Zitat von MartinDie Diskussionen hier zeigen zum Teil, dass der Paradigmenwechsel vom klassischen Parteifunktionär zu einer Art Projektmanager schwer in die Köpfe geht.
Muss er denn hineingehen?
Nein, aber das Leben ist interessanter, wenn man sich auch mal mit fremden Gedanken offen auseinandersetzt.
Zitat von Martin(…) die heutigen Politiker mögen zwar vernetzt sein, aber ich kenne keine Partei, die zu einem wichtigen Thema eine 'Volksabstimmung' durchführt, und deren Ergebnis direkt in voller Fraktionsstärke in den Bundestag einbringt.
Wenn die Dresdner Verwaltung über Einzelprojekte entscheiden muss, die sie nicht bezahlen kann, dann zieht sie sich immer von einem Teil der Bürger den Unmut zu. Informiert sie aber die Bürger über alle Aspekte des Pro und Contra, und lässt sie die Bürger abstimmen, dann nimmt sie sich aus der Schusslinie, und die Bürger fühlen sich fair behandelt. Es sei denn, sie ziehen Bevormundung vor, über die sie dann wieder am Stammtisch herziehen können.
Gruß, Martin
Nehmen wir mal an, alle Parteien im Dresdner Stadtrat nutzten das »Liquid Feedback«. Die SPD-Mitglieder sind für den Ausbau der Krankenhäuser, die Grünen-Mitglieder für den Ausbau der Schulen, die CDU will eine neue Konzerthalle bauen, die FDP eine sechsspurige Straße quer durch die Stadt und die Piraten in jedem Stadtteil eine öffentliche Kopierstation für Filme.
Die Parteibasis gibt ihre Wünsche an die jeweilige Fraktion weiter. Die Abstimmungen jedes einzelnen Parteivolks sind technisch brillant organisiert.
Die Fraktionen im Stadtrat müssen aber trotzdem mit bestimmten Mehrheitsverhältnissen zurechtkommen. Wenn sie sich gegenseitig blockieren, wird gar nichts gebaut. Also werden sich Koalitionen bilden, um das eine oder andere Vorhaben voranzutreiben.
Und so ist es heute schon. Ganz ohne »Liquid Feedback« ;-) Man kann soziale und politische Probleme nicht mit Technik lösen.
Zitat von Erling PlaetheSo wie ich die direkte Demokratie in der Schweiz verstanden habe, kennzeichnet sie vor allem der starke Förderalismus. Nicht nur die Kantone haben ihre eigenen Gesetze, sondern auch die Gemeinden. Der Bundesstaat entscheidet so wenig und ist derart schwach, dass die Bürger sogar über ihre Steuerlast befinden können.
Der föderale Zugriff auf die Finanzen ist sicher ein wichtiger Aspekt der Schweizer Demokratie. Wenn aber die Schweizer über Atomkraft oder Moscheen abstimmen, dann geschieht dies landesweit. Die Regierung muss das Ergebnis im Rahmen des Grundgesetzes umsetzen. Eigentlich recht einfach.
Volksabstimmungen und direkte Demokratie sind zwei paar Schuhe. Die Möglichkeit zu Volksabstimmungen ist in den Landesverfassungen festgeschrieben. Und auch in der Schweiz müssen dafür Vorraussetzungen erfüllt werden. Das ist in der Tat ganz einfach.
Zitat von stefanolixMan kann soziale und politische Probleme nicht mit Technik lösen.
Lieber Stefanolix,
und welches war das soziale ode politische Problem, das durch Technik gelöst werden soll?
Egal was zur Abstimmung steht, mit welchen spannenden Begründungen auch immer, muss irgendwann abgestimmt werden. Die Frage ist nur, ob die Abstimmung durch die gesamte Bevölkerung stattfindet oder nur innerhalb des Stadtrats. Das hat mit Technik nichts zu tun und kann nach wie vor auf Papier basieren. Die Schweiz ist aber inzwischen dazu übergegengen, das Papier durch das Internet zu ersetzen - die Technik soll nur Kosten sparen / dem Reisenden den zugriff erleichtern.
Zitat von califaxNachdem wir uns alle einig sind, daß die Piraten ein Haufen Idioten sind ...
