihre Meinung den neuen Gegebenheiten an, wie ich es z.B. von Frau Merkel annehme (mein Vorurteil: ohne Wende wäre sie mit Sicherheit in Regierungsgeschäfte der Partei eingebunden gewesen).
1990 stellte ich jedenfalls fest, dass es in den gebrauchten Bundesländern durchaus schon Ärger mit „Schwarzköpfen“ gab. Schon damals brauchte man Bewerbungen mit einer bestimmten Absenderanschrift nicht abschicken. Und in der öffentlichen Verwaltung erlebte ich besten Untertanengeist.
Auch unsere heutige BRD fördert Fremdenfeindlichkeit: Ein Bekannter arbeitet bei der Exekutive. Auf die Frage, warum es den mit diesen Jungs immer Ärger gäbe, antworte er verständnislos im Sinne von „das liegt doch auf der Hand“: „Das sind Kanaken!“ Bei Demos bevorzuge er mittlerweile die der Rechten. Zitate zu Lasten unserer Judikative wie “da sind doch selbst die Türken besser“ spare ich mir (sie sind schwierig zu belegen).
Was die Zwickauer Zelle betrifft, meine ich, dass eine rechte Ideologie genutzt wurde, um die Taten (wenn sie es denn waren, die Zellenmitglieder) zu rechtfertigen und sich selbst damit zu erhöhen. Ursache ist aber eher, dass psychisch einiges nicht in Ordnung war. Bordsteinkicken, mit Benzin übergießen und anzünden, einen Topf kochendes Öl ins Dekolletee schütten oder jemanden einfach so hinrichten machen Psychopaten, die in ihrem Leben nie erfolgreich waren und es nie sein werden (warum auch immer).
Zitat 1. Ausgangspunkt 1933. Beim Betrachten der Wahlergebnisse 1932 und März 1933 fällt sofort auf, dass der gesamte (DDR-)Osten mit Ausnahme von Berlin (KPD-Mehrheit) und des Eichsfeldes (katholische Zentrumspartei) NSDAP-orientiert war. In Westdeutschland war die NSDAP recht schwach, besonders im Emsland, Oldenburger Münsterland, im Rehinland und Westfalen, im südlichen Ba-Wü und in Oberbayern-Schwaben-Niederbayern
Das ist zwar richtig. Die Erklärung liegt hier aber ganz sicher nicht in irgendeiner Kausalität von NSDAP und KPD. (Der NSDAP-Wähler von 1933 konnte ja wohl kaum von der DDR-Grenze 1949 beeinflusst sein. Und die Zonen-Grenzen wurden 1945 ganz sicher auch nicht auf Basis der Wahlergebnisse von 1933 gezogen).
Es gibt aber eine andere, sehr mächtige Erklärung für das Wahlverhalten 1933: die Religionszugehörigkeit. Protestantische Regionen wählen sehr deutlich extremistischer (lins und rechts) als katholische Regionen. Die Korrelation zwischen NSDAP-Wahlergebnissen und Religionszugehörigkeit ist überraschend eng. Auch kleinräumig funktioniert das gut. In Bayern war z.B. der NSDAP-Stimmenanteil 1933 relativ gering - mit Ausnahme der protestantischen fränkischen Gebiete.##
Selbst sehr kleinräumig kann man diese Korrelation nachweisen. Siehe z.B. diesen interessanten Artikel:
Zitat von C.K.Da scheint mir der Begriff Menatlität unscharf, weil er suggeriert, die Änderung des Denkens sei der Ansatzpunkt.
Das ist ein Punkt, lieber C.K., über den ich mir ziemlich lange den einen oder anderen Gedanken mache.
Als Naturwissenschaftler neige ich dazu, nach möglichst einfachen, möglichst konkreten und vielleicht auch banalen Ursachen zu suchen. Deshalb liegt es mir nahe, zu sagen: Menschen verhalten sich so, wie sie sich verhalten, weil sie in bestimmten sozialen Situationen leben; weil sie durch die Faktoren bestimmt sind, die sich daraus ergeben.
Das kann ja auch kaum falsch sein. Nur - was sind diese Faktoren? Warum soll dazu nicht das gehören, was man als "Mentalität" zusammenfassen kann? Also im jetzigen Fall das Freund-Feind-Denken, die Intoleranz, die Fremdenfeindlichkeit, die in der DDR schon den Kindern eingeimpft wurde?
Es kommt noch ein Faktor hinzu, den ich in dem Artikel nicht angesprochen habe: die Verlogenheit. In der DDR war alles Schein, Getue, Unehrlichkeit. Wenn jemand nach dem Ende der DDR sich als harter Nazi bekannte, dann bedeutete das auch: Er war ehrlich. Er wollte raus aus dieser sozialistischen Verlogenheit.
