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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 72 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.02.2012 18:56
#51 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Gorgasal
wie passt das, was Sie als "liberale Wirtschaftspolitik" und als das langfristige Ziel ("Interesse Deutschlands") sehen, dass "Deutschland nicht zum Gewerbegebiet Chinas wird", mit der Energiewende zusammen?

Gar nicht, lieber Gorgasal. Die Energiewende war ein Fehler, ich habe das ja oft genug geschrieben.

Und so ist es nun einmal in dieser unvollkommenen Welt: Auch eine gute Kanzlerin macht Fehler.

(Wäre übrigens eine ganz reizvolle historische Debatte, einmal zusammenzustellen, welches die größten Fehler der jeweiligen Kanzler waren. Der größte Fehler Adenauers zum Beispiel war aus meiner Sicht die Art seines Abgangs - da war alles falsch; erst die Ankündigung, er wolle Bundespräsident werden; dann der Kampf gegen Erhard, den er dann doch akzeptieren mußte; das Theater, das schließlich zur Nominierung von Lübke führte).

Zitat von Gorgasal
Und ebenso: können Sie uns vielleicht erklären, warum Frau Merkel Rösler wegen Gauck mit einem Koalitionsbruch drohte? Inwiefern ist hierfür die Wahrung deutscher Interessen die beste Erklärung? Und nicht einfach, dass Frau Merkel ihr bestes tut, um die FDP zu beschädigen - auch wenn das den Bürgerlichen in Deutschland mittelfristig schadet, indem sie nämlich die große oder die rot-grüne Koalition vorbereitet?

Ach, lieber Gorgasal. Natürlich hat jeder Politiker viele Interessenebenen. Wenn jemand in seinem Ortsverein Vorsitzender werden will, dann geht es nicht gleich um die deutschen Interessen.

Den Ablauf der Ereignisse, die schließlich zur Nominierung Gaucks führten, habe ich ja zu kommentieren und auch zu bewerten versucht; ich könnte das hier nur wiederholen und möchte Sie deshalb bitten, es in ZR nachzulesen.

Herzlich, Zettel

PS: Eine Bemerkung zu Bayes: Das zentrale Problem bei der praktischen Verwendung des Bayes'schen Theorems ist die richtige Schätzung der A-priori-Wahrscheinlichkeit.

Man könnte zum Beispiel sagen: Ein Vorurteil ist eine falsch geschätzte A-priori-Wahrscheinlichkeit.

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

22.02.2012 19:15
#52 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Stefanie
Und ratz fatz könnten wir Schwarz-Grün haben und die SPD guckt belämmert. Was dann kommt, wissen wir. Ein schwammiger Koalitionsvertrag etc., ein Ausspielen der Grünen durch Frau Merkel und ein Jahr nach der Bundestagswahl wirken die Grünen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen


Eine interessante Idee, aber ich glaube es gleich aus mehreren Gründen nicht. Der erste und wichtigste Grund ist die derzeitige Führung der Grünen, da ist nicht nur keine Liebe zur CDU, da geht erstmal eigentlich gar nichts. Die grüne Basis würde eine Zusammenarbeit mit Merkel nie annehmen, eher spaltet sich die Partei auf. Zum zweiten haben die Grünen das gar nicht nötig, denn ihre Forderungen werden in einer Volksfrontregierung viel besser umgesetzt als es eine Merkel je versprechen könnte. Was könnte Merkel schon den Grünen anbieten, dass sie nicht auch in einer Volksfront bekämen ?

Das ganze könnte nur unter der Prämisse passieren, dass die Grünen andernfalls in der Opposition landen würden, denn regieren ist natürlich cooler als zuschauen. Das würde aber nur dann in Frage kommen, wenn die SPD eher der CDU als dem roten Rand zugeneigt ist. Dem sprechen aber Leute wie Siggi Pop oder Nahles, die lieber heute als morgen mit der SED regieren möchte, entgegen.