Da würde ich - wie Stefanolix - widersprechen. [...] Bei den weniger vernünftigen Gründern (siehe z. B. die Kollegen in Berlin) und den Neu-Piraten ist auch nicht fehlende Intelligenz das Problem. Auch sonst sind sie mehrheitlich nicht unbedingt "Idioten" - aber sie sind unglaublich unpolitisch (was auch die Anziehungskraft der Partei für Nichtwähler erklärt).
Idioten können erstaunlich intelligent sein, wenn es darum geht, Unfug anzustellen. :) Ich dachte, die Polemik wäre offensichtlich gewesen, und hatte keine Diskussion über wortwörtliche Auslegungen erwartet. Meine Idee ist nach wie vor, jemanden mal anzusprechen und einzuladen.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
Zitat von MartinEgal was zur Abstimmung steht, mit welchen spannenden Begründungen auch immer, muss irgendwann abgestimmt werden. Die Frage ist nur, ob die Abstimmung durch die gesamte Bevölkerung stattfindet oder nur innerhalb des Stadtrats. Das hat mit Technik nichts zu tun und kann nach wie vor auf Papier basieren. Die Schweiz ist aber inzwischen dazu übergegengen, das Papier durch das Internet zu ersetzen - die Technik soll nur Kosten sparen / dem Reisenden den zugriff erleichtern.
Gruß, Martin
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die einzelnen Fraktionen ihre Aufträge direkt von der Basis bekommen und daran gebunden sind. Sie stimmen aber immer noch im Stadtrat ab (das wäre eine Verbesserung der repräsentativen Demokratie). Meinen Sie wirklich eine Abstimmung über Großprojekte und Haushalte der Kommunen per Internet mit direkter Demokratie? Das ist m.E. bisher technisch noch nicht sicher genug und es bestünde die Gefahr der Diskriminierung bestimmter Gruppen, die nicht fähig sind, das System adäquat zu nutzen (hier scheint mir das Wort Diskriminierung wirklich angemessen).
Zitat von Erling PlaetheVolksabstimmungen und direkte Demokratie sind zwei paar Schuhe. Die Möglichkeit zu Volksabstimmungen ist in den Landesverfassungen festgeschrieben. Und auch in der Schweiz müssen dafür Vorraussetzungen erfüllt werden. Das ist in der Tat ganz einfach.
Selbstverständlich sind die Voraussetzungen in den Verfassungen festgeschrieben, bindender Charakter und die Voraussetzungen sind in D aber andere als in der CH. Die Piraten könnten ja selbstgewählte Kriterien und Voraussetzungen formulieren, die erfüllt sein müssen, um Volksentscheide direkt ins Parlament zu tragen. Um das Rad nicht neu zu erfinden könnten sie sich eng an die Schweiz anlehnen.
Zitat von R.A. Der Punkt ist nur: Ich kann dem, was die Piraten da vorhaben, durchaus folgen. Und deswegen weiß ich, daß es nicht funktionieren wird. Weil sich das "innovativ" nur auf die Methode bezieht, sie aber gar nicht das Problem verstanden haben, daß sie mit dieser Methode lösen wollen. [...] Und dann kommt irgendein Depp (kann ein Lehrling sein oder ein Chefmanager), ignoriert die komplette Diskussion vorher und bringt irgendeinen Vorschlag, der auf den ersten Blick plausibel und einfach erscheint, aber völlig unbrauchbar ist. Was auch alle wissen, die sich nur minimal mit der Materie befaßt haben. Trotzdem sind Leute mit solchen Vorschlägen meist auch noch fürchterlich arrogant und stolz darauf, daß sie es besser wissen als die ganzen Experten. Sehr oft glauben sie noch deswegen besser zu sein mit ihrem Vorschlag, weil der die modernste Technik einsetzt (Die Software crasht? Dann setzen wir eben einen schnelleren Prozessor ein).
Das unterschreibe ich so.
Zitat von R.A. Facebook ist eine völlig neue Idee gewesen[...].
