Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  

ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 81 Antworten
und wurde 5.354 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3 | 4
Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

26.03.2012 16:00
#26 RE: Tattoos und der ganze Rest, Teil 2 Antworten

Zitat von Thanatos
daß es kein Kulturchauvinismus ist, zu behaupten, eine Bachkantate habe mehr Qualität als ein Buschtrommelkonzert


Tralala. So "beweist" man sich schon allein durch den Vergleich das, was man gern sehen möchte. Hat eine Bachkantate mehr Qualität als BITCHES BREW oder DARK MAGUS?

Loki Offline



Beiträge: 128

26.03.2012 16:52
#27 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Frank Böhmert
Hat eine Bachkantate mehr Qualität als BITCHES BREW oder DARK MAGUS?



Das wird leicht zu ermitteln sein, wenn man erst ein Mittel gefunden hat, um Qualität zu quantifizieren.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

26.03.2012 18:34
#28 RE: Tattoos und der ganze Rest, Teil 2 Antworten

Zitat von Frank Böhmert
Hat eine Bachkantate mehr Qualität als BITCHES BREW oder DARK MAGUS?



Hurra, die Grauzone beweist die Abwesenheit der Gegensätze!

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2012 19:04
#29 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Llarian
Ärgern kann man sich über viele Dinge, lieber Zettel, manchmal kann man statt Ärger auch größte Verwunderung emfinden.

Und manchmal, lieber Llarian, regt Ihre Verwunderung mich zum Schreiben an.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2012 19:12
#30 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Loki

Zitat von Frank Böhmert
Hat eine Bachkantate mehr Qualität als BITCHES BREW oder DARK MAGUS?

Das wird leicht zu ermitteln sein, wenn man erst ein Mittel gefunden hat, um Qualität zu quantifizieren.


Ich denke, lieber Loki, das ist in jeder Kunst so wie auch bei der Kochkunst (die ich, wie in Frankreich üblich, zu den großen kulturellen Errungenschaften zähle):

Es gibt Leute, denen nichts besser schmeckt als ein Hamburger Royal oder als eine Currywurst mit Pommes rotweiß. Es gibt andere, die sich gelegentlich das Vergnügen leisten, bei einem Sternekoch zu speisen.

Hat das eine Essen mehr Qualität als das andere? Kann man denn Qualität quantifizieren? Ist nicht alles gleich gut, was Leuten ausgezeichnet schmeckt?

Fragen über Fragen ...

Herzlich, Zettel

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

26.03.2012 21:40
#31 Alltagskultur Antworten

Zitat von Zettel
Es ist nun einmal so, daß in allen Hochkulturen die Oberschicht auch die kulturtragende Schicht ist. Das muß nicht unbedingt nur die politisch herrschende Schicht sein. Es können auch Mönche und Gelehrte sein, es können die Künstler sein, die für die Kirche arbeiten, für die Reichen. Aber es ist die Oberschicht.

Natürlich gibt es auch immer eine Volkskultur. Sie speist sich größtenteils aus abgesunkener Hochkultur; so, wie die Volkstrachten die Festkleidung vergangener Jahrhunderte sind.


Welch schöne Zufallsdiskussion ist daraus doch entstanden. Tolle Beiträge! Früh im Auto ist mir dazu ein Satz eingefallen, mit dem ich (Alltags-)Kultur beschreiben würde:

Kultur ist das was übrig bleibt, wenn der Hobel der Zeit über die Moden hinweggegangen ist.

Mit Alltagskultur meine ich Schmückendes und Unterhaltendes, wie es hier im Thread ja auch behandelt wurde (also nichts Tiefergehendes wie religiöse oder philosophische Kultur). Es geht also (wie hier in der Diskussion) um Trachten und Schmuck, um bildende Kunst, um Musik, Literatur und Filme. Und dabei wiederum um die Fragen Wo kommts her und Was kommt vor, also Wer wirkt hier stilbildend/prägend und Was wirkt stilbildend/prägend. Zur Auswahl stehen jeweils die Oberschicht/Elite und das Volk/die Masse.

Bei jedem dieser "Kulturgüter" spielt dessen Preis eine Rolle, und der Aufwand der damit verbunden ist. Das deutet darauf hin, dass die Inspiration, das Vorbild und das Prägende eher von der Schicht ausgeht, die sich das Besondere preislich und zeitlich auch leisten kann, während das Volk es später nur nachahmt und dabei vereinfacht. Das ist aber meiner Ansicht nach nicht durchgängig der Fall!

Der Stil von Kleidung, Tracht und Schmuck dürfte früher - wie Zettel ja auch schrieb - von der Oberschicht ausgegangen sein. Ganz einfach, weil Zierrat, schmückende Kleidung u.Ä. nicht alltagstauglich und zu teuer für die Masse gewesen sein dürfte. Allein "der Sonntagsstaat" und die Festtagskleidung dürfte Anleihen an der Tracht der Höhergestellten genommen haben. Wer hätte da sonst Vorbild sein sollen?
Heute, mit allgegenwärtiger Verfügbarkeit von Schmuck und Kleidung verwischt das allerdings ein wenig. Wenn auch nicht ganz. Ich sage nur Herrenuhren, Designerkleider, Maßanfertigungen.

Bildende Kunst ist auch eher eine Veranstaltung der höheren Stände. Nur was diese als kulturell wertvoll erachten ist es auch - und seien es ein paar über Kreuz genagelte Pommes Frites.

