Zitat von ZettelSie handelt zum Wohl Deutschlands, Europas, ihrer Partei - so, wie sie es beurteilt. In dieser Reihenfolge, denke ich.
Ich stelle die These auf, dass auch die meisten anderen Politiker so handeln. Der Abgeordnetendiäten wegen tut sich das keiner an. Inwiefern ist das also ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Frau Merkel und Frau Künast?
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von ZettelLieber R.A., nur als Marginalie in dieser unserer unendlichen (naja ) Diskussion
Ich wäre froh, wenn es hier nur um Marginalien ginge. Aber je länger Merkel regiert, desto negativer wird mein Urteil. Inzwischen ist sie - trotz der harten Konkurrenz durch Schröder - die deutlich schlechteste Kanzlerbesetzung, die wir je hatten.
Zitat Ich kenne niemanden in der deutschen Politik, der so wenige "persönliche Ambitionen" hat wie Angela Merkel.
Richtig ist, daß sie die äußeren Zeichen von Macht nicht inszeniert, wohl auch kein Interesse an Pomp und Luxus hat. Aber ansonsten besteht sie nur aus persönlicher Ambition. Sie will diesen Job, sie will ihn behalten - und sonst zählt nichts.
Zitat Sie handelt zum Wohl Deutschlands, Europas, ihrer Partei ...
Ob sie das denkt, können wir beide nicht beurteilen. Aber ich habe bisher keinerlei Belege gefunden, daß sie außer der Machtsicherung irgendwelche Ziele hat. Weder für Deutschland noch Europa noch ihre Partei. Sie versucht kurzfristige taktische Ziele durchzusetzen, wenn sie sich davon machtpolitisch etwas verspricht - aber es gibt überhaupt keine langfristigen inhaltlichen Ziele, für die sie sich einsetzen würde.
Was man schon daran sieht, daß sie immer nur reagiert. Wenn eine Herausforderung kommt, versucht sie die irgendwie wegzudrücken. Auch hier immer nur kurzfristig, selbst wenn mittelfristige Folgeprobleme absehbar sind oder die langfristigen Folgen schlimm sein können. Aber sie stößt nie etwas aktiv an. Eigentlich ist sie völlig unpolitisch.
Zitat Fast jeder andere hätte auf den Vorstoß der FDP mit vollem Dagegenhalten reagiert - nach dem Motto: "Denen wollen wir es doch mal zeigen, wer Koch und wer Kellner ist".
Manche Politiker hätten so blind reagiert. Aber die wenigsten. Das Dagegenhalten war gegen die Front von SPD/Grünen/FDP erkennbar chancenlos, sie hätte ihre Niederlage nur noch ausgeweitet.
Insgesamt gab es für Merkel in der Nachfolgediskussion Wulff nur drei Ziele: Den besten Kandidaten zu verhindern, ihren Koalitionspartner zu schädigen und sich neue Machtoptionen zu öffnen. Nichts davon war im Interesse Deutschlands.
Zitat von GorgasalUnd, um auf die Spieltheorie zurückzukommen, die Zettel eingeführt hat: es macht einen Unterschied für die sinnvollste Strategie, ob man ein Ein-Runden-Spiel spielt oder ob man davon ausgeht, weitere Runden zu spielen. Im ersten Falle ist es in der Tat am sinnvollsten, den Gegner an die Wand zu drücken. Aber wenn man davon ausgeht, vielleicht doch noch einmal mit der FDP zu koalieren, dann ist es sinnvoller, nicht zur kurzfristigen Gewinnmaximierung auf Schritt und Tritt bürgerliches Porzellan zu zerdeppern.
Und natürlich wird Frau Merkels Umgang mit der FDP auch von anderen potentiellen zukünftigen Koalitionspartnern beobachtet.
Dann hat also die FDP die Große Koalition nicht beobachtet? ;-)
Zitat von GorgasalUnd natürlich wird Frau Merkels Umgang mit der FDP auch von anderen potentiellen zukünftigen Koalitionspartnern beobachtet.
Dann hat also die FDP die Große Koalition nicht beobachtet? ;-)
Da hat's wahrscheinlich an der Rationalität gefehlt. Die ich Frau Merkel ja sehr wohl zubillige.
Ich glaube die FDP ist davon ausgegangen, dass mit ihr anders umgegangen wird. Man bildete sich vielleicht ein Frau Merkel habe ein Herz für die Liberalen.