Nope. Facebook zeichnet das frühe Web '96 auf verblüffend genaue Weise nach. Woher glaubst Du, kommt der Begriff Homepage? Mit seinen Einschränkungen in der Seitengestaltung ist es sogar ein Nachbau der universitären Gophercommunities. Der einzige Unterschied: Heute ist die Hardware für Multimedia da und Zuckerberg hat das (auch in diesem Fall) dezentrale verteilte Netz komplett unter seiner Kontrolle, wie es bei Compuserve oder AOL üblich war. Da ist absolut nichts neu. Alles mit überragendem Erfolg in der Praxis erprobte Konzepte.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
Zitat von califaxNope. Facebook zeichnet das frühe Web '96 auf verblüffend genaue Weise nach. Woher glaubst Du, kommt der Begriff Homepage? Mit seinen Einschränkungen in der Seitengestaltung ist es sogar ein Nachbau der universitären Gophercommunities. Der einzige Unterschied: Heute ist die Hardware für Multimedia da und Zuckerberg hat das (auch in diesem Fall) dezentrale verteilte Netz komplett unter seiner Kontrolle, wie es bei Compuserve oder AOL üblich war. Da ist absolut nichts neu. Alles mit überragendem Erfolg in der Praxis erprobte Konzepte.
Interessante Erinnerung. Auch die Monetarisierung der Nutzerzugriffe und der Nutzerdaten gab es eigentlich schon lange vor Facebook. Kann sich noch jemand an »Geocities« erinnern?
Zitat von stefanolixNehmen wir mal an, alle Parteien im Dresdner Stadtrat nutzten das »Liquid Feedback«. Die SPD-Mitglieder sind für den Ausbau der Krankenhäuser, die Grünen-Mitglieder für den Ausbau der Schulen, die CDU will eine neue Konzerthalle bauen, die FDP eine sechsspurige Straße quer durch die Stadt und die Piraten in jedem Stadtteil eine öffentliche Kopierstation für Filme.
Die Fraktionen im Stadtrat müssen aber trotzdem mit bestimmten Mehrheitsverhältnissen zurechtkommen. Wenn sie sich gegenseitig blockieren, wird gar nichts gebaut. Also werden sich Koalitionen bilden, um das eine oder andere Vorhaben voranzutreiben.
Naja, speziell bei diesem Beispiel mit öff. Gütern sollte man statt "Liquid Feedback" lieber den Clarke-Groves-Mechanismus implementieren. Wenn man schon experimentieren will. Aber offensichtlich ist bei den Piraten wirklich überhaupt kein Ökonom, der von diesem Konzept mal gehört hat. (Ja, ich weiß, der Mechanismus funktioniert nur unter restriktiven Annahmen gut und irgendwie muß man mit den Menschen verfahren, die nicht am Mechanismus teilnehmen wollen.)
Zitat von stefanolixMeinen Sie wirklich eine Abstimmung über Großprojekte und Haushalte der Kommunen per Internet mit direkter Demokratie? Das ist m.E. bisher technisch noch nicht sicher genug und es bestünde die Gefahr der Diskriminierung bestimmter Gruppen, die nicht fähig sind, das System adäquat zu nutzen (hier scheint mir das Wort Diskriminierung wirklich angemessen).
Lieber stefanolix,
auf kommunaler Ebene macht man das (Abstimmung über Großprojekte) in der Schweiz m.W. noch mit Handheben, vielleicht auch bald im Internet. Auf kantonaler Ebene wird aber m.W. bereits das Internet benutzt, alternativ zu konventionellen Methoden (wir haben ja auch alternativ das Briefwahlverfahren). So gibt es auch keine Diskriminierung.
Zitat von MartinSo gibt es auch keine Diskriminierung.
Und wenn sich eine Mehrheit für die Einrichtung von Strafarbeitslagern für HartzIVler findet? Nebst Wiedereinführung der Todesstrafe...
Das sind je nach Presseschlagzeilen mehrheitsfähige Meinungen. Die repräsentative Demokratie hat einen knallharten Hintergrund: Sie soll die Herrschaft des Pöbels verhindern. Menschenmassen sind durch Erregung und Ideologie sehr leicht manipulierbar. Viel leichter als Spezialisten in ihren Büros.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
Selbstverständlich sind die Voraussetzungen in den Verfassungen festgeschrieben, bindender Charakter und die Voraussetzungen sind in D aber andere als in der CH. Die Piraten könnten ja selbstgewählte Kriterien und Voraussetzungen formulieren, die erfüllt sein müssen, um Volksentscheide direkt ins Parlament zu tragen. Um das Rad nicht neu zu erfinden könnten sie sich eng an die Schweiz anlehnen.