Literatur und Filme sind nun aber keine generellen Oberschichtvergnügungen, oder müssten elitär sein um gut zu sein. Seit das Lesen- und Schreibenkönnen kein Privileg der Eliten mehr ist, und besonders seitdem Papier und Druck kein Luxus mehr ist, steht es jedem offen. Und das was von der Mode übrigbleibt kann als kulturell wertvoll angesehen werden. Karl May schrieb wilde Indianerstorys, Wilhelm Busch Comics, der Struwwelpeter ist ein Kinder- und die Schatzinsel ein Jugendbuch - ist das weniger Kultur als Proust, Joyce und Jelinek? Weniger als Michel Houellebecq?
Trotzdem orientiert sich gute, zeitlose Literatur sehr oft an Elitärem. Ganz einfach, weil Geschichten über Jedermanns es schwer haben nicht zu alltäglich zu wirken. Das Aschenputtel kriegt den Prinzen, drei kleine Hobbits retten Mittelerde, Pippis Vater ist ein Neger-, sorry Südseekönig.

Beim Film ist es sogar so, dass er ganz ein Kind der Neuzeit ist. Die Laterna Magica begann als Jahrmarktsattraktion, heute als Klassiker gefeierte Stummfilme waren einfach Volksbelustigung. Da ist von vorn bis hinten nix Elitäres dran, es sei denn, man erhebt jeden skandinavischen Wackelkamerastreifen in schwarz-weiß, elitär bemüht zum Kultfilm.

Als Letztes nun zur Musik, und da steht die volkskulturell gewachsene der elitären in nichts nach. Musik ist ja prinzipiell einfach. Man braucht keine Instrumente, schriftliche Überlieferungen oder Spezialisten dafür. Pfeifen, singen oder trommeln kann jeder. Mittelaltermärkte mit ihren Trommel- und Trötencombos funktionieren heute immer noch hervorragend, was ich wiederum beim Minnesang bezweifeln würde. Ring of fire, oder somewhere over the rainbow kann locker mündlich überliefert werden, während eine Bach-Kantate Noten, Übung und Instrumenten bedarf.
Was ist schöner, Louis Armstrongs "What a wonderful world", oder etwas von Arnold Schönberg? Und was davon ist kulturell wertvoller? Was wird bleiben?

Beste Grüße, Calimero

----------------------------------------------------
Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.

Llarian Offline



Beiträge: 7.064

26.03.2012 23:22
#32 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Calimero
Wenn ich es richtig überblicke, dann behandelt gut verkäufliche Literatur durchaus oft vor allem Oberschichtiges. Könige, Prinzessinnen, Tycoons, Helden (auch wenn sie sich erst von unten hocharbeiten müssen), oder z.B. die weisen Zauberer in Hogwarts. Da orientieren sich die Geschichten schon am Elitären mitsamt dessen Sitten und Etikette, ist also doch kulturell oberschichtgeprägt (wer auch immer der Autor ist).
Lieschen-Müller-Geschichten sind doch nur interessant, wenn sie es (wie auch immer) "nach oben" schafft, oder?


Über diesen interessanten Einwand musste ich erst einmal nachdenken, deshalb kommt die Antwort erst jetzt, lieber Calimero: Und ich komme zu dem Ergebnis, dass ich Ihnen nicht zustimme. ( )
Literatur beschäftigt sich naheliegenderweise mit dem Besonderen, deswegen sind Helden immer wieder gerne genommen. Das muss aber keinesfalls deswegen die Oberschicht berühren oder einer Elite entsprechen. Nehmen wir doch die Zauberer von Hogwarts: Harry Potter stammt tatsächlich aus altem Zaubereradel, aber sein Focus ist nicht auf die Oberschicht gerichtet, sein Berusfwunsch ist der eines Aurors (Polizisten). Seine Freundin Hermione stammt aus einfach Verhältnissen. Die Familie seines besten Freundes Ron gehört eher zum Zaubererproletariat. Wenn das Thema Oberschicht überhaupt bei Rowling auftaucht, dann in Figuren des Cornelius Fudge oder Lucius Malfoy, die gerade das Gegenteil von Sympathieträgern sind.

Lieschen Müller wird m.E. nach nicht dadurch interessant, dass sie es "nach oben" schafft, sondern dadurch, dass sie überhaupt irgendetwas tut, was aussergewöhnlich ist. Das dies dazu führen kann, dass ein gesellschaftlicher Aufstieg nachfolgt, ist sicher unbenommen, aber der Character ist nicht deswegen interessant, sondern wegen dem was schon vorher in ihm steckte.

Blub ( gelöscht )
Beiträge:

26.03.2012 23:25
#33 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Weitgehend Zustimmung. Allerdings geht die Grenze zwischen hochwertig und Gebrauchsware nicht zwischen den U- und E-Kunstformen, sondern in diesen beiden künstlichen Bereichen oft mittendurch. Gerade die subventionierte Hochkultur ist oft sehr einfallslos oder inhaltsarm.

