Wahrscheinlich haben viele sich das heute im Lauf des Tages gefragt: Geht es eigentlich juristisch, daß "Bild" veröffentlicht, was Wulff gesagt hat, auch wenn dieser das nicht will?
Es scheint, daß es geht. Und wenn es juristisch geht, dann sollte es auch stattfinden.
Muss ich aus der Argumentation der zitierten Juristin also schließen, dass im Prinzip jeder das Recht hat, alles, was andere auf seinen Anrufbeantworter sprechen, ohne deren Zustimmung im Internet oder sonstwo zu veröffentlichen? (Straffreiheit der "unbefugten Veröffentlichung einer befugten Aufzeichnung")
Ich bin juristischer Laie, aber, pardon, das erscheint mir hochgradig unplausibel.
Sollte es doch zutreffen, dann werden wir in Deutschland in den kommenden Monaten eine irrwitzige Volksgaudi mit unbefugt veröffentlichtem AB-Gestotter erleben. Und das Produkt Anrufbeantworter ist ab übermorgen tot. Kein Mensch wird mehr irgendwo etwas auf Band sprechen wollen, was er nicht vorher auf Druckreife und Qualität des schauspielerischen Vortrags geprüft hat.
Im gesellschaftlichen Umgang wird heute allgemein davon ausgegangen, dass solche Aufzeichnungen eben nicht an eine Massenöffentlichkeit geraten. Dass es ein generelles Gebot der Klugheit ist, erst zu denken und dann zu reden, ist ein ganz anderes Thema. Auch Briefe oder Emails sollte man ja nicht im emotionalen Ausnahmezustand schreiben und abschicken. Trotzdem gilt das Postgeheimnis - mit bestimmten Einschränkungen im Zusammenhang mit der Aufklärung von Verbrechen.
In der Telefon-Affäre Wulff geht es nicht um die Aufklärung von Rechtsbrüchen, sondern um den Stil des Bundespräsidenten. Diesen Stil finde auch ich jämmerlich. Aber was die Veröffentlichung des Telefonats angeht: Hier wird Wulff von Springer schlicht gelinkt.
NACHTRAG 21.43: Das Postgeheimnis verbietet es mir natürlich nicht, erhaltene Briefe oder Mails herumzuzeigen - selbst wenn diese als vertraulich gekennzeichnet sind. Insofern mag der Jurist tatsächlich analog für AB-Mitteilungen argumentieren. Dennoch ist die Annahme von Vertraulichkeit de facto eine Voraussetzung dafür, dass Anrufbeantworter überhaupt so hohe Verbreitung gefunden haben. Eine mündliche Mitteilung ähnelt eher einem persönlichen Gespräch als einem Brief. Die Mailbox dient nur der zeitversetzten Übertragung der mündlichen Kommunikation. Das ist etwas völlig anderes als ein Mitschnitt zu Dokumentations- und Analysezwecken, wie er zB. in Callcentern üblich ist - nachdem der Anrufer vorher explizit um Zustimmung gebeten wird.
Urlauber
(
gelöscht
)
Beiträge:
05.01.2012 21:59
#3 RE: Marginalie: "Bild" sollte den Mailbox-Text veröffentlichen
Zitat von JunoIch bin juristischer Laie, aber, pardon, das erscheint mir hochgradig unplausibel. [...] Im gesellschaftlichen Umgang wird heute allgemein davon ausgegangen, dass solche Aufzeichnungen eben nicht an eine Massenöffentlichkeit geraten.
Bin da auch kein Fachmann. Aber ich glaube es macht einen Unterschied, ob der Herr Wulff oder der Bundespräsident Wulff angerufen hat. Den Anruf hat der Bundespräsident getätigt. Das ist ungefähr so wie ein Schreiben mit Bundespräsidialamt-Briefkopf. Diese dürfen (wenn nicht wichtige Gründe dagegensrechen, militärische Geheimhaltung oder so was) vom Adressaten normalerweise öffentlich gemacht werden. Zu klären wäre meiner Meinung nach, ob Wulff um Vertraulichkeit gebeten hat. Hat er?
NACHTRAG 22:03 Sehe gerade Ihren Nachtrag von 21.43. Mein Posting ist damit überholt.
Frau Kämpfer sagt nur, dass die Veröffentlichung nicht strafbar wäre. Nur weil es nicht strafbar ist, ist es nicht gleich rechtmäßig. Ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht könnte schon vorliegen, wobei da die Rechtslage wohl nicht so eindeutig ist. Die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und öffentlichem Interesse ist reine Wertungsfrage. Christian Wulff könnte versuchen, mittels einstweiliger Verfügung eine Veröffentlichung zu verhindern. Ob das wiederum klug wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Zitat von JunoDas Postgeheimnis verbietet es mir natürlich nicht, erhaltene Briefe oder Mails herumzuzeigen - selbst wenn diese als vertraulich gekennzeichnet sind. Insofern mag der Jurist tatsächlich analog für AB-Mitteilungen argumentieren. Dennoch ist die Annahme von Vertraulichkeit de facto eine Voraussetzung dafür, dass Anrufbeantworter überhaupt so hohe Verbreitung gefunden haben. Eine mündliche Mitteilung ähnelt eher einem persönlichen Gespräch als einem Brief. Die Mailbox dient nur der zeitversetzten Übertragung der mündlichen Kommunikation. Das ist etwas völlig anderes als ein Mitschnitt zu Dokumentations- und Analysezwecken, wie er zB. in Callcentern üblich ist - nachdem der Anrufer vorher explizit um Zustimmung gebeten wird.
