Zitat von Florian im Beitrag #75Insgesamt ist der Wachstumspakt also ein Finanzfluss von Deutschland Richtung Italien und Spanien.
Wie konnte also Monti mit der Blockade des Wachstumspakts "drohen"?
Vielleicht kann jemand der Besucher des Kleinen Zimmers mir das erklären?
Gerne. Monti und Rajoy wußten sehr genau, daß die deutsche Opposition dem Fiskalpakt nur zustimmen würde, wenn es auch einen Wachstumspakt gibt. Also hat man den Wachstumspakt als Geisel genommen, um Erleichterungen für sich auszuhandeln.
Und besonders schön ist: Carsten Scheider, Haushaltsexperte der SPD, die diese Erpressung erst möglich gemacht hat, twittert heute, die Regierung müsse ihre 180-Grad-Wende erklären. Sancta simplicitas.
Zitat von Florian im Beitrag #75 Wie konnte also Monti mit der Blockade des Wachstumspakts "drohen"?
Vielleicht so: da funkt der Kaptein eines großen, sagen wir, italienischen Dampfers SOS - und weigert sich dann, die Boote zu Wasser zu lassen, eh' er nicht das Tafelsilber & die Herzensdame mitnehmen darf - und man von Strafverfolgung & dgl. absieht.
Zitat Gerne. Monti und Rajoy wußten sehr genau, daß die deutsche Opposition dem Fiskalpakt nur zustimmen würde, wenn es auch einen Wachstumspakt gibt. Also hat man den Wachstumspakt als Geisel genommen, um Erleichterungen für sich auszuhandeln.
Ok, schönes Argument. Aber warum knickt Merkel vor so einer Drohung ein?
Wenn sie nach Berlin zurückkehrt und dem Bundestag sagt: Sorry, wir hätten den Wachstumspakt ja gerne gehabt. Aber Italien und Spanien wollten ihn nicht. Wenn schon die Begünstigten des Wachstumspakt ihn nicht wollten: Mit welchem Argument will die SPD dann ihre Zustimmung zum reinen Fiskalpakt verweigern?
Danke für den Link. Dieser Satz: „Italien und Spanien werden in Zukunft Mittel aus den Stabilitätsfonds abrufen können, ohne ihrerseits Strukturreformen versprechen zu müssen.“ ist am meisten entlarvend für die Verkommenheit der europäischen politischen Klasse. Die Schurkenstaaten werden keine Strukturreformen durchführen. Das weiß jeder. Das maximal mögliche Verhandlungsergebnis für Merkel (so sie überhaupt wirklich wollte) war, den PIGS-Ländern ein Versprechen zu entlocken, von dem jeder weiß, dass die es sowieso nicht halten werden.
"...Vor fünf Jahren wären Spekulationsattacken gegen Spanien und Italien undenkbar gewesen, Politiker aus den USA oder den Schwellenländern hätten sich nicht so offensiv getraut, der EU öffentlich wirtschaftspolitische Ratschläge zu erteilen. Jetzt ist das ganz anders. "Europa hat schon vor Ausbruch der Schuldenkrise einen großen Bedeutungsverlust erlitten", sagt Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. "Jetzt geht es um die Schicksalsfrage: Kriegt Europa die Kurve – oder wird es international für Jahrzehnte marginalisiert?"..."
"...Wenn Wirtschaftshistoriker in einigen Jahren den Wendepunkt bestimmen, an dem aus der Euro-Zone eine Schuldengemeinschaft wurde, werden sie möglicherweise auf die vergangene Donnerstagnacht verweisen. Auf jene dramatischen Stunden, in denen Angela Merkel (CDU) nach massivem Druck durch Italiens Premier Mario Monti und Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy einknickte – und in Brüssel einer Vereinbarung zustimmte, deren Tragweite heute kaum abzuschätzen ist..."
“...Bremen hat in den frühen neunziger Jahren beim Bund eine extreme Haushaltsnotlage geltend gemacht. Angesichts einer Verschuldung von 13.000 Euro pro Kopf erhielt der Stadtstaat zehn Jahre lang vom Bund außergewöhnliche Sanierungshilfen („Bailout“) von insgesamt mehr als 15.000 Euro pro Kopf. Am Ende war für jeden Bremer aber nicht etwa ein Überschuss angespart, sondern die Schulden hatten sich auf 17.000 Euro vermehrt (heute sind es sogar 27.000 Euro)...”
"... schraubt der weltgrößte Anleiheinvestor Pimco seine Anlagen in deutsche Bundesanleihen zurück. "Wir erwarten, dass Deutschland seine Rolle als sicherer Hafen verlieren wird", sagte Deutschlandchef Andrew Bosomworth der "Wirtschaftswoche". Auf den Staat kämen unabsehbare Lasten zu. "Überlebt die Euro-Zone, was wir hoffen und erwarten, zahlt Deutschland über Rettungsschirme und Euro-Bonds. Zerfällt sie, muss es Geld für die Bewältigung der folgenden Rezession und die Rettung von Banken ausgeben"..."