Nee, solange sich nicht in der SPD massive Schübe Richtung GroKo tun, wird Merkel 2013 am Ende sein. Wir sollten einfach hoffen, dass sie bis dahin nicht noch mehr Schaden anrichtet.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

22.02.2012 19:27
#53 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Llarian
Zum zweiten haben die Grünen das gar nicht nötig, denn ihre Forderungen werden in einer Volksfrontregierung viel besser umgesetzt als es eine Merkel je versprechen könnte. Was könnte Merkel schon den Grünen anbieten, dass sie nicht auch in einer Volksfront bekämen ?





2009 hätte man gesagt, es scheitert am Atomausstieg, der Transaktionssteuer, dem Vorhaben der Steuerentlastung- und Vereinfachung, dem Mindestlohn, der Wehrpflichtreform etc. Man hätte gesagt, darauf wird sich die CDU nie einlassen bzw. auf die Steuerreform verzichten.

Edit: "bzw. auf die Steuerreform verzichten" eingefügt

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.02.2012 19:40
#54 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Zettel
Ich glaube, man nennt das eine liberale Wirtschaftspolitik.



Eher die Abwesenheit jeglicher Wirtschaftspolitik. Was ja auch irgendwie liberal ist, aber andererseits auch jeder Depp hinkriegt

Zitat von Zettel
Schröder übrigens für die Agenda 2010 zu loben, halte ich für nicht begründbar.



Ich wundere mich, lieber Zettel, wie du aus einer simplen Feststellung ein Lob ableitest. Tatsache ist nun einmal, dass die von der Schröder-Regierung auf den Weg gebrachten Reformen maßgeblichen Anteil an der derzeitigen wirtschaftlichen Lage haben. Ob man will oder nicht. Anscheinend wollen die meisten Leute lieber nicht: Für die einen hat der Richtige das Falsche getan, für die anderen der Falsche das Richtige. Ändert aber trotzdem nichts.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

23.02.2012 10:16
#55 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Zettel
Wäre übrigens eine ganz reizvolle historische Debatte, einmal zusammenzustellen, welches die größten Fehler der jeweiligen Kanzler waren.

Größte Fehler
Adenauer: Rentenversicherung
Erhard: einseitige Festlegung auf die USA
Kiesinger hat alles richtig gemacht
Brandt: Einknicken beim ÖTV-Streik
Schmidt: Einstieg in den Schuldenstaat
Kohl: Berufung Waigels zum Finanzminister
Schröder: Abschaffung des "demografischen Faktors"
Merkel: Eurorettung

Größte Leistungen
Adenauer: Westbindung
Erhard: diplomatische Beziehungen mit Israel
Kiesinger: Notstandsverfassung
Brandt: Transitabkommen
Schmidt: Nachrüstung
Kohl: Wiedervereinigung
Schröder: Agenda 2010
Merkel: Empfang des Dalai Lama


Kallias

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

23.02.2012 10:44
#56 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Kallias modifiziert durch FTT

Zitat von Zettel
Wäre übrigens eine ganz reizvolle historische Debatte, einmal zusammenzustellen, welches die größten Fehler der jeweiligen Kanzler waren.

Größte Fehler
Adenauer: Rentenversicherung
Erhard: einseitige Festlegung auf die USA
Kiesinger hat alles richtig gemacht
Brandt: Einknicken beim ÖTV-Streik
Schmidt: Einstieg in den Schuldenstaat
Kohl: Berufung Blüms zum Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung oder erneute Kanzlerkandidatur 1998
Schröder: Abschaffung des "demografischen Faktors"
Merkel: Eurorettung

Größte Leistungen
Adenauer: Westbindung
Erhard: diplomatische Beziehungen mit Israel
Kiesinger: Notstandsverfassung
Brandt: Transitabkommen
Schmidt: Nachrüstung
Kohl: Wiedervereinigung
Schröder: Agenda 2010
Merkel: Empfang des Dalai Lama


Kallias


R.A. Offline



Beiträge: 8.171

23.02.2012 10:59
#57 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Rayson
Es gibt auch im Ausland niemanden, der den z.Zt. recht guten Zustand der deutschen Wirtschaft auf irgendwelche Leistungen dieser Kanzlerin zurückzuführen vermag.


Und wie zur Bestätigung kommt diese aktuelle Meldung:
http://www.n-tv.de/wirtschaft/Europa-ueb...cle5550666.html

Das System Merkel bröckelt auch außerhalb Deutschlands ...

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

23.02.2012 11:08
#58 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von FTT_2.0

Zitat von Kallias modifiziert durch FTT
Größte Fehler (...)
Kohl: Berufung Blüms zum Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung oder erneute Kanzlerkandidatur 1998


Würdige Kandidaten! Aber daß ich mit dem anderen Kram bei Ihnen durchgekommen bin...

Florian Offline



Beiträge: 3.171

23.02.2012 11:34
#59 RE: Toben und schreien Antworten

@ Kallias:

Interessante Liste.
Viel davon sehe ich ähnlich. Einiges sehe ich anders.

Inbesondere halte ich es für etwas billig, die Euro-Rettung als Merkels größten Fehler zu bezeichnen.

Die Euro-Einführung war ein Fehler (übrigens vielleicht der größte Fehler des Herrn Kohl).
Aber nun haben wir ihn eben und müssen das beste daraus machen.
Grundsätzlich ist JEDER Ausweg problematisch, das ist aber im Euro so angelegt und nicht die Schuld von Frau Merkel.
Angesichts der Rahmenbedingungen würde ich ihr Vorgehen bei der Euro-Rettung als eine eindeutige Leistung und nicht als einen Fehler sehen.

Umgekehrt halte ich es für abwegig, den Empfang des Dalai Lama als eine große Leistung zu feiern.
Der Dalai Lama ist ein Hätschelkind westlicher Medien. Ihn zu empfangen hat Merkel innenpolitisch billige Pluspunkte gebracht und Deutschland außenpolitisch geschadet, ohne dass dem irgendein realer Nutzen gegenüber stünde. Es ist ja nicht gerade so, dass der Dalai Lama sich als Symbolfigur für Demokratie und Menschenrechte besonders gut eignen würde. Wenn es die (brutale und menschenverachtende) chinesische Invasion nicht gegeben hätte, wäre der Dalai Lama heute noch der Feudal-Herrscher eines autokratischen Priester-Staates.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

23.02.2012 12:32
#60 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Florian
Inbesondere halte ich es für etwas billig, die Euro-Rettung als Merkels größten Fehler zu bezeichnen.


Wir können uns vielleicht darauf einigen, daß die "Energiewende" ihr größter Fehler war.

Ansonsten ist die "Euro-Rettung" ja ein sehr umstrittenes Thema hier im Forum. Aus liberaler Sicht war Merkels Chaos-Kurs und die scheibenweise Übernahme von Milliarden-Zahlungsverpflichtungen ein gigantischer Fehler.

Zitat
Die Euro-Einführung war ein Fehler (übrigens vielleicht der größte Fehler des Herrn Kohl).


Die Konstruktion des Euro-Vertrags war einwandfrei. Man kann es wohl nicht Kohl ankreiden, daß seine beiden Nachfolger diesen Vertrag brechen würden.

Zitat
Umgekehrt halte ich es für abwegig, den Empfang des Dalai Lama als eine große Leistung zu feiern.


Das habe ich für Ironie gehalten.
Außer den beiden großen Entscheidungen zu Schuldenübernahme und Energiewende ist ja in der Kanzlerschaft Merkels nichts Größeres bewegt worden, da bleiben dann nur Mini-Themen wie der Dalai Lama.

Ich würde Dir inhaltlich recht geben, daß es bei diesem Empfang nur um billigen Populismus ohne konkreten Nutzen ging.
Ich würde den Dalai Lama aber nicht für die Feudalherrschaft seiner Vorgänger verantwortlich machen. Ich nehme ihm schon ab, daß er eine friedliche und vernünftige Lösung für Tibet anstrebt.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

23.02.2012 13:04
#61 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von R.A.
Die Konstruktion des Euro-Vertrags war einwandfrei.


Wäre schön, wenn die Fehlerfreiheit von Verträgen ausreichen würde, den Sachverhalt zu beurteilen, den sie regeln sollen
Entscheidend ist aber, ob der Vertrag sich hätte durchhalten lassen. Und das hat nun einmal kaum jemand unter den Ökonomen ernsthaft erwartet. Die Finanzmärkte schon mal gar nicht.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

23.02.2012 13:19
#62 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Gorgasal
wie passt das, was Sie als "liberale Wirtschaftspolitik" und als das langfristige Ziel ("Interesse Deutschlands") sehen, dass "Deutschland nicht zum Gewerbegebiet Chinas wird", mit der Energiewende zusammen?

Gar nicht, lieber Gorgasal. Die Energiewende war ein Fehler, ich habe das ja oft genug geschrieben.

Und so ist es nun einmal in dieser unvollkommenen Welt: Auch eine gute Kanzlerin macht Fehler.



Dann wundert es mich nur noch, warum ein solch fundamentaler Fehler, der Deutschland massiv schädigt und ausschließlich kurzfristigen Umfrageverbesserungen diente (wie gesagt: es war ja keine Bundestagswahl weit und breit zu sehen), Sie in Ihrer positiven Meinung zu Frau Merkel nicht schwankend macht.

Zitat von Zettel
Man könnte zum Beispiel sagen: Ein Vorurteil ist eine falsch geschätzte A-priori-Wahrscheinlichkeit.


Oder auch: eine postive Meinung von einer Kanzlerin, die sich von fundamental wichtigen Datenpunkten nicht beeinflussen lässt, weist eine sehr niedrige a priori-Varianz auf.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2012 13:40
#63 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel

Zitat von Gorgasal
wie passt das, was Sie als "liberale Wirtschaftspolitik" und als das langfristige Ziel ("Interesse Deutschlands") sehen, dass "Deutschland nicht zum Gewerbegebiet Chinas wird", mit der Energiewende zusammen?

Gar nicht, lieber Gorgasal. Die Energiewende war ein Fehler, ich habe das ja oft genug geschrieben.

Und so ist es nun einmal in dieser unvollkommenen Welt: Auch eine gute Kanzlerin macht Fehler.



Dann wundert es mich nur noch, warum ein solch fundamentaler Fehler, der Deutschland massiv schädigt und ausschließlich kurzfristigen Umfrageverbesserungen diente (wie gesagt: es war ja keine Bundestagswahl weit und breit zu sehen), Sie in Ihrer positiven Meinung zu Frau Merkel nicht schwankend macht.


Er diente nicht "ausschließlich kurzfristigen Umfrageverbesserungen". Kaum ein Kanzler dürfte sich so wenig um Umfragewerte gekümmert haben wie Merkel; sie weiß, daß es nicht darauf ankommt, wer während des Rennens die Nase vorn hat, sondern wer als erster durchs Ziel geht.

Sie hat nach meiner Vermutung diese Entscheidung getroffen, weil sie sofort erkannte, daß die Laufzeitverlängerung angesichts der öffentlichen Reaktion auf Fukushima, angeheizt durch die Medien, nicht mehr durchsetzbar war. Das ist eben Merkel: Wie jetzt auch bei Gauck trifft sie eine Entscheidung, so schnell es geht, wenn sie überzeugt ist, daß diese unausweichlich ist. Ob diese Entscheidung ihr persönlich gefällt oder nicht.



Kurbjuweit meint allerdings, daß sie von den ersten Bildern aus Fukushima auch emotional getroffen gewesen sei und daß dies mit ausschlaggebend für ihre Entscheidung gewesen sei.

R.A. schreibt, daß dieser Artikel Nichtabonnenten nicht zugänglich sei. Vielleicht nicht über den Link, den ich angegeben habe, und der möglicherweise der für Abonnenten ist. Man müßte sich zu dem Artikel aber auch durchklicken können: In "Spiegel-Online" zu "DER SPIEGEL" gehen, dann "Titelbilder und Heftarchive". Dort ist es das Heft 48/2011.

Ich hoffe, daß der "Spiegel" jetzt nicht dazu übergeht, die alten Jahrgänge für Nichtabonnenten zu sperren.

Und ich empfehle den Artikel wirklich; zumal er eben vom Chef des Hauptstadtbüros des "Spiegel" stammt, also gewiß nicht von einem politischen Sympathisanten Merkels.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

23.02.2012 14:13
#64 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Rayson
Entscheidend ist aber, ob der Vertrag sich hätte durchhalten lassen.


Bei den Maastricht-Kriterien war ich auch skeptisch - da gab es ja auch keine ernsthaften Sanktionen.

Aber bei der Non-Bailout-Klausel war eigentlich schon zu erwarten, daß die hält - wieso sollte ein Land freiwillig Milliarden über den Zaun werfen, wenn es sich auf eine solche Klausel berufen kann?

Und ohne Bailout hätte es auch keine Eurokrise gegeben, sondern nur einen normalen Staatsbankrott in Griechenland. Solange jeder Staat für sich wirtschaftet, bleiben die Folgen Fehlentwicklungen im wesentlichen auf die Verursacher beschränkt bzw. die Währungsunion transportiert diese Folgen nicht.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

23.02.2012 14:13
#65 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Zettel
Ich hoffe, daß der "Spiegel" jetzt nicht dazu übergeht, die alten Jahrgänge für Nichtabonnenten zu sperren.


Nicht alle, diese Ausgabe aber schon. Vielleicht noch zu jung.

Zitat von "Spiegel"
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Rayson Offline




Beiträge: 2.367

23.02.2012 14:19
#66 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von R.A.
Aber bei der Non-Bailout-Klausel war eigentlich schon zu erwarten, daß die hält - wieso sollte ein Land freiwillig Milliarden über den Zaun werfen, wenn es sich auf eine solche Klausel berufen kann?


Solidarität, Projekt, Krieg und Frieden, China, Schneeballeffekt, blablabla... An den nach Ankündigung der Einführung des Euro deutlich geringer werdenden Zinsunterschieden konnte man jedenfalls sehr schön sehen, dass die Finanzmärkte diese Klausel nicht ernst nahmen. Zu Recht, wie sich jetzt ja zeigt.

--
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Florian Offline



Beiträge: 3.171

23.02.2012 18:04
#67 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat
Bei den Maastricht-Kriterien war ich auch skeptisch - da gab es ja auch keine ernsthaften Sanktionen.

Aber bei der Non-Bailout-Klausel war eigentlich schon zu erwarten, daß die hält - wieso sollte ein Land freiwillig Milliarden über den Zaun werfen, wenn es sich auf eine solche Klausel berufen kann?

Und ohne Bailout hätte es auch keine Eurokrise gegeben, sondern nur einen normalen Staatsbankrott in Griechenland. Solange jeder Staat für sich wirtschaftet, bleiben die Folgen Fehlentwicklungen im wesentlichen auf die Verursacher beschränkt bzw. die Währungsunion transportiert diese Folgen nicht.




Lieber R.A.,

ich bin ja fast immer Ihrer Meinung.
Aber nachdem mir schon öfters aufgefallen ist, dass Sie bei der Euro-Problematik (meines Erachtens) einige entscheidende Punkte übersehen, erlaube ich mir, hier etwas auszuholen:

Der Euro hat einen eingebauten Fehler, der durch keine Maastricht-Kriterien und durch keine No-Bail-Out-Klausel geheilt werden kann.
Dieser Fehler lautet "Kein optimaler Währungsraum" und führt zu sehr schwerwiegenden Problemen.

Fakt ist nunmal, dass Deutschland schon seit Jahrzehnten ein höheres Produktivitäts-Wachstum als Griechenland oder Portugal hatte.
Jahrzehntelang wurde dies ausgeglichen durch eine beständige Aufwertung der Mark gegenüber Pesete und Drachme.
Durch die Euro-Einführung wurde dieser Ausgleichsmechanismus zerstört.
Nun passiert folgendes:
Die deutschen Güter werden aus Sicht des spanischen Konsumenten immer günstiger (und umgekehrt die spanischen Güter aus Sicht eines Deutschen immer teurer). Entsprechend wird Spanien ein Außenhandelsdefizit mit Deutschland haben und - das ist die andere buchhalteriche Seite der Medaille - einen Netto-Kapitalzufluss in gleicher Höhe.

Dieser Mechanismus betrifft das Außenhandelsdefizit und hat erst einmal NICHTS mit Staatsdefiziten zu tun.
Ein schönes Beispiel ist Spanien: Die Staatsverschuldung in % des BIP war in Spanien bis zum Beginn der Euro-Krise spürbar niedriger als in Deutschland. Dennoch hatte Spanien ein Außenhandelsdefizit.
Dieses Defizit wurde in Spanien eben von den privaten Haushalten und in Griechenland eher vom Staat "verfrühstückt". Aufgelaufen wäre es aber so oder so. Das ergibt sich eben zwangsläufig aus der Kombination feste Wechselkurse plus systematische Produktivitäts-Unterschiede.

Auch noch so strenge Maastricht-Kriterien können das nicht verhindern.

Die Außenhandelsdfizite bedeuten nun auf der Kapitalverkehrs-Seite, dass sich "Spanien" gegenüber "Deutschland" verschuldet.
Erst einmal verschuldet sich der spanische Importeur beim deutschen Maschinenbauer. Beide reichen dies an ihre Banken weiter so dass irgendwann Bank Santander Schulden bei der Deutschen Bank hat.
Diese Schulden werden im Lauf der Jahre immer höher bis irgendwann Bank Santander (oder ihr Kunde, der spanische Importeur) in Schwierigkeiten gerät.


Es ist nun wichtig zu erkennen, dass KEIN Beteiligter in diesem ganzen Spiel nun dumm, kriminell, gierig oder faul war.
Alle haben einfach ganz normal auf das System reagiert, dass durch den Euro etabliert wurde.


Natürlich kann man als Deutschland nun sagen "was geht uns der spanische Importeur, seine Bank oder der spanische Staat an?. Die haben unsere Waren angenommen, haben Schulden bei uns angehäuft. Und jetzt wollen wir eben unser Geld sehen."
(Konkret würde das bedeuten, dass Spanien gegenüber Deutschland irgendwann in der Zukunft einen Außenhandelsüberschuss haben müsste, um seine Schulden abtragen zu können).

Diese Einstellung ist natürlich verständlich. Aber sie hilft nicht weiter. Das zugrundeliegende Problem der geringeren spanischen Produktivität und der festen Wechselkurse bleibt ja bestehen. Und so lange das so bleibt, werden die Marktkräfte zwangsläufig dazu führen, dass das spanische Außenhandelsdefizit weiter bestehen bleibt. Es gibt schlicht keinen Marktmechanismus, der dem spanischen Importeur signalisieren würde, dass es besser wäre bei einem spanischen Zulieferer einzukaufen anstatt beim (in einheitlichen Euro gerechnet wahnsinnig preiswerten) Maschinenbauer in Deutschland.

Würde man nun das "No Bailout" durchziehen, dann würden damit die Schuldner Pleite, der Gläubiger Deutschland müsste seine Forderungen abschreiben. Aber damit wäre das zugrundeliegende Problem nicht gelöst. Der Marktdruck hin zu Außenhandelsdefiziten würde in Spanien weiter bestehen.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

23.02.2012 18:38
#68 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Florian


Würde man nun das "No Bailout" durchziehen, dann würden damit die Schuldner Pleite, der Gläubiger Deutschland müsste seine Forderungen abschreiben.





Die im Falle Griechenlands absolut zu verschmerzen wären, da nicht nennenswert.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2012 19:11
#69 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Florian
Fakt ist nunmal, dass Deutschland schon seit Jahrzehnten ein höheres Produktivitäts-Wachstum als Griechenland oder Portugal hatte.
Jahrzehntelang wurde dies ausgeglichen durch eine beständige Aufwertung der Mark gegenüber Pesete und Drachme.
Durch die Euro-Einführung wurde dieser Ausgleichsmechanismus zerstört.
Nun passiert folgendes:
Die deutschen Güter werden aus Sicht des spanischen Konsumenten immer günstiger (und umgekehrt die spanischen Güter aus Sicht eines Deutschen immer teurer). Entsprechend wird Spanien ein Außenhandelsdefizit mit Deutschland haben und - das ist die andere buchhalteriche Seite der Medaille - einen Netto-Kapitalzufluss in gleicher Höhe.

Was man. lieber Florian, bei der Einführung des Euro erwartete, das war ein allmähliches Abflachen und das schließliche Verschwinden dieses Gefälles. Das war ja die EU-Politik auch schon vor der Entscheidung für den Euro: Die Förderung der schwächeren Länder mit Milliardenbeträgen aus dem EU-Topf (bis hin zur "Zonenrandförderung" seligen Angedenkens, diese allerdings, wenn ich mich recht erinnere, auch aus deutschen Mitteln). Es solle eine Vergleichbarkeit der Wirtschaftskraft im ganzen Euroraum erreicht werden, jedenfalls als Fernziel.



Die zentrale Frage ist aus meiner Sicht, warum das nicht funktioniert hat: Warum wurde die Wirtschaftskraft nicht homogener, sondern driftete immer weiter auseinander?

Damit sind wir bei der Politik. In den Ländern, die jetzt Probleme haben, wurde der Euro nicht als die Chance gesehen, ebenso produktiv zu werden wie die Deutschen, sondern ebenso gut zu leben wie sie.

Sozialistische Regierungen trugen dazu wesentlich bei; aber in Ländern wie Griechenland, Italien und leider auch Frankreich denken ja auch die konservativen Parteien nicht wirtschaftsliberal. Man braucht sich nur einmal die Reaktionen auf Sarkozys schüchternen Pläne für Liberalisierungen anzusehen; zum Beispiel die Abschaffung der gesetzlichen 35-Stundenwoche oder der Rente mit 60.



Es hätte nur eine Möglichkeit gegeben, nachdem nun einmal der Euro eingeführt war, das jetzige Dilemma zu vermeiden: Die rotgrüne Regierung Schröder hätte 2005 wiedergewählt werden müssen. Unter ihr war Deutschland auf dem Weg, so schlecht zu wirtschaften wie die anderen, und es wäre nicht zu der Auseinanderentwicklung gekommen. Diese setzte wesentlich erst mit der Wirtschaftspolitik der Großen Koalition ein.

Und die Agenda 2010? Ich habe dazu kürzlich (wieder einmal) meine Meinung geschrieben: Sie war nicht aus einem Umdenken hervorgegangen, sondern sie war Schröders letzer Strohhalm. Sobald sich die ersten Erfolge gezeigt hätten, wäre das unter Rotgrün alles wieder verwässert worden; denn sozialistisch geführte Regierungen hängen nun einmal von den Gewerkschaften und ihrer "Basis" ab.

Herzlich, Zettel

Stefanie Offline



Beiträge: 606

23.02.2012 19:19
#70 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Zettel

Die zentrale Frage ist aus meiner Sicht, warum das nicht funktioniert hat: Warum wurde die Wirtschaftskraft nicht homogener, sondern driftete immer weiter auseinander?




Im Falle Griechenlands doch recht offensichtlich. Die Chance durch den Euro an günstigere Kredite zu kommen wurde nicht dazu genutzt, Staatsschulden abzubauen und die Wirtschaft zu fördern, sondern nur dazu, immer weitere Kredite aufzunehmen ohne Schuldenabbau und Wirtschaftsförderung. Ein Staat, dessen größtes Unternehmen nach meinem Kenntnisstand eine Coca-Cola-Abfüllanlage ist, kann einfach mit Deutschland etc. nicht mithalten. Durch den Euro wurde der einzig tatsächlich funktionierende Wirtschaftsbereich, der Tourismus, teuer und damit nur noch bedingt konkurrenzfähig mit dem z.B. stark wachsenden Tourismus in der Türkei.

Der Eintritt in den Euro und die damit verbundene Möglichkeit an günstigere Kredite zu kommen hat die Griechen nur dazu verführt, nun umso mehr Geld aufzunehmen. Das konnte nicht gut gehen, zumal das Geld nicht dazu verwandt wurde, das Land wettbewerbsfähig zu machen. Wundern, dass Griechenland da steht, wo es aktuell steht, dürfte keinen.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

23.02.2012 20:28
#71 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von Florian
Fakt ist nunmal, dass Deutschland schon seit Jahrzehnten ein höheres Produktivitäts-Wachstum als Griechenland oder Portugal hatte.
Jahrzehntelang wurde dies ausgeglichen durch eine beständige Aufwertung der Mark gegenüber Pesete und Drachme.
Durch die Euro-Einführung wurde dieser Ausgleichsmechanismus zerstört.



Richtig. Die Anpassung kann aber immer noch über Preise stattfinden. Warum werden die Deutschen nicht teurer und die Spanier guenstiger? Sicher, Preisanpassungen, gerade nach unten, sind schmerzhaft, aber so dramatisch, dass jetzt jeglicher Ausgleichsmechanismus fehlt und der Euro deswegen notwendigerweise scheitern müsse, ist es auch nicht. Uebrigens sind auch abrupte Wechselanpassungen bei integrierten Märkten schmerzhaft. Was von beidem überwiegt, ist nicht ausgemacht.

Zitat
Es ist nun wichtig zu erkennen, dass KEIN Beteiligter in diesem ganzen Spiel nun dumm, kriminell, gierig oder faul war.
Alle haben einfach ganz normal auf das System reagiert, dass durch den Euro etabliert wurde.



Doch! Normalerweise haette die unterschiedliche Entwicklung bei der Produktivitaet dazu geführt, dass die Preise in Spanien und Griechenland schwaecher steigen als in Deutschland. Niun ist aber nicht nur das nicht geschehen, sondern im Gegenteil, die Preise in den suedländischen Staaten sind sogar staerker gestiegn als in Deutschland. Und das ist nur durch exzessive Kreditausweitung (Fehler der Banken) und Kreditaufnahme (Fehler der Staaten) möglich.

Ansosnten gebe ich Ihnen recht: Auf Preise als Anpassungsmechanimus zu vertrauen ist wagemutig. Vor allem aber nimmt die Gemeinschaftswaährung die Möglichkeit für einen "weichen" Bankrotts eines Einzelstaates über Inflation und lässt einem damit quasi nur dei Wahl zwischen Pest und Cholera (entweder man akzeptiert Staatsbankrotte von, etwa, Italien mit allen Konsequenzen oder man schafft die Fiskalunion)

Hausmann Offline



Beiträge: 710

23.02.2012 21:37
#72 RE: Toben und schreien Antworten

Zitat von R.A.
Das System ...

Ganz nebenbei: Ist der Königsmörder schon ausgewürfelt? EDIT :-)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.03.2012 15:28
#73 RE: Toben und schreien Antworten

Seiten 1 | 2 | 3
 Sprung  



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