Warum Qualität nicht Masse ist, zeigt der Bild-FAZ-Vergleich und genauso würde ein Vergleich Zettels Raum und Bildblog dem weniger besuchten Blog (ist es noch so rum ;)) höhere Qualität bescheinigen. In der Frage der Literatur fällt mir oft auf, dass Qualitätsliteratur oft die Sprache und das Miterleben in der Vordergrund stellt, während Fans der Groschenliteratur oft mehr ergebnisbasiert lesen, also es nur wichtig ist, wer der Mörder ist und nicht den Genuß des Weges zur Entdeckung und Entlarvung entsprechend würdigen. Wer kennt nicht die Formulierung, dass in dem Roman nichts passiert, dabei ist viel passiert, man hat lange mit den Menschen darin in ihrem Leben gelebt. Aber auch hier gilt, ich kenne auch wenig bekannte Fantasyromane, die das besser leisten als manche Romane von Nobelpreisträgern, die ich ebenfalls gelesen habe. Für andere Kunstformen findet sich ähnliches.

Llarian Offline



Beiträge: 7.064

26.03.2012 23:38
#34 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat
Gut, dann schauen wir uns einfach die BILD [anstelle des Groschenhefts] und die F.A.Z/F.A.S. [anstelle des Walser-Romans] an. Zweifellos sind in der heutigen BILD viele kleine Lebensweisheiten verpackt, vermutlich sogar in ziemlich einfach verständlichen Sätzen. Wer die Bücher von Wolf Schneider gelesen hat, kennt die notwendigen Fertigkeiten — und die BILD-Journalisten wenden sie offensichtlich erfolgreich an.

Zweifellos ist die F.A.Z. auch an diesem Montag wieder schwerer zu lesen und zu verstehen als die BILD. Aber es gibt objektiv deutliche Qualitätsunterschiede: Sie liegen in der Differenzierung, in der Recherche, im Themenspektrum … Greifen Sie irgend ein Thema heraus und Sie werden aus der F.A.Z. mehr erfahren, als aus der BILD.


Mit der Verlagerung bin ich einverstanden, aber nehmen wir statt der FAZ doch lieber den Spiegel. Ebenso gehe ich davon aus, dass das Ziel einer Zeitung primär darin besteht den Leser zu informieren, zumindest ist es das Ziel des Lesers durch das Lesen der Zeitung anschließend mehr zu wissen über das was so in der Welt passiert ist. Nun ist die Bildzeitung nicht bekannt für allzugute Recherche, sie präsentiert Nachrichten auf ein Minimum reduziert, oft ohne Kontext und Hintergrund. Aber der Leser hat erfahren was er erfahren wollte. Liest er dagegen die Konfettikanone der Demokratie, dann liest er dabei viel mehr Text. Und ist anschließend maximal desinformiert. Denn nicht nur versteht er die Hintergründe oftmals nicht, er ist auch noch indoktriniert worden, ohne es selber zu merken und lebt in der absurden Einschätzung tatsächlich mehr als andere zu wissen. Wer macht seine Arbeit dann besser ? Die Blödzeitung habe ich in einer halben Stunde "gelesen", für den Spiegel brauche ich mehrere Stunden. Wenn das einzige an echter Information die Nachricht war, dann hat die Bild den Job besser gemacht.
Schlagen wir den Vergleich zur Literatur: Natürlich kann man den selben Gedanken hinter komplizierten Metaphern verstecken, den ein anderer in einfachen Worten beschreibt. Und vielleicht kann auch nicht jeder die Metaphern überhaupt formulieren. NUR: Was nützt es ? Ein Gedanke wird nicht besser, weil er maskiert wird. Im Gegenteil, es besteht die berechtigte Gefahr, dass er gar nicht erst wahrgenommen wird, dass er falsch verstanden wird oder fehlinterpretiert wird. Bücher sollten verstanden werden sonst verfehlen sie ihren zentralen Zweck.

Zitat
Ich denke, es ist alles eine Frage der Maßstäbe. Man kann den Maßstab so weit nach unten transformieren, dass die BILD zu einer Qualitätszeitung wird — knapp vier Millionen Leser können ja nicht irren. Aber ich will das nicht. Ich will Qualitätsunterschiede auch als solche benennen.


Ich hindere niemanden daran andere Bewertungen zu treffen und es ist auch nicht mein Ziel die Bildzeitung hochzuschreiben. Spiegel Leser glauben aber eben auch, dass sie ein qualitativ tolles Produkt Woche um Woche konsumieren. Ob sie das wirklich tun verbleibt dahingestellt. Ich meine das vier Millionen Menschen durchaus das Recht zusteht ihren Qualitätsanspruch für sich zu definieren.

Llarian Offline



Beiträge: 7.064

26.03.2012 23:55
#35 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Loki
Es steht natürlich jedem frei, Nicht-Kunst vor Kunst zu bevorzugen, aber das macht Nicht-Kunst nicht zur Kunst.