Zitat ...Wenn Wirtschaftshistoriker in einigen Jahren den Wendepunkt bestimmen, an dem aus der Euro-Zone eine Schuldengemeinschaft wurde, werden sie möglicherweise auf die vergangene Donnerstagnacht verweisen.
Völlig unwahrscheinlich. Der entscheidende Dammbruch geschah im Frühjahr 2010. Da gab es den Bruch der Maastricht-Verträge mit der Bail-Out-Klausel. Und da hat auch das Spiel "deutsches Geld gegen vage Versprechen" angefangen. Und seitdem hat es immer wieder nur Wiederholungen gegeben - mehr Geld gegen neue Versprechungen. Die aktuellen Gipfel-Beschlüsse sind nichts qualitativ Neues, nur ein weiteres Glied in der Kette.
@r.a.: "...Und seitdem hat es immer wieder nur Wiederholungen gegeben - mehr Geld gegen neue Versprechungen..."
Der Unterschied ist, dass ab sofort die Devise "Geld ohne Versprechungen" gilt. Zumindest in Italien sieht man dies so: “...Mario Monti triumphierte schon, dass die Troika niemals nach Italien kommen werde...”(*). Wohl nicht nur dort...
Zitat Der Unterschied ist, dass ab sofort die Devise "Geld ohne Versprechungen" gilt. Zumindest in Italien sieht man dies so: “...Mario Monti triumphierte schon, dass die Troika niemals nach Italien kommen werde...”(*). Wohl nicht nur dort...
Man kann übrigens hier auch argumentieren, dass dies ein versteckter Erfolg für Deutschland ist. Für konkrete Zahlungen des ESM hat Deutschland ja (zumindest formal und vielleicht auch faktisch) ein Veto-Recht.
Man kann also argumentieren, dass durch den Gipfel-Beschluss letztlich ein Troika-Vetorecht durch ein deutsches Veto-Recht ersetzt wurde.
Zitat I am puzzled by the reports that Angela Merkel got “rolled” at the recent summit. My read was that she sees the current governments of Spain and Italy as the best working partners she is likely to get. They were offered benefits to take home to their electorates, while at the same time receiving a more subtle message that if they truly jump on board with cost internalization, as Ireland has done, they will be rewarded. (And yet, by the way, Germany still retains a future veto on how all that money gets spent, so no conditionality really has been relaxed, rather perhaps some power over conditionality was redistributed from the Troika to Germany, funny that.)
Gedankenspiel: Sollte D aus der Eurozone austreten werden die Eurokonten von Nichtdeutschen (non-residents) nicht in die Nachfolgewährung (beispielsweise DM) konvertiert. Damit werden die mit einem Austritt verbundenen Risiken für D minimiert.
Zitat von Martin im Beitrag #88Sollte D aus der Eurozone austreten werden die Eurokonten von Nichtdeutschen (non-residents) nicht in die Nachfolgewährung (beispielsweise DM) konvertiert.
Noch so ein Versucht, die ihrem Wesen nach neutralen Euros in nationale Fächer zu sortieren. Ich kenne mich in der TARGET-Problematik nur wenig aus, glaube aber nicht, daß das funktionieren kann. Es gibt einfach keine "deutschen Euros" (oder "italienische Euros", "griechische Euros"), die wird man jetzt auch nicht konstruieren können.
Ad hoc fallen mir drei Schwachstellen des Entwurfs auf: a) Es ist wahrscheinlich nicht zulässig, EU-Ausländer auf diese Art zu diskriminieren. b) Es gibt wohl beliebig viele Varianten, diese Vorschriften zu umgehen. Denn es wird ja nur auf natürliche Personen und ihren Wohnort abgehoben und auf ihre Kontostände bei einer Bank. Was ist aber mit allen sonstigen Vertragsverpflichtungen in Euro? Es wäre z. B. ein Leichtes für einen Griechen, sein Geld in eine Firma mit Sitz in Deutschland zu stecken. Und deren Firmenkonten werden bestimmt in Mark umgetauscht werden müssen, egal wer die Eigentümer sind. c) Wenn nach diesem Verfahren jede Zentralbank des Euro-Raums nur ihre residents umstellt - wo bleibt der Rest? Dann gäbe es Milliarden "heimatlose" Euros, entweder auf Konten im Ausland, oder auf inländischen Konten mit ausländischen Besitzern. Wie gesagt: Ich kenne mich bei Target nicht so gut aus. Aber ich halte es für ausgeschlossen, daß man die Besitzer dieser "heimatlosen" Euros de facto enteignen kann.