Wie geschrieben, Vorrausetzung für eine funktionsfähige direkte Demokratie ist ein starker Föderalismus und eine schwache Zentralgewalt. Gerade die Befürworter der direkten Demokratie (vornehmlich aus dem linksökologischen Spektrum) waren während des elfjährigen Ringens um eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern *(Föderalismusreform), auch die Befürworter einer stärkeren Zentralgewalt. Läge ihnen eine Stärkung und Ausweitung der Legislative am Herzen, würden sie ihre ununterbrochenen Zentralisierungsbestrebungen aufgeben.
Volksabstimmungen auf Bundesebene mit niedrigen Hürden, was die Beteiligung und die Initiierung betrifft, leiden unter einem Mangel an Repräsentativität und sind manipulierbar; sie sind schlicht undemokratisch. Referendumsfähige Gruppen wären, anders als Parlamentarier, keinem Bürger verpflichtet. Was auch immer für Kosten auf den Staat zukommen, durch ein anstrengungs- und bedingungsloses Grundeinkommen bspw. - den Aktivisten kann es egal sein. In der Schweiz sind sie in die parlamentarische Arbeit eingebunden.
Es ist mehr als fragwürdig, warum diese Idee nicht erst einmal regional, also föderal, in den Gemeinden und Ländern mit Leben gefüllt wird. Warum nicht von diesen Weltverbesserern für mehr Subsidiarität gestritten wird. Bürgerbeteiligung wächst von unten. Oben ansetzen um den Kopf abzuschlagen, riecht einfach nur nach Revolution.
Eine Volksabstimmung auf Bundesebene ist eine sehr aufwendige Aktion und bei schwerwiegenden Fragen sicher auch angezeigt. Es ist aber völlig untauglich für das politische Tagesgeschäft. Hier ist erst mal eine Dezentralisierung der Politik nötig, damit die Bürger den Zugang bekommen und, tut mir leid das so zu sagen, die Mitarbeit wieder erlernen, nachdem sie es bisher dem Staat überlassen haben, sich ihren Kopf zu machen. Gewählte Parteien werden sonst ersetzt durch selbsternannte, ungewählte Aktivisten, oder von Piraten-Projektanten ernannte. Auch ich habe so meine kritischen Punkte was die sogenannte Parteiendemokratie anbelangt, aber mit einer demokratische Alternative haben die Piraten gar nichts am Hut. Bei denen werden übrigens in diesem Zusammenhang auch Räterepublik-Modelle diskutiert… Nachtrag: *(Föderalismusreform)
Zitat von Erling PlaetheWie geschrieben, Vorrausetzung für eine funktionsfähige direkte Demokratie ist ein starker Föderalismus und eine schwache Zentralgewalt.
Und eine strikte Verantwortungstrennung zwischen den politischen Ebenen. Die beliebten Mischfinanzierungen und die Steuerung von unteren Ebenen durch Zuschüsse von oben müssen komplett wegfallen, damit überhaupt trennscharf entschieden werden kann.
Ansonsten stimme ich allen Ausführungen zu. Bezeichnend für die Ahnungslosigkeit der Piraten ist halt, daß sie sich über die wesentlichen Punkte gar keine Gedanken machen. Über Föderalismusreform oder Finanzverfassung findet sich bei ihnen fast nichts.
Statt dessen reden sie nur über Nebensächlichkeiten, nämlich die Tools für die Durchführung von Abstimmungen. Es ist aber ein völlig nachrangiges Problem, wie genau man z. B. bundesweite Volksabstimmungen organisiert, ob da Internet möglich ist und so weiter. Entscheidend ist vielmehr, was überhaupt zur Abstimmung kommen kann und wie die Fragen formuliert werden.
Zitat von Martin[auf kommunaler Ebene macht man das (Abstimmung über Großprojekte) in der Schweiz m.W. noch mit Handheben, vielleicht auch bald im Internet. Auf kantonaler Ebene wird aber m.W. bereits das Internet benutzt, alternativ zu konventionellen Methoden (wir haben ja auch alternativ das Briefwahlverfahren). So gibt es auch keine Diskriminierung.
Moment: Dort geht es m.W. um die Genehmigung von Großprojekten und nicht um deren Finanzierung durch den Staat. Also z.B. um die Frage: Wollen wir mehr Moscheen oder nicht? Wollen wir die Atomkraftwerke bis 2032 laufen lassen? Oder: Wollen wir einen Flughafen ausbauen?
Bleiben wir bei meinem Beispiel. Es gibt in der Stadt X (525.000 Einwohner) fünf demokratische Parteien, die jeweils ein Projekt favorisieren. Nehmen wir an, dass die Projekte alle gleich teuer sind.
Mindestens drei Fraktionen müssen gemeinsam für ein Projekt stimmen, damit sie im Stadtrat die Mehrheit haben.
Das Geld reicht in den nächsten beiden Jahren nur für die Fertigstellung von zwei Projekten, die anderen können frühestens 2016 fertiggestellt werden. Höhere Steuern oder Abgaben kann der Stadtrat dafür nicht erheben.
So. Jetzt wüsste ich gern, wie Du das Problem mit »Liquid Democracy« lösen möchtest ;-)
Zitat von Martin[auf kommunaler Ebene macht man das (Abstimmung über Großprojekte) in der Schweiz m.W. noch mit Handheben, vielleicht auch bald im Internet. Auf kantonaler Ebene wird aber m.W. bereits das Internet benutzt, alternativ zu konventionellen Methoden (wir haben ja auch alternativ das Briefwahlverfahren). So gibt es auch keine Diskriminierung.
Moment: Dort geht es m.W. um die Genehmigung von Großprojekten und nicht um deren Finanzierung durch den Staat. Also z.B. um die Frage: Wollen wir mehr Moscheen oder nicht? Wollen wir die Atomkraftwerke bis 2032 laufen lassen? Oder: Wollen wir einen Flughafen ausbauen?
Bleiben wir bei meinem Beispiel. Es gibt in der Stadt X (525.000 Einwohner) fünf demokratische Parteien, die jeweils ein Projekt favorisieren. Nehmen wir an, dass die Projekte alle gleich teuer sind.
Mindestens drei Fraktionen müssen gemeinsam für ein Projekt stimmen, damit sie im Stadtrat die Mehrheit haben.
Das Geld reicht in den nächsten beiden Jahren nur für die Fertigstellung von zwei Projekten, die anderen können frühestens 2016 fertiggestellt werden. Höhere Steuern oder Abgaben kann der Stadtrat dafür nicht erheben.
So. Jetzt wüsste ich gern, wie Du das Problem mit »Liquid Democracy« lösen möchtest ;-)
Lieber Stefanolix,
ich verstehe das Problem nicht. Hat der Stadtrat andere Entscheidungskriterien als das 'Volk'? Die Randbedingungen sind ja bekannt, die Probleme und Chancen auch, alles ist kommuniziert, also bitte zur Abstimmung.
Zitat von Martin Volksabstimmungen auf Bundesebene mit niedrigen Hürden, was die Beteiligung und die Initiierung betrifft, leiden unter einem Mangel an Repräsentativität und sind manipulierbar; sie sind schlicht undemokratisch. Referendumsfähige Gruppen wären, anders als Parlamentarier, keinem Bürger verpflichtet. Was auch immer für Kosten auf den Staat zukommen, durch ein anstrengungs- und bedingungsloses Grundeinkommen bspw. - den Aktivisten kann es egal sein. In der Schweiz sind sie in die parlamentarische Arbeit eingebunden.
M.W. kann auch eine außerparlamentarische Initiative Volksentscheide initiieren. Was die Hürdenfrage angeht, gibt es in der Schweiz eine Abstufung. Hürden sind aber Parameter, über die man diskutieren kann.