Zitat von TechniknörglerIch glaube die FDP ist davon ausgegangen, dass mit ihr anders umgegangen wird. Man bildete sich vielleicht ein Frau Merkel habe ein Herz für die Liberalen.
"Herz", lieber Techniknörgler, ist in der Politik eine problematische Kategorie. Guttenberg hat, wenn Sie mir die Metapher verzeihen, das Herz ständig im Mund geführt.
Wer in der Politik jammert und Reue zeigt, so wie es uns der verflossene Präsident vorgeführt hat, der ist zu Recht irgendwann weg vom Fenster.
Hätte die FDP seit den Wahlen 2009 Stärke und Entschlossenheit gezeigt, so wie sie es jetzt endlich tut, dann wäre sie von der Kanzlerin auch so behandelt worden, wie man mit einem starken Partner umgeht.
Die FDP hat, vielleicht geprägt von Westertwelle, sich aber wankelmütig benommen und dann geklagt, daß man sie schlecht behandle.
Sie wurde aber nur so behandelt, wie sie es zuließ. Wer erst sein Wort für eine Steuerreform verpfändet und dann nicht einmal das Finanzministerium fordert, der darf sich nicht wundern, wenn man ihn nicht ernstnimmt.
Merke die alte Fußball-Weisheit: Eine Mannschaft ist immer so stark, wie der Gegner es zuläßt.
Da wir wieder einmal unsere geliebte Diskussion über die Kanzlerin zelebrieren, möchte ich auf einen aus meiner Sicht fairen und nur etwas geschwätzigen Artikel über sie aufmerksam machen:
Die halbe Kanzlerin; "Spiegel" 48/2011. Das wird jetzt mit dem neuen Reader angeboten; ich hoffe, daß die alten Hefte aber auch weiter auch Nichtabonnenten zur Verfügung stehen.
Zitat von TechniknörglerIch glaube die FDP ist davon ausgegangen, dass mit ihr anders umgegangen wird. Man bildete sich vielleicht ein Frau Merkel habe ein Herz für die Liberalen.
"Herz", lieber Techniknörgler, ist in der Politik eine problematische Kategorie. Guttenberg hat, wenn Sie mir die Metapher verzeihen, das Herz ständig im Mund geführt.
Wer in der Politik jammert und Reue zeigt, so wie es uns der verflossene Präsident vorgeführt hat, der ist zu Recht irgendwann weg vom Fenster.
Hätte die FDP seit den Wahlen 2009 Stärke und Entschlossenheit gezeigt, so wie sie es jetzt endlich tut, dann wäre sie von der Kanzlerin auch so behandelt worden, wie man mit einem starken Partner umgeht.
Die FDP hat, vielleicht geprägt von Westertwelle, sich aber wankelmütig benommen und dann geklagt, daß man sie schlecht behandle.
Sie wurde aber nur so behandelt, wie sie es zuließ. Wer erst sein Wort für eine Steuerreform verpfändet und dann nicht einmal das Finanzministerium fordert, der darf sich nicht wundern, wenn man ihn nicht ernstnimmt.
Merke die alte Fußball-Weisheit: Eine Mannschaft ist immer so stark, wie der Gegner es zuläßt.
Ich kann ihnen da nur vollkommen zustimmen. Die FDP hat es mit sich machen lassen. Das hätte nicht seien müssen. Aber das Merkel sich besonders schlau und gewitzt vorkommt, weil sie mit einem Bruch an Regeln und Zusagen ihren Koalitionspartner (wie zuvor auch schon die SPD) ausgelutscht hat...
... das hat dem bürgerlichen Lager nicht gut getan. Das innere Zerreisen und Blamieren hätte man ruhig den Volksfront-Regierungen (bzw. von den Linken geduldeten rot-grünen Regierungen) überlassen können, aber die Union gehört nicht mehr zum bürgerlichen Lager, sondern zum merkelschen Lager.
Ist es nicht im übrigen schon ein wundersames Ding, dass die FDP ihre Klischee der Umfallerpartei durch den Wechsel weg vom sozialdemokratischen Koalitionspartner erhlieht, ein Wechsel hin zu einer Ampel aber wohl als richtige Kursentscheidung bejubelt würde?