Eine seltsame Bewertung. Denn etwas wird nicht zur Nichtkunst, weil es leicht zu verstehen ist. Genausowenig wie etwas zur Kunst wird, nur weil es keiner versteht. Nach meinem Dafürhalten dient Kunst ganz Abstrakt dem Transport von Ideen, oftmals auf einer emotionalen Ebene. Die Botschaft (Idee), dass ein Krieg vielleicht doch ein nicht wünschenswertes Erlebnis ist, kommt in einer Geschichte mit geschildertem Leiden oder einer Abbildung von Kriegselend eben besser beim Rezipienten an, als wenn ich nur den Gedanken aufschreibe. Der Gedanken ist aber dennoch klar. Wenn ich stattdessen hingehe und das ganze so verwurste, dass man erstmal drei Tage analysieren muss, dann verfehle ich dieses Ziel. Denn viele Leute werden sich die Mühe nicht machen, andere werden die Botschaft nicht verstehen und wieder andere verstehen etwas ganz anderes. Und dann hat die Kunst ihr zentrales Anliegen verloren.
Nach meinem Dafürhalten ist die Kunst an der Kunst vor allem die Idee (und man erspare mir an dieser Stelle den dummen Witz von der Wunst) und die Fähigkeit etwas so darzustellen, dass es die Menschen anspricht. Das verklausulieren gehört nicht dazu, auch wenn das nicht jeder kann. Ich kann einen Text auch kryptographisch verschlüsseln, dass nur einer von tausend Lesern ihn lesen kann. Das kann auch nicht jeder, nicht das es irgendetwas daran besser machen würde.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.03.2012 00:06
#36 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Blub
Weitgehend Zustimmung.

Wem stimmen Sie denn zu, lieber Blub? Der Einfachheit halber nehme ich an: Meinem Artikel.

Herzlich, Zettel

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

27.03.2012 00:32
#37 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von stefanolix
Gut, dann schauen wir uns einfach die BILD [anstelle des Groschenhefts] und die F.A.Z/F.A.S. [anstelle des Walser-Romans] an. Zweifellos sind in der heutigen BILD viele kleine Lebensweisheiten verpackt, vermutlich sogar in ziemlich einfach verständlichen Sätzen. Wer die Bücher von Wolf Schneider gelesen hat, kennt die notwendigen Fertigkeiten — und die BILD-Journalisten wenden sie offensichtlich erfolgreich an.

Zweifellos ist die F.A.Z. auch an diesem Montag wieder schwerer zu lesen und zu verstehen als die BILD. Aber es gibt objektiv deutliche Qualitätsunterschiede: Sie liegen in der Differenzierung, in der Recherche, im Themenspektrum … Greifen Sie irgend ein Thema heraus und Sie werden aus der F.A.Z. mehr erfahren, als aus der BILD.



Ich bin mir nicht sicher, ob der Vergleich FAZ vs. BILD bezüglich der Kulturdiskussion bedeutungstragend ist. Aber ich will Ihnen doch vehement widersprechen, was Ihre Thesen angeht. Machen Sie sich tatsächlich mal den Spaß und lesen Sie eine Woche lang parallel BILD und FAZ. Dabei werden Sie vermutlich auf interessante Fakten stoßen: nicht jede Meldung in der BILD findet sich in der FAZ wieder, und umgekehrt. BILD-Artikel sind oft erstaunlich gut recherchiert und auf den Punkt formuliert, während man sich beim Lesen der FAZ noch bemüht, das ganze Rauschen zu unterdrücken. Wenn Sie die gleiche Zeit aufwenden, die FAZ zu lesen, wie die BILD, so werden Sie tendenziell mit Hilfe der BILD umfassender informiert sein.

Auch bezüglich Meinungsmache ist die FAZ leider inzwischen der BILD voraus.

Und trotzdem ist die Lektüre der FAZ reichhaltiger - mindestens des Umfangs wegen. Aber ist Quantität die einzige Qualität?

Gruß,
hubersn

Loki Offline



Beiträge: 128

27.03.2012 00:55
#38 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Llarian
Die Botschaft (Idee), dass ein Krieg vielleicht doch ein nicht wünschenswertes Erlebnis ist, kommt in einer Geschichte mit geschildertem Leiden oder einer Abbildung von Kriegselend eben besser beim Rezipienten an, als wenn ich nur den Gedanken aufschreibe. Der Gedanken ist aber dennoch klar. Wenn ich stattdessen hingehe und das ganze so verwurste, dass man erstmal drei Tage analysieren muss, dann verfehle ich dieses Ziel. Denn viele Leute werden sich die Mühe nicht machen, andere werden die Botschaft nicht verstehen und wieder andere verstehen etwas ganz anderes. Und dann hat die Kunst ihr zentrales Anliegen verloren.



Wer Botschaften senden will, soll Telegramme schreiben.

Spätestens im Bereich der Instrumentalmusik verliert die Idee, das Wesentliche der Kunst sei, was uns der Autor damit sagen will, jeden Sinn. Und dennoch gibt es da viel zu verstehen. Was ich nicht aus elitärem Dünkel heraus sage, da mir ja mein eigenes musikalisches Unverständnis gehörig auf den Zeiger geht. Es würde aber viel Zeit und Mühe kosten, mich dieses Unverständnisses zu entledigen, und ich weiß noch nicht, ob ich die jemals aufbringen werde. Deswegen mache ich mir nur nicht vor, daß das, was mein unmittelbares Wohlgefallen als Musikbanause erweckt, doch die gleiche Qualität haben müsse wie das, was die Kenner gut finden. Andererseits befremdet es mich ebenso, wenn mancher fast tut, als sei Kunst dazu da, in eine hierarchische Ordnung gebracht zu werden. Ich denke es hat darauf, wie Beethovens neunte Sinfonie gemacht ist (ihre "Quali-tät" in dem Sinne, den ich in dem Witz oben oder weiter unten meinte, den Zettel so ernst genommen hat) nicht den geringsten Einfluß, ob irgendwer sie besser oder schlechter findet als traditionell bayerische Stammesmusik oder Pop. Über die Qualität von Pop im Allgemeinen und im Normalfall sagt dieses Video hier eigentlich alles, das wirklich von Interesse sein kann: http://www.youtube.com/watch?v=5pidokakU4I