Zitat:Eine Volksabstimmung auf Bundesebene ist eine sehr aufwendige Aktion und bei schwerwiegenden Fragen sicher auch angezeigt. Es ist aber völlig untauglich für das politische Tagesgeschäft. Hier ist erst mal eine Dezentralisierung der Politik nötig, damit die Bürger den Zugang bekommen und, tut mir leid das so zu sagen, die Mitarbeit wieder erlernen, nachdem sie es bisher dem Staat überlassen haben, sich ihren Kopf zu machen. Gewählte Parteien werden sonst ersetzt durch selbsternannte, ungewählte Aktivisten, oder von Piraten-Projektanten ernannte. Auch ich habe so meine kritischen Punkte was die sogenannte Parteiendemokratie anbelangt, aber mit einer demokratische Alternative haben die Piraten gar nichts am Hut. Bei denen werden übrigens in diesem Zusammenhang auch Räterepublik-Modelle diskutiert… Nachtrag: *(Föderalismusreform)
Was die Piraten am Hut haben weiß ich auch nicht so genau, sie scheinen ja heftig daran (was sie am Hut haben) zu arbeiten. Wenn das richtige Ergebnis herauskommt sind sie für mich wählbar (no risk no fun). Aber etwas Grudsätzliches zur Volksabstimmung und dem Aufwand: Die Piraten müssen m.E. keine Volksabstimmung im heutigen Sinne durchführen. Sie können eine Abstimmung zu bestimmten Themen ins Netz stellen und sich verpflichten, das Ergebnis 1:1 ins Parlament zu tragen. Sie können Hürden festlegen (%Beteiligung, annähernde regionale Gleichverteilung, o.a.) und das als Programm präsentieren. Nach dem Motto: Wähle uns, kapere uns.
Zitat von Martin Was die Piraten am Hut haben weiß ich auch nicht so genau, sie scheinen ja heftig daran (was sie am Hut haben) zu arbeiten. Wenn das richtige Ergebnis herauskommt sind sie für mich wählbar (no risk no fun). Aber etwas Grudsätzliches zur Volksabstimmung und dem Aufwand: Die Piraten müssen m.E. keine Volksabstimmung im heutigen Sinne durchführen. Sie können eine Abstimmung zu bestimmten Themen ins Netz stellen und sich verpflichten, das Ergebnis 1:1 ins Parlament zu tragen. Sie können Hürden festlegen (%Beteiligung, annähernde regionale Gleichverteilung, o.a.) und das als Programm präsentieren. Nach dem Motto: Wähle uns, kapere uns.
Ja, natürlich können sie das. Das ist ihre Sache. Hoffentlich habe ich nicht die ganze Zeit an Ihnen vorbeigeredet...
Zitat von Martin... ich verstehe das Problem nicht.
Eben. Bitte um Entschuldigung, wenn das jetzt arrogant klingt - aber das ist es ja, was ich geschrieben habe: Die Piraten (und ihre Sympathisanten) verstehen das Problem nicht. Politik besteht nicht nur aus Abstimmungen, viel wichtiger ist das Ausarbeiten und Verhandeln von Lösungsalternativen. Die eigentliche Arbeit findet VOR der Abstimmung statt - und genau da hilft "liquid democracy" fast überhaupt nicht.
Zitat Hat der Stadtrat andere Entscheidungskriterien als das 'Volk'?
Nicht andere Kriterien, aber andere Möglichkeiten. Denn im Stadtrat sitzen Personen und Fraktionen, die sich unterhalten können und Kompromisse schließen können. Man kann in Verhandlungen einige Projekte abspecken, so daß sie zusammen realisiert werden können. Man kann sie zeitlich so anordnen, daß erst die einen realisiert werden und die anderen erst später. Oder man stellt fest, daß es für drei Projekte eine Mehrheit geben kann und die kriegen dann Priorität, und die anderen beiden werden abgelehnt.