Zitat von Zettel Was nicht heißt, daß man laut wurde. Das kann ich mir bei der Kanzlerin so wenig vorstellen wie bei Rösler. Aber ich halte es aufgrund der gegebenen Situation für einleuchtend, daß die Kanzlerin die einzige Karte zog, die sie noch hatte, nämlich mit dem Ende der Koalition zu drohen.
Ein wenig laut wurde es wohl schon:
"Die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf das einstimmige Votum des FDP-Präsidiums für Gauck im Kanzleramt sei "scharf" gewesen. [...] Nach Informationen des Tagesspiegel brüllte Merkel Rösler an. Die Heftigkeit der Reaktion habe überrascht, zitiert die Zeitung einen aus der Parteispitze." (Welt-Online)
Zitat Die dritte Option - vielleicht die wahrscheinlichste, wenn man sich in das Denken von Kommunisten hineinversetzt - wäre die Nominierung eines Kandidaten, von dem zu erwarten ist, daß er möglichst viele Stimmen von linken Wahlleuten der SPD und der "Grünen" auf sich ziehen könnte. Also ein respektabler Linker außerhalb der Partei "Die Linke".
Aus einem Artikel der Jungen Welt, 21.02.:
Zitat Die Linke hält sich nach den Worten von Parteichefin Gesine Lötzsch die Möglichkeit offen, einen eigenen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl aufzustellen. Es müsse sich dafür aber eine Persönlichkeit finden, die auch aus den anderen politischen Lagern Unterstützung erhalten könne.
Zitat von stefanolixDann hat also die FDP die Große Koalition nicht beobachtet? ;-)
Sie hat die falschen Schlüsse daraus gezogen. Der Stillstand wurde als normale Folge einer Koalition zwischen gegensätzlichen Volksparteien interpretiert. Und nicht als gezielte Demontage der SPD durch die Kanzlerin.
Ganz generell hatte sich die FDP zu sehr an den Erfahrungen aus der Ära Kohl orientiert. Damals wäre es völlig problemlos gewesen, nur eine skizzierten Koalitionsvertrag abzuschließen um die Details später einvernehmlich zu regeln. Damals hätte die allgemeine Zusage genügt, um einen fairen Anteil Steuererleichterungen gemeinsam zu beschließen.
Es hat wohl nur einige Monate gebraucht, bis die FDP wirklich begriffen hat, wie das System Merkel funktioniert. Und da war der wesentliche Schaden schon geschehen.
Zitat von ZettelAls ich las, daß sich das Präsidium der FDP einstimmig für Joachim Gauck ausgesprochen hat, habe ich mich gefreut wie schon lange nicht mehr bei einer innenpolitischen Nachricht. Nun kann man nur hoffen, daß die FDP standhaft bleibt.
Eine Analyse mit weitgehend ähnlichen Ergebnisse kann man jetzt auch von dem Politologen Gerd Langguth lesen. Er hat - was "Spiegel-Online" nicht erwähnt - eine Biografie von Angela Merkel geschrieben; noch bevor sie Kanzlerin wurde.
Langguth schreibt, daß Merkel "blitzschnell" die Lage nach der Entscheidung des FDP-Präsidiums erkannt und sofort gehandelt habe.
Das ist eben eine ihrer Stärken. Es gibt in diesem Forum umfängliche Threads, in denen beklagt wurde, daß Merkel nicht "führe", daß sie sich nicht festlege usw. Tatsächlich ist das keine Charaktereigenschaft, sondern das Ergebnis einer rationalen Vorgehensweise: Wo es nichts bewirken würde, sich festzulegen, hält Merkel sich bedeckt. Wenn sie eine Entscheidung für reif hält, handelt sie aber sofort.
Ich bin ziemlich sicher, daß Merkel spätere Historiker einmal faszinieren wird, weil sie damit ein Politiktertyp ist, der selten geworden ist. Sie paßt im Grunde nicht in die Mediendemokratie, in der es darauf ankommt, Stimmungen zu bedienen und zu erzeugen; in der - siehe Obama, siehe Guttenberg bei uns - derjenige Erfolg hat, der viel Schaum schlägt und wenig Substanzielles bewirkt.
Daß Merkel so erfolgreich ist, obwohl sie geradezu den Gegentyp repräsentiert (ähnlich übrigens wie seinerzeit Helmut Schmidt), dürfte in doppelter Hinsicht an der ungewöhnlichen Art liegen, in der sie als Naturwissenschaftlerin in die Politik geraten ist:
Erstens wäre jemand wie sie unter normalen Umständen überhaupt nicht Politiker geworden, sondern Professor. Sie hat die politische Karriere nicht gesucht, sondern sie wurde gewissermaßen in sie hineinkatapultiert. Obwohl sie eben nicht die Persönlichkeitsmerkmale hat, die heute von einem Politiker erwartet werden.
Zweitens erblieb ihr durch diesen Seiteneinstieg auch die Deformation erspart, die jemand im Lauf seiner Karriere erlebt, der als Kassierer beim Ortsverband anfängt und sich in der Partei hochrackert.
Ob die schnelle Entscheidung im Fall Gauck Merkel wirklich sogar genützt hat, wie Langguth meint, weiß ich nicht. Jedenfalls hat sie ihr nicht geschadet; wie es der Fall gewesen wäre, wenn sie - was die meisten Politiker getan hätten - einen Machtkampf mit der FDP versucht hätte.
Zitat von ZettelDas ist eben eine ihrer Stärken. Es gibt in diesem Forum umfängliche Threads, in denen beklagt wurde, daß Merkel nicht "führe", daß sie sich nicht festlege usw. Tatsächlich ist das keine Charaktereigenschaft, sondern das Ergebnis einer rationalen Vorgehensweise: Wo es nichts bewirken würde, sich festzulegen, hält Merkel sich bedeckt. Wenn sie eine Entscheidung für reif hält, handelt sie aber sofort.
Rationalitaet alleine ist noch kein Auszeichnungsmerkmal. Es ist wesentlich, welche Ziele rational verfolgt werden.
Vielleicht hilft es bei der Diskussion ob Merkel eine gute oder schlechte Kanzlerin ist, sich zu vergegenwaertigen, dass in einer parlamentarischen Demokratie wie der Deutschen der Kanzler de Facto gleichzeitig Chef der Exekutiven UND der Legislativen ist. Zwar ist er von letzterer gewaehlt, aber was die Regierungsfraktionen tun bestimmtg ein enger Zirkel um die Parteivorsitzenden, vor allem desjenigen der groessten Partei: Sprich der Kanzler.
Im Grunde genommen hat Merkel also zwei Aufgaben: In der Rolle als Chefin der Exekutiven muss sie verwalten, in der Rolle als "Quasi-Chefin" der Legislativen gestalten. Sie, lieber Zettel, loben Frau Merkel nun, dass sie ihre erste Aufgabe gut erfuellt. Andere hier kritisieren sie dafuer, dass sie sich weigert die zweite Rolle wahrzunehmen.
Nun koennte man als Liberaler den Standpunkt vertreten, dass Politik generell nicht gestalten soll. Das Problem ist aber, dass wir nicht in einem liberalen Staat leben, sondern in einem in dem einige Weichen falsch gestellt sind (Das gilt fuer die EU, fuer die Sozialsysteme, die auf Wachstum angewiesen sind, das gilt fuer die Staatsverschuldung, es gilt fuer Innovationshemnisse (Gentechnik), die Entwicklung zum Nanny-Staat und so weiter ). Wenn der Zug nicht gegen die Wand fahren soll, braucht es neue Weichenstellungen. Und wo Frau Merkel diese getaetigt hat (Ausstieg aus der Atomenergie, ESM) gingen sie - so meine Meinung - in die falsche Richtung. Einzig, dass wir noch keine Eurobonds haben, muss man ihr positiv anrechnen.
Zitat von ZettelLangguth schreibt, daß Merkel "blitzschnell" die Lage nach der Entscheidung des FDP-Präsidiums erkannt und sofort gehandelt habe.
Naja, zunächst hat sie es ja wohl mit Toben und Schreien probiert. Als sie merkte, dass Rösler entschlossen war, "all-in" zu gehen, hat sie "gefoldet". Sowas nennt der Poker-Kommentator dann manchmal einen "starken Laydown". Das passiert an den Pokertischen dieser Welt jeden Tag viele Millionen mal, ohne dass irgendjemand etwas Tieferes dahinter vermutet.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von ZettelLangguth schreibt, daß Merkel "blitzschnell" die Lage nach der Entscheidung des FDP-Präsidiums erkannt und sofort gehandelt habe.
Naja, zunächst hat sie es ja wohl mit Toben und Schreien probiert.
Könntest du noch mal dieses "Toben und Schreien" verlinken, lieber Rayson? Oder vielleicht R.A.?
Ich habe am Sonntag Abend den Reporter von Phoenix gehört, der gesagt hat, dem Vernehmen nach sei es laut hergegangen. Was ja nun kein Toben und Schreien sein muß. Abends hat schon C. darauf aufmerksam gemacht, daß das nicht bestätigt ist. Ich habe darauf meinen Artikel in diesem Punkt umgeschrieben und das auch hier mitgeteilt.
Die Berichte am nächsten Tag haben noch nicht einmal durchweg das "Lautwerden" bestätigt, sondern teils von einer angespannten Atmosphäre oder dergleichen gespochen.
Also wer hat noch mal gesagt, die Kanzlerin habe es mit Toben und Schreien versucht, und wo hat der das her?
Würde mich auch deshalb interessiern, weil ich dann versuchen würde, mir Angela Merkel tobend und schreiend vorzustellen.
Zitat von ZettelKönntest du noch mal dieses "Toben und Schreien" verlinken, lieber Rayson? Oder vielleicht R.A.?
Ich habe am Sonntag Abend den Reporter von Phoenix gehört, der gesagt hat, dem Vernehmen nach sei es laut hergegangen. Was ja nun kein Toben und Schreien sein muß. Abends hat schon C. darauf aufmerksam gemacht, daß das nicht bestätigt ist. Ich habe darauf meinen Artikel in diesem Punkt umgeschrieben und das auch hier mitgeteilt.
Die Berichte am nächsten Tag haben noch nicht einmal durchweg das "Lautwerden" bestätigt, sondern teils von einer angespannten Atmosphäre oder dergleichen gespochen.
Also wer hat noch mal gesagt, die Kanzlerin habe es mit Toben und Schreien versucht, und wo hat der das her?
Also dass sie deutlich die Beherrschung verloren haben soll, das habe ich auch irgendwo gelesen - ich meine sogar, peinlicherweise in einem Interview mit Rösler. Ich versuche mal, das zu finden.
"Toben und Schreien" ist natürlich gehässig formuliert, aber der Kragen scheint ihr schon geplatzt zu sein. (Nicht, dass ich das jetzt schlimm fände. Es war ja durchaus ein Coup; den erlebt niemand gern gegen sich.)
Zitat von ZettelKönntest du noch mal dieses "Toben und Schreien" verlinken, lieber Rayson?
Ich habe mich selbstverständlich auf den entsprechenden Beitrag von R.A. bezogen. Ob "Toben und Schreien" den Sachverhalt nun genau trifft, oder stattdessen "Brüllen" oder "lautes, wütendes Anfahren" als exaktere Beschreibung zu wählen sind, entzieht sich selbstverständlich meiner Kenntnis. Dass Merkel aber eben nicht sofort auf den FDP-Präsidiumsbeschluss umgeschwenkt ist, sondern mit einer auch außerhalb des Büros vernehmbaren Lautstärke mit Koalitionsbruch gedroht hat, das berichten alle Quellen übereinstimmend, und mehr braucht es nicht dazu, die Legendenbildungsversuche von Langguth als solche zu erkennen.
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Zitat von ZettelKönntest du noch mal dieses "Toben und Schreien" verlinken, lieber Rayson?
Ich habe mich selbstverständlich auf den entsprechenden Beitrag von R.A. bezogen. Ob "Toben und Schreien" den Sachverhalt nun genau trifft, oder stattdessen "Brüllen" oder "lautes, wütendes Anfahren" als exaktere Beschreibung zu wählen sind, entzieht sich selbstverständlich meiner Kenntnis.
Ich habe jetzt noch einmal gegoogelt.
Repräsentativ ist, was in der SZ steht, die gewiß nicht in dem Ruf steht, die Kanzlerin zu schonen (Hervorhebung von mir):
Zitat Das FDP-Präsidium hatte sich am Sonntagnachmittag ohne Absprache mit der Union auf Gauck als Kandidaten festgelegt. Kanzlerin Angela Merkel erfuhr aus den Nachrichtenagenturen von dem Votum. Bei einem anschließenden Gespräch der Partei- und Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP im Kanzleramt war Merkel darüber außerordentlich verärgert. "Es ist laut geworden", sagte ein Teilnehmer der Runde. Auf Unionsseite sei vor allem Fraktionschef Volker Kauder in Rage gewesen. Kauder, ein vehementer Vertreter von Bündnissen mit den Liberalen, habe sich von der FDP besonders verraten gefühlt.
Auch in dem, was ich sonst gefunden habe, ist immer nur von einem Teilnehmer der Runde die Rede, der als Quelle genannt wird. Und stets nur in der unpersönlichen Form, daß "es" laut geworden sei.
Das einzige, was ich (außer der Meldung, auf die ich gleich komme) zum Verhalten der Kanzlerin persönlich gefunden habe, sagt Rösler: Die Reaktion der Kanzlerin sei "scharf" gewesen.
Soweit ich sehe, spricht nichts gegen die Deutung, die man in meinen Artikeln nachlesen kann: Die Kanzlerin hat zunächst versucht, die FDP von ihrer Entscheidung abzubringen, und zwar mit scharfen Worten. Dabei ist hart diskutiert worden, und "es" wurde laut - wer auch immer. Als die FDP (zum Glück) standhaft blieb, hat Merkel sofort die Lage richtig eingeschätzt und nachgegeben.
Es gibt nun allerdings eine einzige Meldung, die anders lautet; diejenige, auf die sich auch R.A. gestützt hat. Sie stammt von einem ungenannten dpa-Autor und ist hier zu lesen:
Zitat Berlin (dpa) - Die Bundeskanzlerin ist im Ausnahmezustand. Getobt, geschrien habe Angela Merkel an diesem denkwürdigen Sonntagnachmittag im Kanzleramt. In einem Vier-Augen-Gespräch mit Vizekanzler Philipp Rösler. So vehement, dass es viele mitbekamen. Sogar die Koalitionsfrage stellt sie zum Erschrecken von Unionsmitgliedern - und droht, die FDP-Minister auch rausschmeißen zu können. "Wollt Ihr das?", brüllte sie den Chef des kleinen Koalitionspartners FDP an.
Die Quelle für diese Behauptungen wird nicht genannt. Ich habe keine andere Meldung gefunden, die das bestätigt.
Zitat von ZettelIch habe keine andere Meldung gefunden, die das bestätigt.
Also, auf ein neues. Ich weise jetzt zum 3. Mal innerhalb dieses Threads auf einen Artikel bei Welt-Online hin (natürlich wieder auf die Gefahr hin schlicht überlesen zu werden). Dort heißt es:
Zitat von Welt-Online FDP-Chef Philipp Rösler hat bestätigt, was bisher aus Kreisen der Teilnehmer verlautete: Die Suche nach einem konsensfähigen Präsidentschaftskandidaten wäre am Sonntag beinahe im Koalitionsbruch geendet. "Die Möglichkeit, die Koalition zu beenden, ist von der Union mehrfach genannt worden", sagte Rösler der Welt. Die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf das einstimmige Votum des FDP-Präsidiums für Gauck im Kanzleramt sei "scharf" gewesen. [...] Nach Informationen des Tagesspiegel brüllte Merkel Rösler an. Die Heftigkeit der Reaktion habe überrascht, zitiert die Zeitung einen aus der Parteispitze.
Zitat von ZettelAls die FDP (zum Glück) standhaft blieb, hat Merkel sofort die Lage richtig eingeschätzt und nachgegeben.
Es gibt also, lieber Zettel, genug Indizien dafür, dass "es" tatsächlich "laut" zuging bei der Besprechung zwischen Merkel und Rösler, und wer jetzt vielleicht auf die Idee kommt, die Lautstärke sei von Rösler ausgegangen, dem muss ich zwar zugestehen, dass er aufgrund einer offensichtlich gänzlich anderen Lebenserfahrung und Logik als ich zu dem Schluss kommt, wonach der, der sich über etwas "außerordentlich verärgert" zeigt und dem anderen mit den Worten "Wollt ihr das?" eine Drohung übermittelt, dies mit sanfter Stimme tut, aber das ist ja noch nicht mal der Punkt.
Der Punkt ist, dass Merkel mit dem Koalitionsbruch drohte und ihr Blatt erst aufgab, nachdem Rösler klar machte, dass er notfalls all seine Chips in die Tischmitte schieben würde. Die Vokabel "sofort" erscheint mir im Zusammenhang mit dem derart zustande gekommenen Einschwenken Merkels auf den FDP-Präsidiumsbeschluss daher etwas arg überstrapaziert. Dass Merkel hier nur geblufft hatte, wusste sie selbst natürlich am besten. Eine besondere Leistung, für die sie zu loben und zu preisen wäre, ist das jedenfalls nicht.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von ZettelIch habe keine andere Meldung gefunden, die das bestätigt.
Also, auf ein neues. Ich weise jetzt zum 3. Mal innerhalb dieses Threads auf einen Artikel bei Welt-Online hin (natürlich wieder auf die Gefahr hin schlicht überlesen zu werden). Dort heißt es:
Zitat von Welt-Online FDP-Chef Philipp Rösler hat bestätigt, was bisher aus Kreisen der Teilnehmer verlautete: Die Suche nach einem konsensfähigen Präsidentschaftskandidaten wäre am Sonntag beinahe im Koalitionsbruch geendet. "Die Möglichkeit, die Koalition zu beenden, ist von der Union mehrfach genannt worden", sagte Rösler der Welt. Die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf das einstimmige Votum des FDP-Präsidiums für Gauck im Kanzleramt sei "scharf" gewesen. [...] Nach Informationen des Tagesspiegel brüllte Merkel Rösler an. Die Heftigkeit der Reaktion habe überrascht, zitiert die Zeitung einen aus der Parteispitze.
Edit: Es handelt sich natürlich um Zeit, nicht um Welt Online.
Lieber herr celine, ich mache beim Recherchieren für ZR-Artikel immer wieder die Beobachtung, daß einer vom anderen abschreibt. Nicht selten dreht sich das im Kreis - A verweist auf B, und der wieder auf A als seine Quelle.
Sie zitieren die "Zeit". Das ist aber kein selbst recherchierter Artikel, sondern als Quellen sind Agenturen angegeben. Und für das "Brüllen" wird wieder eine andere Zeitung als Quelle angegeben, nämlich der "Tagesspiegel".
Ich habe das zu recherchieren versucht; es handelt sich anscheinend um diesen Artikel. Darin wird die Sache so beschrieben:
Zitat Der Agentursatz [die Eilmeldung: "Die FDP-Spitze hat sich einstimmig für den SPD-Favoriten Joachim Gauck als Kandidaten für das Bundespräsidentenamt ausgesprochen."; Zettel] brachte die Koalition an den Rand des Scheiterns. Sie war nämlich schneller bei Merkel als Rösler und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Als die beiden Freidemokraten zurück ins Kanzleramt kamen, hielt ihnen die CDU-Chefin empört die Eilmeldung vor. Das folgende Vier- Augen-Gespräch mit Rösler war entsprechend heftig: Ob die Freidemokraten etwa die Koalition sprengen wollten!? „Von der Heftigkeit der Reaktionen“, sagt einer aus der FDP-Spitze, „waren wir überrascht.“ Für eine Viertelstunde, ergänzt ein Christdemokrat, war in der CDU-Runde sogar vom Rausschmiss der FDP die Rede. „Die haben einen feindlichen Akt abgezogen!“ empört sich ein CDU-Mann noch am Tag danach.
Von Brüllen und Toben und Schreien habe ich auch in diesem Artikel nichts gefunden.
Offenbar gibt es verschiedene Wahrnehmungen und verschiedene Berichte. Ich fürchte, die endgültige Klärung werden wir, lieber herr celine, späteren Historikern überlassen müssen.
Zitat von RaysonDer Punkt ist, dass Merkel mit dem Koalitionsbruch drohte und ihr Blatt erst aufgab, nachdem Rösler klar machte, dass er notfalls all seine Chips in die Tischmitte schieben würde.
So ist es, lieber Rayson. Und so habe ich es beschrieben:
Zitat Die Kanzlerin, Meisterin darin, andere auszumanövrieren, hat diese Lage offenbar sofort durchschaut.
Sie hatte nur noch eine einzige Chance: Die FDP ins Bockshorn zu jagen, indem sie die Situation auf einen möglichen Bruch der Koalition hin zuspitzte. Aber wie ich es am Nachmittag analysiert hatte: Mit welchem Argument hätte die Kanzlerin danach mit der SPD koalieren können, die ebenfalls Gauck gewählt hätte? Und wie hätte sie mit ihrer Europapolitik dagestanden, eine Regierungskrise am Hals?