Calimero, es tut mir leid damit Ihren Beißreflex ausgelöst zu haben. Ich möchte auch nicht ausschließen, dass meine Kindheit in der DDR und meine Jugend in einer westdeutschen Großstadt meine Wahrnehmung und Bewertung verzerren. Schließlich ist man dann ja in der Stadt vorangig Leuten begegnet, die keine Lust mehr auf ihre östlichen Herkunftsorte hatten und die (Edit: westlichen) Großstädte und deren Umland gesucht haben, sei es aus ökonomischen Gründen oder einer Erlebnisorientierung heraus. Und vielleicht habe ich später dann einfach die falschen Orte in Brandenburg und Meck-Pomm gesehen und besucht.
Aber die Pauschalisierung lasse ich mir in diesem Zusammenhang hier ungern vorwerfen. Welche größeren Linien als Mentalität und Ideologie könnte man denn noch betrachten? Ich finde da ist eine solche Pauschalisierung erlaubt. Natürlich ist es eine sehr, sehr grobe Vereinfachung, die über zu betrachtende konkrete Konstellationen erstmal nichts sagt. Aber das die DDR über 40 JAhre selektiv auf die Population gewirkt hat, kann man ja kaum bestreiten. Und wer geht tendenziell und wer bleibt?
Aber vielleicht bin ich für dieses Thema zu betroffen.
Mentalität ist ohne Frage wichtig. Mentalitätsgeschichte z.B. kann sehr spannende Antworten geben, ich habe es am Beispiel des I. WK gesehen, dessen Verlauf und Vorgeschichte ohne die Mentalität der Epoche kaum zu verstehen ist. Mentalitäten wirken. Aber hier haben wir es mit eigentlich geächtetem Verhalten zu tun, man jagt keine Menschen durch die Straßen und bringt sie um. Sowas tut man nicht. Und da kommt man mit Mentalität m.E. nicht weit genug in der Erklärung. Es ist ein unterstützender Faktor. Aber keine hinreichende oder notwendige Bedingung. Die fehlende Empörung aber, nicht die "der da oben", sondern "der da nebenan", scheint mir für die Verbeitung des Phänomens gewalttätiger Rechtextremismus im Osten D-Lands, tatsächliche eine notwendige Bedingung zu sein. Neben anderen.
wieder einmmal ein sehr lesenswerter Artikel, bei dem man jedes einzelne Wort unterstreichen möchte.
Und es ist ja kein Wunder, dass Sie den Eindruck haben, dass die einfache Tatsache, "daß der Rechtsextremismus eine Fortsetzung der DDR mit anderen Mitteln ist", in unseren Medien kaum eine Rolle spielt. Denn die "DDR", das war für die Mehrheit der westdeutschen Medien vor der Wende doch das "bessere Deutschland". Warum sollte heute, nach der Wende, also in den Medien eine andere Meinung vorherrschen?
Ich oute mich mal als Gewächs der alten Bundesrepublik und da ich familiär auch keine Verbindung in die neuen Bundesländer habe, war ich nach der Wende auf die Literatur angewiesen, um mir ein Bild von der DDR zu machen.
Dabei ist mir zum einen das Buch "Reise ins andere Deutschland. DDR-Report aus DIE ZEIT" in Erinnerung geblieben, es dokumentiert sehr schön die freiwillige Verblendung, die sich die westdeutschen "Intellektuellen" zu eigen gemacht haben. Und genau die gleichen "Intellektuellen" bevölkern immer noch unsere Medien.
Zum anderen ist mir das Buch "Und willst du nicht mein Bruder sein. Die DDR heute." von Timothy Garton Ash in Erinnerung geblieben. Dies Buch zeigt die Sicht eines liberalen Engländers auf die DDR und ist eben in bester angelsächsischer Manier eine Reportage über die Dinge, wie sie sind. Und kein Meinungsbild, wie die Dinge sein sollen. Und was Herrn Garton Ash vor allem aufgefallen ist, war, meiner Erinnerung nach, der Militarismus der DDR. Der kalte Befehlston der Polizei. Der Stechschritt der NVA vor der Neuen Wache. Die Uniformen der NVA, die sich damit ja betontermaßen in die Tradition der Wehrmacht gestellt hat.
Dass die Schulkinder der DDR sich paramilitärischem Drill unterziehen mussten, haben Sie ja schon angesprochen. Und dass der "Alte Fritz" unter Honecker wieder zu alten Ehren gekommen ist, ist ja auch kein Zufall gewesen.
Worauf ich hinaus will, ist dies: auf die strukturelle Verwandschaft von Sozialismus und Militarismus.
Beide Systeme sind hierarchisch geordnet. Beide Systeme sind autoritär. Beide Systeme geben dem Einzelnen vor, wo er im Gesamtsystem zu stehn hat. Beide Systeme unterscheiden genau zwischen Freund und Feind. Beide Systeme beruhen auf Befehl und Gehorsam. Beide Systeme huldigen der Gewalt. Beide Systeme entbinden den Einzelnen von individueller Verantwortung. Beide Systeme sagen dem Einzelnen genau, was er zu tun hat: Bis hin zum Schießbefehl zur Verteidigung des "Antiimperialistischen Schutzwalls".