Zwei Aspekte sind hier wichtig: 1.) Es ist ein langer Weg zwischen einer politischen Idee und einem abstimmungsreifen Projekt. Man kann als Idee einen Kindergarten oder eine Umgehungsstraße fordern. Aber es gibt viele Möglichkeiten, die dann konkret umzusetzen. MIt erheblichen Unterschieden bei den Kosten und der Akzeptanz bei den anderen Fraktionen. Umgehungsstraße Variante A mag nur bei einer Fraktion volle Zustimmung finden, während die anderen das komplett unsinnig finden. Aber Umgehungsstraße Variante B ist vielleicht nicht die Lieblingslösung der antragstellenden Fraktion, ist aber insgesamt mehrheitsfähig. Und das kann man nur in Verhandlungen ausloten, nicht in Abstimmungen. 2.) Verantwortung tragende Politiker können Abmachungen schließen und damit Mehrheiten ermöglichen. Eine Fraktion stimmt einem Projekt zu, daß sie eigentlich für wenig wichtig hält, daß sie vielleicht sogar ablehnt. Aber dafür bekommt sie die Mehrheit für ihr Lieblingsprojekt, weil dann andere mitstimmen, mit denen sie sich geeinigt hat. Solche Kompromisse können nur funktionieren, wenn die Abstimmenden miteinander verhandeln und hinterher zuverlässig zu ihren Versprechen stehen. Das geht in Volksabstimmungen grundsätzlich nicht, weil die Abstimmenden anonym sind und ihr künftiges Abstimmungsverhalten völlig offen bleibt.
Man kann diese Verhandlungsprozesse im Parlament mit Volksabstimmungen kombinieren, siehe Beispiel Schweiz. Aber wenn man wie die Piraten letztlich nur unselbständige Abstimmungsroboter ins Parlament schickt, die einfach nur das Basisvotum dort exekutieren - dann sind diese "Abgeordneten" nicht wirklich politikfähig.
Zitat von R.A.Man kann diese Verhandlungsprozesse im Parlament mit Volksabstimmungen kombinieren, siehe Beispiel Schweiz. Aber wenn man wie die Piraten letztlich nur unselbständige Abstimmungsroboter ins Parlament schickt, die einfach nur das Basisvotum dort exekutieren - dann sind diese "Abgeordneten" nicht wirklich politikfähig.
Lieber R.A.,
die Piraten sind mitten der Diskussion, erst wenn das Endergebnis feststeht lohnt es sich diese Details zu diskutieren. Zum Glück gibt es ja die Schweiz, und ich behaupte erst mal lediglich, dass sich deren Verhältnisse durch 'liquid democracy' emulieren lassen. So, wie in der Schweiz der Volksentscheid die Grundsatzentscheidung vorgibt, und die Regierung diesen umsetzen muss, kann das auch hier passieren - ob die Piraten dann an den Lösungen weiterhin aktiv mitarbeiten oder nicht. Ich habe bisher nur die Frage der Abstimmung, nicht die Frage der Mitarbeit angeschnitten. Aber die Piraten müssten natürlich nicht mal Teil einer Regierung sein, sie könnten für Einzelthemen Mehrheitsbeschaffer für eine breitere Bevölkerung sein.
Eben weil das so simpel ist, verstehe ich das Problem nicht. Selbstverständlich beschränkt sich die Arbeit nicht auf Abstimmungen, vor einer Abstimmung muss die Komplexität herausgearbeitet werden, mit der Abstimmung wird das Mandat für die endgültige Ausarbeitung einer Lösung gegeben: Diese muss nicht alle Vorgaben im Detail beinhalten: Ich denke die Schweiz hat genügend Erfahrungen auch in komplexeren Fragen.
Im übrigen wird auch heute schon im Parlament (auch anonym) von Abgeordneten abgestimmt, die an den späteren Lösungen nicht mitarbeiten.
Zitat von MartinZum Glück gibt es ja die Schweiz, und ich behaupte erst mal lediglich, dass sich deren Verhältnisse durch 'liquid democracy' emulieren lassen.
Aber nur gesteuert, und nicht als Zufallsexperiment.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von Martindie Piraten sind mitten der Diskussion, erst wenn das Endergebnis feststeht lohnt es sich diese Details zu diskutieren. Zum Glück gibt es ja die Schweiz, und ich behaupte erst mal lediglich, dass sich deren Verhältnisse durch 'liquid democracy' emulieren lassen.
Und das obwohl das politische System der Schweiz sich fundamental von unserem unterscheidet? Erstaunlich.
Zitat von Erling PlaetheUnd das obwohl das politische System der Schweiz sich fundamental von unserem unterscheidet? Erstaunlich.
Lieber Erling Plaethe,
'System' klingt ein bisschen allumfassend. Wir waren bei Volksentscheiden und deren Umsetzung. Und ja, natürlich kann man das nachbilden, 'erstaunlich' finde ich das aber nicht.
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