Zitat von R.A. im Beitrag #89Noch so ein Versucht, die ihrem Wesen nach neutralen Euros in nationale Fächer zu sortieren. Ich kenne mich in der TARGET-Problematik nur wenig aus, glaube aber nicht, daß das funktionieren kann. Es gibt einfach keine "deutschen Euros" (oder "italienische Euros", "griechische Euros"), die wird man jetzt auch nicht konstruieren können.
Es geht hier nicht um Bargeld, sondern um Kontenumstellungen. Da soll ja nur ein Unterschied gemacht werden, ob der Inhaber resident ist oder nicht. Irgendwo habe ich heute gelesen, dass inzwischen ca. 300 Mrd solcher Gelder in D gebunkert sind (und damit die Target 2 Bilanz entsprechend vergößert haben).
Zitat Ad hoc fallen mir drei Schwachstellen des Entwurfs auf: a) Es ist wahrscheinlich nicht zulässig, EU-Ausländer auf diese Art zu diskriminieren. b) Es gibt wohl beliebig viele Varianten, diese Vorschriften zu umgehen. Denn es wird ja nur auf natürliche Personen und ihren Wohnort abgehoben und auf ihre Kontostände bei einer Bank. Was ist aber mit allen sonstigen Vertragsverpflichtungen in Euro? Es wäre z. B. ein Leichtes für einen Griechen, sein Geld in eine Firma mit Sitz in Deutschland zu stecken. Und deren Firmenkonten werden bestimmt in Mark umgetauscht werden müssen, egal wer die Eigentümer sind. c) Wenn nach diesem Verfahren jede Zentralbank des Euro-Raums nur ihre residents umstellt - wo bleibt der Rest? Dann gäbe es Milliarden "heimatlose" Euros, entweder auf Konten im Ausland, oder auf inländischen Konten mit ausländischen Besitzern. Wie gesagt: Ich kenne mich bei Target nicht so gut aus. Aber ich halte es für ausgeschlossen, daß man die Besitzer dieser "heimatlosen" Euros de facto enteignen kann.
Zum rechtlichen Rhmen kann ich auch nichts beitragen, aber Recht und Gesetz scheint mir im Umfeld der Finanzkrise zur Zeit nicht des öfteren zur Disposition zu stehen. Zu c): Die Besitzer der Euros werden ja nicht enteignet, ihre Konten lauten weiterhin auf ihre Heimatwährung.
Zitat von Martin im Beitrag #90Es geht hier nicht um Bargeld, sondern um Kontenumstellungen.
Sicher. Aber das Problem ist bei Konten genau das selbe. Ein Euro ist ein Euro, unabhängig vom Paß oder Wohnort seines Besitzers.
Zitat Da soll ja nur ein Unterschied gemacht werden, ob der Inhaber resident ist oder nicht.
Und das ist eine recht unbrauchbare Unterscheidung. Siehe dazu meine Beispiele.
Zitat ... aber Recht und Gesetz scheint mir im Umfeld der Finanzkrise zur Zeit nicht des öfteren zur Disposition zu stehen.
Das ist zwar richtig für die abstrakten Regeln auf europäischer Ebene. Aber wenn ein konkreter Konteninhaber betroffen wird, dann kann er den Rechtsstaat nutzen.
Zitat Zu c): Die Besitzer der Euros werden ja nicht enteignet, ihre Konten lauten weiterhin auf ihre Heimatwährung.
Wenn ein Brite bei einer Schweizer Bank ein Euro-Guthaben hat - dann ist nach dem "resident"-Modell keine Zentralbank zuständig, diese Euros in irgendeine Heimatwährung umzutauschen. Die wäre in diesem Beispiel auch gar nicht zu identifizieren.
Zitat Zu c): Die Besitzer der Euros werden ja nicht enteignet, ihre Konten lauten weiterhin auf ihre Heimatwährung.
Wenn ein Brite bei einer Schweizer Bank ein Euro-Guthaben hat - dann ist nach dem "resident"-Modell keine Zentralbank zuständig, diese Euros in irgendeine Heimatwährung umzutauschen. Die wäre in diesem Beispiel auch gar nicht zu identifizieren.
Wenn eine deutsche Regierung in Koordination mit der deutschen Bundesbank für deutsche Bürger eine neue DM zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt und den deutschen Bürgern (bzw. in D Wohnenden) den Umtausch ihrer Eurobestände in die neue DM anbietet, wo ist das Problem?
Zitat von Martin im Beitrag #92Wenn eine deutsche Regierung in Koordination mit der deutschen Bundesbank für deutsche Bürger eine neue DM zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt und den deutschen Bürgern (bzw. in D Wohnenden) den Umtausch ihrer Eurobestände in die neue DM anbietet, wo ist das Problem?
Das Problem ist, daß diese deutsche Regierung sich damit nicht ihrer Mitverantwortung für die Euros entledigen kann. Und die deutsche Bundesbank hat dann die ganzen eingetauschten Euros im Depot.
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