Als ich mich, lieber Juno, heute Nachmittag darüber unterhalten habe, meinte jemand, daß die causa wohl Stoff zu mancher juristischen Dissertation bieten könnte.
Ich hatte so etwas wie "Persönlichkeitsschutz", "Vertrauensschutz" und dergleichen eingeworfen. Aber natürlich kann man sich da als juristischer Laie viel ausdenken. Welche Bestimmungen des StGB in Anwendung kommen und wie sie nach der herrschenden Rechtsprechung auszulegen sind, können nur Juristen beurteilen; hier vermutlich sogar nur Fachjuristen.
Ich denke, da wird sich morgen auch noch der eine oder andere zu Wort melden. Unabhängig davon meine ich aber: Wenne es juristisch geht, dann sollte "Bild" veröffentlichen.
Wulff hat heute seinen vielen Ungeschicktheiten eine weitere hinzugefügt. Denn er kann sich doch an den fünf Fingern abzählen, daß jetzt die Vermutungen und Gerüchte darüber sprießen, was er denn zu verbergen hat, daß er der Veröffentlichung nicht zustimmt. - Es wird immer auswegloser für diesen Mann, der einem wirklich leid tun kann. Hat er denn keine Berater, die ihm sagen, wie es steht?
Zitat Mit anderen Worten: „Wir machen Sie gerade nach allen Regeln der Kunst fertig, wir veröffentlichen früher oder später den wohlweißlich seit mehr als drei Wochen gut abgehangenen Anruf ohnehin. Besser aber, Sie selbst verlesen Ihr Urteil vorm Volk, als dass wir es gegen Ihren Willen tun müssen.“
Zitat von ZettelStellt sich durch die Veröffentlichung andererseits heraus, daß Wulff den Inhalt dessen, was er auf die Mailbox gesprochen hat, in dem gestrigen Interview verfälscht hat, dann ist er nicht mehr im Amt zu halten
Das ist eine sehr merkwürdige Formulierung. Wer hält einen Bundespräsidenten im Amt? In erster Linie der Bundespräsident. Ich schließe jetzt Tod, Unzurechnungsfähigkeit und Aufgabe der Staatsangehörigkeit aus, dann bleiben nur Rücktritt oder Amtsenthebung nach Artikel 61 GG durch das Bundesverfassungsgericht nach Anklage wegen "vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes".
Der Artikel 61 hat sehr hohe Hürden und bisher kann ich nicht erkennen, dass irgendjemand ernsthaft darüber nachdenkt, diesen Weg zu beschreiten. Nach dem jetzigen Stand der Dinge kann sich Christian Wulff bis zum Ablauf seiner Amtszeit im Amt halten und zumindest gestern noch war er vollkommen davon überzeugt, seine Aufgaben zu erfüllen. Auch wenn die mailbox-aufzeichnung geleakt wird, kann die Empörung noch so groß sein, wenn Christian Wulff keine Veranlassung zum Rücktritt sieht, wird er es auch nicht tun. Da haben schon andere weitaus größere Vorwürfe ausgesessen.
Ich bin davon überzeugt, dass zwischen Politikern und Journalisten vieles hinter verschlossener Tür geregelt werden kann und auch wenn es dem Wunsch nach Transparenz entgegenläuft, ist es vielleicht gar nicht so verkehrt (auch wenn mich alleine die Vermutung maßlos ärgert).
Diese Kampagne, die mittlerweile tatsächlich zur Affäre wurde, wird große Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Politikern und den Medien haben. Kein Politiker kann sich mehr sicher sein, dass das was er "unter drei" durchgestochen hat, wirklich geheim bleibt, sondern mit Namensnennung die Titelseite eines Boulevard- oder Qualitätsblattes zieren wird. Es waren nicht Diekmann oder die BILD alleine, die "die Nachricht in Abwesenheit" ganz oben aufgehängt haben, sondern die Süddeutsche und die FAZ.
Das hat für das gemeine Volk viel Positives, denn was nutzen ihm informierte Journalisten, die nicht informieren dürfen, aber dafür umso besserwisserischer grinsen und ihr eigenes Süppchen kochen.
Zitat von WELT„Pressefreiheit ist eines unserer höchsten Güter und wird gerade von jungen Menschen beinahe schon als selbstverständlich hingenommen. Dabei zeigen etwa die jüngsten Ereignisse um Bundespräsident Christian Wulff, wie unverhohlen bis in die höchsten Ämter inzwischen versucht wird, Einfluss auf die Medien zu nehmen“, sagt Akademie-Direktor Marc Thomas Spahl. Journalisten müssen auf Missstände aufmerksam machen
„Gerade wir Journalisten müssen auf solche Missstände aufmerksam machen und dieses Grundrecht mutig verteidigen. So wie es etwa auch Axel Springer immer gemacht hat, dessen 100. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern.“ Die Nachwuchsjournalisten von Team 10 haben in den vergangenen Monaten an der Website gearbeitet und werden auch künftig dafür recherchieren und schreiben.