Meine Sympathie gilt also weder einer Ansicht, die Kunst für eine Art Flaschenpost (aber bitte nicht zu fest verkorkt!) hält, noch einer Ansicht, die sie als vornehmere Variante des Schwanzvergleichs ansieht (in dieser Hinsicht bevorzuge ich das ehrliche Original). Und eben auch nicht einer, die eine ganze Kunstrichtung wegen ihres Unterschichtenursprungs pauschal verdammt und neben der Deutung ihrer zunehmenden Beliebtheit als Zeichen der 'Entkultivierung' die Möglichkeit ihrer vielleicht lang überfälligen Aufwertung gar nicht erst in Betracht zieht. Aus gewissermaßen juristischen Gründen würde ich letzteres jedoch nicht als Borniertheit bezeichnen.

Thanatos Offline



Beiträge: 232

27.03.2012 02:56
#39 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Loki
Andererseits befremdet es mich ebenso, wenn mancher fast tut, als sei Kunst dazu da, in eine hierarchische Ordnung gebracht zu werden.



Nein, dazu ist Kunst nicht da.

Ich denke aber, die Menschen neigen dazu, soziale Hierarchien aufzustellen. Und ich meine, feststellen zu können, daß dazu heute sehr gerne der kulturelle Habitus herangezogen wird. Indem ich "4-chord-popsongs" verachte und mich auf meine profunde Kenntnis und Bewunderung von Bachs Cellosuiten berufe, definiere ich mich als Teil der Elite und nicht der Masse. (Nur als un-persönliches Beispiel). Das sagt allerdings noch nichts über Qualität an sich aus.

Zitat von Loki
Aus gewissermaßen juristischen Gründen würde ich letzteres jedoch nicht als Borniertheit bezeichnen.



Warum nicht - aus Ihrer Sicht kann sich das doch so darstellen.

MfG

Thanatos

--

Unmögliches erledigen wir sofort.

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 347

27.03.2012 08:46
#40 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Loki
Über die Qualität von Pop im Allgemeinen und im Normalfall sagt dieses Video hier eigentlich alles, das wirklich von Interesse sein kann: http://www.youtube.com/watch?v=5pidokakU4I


Danke für diesen Link, das Video hat mir sehr gut gefallen. Wer das gleiche Thema als Video mit Erklärungen auf Deutsch haben will, findet es hier:

Komponieren wie Bohlen!
http://www.youtube.com/watch?v=8j3ICZTlX...Px0i7Pi1svzTm9g (Die Werbung am Anfang kann man überspringen.)

Tiefseetaucher

A common mistake that people make when trying to design something completely foolproof is to underestimate the ingenuity of complete fools.
Douglas Adams

vivendi Offline



Beiträge: 663

27.03.2012 08:55
#41 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von energist

Zitat von Loki

Zitat
Deshalb ziehe ich Texte vor, die man nicht erst drei Tage lang einer Analyse unterwerfen muss, um sie (vielleicht) zu verstehen.


Es steht natürlich jedem frei, Nicht-Kunst vor Kunst zu bevorzugen, aber das macht Nicht-Kunst nicht zur Kunst.



Eine Gegenfrage, werter Loki: wer oder was macht Kunst dann zur Kunst?



... und wer bestimmt was Kultur ist? Wer bestimmt die Kriterien, die der Begriffsbestimmung von "Kultur" dienen?

lois jane Offline



Beiträge: 662

27.03.2012 11:20
#42 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Zettel
Nicht alles, was es einmal gab, ist ein tradierenswertes Kulturgut. Es gab in vielen Kulturen zum Beispiel Menschenopfer, in sehr vielen Tieropfer. Es gab - und gibt teilweise - komplexe Tabus, Heiratsvorschriften, Riten usw. Und man hat sich eben auch den Körper bemalt oder tätowiert, sich Scheiben in die Lippen geklemmt, sich alles Mögliche durch alle möglichen Körperteile gestochen usw.
...
In kaum einer der Hochkulturen ist von dieser primitiven Kulturstufe viel geblieben.



Das hört sich ein wenig nach Pleonasmus an. Natürlich wird sich, je weiter sich eine Kultur entwickelt, immer weniger und weniger von dem halten, was "ursprünglich" war. Die Behaltensquote kann nie über 100% steigen.

So richtig es ist, das etwas nur etwas früher ist, es dadurch erhaltenswert ist - solche Positionen gibt es ja durchaus: siehe Rousseau, siehe Primitivismus - so wenig ist zulässig aus dem Früherdasein dieses Werturteil abzuleiten, welches in Begriffen wie "primitiv" und "modern" steckt. Die Familie ist primitiv, der elektrische Stuhl modern, um es mal ganz krass zu illustrieren.

Ich stimme Zettel zu, wenn er sich ein Urteil erlaubt und auch darin, daß dieses Urteil allgemeinverbindlich gedacht ist. Aber ich teile sein Urteil inhaltlich nicht - und frage mich natürlich ein wenig, warum das mit dem "Abschaffen (sic!) der alten Zöpfe" denn plötzlich aufhören sollte.