Und ist es also ein Wunder, dass Menschen, die in einer solch fest-geordneten Welt aufgewachsen sind, nachdem diese feste Ordnung zerbrochen ist, wieder Halt und Gemeinschaft in einer nun national-sozialistischen Ordnung suchen?
Zitat von lutDie Nazis, das waren laut Schulbildung die auf der anderen Seite der Mauer.
Die Propaganda war nicht ganz wirkungslos. Ich habe die DDR bis zum Schluss für einen zwar total missratenen, aber wenigstens zu Anfang ehrlich gemeinten Gegenentwurf zur Nazibarbarei gesehen. Und ohne Internet hätte ich diese Meinung vermutlich bis heute.
Zitat von C.K.Mentalität ist ohne Frage wichtig. Mentalitätsgeschichte z.B. kann sehr spannende Antworten geben, ich habe es am Beispiel des I. WK gesehen, dessen Verlauf und Vorgeschichte ohne die Mentalität der Epoche kaum zu verstehen ist. Mentalitäten wirken.
Nicht zu verstehen. Johannes Burckhardt hat dazu einen ganz hervorragenden Aufsatz geschrieben.
Zitat Und ist es also ein Wunder, dass Menschen, die in einer solch fest-geordneten Welt aufgewachsen sind, nachdem diese feste Ordnung zerbrochen ist, wieder Halt und Gemeinschaft in einer nun national-sozialistischen Ordnung suchen?
Das Wunder liegt eher darin, daß es die meisten ja nicht tun. Es mag aber erklären, warum die Anfälligkeit für brutale Ideologeme in solchen Gesellschaften höher liegt. Im Zwickauer Fall scheint aber, wie weiter oben schon angemerkt, auch eine pathologische Komponente hinzuzukommen - die Lust am Töten und der durch nichts gehemmte Sadismus. Die üblichen, als "rechts" kategorisierten Gewalttaten geschehen ja eher spontan, "bei Gelegenheit" sozusagen, und aus kleinen, nur lose gefügten, Gruppen oder Gangs heraus. Bei den "Dönermorden" dürfte das Gruppenverhalten eher dem der RAF-Terroristen geglichen haben - jahrelang im Verborgenen agierend, als verschworene Dreierbande, und in einer Wahnwelt wie maskierte Rächer auftretend: das Muster dieser Taten gleicht auch denen des Ku Klux Klans in den amerikanischen Südstaaten nach dem Ende des Bürgerkriegs 1865: vergleichbar ist da auch die weiße Herrenmenschenideologie und die Herkunft der Täter aus dem "poor white trash". Nach dem Amoklauf in Norwegen ist hierzulande verschiedentlich versucht worden, Thilo Sarrazin zum "geistigen Brandstifter" dafür zu stempeln; der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir war sich nicht zu schade dafür, Sarrazin und die Zwickauer Bestialitäten in Verbindung zu bringen (ohne Sarrazin allerdings beim Namen zu nennen: juristisch mag er sich hier noch auf sicherem Terrain bewegen). Ich muss zugeben, daß meine ersten Assoziationen andere waren: es klang, als habe hier Günter Grass als Inspirationsquelle gedient - die mordenden Nazikommandos in der Adenaurerzeit am Ende der Blechtrommel und die Neonazis aus dem Krebsgang bespielsweise.
Woran genau diese relativ hohe Widerstandskraft katholischer deutscher Milieus gegenüber extremistischen Tendenzen ergibt, weiß ich nicht.
Das ist in der Tat eine interessante Fragestellung. Allgemein gibt es in Deutschland einige interessante Korrelationen zwischen der Verbreitung einer Konfession auf der einen Seite und dem politischen Verhalten, sowie dem wirtschaftlichen Wohlstand, auf der anderen Seite. Das verlangt nach einer Erklärung, aber nur in Deutschland. In anderen Teilen der Welt kann man diese Korrelation so nämlich nicht postulieren, hauptsächlich in Deutschland (interessant wäre vielleicht noch ein Blick auf die Schweiz, aber auch hier gilt diese Korrelation zumindest in Bezug auf wirtschaftlichen Erfolg wohl nicht).
... gabs einen rechtsextremen Untergrund. Als ich zu Beginn meines Studiums Anfang der 90er ein paar Wochen in den Semester-Ferien zwecks Behebung der Schäden einen Kabelbrandes auf einem Rheinbraun Braunkohle-Bagger gearbeitet hab, hab ich mich ein wenig mit einem ziemlich schrägen Vogel aus dem Osten angefreundet. Der Typ kam aus genau dieser Szene und besaß auch Gefängnis-Erfahrung. Der war allerdings klar anti-SED und meinte auch, dass die ehemaligen Machthaber dort nun auf überzeugte Demokraten machen. Eine Einschätzung, die sicher in vielen Fällen zutreffend war.
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