Das Jahr 2012 wird voller Überraschungen sein und BILD wird ganz vorne mitmischen, wenn ich diesen Artikel in der WELT richtig deute.
Zunächst ist zwischen strafrechtlichen und zivilrechtlichen Folge zu unterscheiden.
Strafrechtlich kann eine Strafbarkeit nach § 201 StGB in Betracht vorliegen. Sie scheitert allerdings daran, dass der Sprecher eingewilligt hat.
Zivilrechtlich kommen unabhängig davon Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 Abs. 1 BGB (§ 1004 BGB) iVm Art. 1 und 2 GG) - hier in Gestalt des Rechts am gesprochenen Wort. Eine Verletzung des Rechts am gesprochenen liegt vor. Allerdings dürfte diese wegen des öffentlichen Interesses gerechtfertigt sein, da es sich beim Bundespräsidenten um eine Person des öffentlichen Interesses handelt. Zudem hat er den Inhalt des Gespräches durch dessen Inhaltswiedergabe im Rahmen des Interviews selbst ebenfalls zum Gegenstand der öffentlichen Debatte werden lassen.
Urlauber
(
gelöscht
)
Beiträge:
06.01.2012 10:21
#9 RE: Marginalie: "Bild" sollte den Mailbox-Text veröffentlichen
Zitat von UliChristian Wulff könnte versuchen, mittels einstweiliger Verfügung eine Veröffentlichung zu verhindern. Ob das wiederum klug wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Das meinte ich vorgestern mit meinen offenbar nicht ausreichend kommentierten Hinweis auf die zittauer Nebensache. Ein Mensch in herausgehobener Stellung kann sich selbst durch gewonnene Prozesse um seinen Ruf bringen. "Was stört es eine deutsche Eiche, wenn sich eine Wildsau dran wetzt!?" - so einen will man ganz oben haben. Auf den Punkt gebracht es hat das De legibus Blog
Zitat von De legibus Blog 3. Januar 2012, Ein Abgrund von LandesverratUnd wenn Wulff mit seinen strafprozessualen Nebenbeschäftigungen fertig ist, kann er sich – in der Tradition von Joschka Fischer und Oskar Lafontaine – auf den Kampfplatz des zivilprozessualen Persönlichkeitsschutzes werfen (am besten in Hamburg)
Ich kann mich über diese Diskussion nur wundern. Nur weil etwas juristisch "geht", ist es noch lange nicht in Ordnung, es zu tun. Im Gegenteil: Die meisten Sachen, die als unhöflich, rücksichtslos oder bis hin zu völlig widerlich und charakterlos gelten, sind rein legal gesehen ncht verboten.
Insbesondere halte ich die unauthorisierte Veröffentlichung von Privatgesprächen grundsätzlich für eine Schweinerei. Schon die bisherige Publizierung von einzelnen Zitatbrocken durch Diekmann und seine Kumpane war unter aller Sau. Eine Komplettveröffentlichung wäre noch viel schlimmer - insbesondere da die Erlaubnis dazu explizit und deutlich verweigert wurde.
Zitat von R.A.Ich kann mich über diese Diskussion nur wundern. Nur weil etwas juristisch "geht", ist es noch lange nicht in Ordnung, es zu tun.
Natürlich nicht, lieber R.A. Aber dann sind die Voraussetzungen dafür gegeben, zu überlegen, ob es besser ist, es zu tun oder es zu lassen.
Hier geht es darum, eine immer unsäglicher werdende Diskussion auf den Boden der Tatsachen zu stellen.
Die einen sagen dies, die anderen sagen jenes - was ist denn das für ein Zustand? Wulff behauptet, Blome bestreitet. Die ARD meldet heute, Wulff hätte Recht. Vielleicht meldet im Lauf des Tages jemand, "Bild" hätte Recht. Es wird munter gemutmaßt und spekuliert werden; irgendwann wird der Text durchsickern.
Das ist doch alles unwürdig. Im übrigen geht es ja überhaupt nicht um den Schutz der Privatsphäre. Es hat nicht der Privatmann Wulff mit dem Privatmann Diekmann telefonieren wollen, sondern der Bundespräsident wollte Pressionen auf den Chefredakteur von "Bild" ausüben.
Darüber wird nun seit Tagen in aller Öffentlichkeit debattiert. Der gesamte Vorgang ist so öffentlich, wie überhaupt nur etwas öffentlich sein kann. Nur dasjenige Dokument, dessen Bekanntwerden Spekulationen beenden und den wahren Sachverhalt klarstellen könnte, solle geheim bleiben? Ich hielte das für absurd.
Zitat von FranciscoZunächst ist zwischen strafrechtlichen und zivilrechtlichen Folge zu unterscheiden.
Strafrechtlich kann eine Strafbarkeit nach § 201 StGB in Betracht vorliegen. Sie scheitert allerdings daran, dass der Sprecher eingewilligt hat.