Ich glaube nicht, daß man die Menschenopfer einfach so stehen lassen kann: 1. ist gar nicht gesagt, daß diese unbedingt primitiv im zeitlichen Sinne sind, 2. führen auch spätere Kulturen (unsere eingeschlossen) diese fort, wenn auch unter anderem Deckmantel, 3. gibt es für die Abscheulichkeit von Menschenopfer ja nunmal objektiv ethisch-moralische Gründe (objektiv, soweit es überhaupt etwas objektives gibt). Für die Wortwahl "Klamotten" (was wäre bitte die Alternative?) oder das Tätowieren dagegen würde mir da auch bei vielem Nachdenken nichts einfallen!

Umgekehrt ist auch vieles des klassischen Bildungskanons nicht unbedingt tradierenswert.

Zitat von Zettel
Es ist nun einmal so, daß in allen Hochkulturen die Oberschicht auch die kulturtragende Schicht ist. ...



Das ist keineswegs der Fall. Die Gegenwart beweist es zu Genüge, daß die heutige gesellschaftliche Oberschicht (insbesondere wenn man sie, wie Sie, mit Reichtum identifziert) in keinster Weise kulturtragend ist. Aber auch in der Vergangenheit kamen oftmals kulturelle Impulse aus Schichten, die nun gerade nicht Oberschicht waren, teilweise aus kreativer Opposition. Man denke an die Sechziger: man mag es bewerten wie man will, aber daß damals unsere Kultur von Einflüssen geprägt wurden, die nicht aus der (damaligen) Oberschicht kamen, liegt auf der Hand. Und auch Mönche waren gerade dann am kreativsten, wenn sie nicht Oberschicht waren.

Ein Künstler mag aus einfachen Verhältnissen kommen, aber er wird doch durch sein kulturelles Schaffen noch nicht zur Oberschicht.

Zitat von Llarian
Und selbst 100 Claus Peymanns werden nicht ansatzweise den Impact auf unser Denken haben als ein Steven Spielberg es hat. Und die bedeutendste Buchautorin der letzten 20 Jahre ist eben nicht Elfriede Jelinek sondern die (ebenfalls von ganz unten stammende) Joanne Rowling.



Was - bei aller mir eigenen Spielbergkritik - ein beruhigender Gedanke ist!

Zitat von Llarian
Wir leben eben nicht mehr in einer Zeit in der Fürsten durch Gewalt festlegen konnten welcher Kulturbegriff der richtige zu sein hat. Wir leben in einer Zeit, wo dies auch dem Prinzip der Freiheit unterworfen ist.



Das stimmt zwar, nur sehe ich keinen Gegensatz - es war auch unter Fürsten nicht anders. Fürsten sind ja nicht durchs Land gezogen und haben sich als Kulturzensor bewegt - dergleichen hat eher, ganz demokratisch, selbstorganisiert das Bildungsbürgertum später getan - sondern hat einfach seine (beträchtlichen) Finanzen nach Gutdünken eingesetzt und wirkte auch als Vorbild. Heute ist das halt nur - wenn auch durch Massenwerbung verdreht - demokratisiert.

"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande!"
Und nimm den Staat weg, dann bleiben unorganisierte Räuber zurück!

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

27.03.2012 12:46
#43 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Llarian
Nehmen wir doch die Zauberer von Hogwarts


Was für ein schönes Beispiel!

Zitat
Harry Potter stammt tatsächlich aus altem Zaubereradel, aber sein Focus ist nicht auf die Oberschicht gerichtet, sein Berusfwunsch ist der eines Aurors (Polizisten).


Einen Auror als "Polizisten" zu bezeichnen wäre wohl zu schlicht. Vom Prestige her ist das eher eine Mischung aus Kommissar Schimanski und James Bond ;-)

Zitat
Seine Freundin Hermione stammt aus einfach Verhältnissen.


Beide Eltern sind Zahnärzte. Aber ok, nur Muggel.

Zitat
Die Familie seines besten Freundes Ron gehört eher zum Zaubererproletariat.


Aber ich bitte Dich, Weasley ist Ministerialbeamter.
Bei Zaubererproletariat müßte man eher an Mundungus Fletcher etc. denken.

Zitat
Lieschen Müller wird m.E. nach nicht dadurch interessant, dass sie es "nach oben" schafft, sondern dadurch, dass sie überhaupt irgendetwas tut, was aussergewöhnlich ist.


Richtig. Wobei es heute wohl weniger Lieschen wäre (und auch nicht Chantal oder Tanja), sondern Lena oder Sophie.
Genau wie bei den Potter-Freunden handelt es sich typischerweise um Mittelschichtsfiguren, mit denen sich die Leser identifizieren können. Echte Unterschicht oder Oberschicht sind dagegen exotisch und fremd für sie.

Llarian Offline



Beiträge: 7.064

27.03.2012 22:46
#44 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Loki
Wer Botschaften senden will, soll Telegramme schreiben.


Wenn wir die Plattheit an der Stelle mal übersehen, so bin ich selbst inhaltlich einer etwas anderen Meinung. Wer eine Botschaft senden will, soll sich der Methode bedienen, die ihm dafür am nützlichsten erscheint. Die Botschaft, das man Menschen vielleicht nicht versklaven sollte, kommt bei den meisten Menschen eher an, wenn sie Onkel Toms Hütte lesen, als wenn sie die Freiheitsproklamation per Telegramm erhalten.