Es ging also nur darum, ob die FDP standhalten würde. Das tat sie offensichtlich. Danach zog die Kanzlerin, kühl bis ins Herz hinan, sofort die Konsequenz. If you can't beat 'em, join 'em sagt man im Englischen - wenn man jemanden nicht schlagen kann, dann macht man besser mit ihm gemeinsame Sache.
Zitat von Welt Noch einmal trafen sich die schwarz-gelben Granden. Schließlich standen die Kanzlerin und ihr Vize Aug in Aug. „Richtig angebrüllt“ hätten die beiden sich, heißt es. „Die Kanzlerin wird in solchen Momenten eher kalt und ruhig“, sagt ihr Umfeld hingegen. Gesichert ist: Merkel hat deutlich gemacht, eine Unterstützung Gaucks durch die FDP gegen die Union würde die weitere Zusammenarbeit in der Regierung sehr schwer belasten. Dies sei dann eben so, habe Rösler geantwortet. Am frühen Sonntagabend stand die Koalition einen Moment vor dem Bruch.
Aber es stimmt schon, wissen werden wir's vermutlich nie genau.
Zitat von ZettelSie zitieren die "Zeit". Das ist aber kein selbst recherchierter Artikel, sondern als Quellen sind Agenturen angegeben. Und für das "Brüllen" wird wieder eine andere Zeitung als Quelle angegeben, nämlich der "Tagesspiegel". (...) Von Brüllen und Toben und Schreien habe ich auch in diesem Artikel nichts gefunden.
Das "Brüllen" wurde von der Welt vermeldet, leider auch nur unter Berufung auf Heißt-es, den Lauscher:
Zitat von Die WeltSchließlich standen die Kanzlerin und ihr Vize Aug in Aug. „Richtig angebrüllt“ hätten die beiden sich, heißt es. „Die Kanzlerin wird in solchen Momenten eher kalt und ruhig“, sagt ihr Umfeld hingegen. Gesichert ist: Merkel hat deutlich gemacht, eine Unterstützung Gaucks durch die FDP gegen die Union würde die weitere Zusammenarbeit in der Regierung sehr schwer belasten. Dies sei dann eben so, habe Rösler geantwortet.
Zitat von KalliasDas "Brüllen" wurde von der Welt vermeldet, leider auch nur unter Berufung auf Heißt-es, den Lauscher:
Zitat von Die WeltSchließlich standen die Kanzlerin und ihr Vize Aug in Aug. „Richtig angebrüllt“ hätten die beiden sich, heißt es. „Die Kanzlerin wird in solchen Momenten eher kalt und ruhig“, sagt ihr Umfeld hingegen. Gesichert ist: Merkel hat deutlich gemacht, eine Unterstützung Gaucks durch die FDP gegen die Union würde die weitere Zusammenarbeit in der Regierung sehr schwer belasten. Dies sei dann eben so, habe Rösler geantwortet.
Hier ist die Darstellung im gedruckten "Spiegel" der kommenden Woche (9/2012, S. 22):
Zitat Merkel war fassungslos, als sie erfuhr, dass sich die FDP gegen sie gestellt hatte. „Warum stellst du mich vor vollendete Tatsachen?“, herrschte sie Rösler an. „Warum macht ihr einen Präsidiumsbeschluss? Macht ihr jetzt eine Kampagne gegen uns?“
Rösler entgegnete, Töpfer komme für die Liberalen nicht in Frage, Huber ebenfalls nicht. Gauck sei ein guter Kandidat, der überparteilich anerkannt sei. Genau das habe Merkel doch gewollt. Rösler spürte, dass die Kanzlerin mit seiner Härte nicht gerechnet hatte. Sie könne auch alle FDP-Minister rausschmeißen, herrschte Merkel ihn an.
Doch Rösler blieb stur. Wenn die Union für Töpfer votiere, werde die FDP mit SPD und Grünen für Gauck stimmen, sagte er. Merkel erwiderte, das bedeute das Ende der Koalition. Man einigte sich darauf, noch einmal über einen Kompromisskandidaten nachzudenken. Beiden war klar, dass es keinen geben würde.
Ich glaube, der Unbekannte, der da ein Toben, Brüllen und Schreien gehört hat, litt ein wenig unter Übermüdung. Bei Journalisten ja nicht selten, die stundelang warten müssen, bis es etwas zu berichten gibt.
(Es kann natürlich auch sein, daß die "Spiegel"-Leute und/oder ihre Informanten taube Ohren hatten).
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