Zivilrechtlich kommen unabhängig davon Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 Abs. 1 BGB (§ 1004 BGB) iVm Art. 1 und 2 GG) - hier in Gestalt des Rechts am gesprochenen Wort. Eine Verletzung des Rechts am gesprochenen liegt vor. Allerdings dürfte diese wegen des öffentlichen Interesses gerechtfertigt sein, da es sich beim Bundespräsidenten um eine Person des öffentlichen Interesses handelt. Zudem hat er den Inhalt des Gespräches durch dessen Inhaltswiedergabe im Rahmen des Interviews selbst ebenfalls zum Gegenstand der öffentlichen Debatte werden lassen.
Vielen Dank für diese kompetenten Informationen!
Allerdings habe ich als Nichtjurist einige Schwierigkeiten, die beiden von Ihnen zitierten Paragraphen auf den jetzigen Fall anzuwenden:
Zitat § 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Zitat § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
Offenbar ist die Verbindung mit den beiden Artikeln des GG kritisch, die Sie nennen. Ist es so, daß dadurch die Würde des Einzelnen und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit sozusagen unter die in den beiden Paragraphen genannten Rechtsgüter (Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum) subsumiert werden?
Aber würde denn eine widerrechtliche Verletzung vorliegen, wenn ein Text, der Gegenstand einer öffentlichen Debatte ist, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird?
Geht es dabei überhaupt um Persönlichkeit, und nicht vielmehr um das Handeln des Bundespräsidenten als Amtsträger?
Und sind dem Persönlichkeitsrecht nicht durch ein öffentliches Interesse Schranken gesetzt? (Das Recht am eigenen Bild zum Beispiel gilt meines Wissens nicht für Personen des öffentlichen Lebens).
Was mich noch interessieren würde: Solche Fälle, in denen jemand etwas öffentlich macht, das er als Nachricht erhalten hat, dürften doch eigentlich gar nicht so selten sein. Sagen wir, jemand schreibt mir eine Mail zu einem Artikel in ZR, und ich zitiere sie hier im kleinen Zimmer. Dürfte ich das? (Ich handhabe es grundsätzlich so, um Zustimmung zu bitten). Oder jemand schickt mir einen Drohbrief. Darf ich ihn veröffentlichen? Jemand schreibt seiner Freundin eine böser SMS. Darf sie diese in Facebook publik machen?
Also, lieber Francisco, ich stelle mir vor, daß solche Fälle ubiquitär sind. Kennen Sie - oder kennt ein anderer Jurist hier im Forum - dazu die Rechtsprechung?
M. E. muß diese Diskussion nicht "auf den Boden der Tatsachen gestellt" werden. Diese Diskussion muß überhaupt nicht geführt werden, es besteht kein legitimes Interesse an der Klärung der Nebensächlichkeit, ob es um Verschiebung oder Verhinderung ging.
Unstrittig ist, daß Wulff mit dem BILD-Vorgehen unzufrieden war und daß er versucht hat, das in seinem Sinne zu ändern. Dieser Versuch war legitim und ist mißlungen. Und mehr ist nicht zu klären. Diekmann und Komparsen versuchen mit dem Hochspielen von unwichtigen Details die Affäre am Laufen zu halten und zu suggerieren, es gäbe noch Aufklärungsbedarf und die wachsame Presse müsse weiter am Ball bleiben. Aber genau das ist eben falsch. Nur weil Diekmann mit seiner Veröffentlichungsanfrage ein Stöckchen hinhält, müssen wir nicht drüber springen.
Zitat von R.A.M. E. muß diese Diskussion nicht "auf den Boden der Tatsachen gestellt" werden. Diese Diskussion muß überhaupt nicht geführt werden, es besteht kein legitimes Interesse an der Klärung der Nebensächlichkeit, ob es um Verschiebung oder Verhinderung ging.
Es geht, lieber R.A., darum, ob Wulff in dem Interview die Wahrheit gesagt hat. Wie auch in Bezug auf das Wirksamwerden des Vertrags mit der BV-Bank. Das ist keine Petitesse, ob der Bundespräsident gelogen hat.
Es ist so, daß es mir mit Wulff ähnlich geht wie seinerzeit mit Guttenberg.
Ich hatte von ihm zunächst eine gute Meinung (bei Guttenberg hatte sie sich herausgebildet, nachdem ich ihn ganz am Anfang seiner Ministerzeit kritisch gesehen hatte). Dann stellte sich in meinen Augen peu à peu heraus, daß der Mann nicht echt ist. Daß sich hinter der Fassade des jovial-korrekten Aristokraten ein Karrierist verbirgt, der bedenkenlos lügt und der Untergebene opfert, wenn es seiner Karriere dient.
So ähnlich - wenn auch weniger krass - geht es mir jetzt mit Wulff. Ich habe seine intellektuellen Fähigkeiten gewiß nie überschätzt, ihn aber für einen geraden, aufrechten Charakter gehalten. Dieses Bild bröckelt bei mir. Nein, das ist zu wenig: Die Fassade stürzt in meinen Augen auch hier ein.
Wie kann der Volljurist Wulff behaupten, ein Vertrag sei gültig, wenn er das gar nicht ist? Wie kann er über den Inhalt seiner Mailboxnachricht Behauptungen aufstellen und sich dann weigern, das anhand des Textes zu klären?
Der Mann ist ungeschickt; gut. Aber bei mir wächst der Eindruck, daß er auch unredlich ist.
Zitat Aber würde denn eine widerrechtliche Verletzung vorliegen, wenn ein Text, der Gegenstand einer öffentlichen Debatte ist, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird?
Ob eine solche Veröffentlichung grundsätzlich widerrechtlich ist, kann ich juristisch nicht beurteilen. Ich nehme dazu nur unter dem Aspekt "Anständigkeit" Stellung
Aber sowohl juristisch wie anstandshalber gilt m. E., daß eine unerlaubte Teilveröffentlichung bestimmt keine Rechtfertigung sein kann, daß nun die Komplettveröffentlichung ok wäre.
Beispiel: Eine öffentliche Diskussion über die Vermutung, in Angela Merkels privatem Tagebuch würde sie ihr intimes Verhältnis zu Sarkozy beschreiben, würde nicht rechtfertigen, daß Anonymous nun diese Tagebücher komplett veröffentlicht. Und auch dann nicht rechtfertigen, wenn Anonymous vorher angebliche Zitate aus diesem Tagebuch gebracht hat oder wenn Merkel öffentlich bestreitet, so etwas geschrieben zu haben.
Man kann dann auch nicht die Veröffentlichung von ihr verlangen um zu klären, ob sie bei ihrem Dementi wirklich die Wahrheit gesagt hat. Da gilt einfach: Die Darstellung Merkels ist die einzige legitime, die Behauptungen der Gegenseite mit ihren angeblichen schmutzigen Zitaten sind per se unglaubwürdig und keiner weiteren öffentlichen Diskussion würdig.
Zitat von Zettel[quote="R.A."] Im übrigen geht es ja überhaupt nicht um den Schutz der Privatsphäre. Es hat nicht der Privatmann Wulff mit dem Privatmann Diekmann telefonieren wollen, sondern der Bundespräsident wollte Pressionen auf den Chefredakteur von "Bild" ausüben.
Lieber Zettel,
da muss ich Ihnen leider (teilweise) widersprechen. Auf die Personen kommt es im ersten Schritt nicht an. Gegenstand des Telefonats war der Hauskredit. Der Hauskredit betrifft als Frage nach den finanziellen Verhältnissen einer Person zunächst dessen Privatsphäre. Daran ändert sich zunächst auch nichts durch die Anfrage der Grünen seinerzeit im niedersächsischen Landtag, da sie formal auf die Verbindungen zwischen Geerkens und Wulff abzielte. Eine solche Verbindung war der Privatkredit nicht, da der durch Frau Geerkens gegeben wurde. Man mag seinerzeit das so gewählt haben, um eine Verbindung zwischen Herrn Geerkens und Herrn Wulff zu vermeiden. Aber das macht es formaljuristisch nicht verwerflich. Er hat im niedersächsischen Landtag die Wahrheit gesagt.
Damit ist das Thema also privater Natur. Die Frage die sich jetzt stellt ist, ob die Veröffentlichung des Telefongesprächs - unabhängig von der Frage, ob als Transcript oder als Audiodatei - im öffentlichen Interesse liegt, die Pressefreiheit also das Recht auf Privatleben überwiegt. Das wiederum wird man bejahen müssen.
Zu Ihrer Frage:
Das Recht auf Privatsphäre ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet sich so im Grundgesetz nicht, sondern wurde von der Rechtsprechung - nämlich dem BGH - in den 50er Jahren (1954) entwickelt. Verfassungsrechtliche Weihe durch das BVerfG erhielt es etwas später durch die Soraya-Entscheidung. Art 2 GG garantiert die allgemeine Handlungsfreiheit. Die Handlungsfreiheit ist aber Garant für die Entfaltung der Persönlichkeit. Sie schützt also das aktive Element der Persönlichkeit. Ein Schutz des passiven Elements (Behandlung durch andere) ist nicht beinhaltet. Das passive Element leitet sich wiederum aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) ab. Daher werden beide Artikel zitiert. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zivilrechtlich wiederum als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 BGB anerkannt. Daher der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1, 2 GG.
Bei § 1004 BGB war leider etwas ungenau. § 1004 BGB wird nicht direkt, sondern analog angewendet. Einen allgemeinen Unterlassungsanspruch sieht das BGB nicht vor. Die Rechtsprechung hat aber schon recht früh erkannt, dass es eines solchen Schutzes bedarf und § 1004 BGB nicht nur auf das Eigentum (übrigens in § 823 BGB ausdrücklich genannt), sondern analog auch auf die anderen in § 823 BGB genannten Rechte angewandt.
F. @ R.A.: Sie haben Recht, Teilveröffentlichung dürfte auch juristisch nicht funktionieren. Man würde so den Bock zum Gärtner machen. Was mich wundert ist, dass diese Sache erst nach Weihnachten kam. Hier scheint ein doch erhebliches Eigeninteresse der BILD zu bestehen. Was die Sache allerdings weder verbessert noch verschlimmert. Auch die Presse ist Marktteilnehmer.
Zitat von Wulff „Ich glaube, manchmal ist auch sozusagen die Suche vielleicht auch von einem Misstrauen geprägt, was die Sachlage nicht rechtfertigt. Denn wenn Sie am 25. November sich geeinigt haben und die Bank das eingebucht hat, sich dafür abgesichert hat, dann ist der Vertrag geschlossen. Am 25.11.! Dass der dann noch sozusagen vertraglich unterschrieben wird, die Bank mir das zuschickt, ich das zurückschicke, ist eine Durchführung, die aber gar nicht notwendig ist, weil ein mündlicher Vertragsschluss reichen würde. Es gilt auch Handschlagqualität in diesem Bereich, wenn man sich mit einer Bank verständigt.“
Für jeden Bankkunden ist das Bankgeschäft am 25.11 abgeschlossen falls sich nichts ändert was durch Bonitätsprüfung auffällt oder durch Insolvenz der Bank verursacht wird. Wenn die Bank den Kredit aus nichtigen Gründen zurückziehen würde, würde sicher ein Vertrauensschutz entstehen, das gleiche gilt umgekehrt. Die für den Verbraucherkredit notwendige Unterschrift ist sicher notwendig (Schriftform seit 1990 erforderlich) und da liegt Herr Wulff also falsch, aber ist das eine Lüge? Die politische Aussage, Kredit durch ein langfristiges Darlehen ersetzt stimmt damit doch immer noch. Für mich ist das Wortklauberei und das ist eine Methode von Forentrollen und ist meiner Meinung nach nichts weswegen irgendwer zurücktreten muss.
Zitat von Zettel Und sind dem Persönlichkeitsrecht nicht durch ein öffentliches Interesse Schranken gesetzt? (Das Recht am eigenen Bild zum Beispiel gilt meines Wissens nicht für Personen des öffentlichen Lebens).
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt für jedermann zunächst gleichermaßen. Auch ein Bundespräsident hat ein Recht auf Privatleben. Der Eingriff kann aber bei einer Person des öffentlichen Interesses (früher Person der Zeitgeschichte) gerechtfertigt sein. Das hat den Vorteil, dass hier in Deutschland anders als in den USA nicht etwa jede sexuelle Vorliebe unserer Politiker gleich in den Medien ausgeschlachtet wird und es so für uns heute kein Problem ist, dass etwa ein homosexueller Außenminister werden kann. Die Rechtfertigungsschwelle ermöglicht uns also zunächst die Privatsphäre sachlich angemessen zu schützen. Ein Eingriff ist immer dann gerechtfertigt, wenn die Presse ihre "Wachhundfunktion" wahrnimmt.
Zitat von Zettel Was mich noch interessieren würde: Solche Fälle, in denen jemand etwas öffentlich macht, das er als Nachricht erhalten hat, dürften doch eigentlich gar nicht so selten sein. Sagen wir, jemand schreibt mir eine Mail zu einem Artikel in ZR, und ich zitiere sie hier im kleinen Zimmer. Dürfte ich das? (Ich handhabe es grundsätzlich so, um Zustimmung zu bitten). Oder jemand schickt mir einen Drohbrief. Darf ich ihn veröffentlichen? Jemand schreibt seiner Freundin eine böser SMS. Darf sie diese in Facebook publik machen?
Aus der oben genannten Methodik folgt, dass es grundsätzlich notwendig ist nach der Erlaubnis Bzw. Einwilligung zu fragen und auf eine Veröffentlichung - sei es im Forum oder auf Facebook - zu verzichten, wenn sie nicht gegeben wird. Das Recht auf Selbstbestimmung erlaubt dem Sender einer Information den Empfänger zu bestimmen. Eine an Sie gerichtete eMail ist an sie und nicht an das Forum gerichtet. Die SMS ist an die Freundin gerichtet, usw. Da wird man eine Linie ziehen müssen. Einer Freundin zeigen wird i.O. sein., im Internet veröffentlichen hingegen nicht.
Lieber R.A., verstehe ich das richtig, dass es ihnen in erster Linie nicht um Fragen von Recht und Gesetz geht, sondern um moralische Ansprüche; dass es also nicht darum geht, ob es rechtlich einwandfrei wäre, ob man Wulffs Anruf veröffentlich, sondern, dass man sowas einfach nicht tut? Bei der Diskussion darüber, stellt sich mir die weitere Frage, wieso man auf die moralische Integrität eines Diekmann oder einer Bild-Zeitung soviel wert legt, dem Bundespräsidenten aber zugesteht alles zu tun, was nicht gerade illegal ist, egal wie unmoralisch es ist. Sollte es nicht eher anders herum sein?
PS: Würde Angela Merkel Kai Diekmann ihr privates Tagebuch auf den AB sprechen, dann wäre es dadurch wohl nicht mehr privat und da sie es auf den AB sprach, müsste man davon ausgehen, dass es für sie ok ist, wenn man es veröffentlicht. Für mich spitzt sich die Sache mit dem AB langsam zu, wie damals bei Guttenberg; entweder der Bundespräsident wusste, was er tat als er Drohungen auf den AB des Chefredakteurs der Bild sprach und nahm es billigend in Kauf oder er ist ein Trottel, den man vor sich selbst schützen muss. Letzteres will ich aber im Hinblick auf die Würde des Amtes gar nicht ernsthaft erwägen.
Zitat Das ist keine Petitesse, ob der Bundespräsident gelogen hat.