Was nun die Instrumentalmusik angeht, so ist der Einwand insofern richtig, dass hier der Unterhaltungscharacter eine größere Rolle spielt. Ob das der entscheidende bei der Kunst ist, bezweifele ich. Allerdings kann ich in dem wiederholt beschworenen Beispiel der verklausulierten Literatur auch keinen Unterhaltungscharacter erkennen.

Zur Pop-Musik sei angemerkt, dass ich es wiederum für eine ziemlich seltsame Verkürzung halte sich darüber zu mokieren, dass vielfach nicht mehr als vier Akkorde verwendet werden (die Bates haben sogar nur drei im Angebot und haben trotzdem nette Sache gemacht). Das ist ungefähr genauso sinnvoll wie einer Bleistiftzeichnung vorzuwerfen, dass sie nicht aus Farben besteht oder einem Buch, dass es nur aus schwarz und weiss besteht. Nicht nur lassen sich aus drei Akkorden durchaus komplexe Melodien erzeugen, Pop Musik lebt ebenso vom Stimmspektrum (da die wenigsten Menschen wohl Akkorde singen können ist das Tonspektrum der Stimme in aller Regel wohl nicht auf vier Akkorde begrenzt), vom Instrumentzusammenspiel und eben auch von Texten. Man muss das nicht mögen, aber ich wundere mich immer wieder, das so einige Leute glauben, dass sei alles so kunstlos. Nun, wenn es das doch ist, warum tuns dann so wenige ? Warum hat Michael Jackson Abermillionen verdient, warum die Beatles, warum Madonna und warum auch der vielgescholtene Dieter Bohlen ? Wenn das alles so einfach ist, warum macht man es dann eigentlich nicht ? Ist doch simpel, oder ? Vier Akkorde kann man doch spielen. Oder doch nicht ?

Llarian Offline



Beiträge: 7.064

27.03.2012 23:00
#45 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von R.A.
Einen Auror als "Polizisten" zu bezeichnen wäre wohl zu schlicht. Vom Prestige her ist das eher eine Mischung aus Kommissar Schimanski und James Bond ;-)


Für die Jungzauberer schon. Aber Jugendliche und Kinder finden auch Feuerwehrmänner toll und wollen als Kind Feuerwehrmann werden. Dennoch gehören Feuerwehrmänner ja eher nicht zur Oberschicht oder tragen ein elitäres Image. Unter Erwachsenen sind die Auroren zwar gefürchtet, aber so geachtet dann auch nicht, jedenfalls nehmen Mad Eye Moody oder Kingsley Shaklebolt (um zwei eher populäre Charactere zu verwenden) keine besondere Position in der Gesellschaft der Zauberer ein.

Zitat
Aber ich bitte Dich, Weasley ist Ministerialbeamter.


Ein kleiner Beamter, der sich mit einem eher unwichtigen Randgebiet (Muggelartifakte) beschäftigt. Ich habe mich dabei hauptsächlich auf die Zusammentreffen zwischen den Weasleys mit den Malfoys bezogen, wo Malfoy die Weasleys speziell durch ihre finanzielle Situation versucht herabzusetzen. Auch ist es Harry sehr unangenehm, dass die Weasleys eher arm sind, während er selber auf einem Haufen Gold sitzt. Es ist ja auch mehrfach ein Problem für Ron, dass er die Sachen seiner Geschwister auftragen muss.

Zitat
Bei Zaubererproletariat müßte man eher an Mundungus Fletcher etc. denken.


Da würde ich eher an einen Ganoven denken.

Unterm Strich würde ich aber schon sagen, dass die Figuren um Harry Potter eher kein elitäres Verständnis an den Tag legen, sondern eher (Beispiel ist eben Arthur Weasley) das Elitäre ablehnen. Die Weasleys sind ja "reinen Blutes" und lehnen das Konzept dennoch ab. Mit Elitarismus würde ich eher Slytherin verbinden und das entspricht ja eher dem Gegenentwurf (wenn man von dem wirklich genialen Character Severus Snape absieht).

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.03.2012 23:27
#46 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von lois jane

Zitat von Zettel
In kaum einer der Hochkulturen ist von dieser primitiven Kulturstufe viel geblieben.

Das hört sich ein wenig nach Pleonasmus an. Natürlich wird sich, je weiter sich eine Kultur entwickelt, immer weniger und weniger von dem halten, was "ursprünglich" war.


Interessant sind eben die Ausnahmen. Beispielsweise das Tätowieren.

Zitat von lois jane
Für die Wortwahl "Klamotten" (was wäre bitte die Alternative?)

Interessante Frage. Vor ungefähr 1970 sagten in Deutschland alle Leute "Kleider" oder "Kleidung"; außer eben der unteren Unterschicht (wo übrigens "Klamotten" auch "Felsen" bedeutet, wenn ich mich recht informiert habe). Dann fingen einige Alternative an, die Sprache der unteren Unterschicht zu übernehmen und sagten "Klamotten", "Knast", "Knete" usw. Jetzt hat sich das offenbar derart ausgebreitet, daß Sie, liebe Lois Jane, diese Frage stellen können.

Herzlich, Zettel

lois jane Offline



Beiträge: 662

28.03.2012 01:41
#47 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von lois jane

Zitat von Zettel
In kaum einer der Hochkulturen ist von dieser primitiven Kulturstufe viel geblieben.