Das kommt ja nun darauf an, welche Tragweite die Unwahrheit hat. Wenn ich hier schreiben würde "ich habe doch schon letzten Dienstag behauptet, daß an der Affäre nichts dran ist", dann war das vielleicht falsch und ich habe das eigentlich schon am Montag geschrieben. Das wäre nun gewiß keine Lüge, die mich fürs Präsidentenamt disqualifizieren würde.
Und ähnlich unwichtig sind die Aussagen, um die es hier geht. Es gab unbestritten die Anrufe, um die Berichterstattung zu beeinflussen. Man braucht ncht die jetzt strittigen Details zu klären um zu beurteilen, ob man solche Einflußnahmen für vertretbat hält oder nicht. Es gab den BW-Kredit, mit dem Wulff den Geerken-Kredit abgelöst hat. Und im realen Geschäftsleben ist in erster Linie relevant, daß die Bank den Kredit zu diesen Kondotionen zugesagt hat. Sobald der Bankverantwortliche das bestätigt hat, ist der Käs' gegessen, man kann weiterplanen, die formale Abwicklung bis zur Unterschrift ist ziemlich sekundär. Und für die politische Beurteilung, ob der Kredit ok war, ist die aktuelle Mediendiskussion absolut unwichtig, auch hier wird nur versucht, die Sache künstlich am Kochen zu halten.
Mein Bild von Wulff war nie sehr positiv. Ein Anpassertyp, windelweich und unbeständig. Und dieser Eindruck hat sich in den letzten Wochen vertieft. Er war und bleibt ein schwacher Präsident und wir können froh sein, wenn seine Amtszeit vorbei ist. Ich brauche keine weiteren Enthüllungen mehr, um dieses Urteil zu bestätigen. Und umgekehrt wäre mir auch egal, wenn die Journaille mit allen weiteren Vorwürfchen recht hätte. Das gäbe maximal ein paar Minuspünktchen mehr - aber noch lange keinen massiven Rücktrittsgrund. Die Kampagne ist zu substanzarm und dient nur noch dem Ego des Redaktionspöbels und der Demontage unserer demokratischen Institutionen.
Zitat von R.A.Es gab unbestritten die Anrufe, um die Berichterstattung zu beeinflussen. Man braucht ncht die jetzt strittigen Details zu klären um zu beurteilen, ob man solche Einflußnahmen für vertretbat hält oder nicht.
Das sehe ich anders, lieber R.A.
Bis zu dem Interview wurde in den Medien allgemein angenommen, daß Wulff versucht hatte, die Veröffentlichung zu verhindern. Das war, wenn es stimmt, inakzeptabel. Er hingegen sagt, er hätte nur eine Verschiebung der Veröffentlichung um einen Tag erreichen wollen. Das ist vielleicht etwas ungewöhnlich, aber in meinen Augen akzeptabel. Ein solcher Aufschub könnte zB dann sinnvoll gewesen sein, wenn Wulff noch Informationen übermitteln wollte, von denen er annahm, daß sie für einen solchen Bericht wichtig wären.
Wie auch immer - wer gackert, der soll auch legen, sagte meine Großmutter. Wulff hätte zum Inhalt dessen, was er da auf ei Mailbox gesprochen hat, nichts sagen müssen. Er hat diesen Inhalt von sich aus offenbart. Wenn jetzt Zweifel daran bestehen, daß er ihn richtig wiedergegeben hat - Zweifel sogar von Seiten des Adressaten, der es ja eigentlich wissen muß -, dann ist es mir unbegreiflich, wieso Wulff diese Zweifel nicht ausräumt, indem er der Veröffentlichung zustimmt.
Es sei denn, er hat eben gelogen. Dieses Wort scheint mir hier nicht zu hart. Anders als im Fall des Zeitpunkts des Vertragsschlusses, auf den ich das auch nicht hatte beziehen wollen. Das mag ein läßliche Ungenauigkeit gewesen sein.
Zitat von Zettel Anders als im Fall des Zeitpunkts des Vertragsschlusses, auf den ich das auch nicht hatte beziehen wollen. Das mag ein läßliche Ungenauigkeit gewesen sein.
Das war keine läßliche Ungenauigkeit. Das war eine für einen Rechtsanwalt, der sich und das Präsidialamt seit Wochen mit dieser Frage beschäftigt, eine höchst blamable Ignoranz.
Denn Wulff ging davon aus, dass "... auch Handschlagqualität in diesem Bereich [gilt], wenn man sich mit seiner Bank verständigt", wie Wulff im Fernsehinterview sagte. § BGB 492 und SPON Handschlag.
Zitat von Zettel Anders als im Fall des Zeitpunkts des Vertragsschlusses, auf den ich das auch nicht hatte beziehen wollen. Das mag ein läßliche Ungenauigkeit gewesen sein.
Das war keine läßliche Ungenauigkeit. Das war eine für einen Rechtsanwalt, der sich und das Präsidialamt seit Wochen mit dieser Frage beschäftigt, eine höchst blamable Ignoranz.
Denn Wulff ging davon aus, dass "... auch Handschlagqualität in diesem Bereich [gilt], wenn man sich mit seiner Bank verständigt", wie Wulff im Fernsehinterview sagte. § BGB 492 und SPON Handschlag.
Lieber Leibniz,
es ist ein Unterschied, ob ein Rechtsexperte einen Sachverhalt am Schreibtisch kommentiert, oder ob ein Halbexperte (oder ist Wulff Experte in Vertragsrecht?) in einem für ihn kritischen Life-Interview eine Sachaussage machen muss oder soll - da bleibt kein Korrekturlesen. Ich halte es für etwas ignorant, in diesem Zusammenhang diese Aussage auf die Goldwaage zu legen. Ich habe das Interview auch gesehen, und im Kontext wollte Wulff darauf hinweisen, dass man sich auf den Vertragsentwurf bereits Ende November geeinigt hatte. Warum Wulff es nicht bei der Aussage belassen hat und nochmals 'nachgelegt' hat, scheint irgendwo in seinem Naturell zu liegen, ähnlich seinem Versuch, seinen Fall zu einer neuen Ära der Transparenz hochzustilisieren. Er kann halt den Mund nicht halten, muss immer einen nachlegen.
Ihm fehlt die Kaltschnäuzigkeit eines Fischer, also 'labert' er herum.
Zitat von ZettelGeht es eigentlich juristisch, daß "Bild" veröffentlicht, was Wulff gesagt hat, auch wenn dieser das nicht will? Es scheint, daß es geht.
So sieht das zumindest strafrechtlich die Expertin, die von der Qualitätszeitung aus dem in dieser Sache wohl nicht gänzlich neutralen Hause Springer zitiert wird.
Zitat von RAin Dr. KämpferTrotzdem gebe es eine Gesetzeslücke, da die „unbefugte Veröffentlichung“ eines „befugt aufgezeichneten Anrufs“ nicht unter Strafe stehe. Damit sei „die Veröffentlichung einer Mailbox-Nachricht – auch gegen den Willen des Anrufers – nicht strafbar“, schlußfolgert Kämpfer.
Soweit ich das ad hoc eruieren kann, entspricht diese Auskunft der überwiegenden Meinung in der Kommentarliteratur. Teilweise wird das allerdings auch anders gesehen (zB Wölfl, Jura 2003, 742). Eine gerichtliche Entscheidung, die eine dieser Meinungen autoritativ bestätigen würde, konnte ich mit meinen beschränkten Mitteln nicht finden. Dann aber bewegen wir uns im vertrauten Bereich "drei Juristen, vier Meinungen".
Zitat von § 201 StGBVerletzung der Vertraulichkeit des Wortes (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt 1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.
Ob der vorliegende Sachverhalt nach dieser Vorschrift strafbar ist, hängt davon ab, worauf genau sich das "so" bezieht. Klarerweise bezieht es sich auf den Inhalt des vorangehenden Halbsatzes unter Nr. 1. Die "Aufnahme" nach Nr. 2 muß also die des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen sein. So weit, so unproblematisch. Fraglich ist, ob man die Bezugnahme durch das Wort "so" unter der Nr. 2 darüber hinaus auch auf das Wort "unbefugt" erstrecken kann. Nur dann wäre von der Nr. 2 ausschließlich die Verbreitung einer an sich schon unbefugt vorgenommenen Aufnahme erfaßt. Das ist m.E. nun aber nicht unbedingt die bei unbefangener Betrachtung naheliegende Lesart. Das Wort "unbefugt" ist gleichermaßen beiden ihm nachfolgenden Nummern vorangestellt. Die hM liest den Gesetzestext dagegen so, also stünde das Wort "unbefugt" innerhalb der Nr. 1.
Teilweise wird auch in anderer Weise die angenommene Straflosigkeit eingeschränkt. Die (etwas ältere) Auflage des Standardkommentars zum StGB, die ich hier habe, führt aus (Rdnr. 10): "Die mit Einwilligung des Sprechenden hergestellte Aufnahme ist befugt; eine nicht konsentierte Weitergabe unterfällt daher nicht § 201; wenn nicht die Einwilligung gerade durch Täuschung über den Verwendungszweck erschlichen wurde." Man kann dann vielleicht auch auf Grundlage der hM darüber nachdenken, ob möglicherweise schon die Aufnahme als "unbefugt" anzusehen ist, wenn der Angerufene zuvor beim Anrufenden die Erwartung geweckt hat, AB-Nachrichten würden nicht an Dritte weitergegeben.
Dem Fachpublikum muß also daran gelegen sein, daß Herr Diekmann die Aufnahme veröffentlicht und Herr Wulff einen Strafantrag stellt. Dann könnte diese interessante Rechtsfrage endlich gerichtlich geklärt werden.
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Ob die Bild den Anruf offiziell veröffentlicht, dürfte keine große Rolle mehr spielen, weil immer mehr Details (auf welchem Wege auch immer) ans Licht kommen.
Anscheinend hat Wulff tatsächlich darum gebeten, den Artikel zu verschieben, bis - so wörtlich - "das Staatsoberhaupt von der Auslandsreise" zurück sei, und der Bild zugleich einen Prozeß und eine Pressekonferenz mit seiner Frau angedroht.
P.S. Jetzt tut sich noch eine weitere Front auf: VW-Aktionäre fordern von Wulff 1,8 Milliarden Euro Schadensersatz. Mal schauen, ob Herr Geerkens ihn da mit einem kleinen Privatkredit unterstützen kann.
Man kann ja über Wulff sagen, was man will, aber Politik war lange nicht mehr so unterhaltsam.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.