Das hört sich ein wenig nach Pleonasmus an. Natürlich wird sich, je weiter sich eine Kultur entwickelt, immer weniger und weniger von dem halten, was "ursprünglich" war.


Interessant sind eben die Ausnahmen. Beispielsweise das Tätowieren.




Es ist ja keine Ausnahme. "Weniger" heißt nicht "nichts" - das Tätowieren würde zum Rest gehören, vorausgesetzt es ist wirklich so "primitiv". (Was ich für nicht ausgemacht halte.)

Zitat

Zitat von lois jane
Für die Wortwahl "Klamotten" (was wäre bitte die Alternative?)

Interessante Frage. Vor ungefähr 1970 sagten in Deutschland alle Leute "Kleider" oder "Kleidung"; außer eben der unteren Unterschicht (wo übrigens "Klamotten" auch "Felsen" bedeutet, wenn ich mich recht informiert habe). Dann fingen einige Alternative an, die Sprache der unteren Unterschicht zu übernehmen und sagten "Klamotten", "Knast", "Knete" usw. Jetzt hat sich das offenbar derart ausgebreitet, daß Sie, liebe Lois Jane, diese Frage stellen können.




Vielleicht sah man das damals anders, aber für meine, etwas jüngeren Ohren hört sich Kleidung an wie ein Abstraktum (wie Nahrung). Kleider lässt mich an Abendkleider denken (wo mit ich vielleicht kein Problem haben dürfte, Sie aber wohl doch). Und "Anziehsachen" ist doch etwas sehr unbeholfen.

Meine Frage ging ja nicht darüber, ob Klamotten so ein tolles Wort ist - man hört es ihm schon an, daß etwas nicht stimmt, zumindest weht eine Idee "Klamottenkiste" mit - sondern was die Alternative wäre. Ein einzelnes Wort sehe ich da nicht, höchstens halt das Vermeiden bzw. Umschreiben.

Interessant finde ich, daß Sie neulich noch behaupteten, es handle sich um Gaunersprache, jetzt aber von Unterschicht sprechen. Nicht alle Unterschichtler aber sind Gauner und weiß Gott nicht alle Gauner aus der Unterschicht!

"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande!"
Und nimm den Staat weg, dann bleiben unorganisierte Räuber zurück!

Thanatos Offline



Beiträge: 232

28.03.2012 02:14
#48 Nochmal: Qualität Antworten

Jetzt ist bei aller Diskutiererei allerdings noch immer völlig ungeklärt, ob es in der Kunst (oder allgemeiner in der Kultur) Qualitätsunterschiede gibt. Kann man überhaupt den Begriff der Qualität auf Kunst anwenden? Kann man sagen, dies da sei "primitiv", jenes dort aber "hochentwickelt"?

Ich würde sagen: früher konnte man das. Heute kann man es nicht mehr. Daß man heute keine Bewertungs- und Qualitätsmaßstaäbe mehr hat (mehr haben will), wird als Fortschritt angesehen.

Wie auch immer: es dürfte schwer sein, eine Qualitätsbegriff herzuleiten, den man auf "Kunst" anwenden kann.

MfG

Thanatos

--

Unmögliches erledigen wir sofort.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

28.03.2012 06:58
#49 RE: Marginalie zur Meckerecke Antworten

Zitat von Zettel
Vor ungefähr 1970 sagten in Deutschland alle Leute "Kleider" oder "Kleidung"; außer eben der unteren Unterschicht (wo übrigens "Klamotten" auch "Felsen" bedeutet, wenn ich mich recht informiert habe).


Ähm ... ? Da mussten sie sich extra informieren, lieber Zettel? Meine Güte, ich hätte nicht gedacht, dass der Begriff Klamotte(n) derart kulturfern ist, dass man darüber Erkundigungen einziehen müsste. Eine Klamotte ist allerdings eher kein Felsen, es sei denn er ist als einzelner Stein erkennbar. "Klamotten" steht schlicht für Schutt und Geröll. ("Heb' die Botten, da komm'n Klamotten!")
(Ei)'ne Klamotte ist ein profaner Stein, der allerdings auch Findlings- oder Felsengröße haben kann. In Balin hamse sogar 'n janzen Mont Klamott, der aber ooch nich aus Felsen besteht. (Mir ist gerade aufgefallen, dass der Begriff nur schwer ins Hochdeutsche einzupassen ist. "Gib mir mal bitte eine Klamotte" passt irgendwie überhaupt nicht.)

Beste Grüße, Calimero

----------------------------------------------------
Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

28.03.2012 17:48
#50 RE: Nochmal: Qualität Antworten

Zitat von Thanatos
Wie auch immer: es dürfte schwer sein, eine Qualitätsbegriff herzuleiten, den man auf "Kunst" anwenden kann.


Finde ich gar nicht. Kunst kennt kein Maß. Kunst ist maßlos. Demzufolge ist es auch ihr Qualitätsbegriff. Luxus ist der Qualitätsbegriff den man auf Kunst nicht nur anwenden kann, sondern muss. Alles andere in diesem Zusammenhang erklärt sich dann wie von selbst.
Für die diesem Posting innewohnende Arroganz entschuldige ich mich selbstverständlich, dennoch ist sie notwendiger Bestandteil.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Seiten 1 | 2 | 3 | 4
 Sprung  



Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.



Xobor Xobor Forum Software
Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz