Zitat von emjotWer Ahnung von Geschichte hat der weiss, dass ja genau aus diesem Grund (Abwanderung der Fachkräfte mangels guter Bezahlung) die Mauer gebaut wurde.
Wer Ahnung von Geschichte(n) hat, weiß nur was über die Geschichten, und sonst weiß er nichts. Man kann ohne Historiker zu sein, allein der Logik folgend, die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass allein eine völlig im Unklaren befindliche, rein theoretisch mögliche Verbesserung des Jahreseinkommens, so man mit seiner DDR-Ausbildung meinte wettbewerbsfähig zu sein, kein hinreichender Grund sein dürfte, sein weiteres Leben und in Teilen das seiner Nächsten auf's Spiel zu setzen. Die Mär von der Abwanderung der Fachkräfte ist reinste kommunistische Propaganda um den Bau der Mauer zu rechtfertigen. Es sind auch viele Kriminelle in den Westen gegangen, mit tatkräftiger Hilfe der "staatlichen Organe" der DDR.
Zitat von emjot Zum Teil ja. Zum anderen Teil, weil es einigen so "schlecht" geht - ja, auch in Deutschland. Und damit mein ich nicht, den Mangel an Nahrung, sondern z.B. die Angst jeden Tag, irgendwie die Rechnungen bezahlen zu können - dass es ihnen einfach egal ist und sie sich sagen: "für mich kann es schlimmer kaum werden."
Wenn jemand Angst hat seine Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können, dann sollte er auch Angst haben die Dinge zu beanspruchen welche eine Rechnung zur Folge haben. In Deutschland, und das ist mittlerweile rum in der Welt, muss niemand eine Not erleiden in die er sich nicht selbst durch Überschätzung seiner finanziellen Möglichkeiten gebracht hat. Sollte dieser letzte Rest von Eigenverantwortung auch noch vom Staat abgenommen werden, würde das die komplette Entmündigung bedeuten. Linke Ideologen bezeichnen das auch gern als Versklavung.
Zitat von emjot Wer Ahnung von Geschichte hat der weiss, dass ja genau aus diesem Grund (Abwanderung der Fachkräfte mangels guter Bezahlung) die Mauer gebaut wurde.
Wer Ahnung von Geschichte hat, lieber emjot, der weiß, daß keineswegs nur Fachkräfte aus der DDR geflohen sind. Es ging auch nicht primär um Bezahlung, sondern es ging um die Unfreiheit im Sozialismus. Gerade die nach DDR-Maßstäben glänzend Bezahlten, wie Ärzte, sind in großer Zahl geflohen. Es gibt einen Brief von Yuri Andropow, dem späteren Generalsekretär, aus dem Jahr 1958, in dem er schreibt, entgegen den Behauptungen der SED-Führung hätte die Flucht mehr politische als wirtschaftliche Gründe.
Ich weiß nicht, ob Sie früher Bürger der DDR waren. Hier im Forum schreiben viele, die den real existierenden Sozialismus aus eigener Erfahrung kennen und die Ihnen das bestätigen werden.
Entscheidend war dann in der letzten Phase, daß viele mit einer Maßnahme wie dem Mauerbau gerechnet haben und es deshalb darum ging, noch rechtzeitig das sozialistische Paradies zu verlassen. Deshalb gab es die Massenflucht; nicht wegen schlechter Bezahlung von Fachkräften. Das ist SED-Propaganda.
Zitat von emjotNur ist doch eine Frage ungleich interessanter: Warum findet Frau Kipping so viel Näherboden für ihre Aussagen?
Vielleicht weil, wie Sie sagen, ihre. Kippings, Anhänger keine Ahnung von Geschichte haben.
Zum Teil ja. Zum anderen Teil, weil es einigen so "schlecht" geht - ja, auch in Deutschland. Und damit mein ich nicht, den Mangel an Nahrung, sondern z.B. die Angst jeden Tag, irgendwie die Rechnungen bezahlen zu können - dass es ihnen einfach egal ist und sie sich sagen: "für mich kann es schlimmer kaum werden."
Der Logik vermag ich nicht zu folgen. Durch eine Realisierung von Kippings Traum würde es ja niemandem besser gehen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von uniquololWas wird denn hier von den Kommunisten (und deren Propaganda) eigentlich erwartet? Bin irgendwie verwundert...
Lassen Sie mich dazu etwas Allgemeines sagen, lieber uniquolol:
ZR wird nicht nur von denjenigen gelesen, die hier im kleinen Zimmer schreiben und von denen sich die meisten keine Illusionen über die Kommunisten machen dürften. Es gibt auch viele andere Leser, die so denken, wie Sie das vermutlich aus Ihrer Bekanntschaft ebenso kennen wie ich:
Die Partei "Die Linke" sei keine kommunistische Partei, sondern eine linkssozialistische. Sie wolle einen freiheitlichen Sozialismus, keine DDR 2.0. Gerade die "Linke" trete doch für das Grundgesetz, für Menschenrechte usw. ein.
Viele glauben also, lieber uniquolol, nicht, daß die "Linke" die aktuelle, sagen wir, Erscheinungsform des deutschen Kommunismus ist - wie einst die KPD, die SED, die DKP. Deshalb schreibe ich solche Artikel.
Und, nebenbei, die Reaktion von emjot bestätigt mir, wie nötig das ist.
Zitat von emjotdass ja genau aus diesem Grund (Abwanderung der Fachkräfte mangels guter Bezahlung) die Mauer gebaut wurde.
Mal abgesehen von der Frage, was man in der DDR mit "guter Bezahlung" hätte anfangen sollen (da waren wohl eher, nach heutiger Bezeichnung, Netzwerke interessant). Wenn ich meine sporadische Erinnerung durchgehe nach Fällen von "Republikfluchten", so gabe es sicher unterschiedlichste Gründe. Neben der Angst der vor "Umsiedlung" zum Beispiel Liebesverhältnisse, Fernweh, politisch bedingte Einengungen bei der Ausbildung, der beruflichen Entwicklung oder in der unternehmerischen Tätigkeit. (Natürlich redete vorher niemand groß drüber.)
Zitat von Hausmann Wenn ich meine sporadische Erinnerung durchgehe nach Fällen von "Republikfluchten", so gabe es sicher unterschiedlichste Gründe. Neben der Angst der vor "Umsiedlung" zum Beispiel Liebesverhältnisse, Fernweh, politisch bedingte Einengungen bei der Ausbildung, der beruflichen Entwicklung oder in der unternehmerischen Tätigkeit.
Könnte es sein, lieber Hausmann, daß vor und nach dem Mauerbau die Anteile dieser Motive sehr verschieden gewesen sind?
Solange man sich im Prinzip nur in die S-Bahn setzen mußte, um nach Westberlin zu gelangen, konnte jeder abwägen, wo er lieber leben möchte. Aber nach dem Mauerbau bedeutet ein Fluchtversuch ja fast immer Lebensgefahr. Da müssen die Motive schon sehr gewichtig gewesen sein; gewiß nicht eine bessere berufliche Entwicklung.
Ich kann jedem, der noch nicht dort war, nur empfehlen, sich das Museum am Checkpoint Charlie in Berlin anzusehen. Man bekommt anhand der Exponate einen Eindruck davon, mit welchem unglaublichen Aufwand Menschen versucht haben, ihre Flucht zu bwerkstelligen; und welchen Gefahren sie ausgesetzt waren.
Dieses Museum ist meines Wissens immer noch eine Privatinitiative. Wo ist das große städtische oder staatliche Museum, das die Untaten der SED und die Versuche der Untertanen, dem Regime zu entkommen, dokumentiert?
Zitat von ZettelWo ist das große städtische oder staatliche Museum, das die Untaten der SED und die Versuche der Untertanen, dem Regime zu entkommen, dokumentiert?
Solange in Berlin und Brandenburg weiterhin die alten Bonzen und deren Erben regieren, werden Sie es lange suchen können.
Grüße
~~~ Don't you know there ain't no devil? There's just God when he's drunk.
Zitat von emjotdass ja genau aus diesem Grund (Abwanderung der Fachkräfte mangels guter Bezahlung) die Mauer gebaut wurde.
Mal abgesehen von der Frage, was man in der DDR mit "guter Bezahlung" hätte anfangen sollen (da waren wohl eher, nach heutiger Bezeichnung, Netzwerke interessant). Wenn ich meine sporadische Erinnerung durchgehe nach Fällen von "Republikfluchten", so gabe es sicher unterschiedlichste Gründe. Neben der Angst der vor "Umsiedlung" zum Beispiel Liebesverhältnisse, Fernweh, politisch bedingte Einengungen bei der Ausbildung, der beruflichen Entwicklung oder in der unternehmerischen Tätigkeit. (Natürlich redete vorher niemand groß drüber.)
Vor dem Mauerbau war in der DDR die Privatwirtschaft noch nicht komplett enteignet. Private Unternehmer wurden vom Staat zwar schikaniert und in ihrer Arbeit behindert, aber sie wurden auch noch gebraucht. Eine größere (de-facto)-Enteignungswelle gab es 1972: Der Staat nahm sich einfach die Mehrheitsbeteiligungen an den mittelständischen Unternehmen und drängte dann die Eigentümer heraus.
Aber viele dieser ehemaligen Eigentümer wurden dann trotzdem noch Betriebsdirektor in ihren ehemaligen Unternehmen, weil sie Schlimmeres verhindern wollten und weil der Staat auf der anderen Seite ihre Erfahrungen benötigte. Manche Familien haben bis zur Wiedervereinigung und damit bis zur Reprivatisierung durchgehalten.
Was ich damit sagen wollte: Zwischen 1953 und 1961 konnten kleine und mittelständische Unternehmen in der DDR noch wirtschaften, wenn auch unter sehr widrigen Bedingungen. Nach dem Mauerbau kam eine Welle der Enteignungen. Dann ging es vielen Bürgern wirtschaftlich schlechter und es fehlte an vielen Gütern. Ab dem Beginn der 1980er Jahre wurde private wirtschaftliche Initiative nicht mehr behindert und die wirtschaftliche Eigenverantwortung der Bürger sogar im gewissen Sinne gefördert. Aber das alles geschah immer in einem System der politischen Unfreiheit.
Die meisten Menschen sind vor dem Mauerbau in den Westen gewechselt, weil sie stalinistischer Repression entkommen wollten oder weil sie im Westen schon jemanden kannten, der ihnen den Wechsel erleichtert hat. Natürlich hat das Wirtschaftswunder auch eine große Anziehungskraft gehabt. Aber gerade die Sachsen und Thüringer verlassen ihre Heimat nicht einfach für etwas mehr materiellen Wohlstand. Da muss schon mehr zusammenkommen.
Zitat von ZettelKönnte es sein, lieber Hausmann, daß vor und nach dem Mauerbau die Anteile dieser Motive sehr verschieden gewesen sind?
Davon ist sicher auszugehen, lieber Zettel. Meine Bemerkung oben betrifft auch nur ein paar schlichte Erinnerungen, ohne soziologisch-historische Ambition. Ergänzend vielleicht noch eine: Die DDR bestand nicht nur aus Ostberlin und die Grenze nicht nur aus "der" Mauer und der Grenzverkehr nicht nur aus dem S-Bahn-Betrieb.
Zitat Aber nach dem Mauerbau bedeutet ein Fluchtversuch ja fast immer Lebensgefahr. Da müssen die Motive schon sehr gewichtig gewesen sein; gewiß nicht eine bessere berufliche Entwicklung.
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie // Und grün des Lebens goldner Baum. :)
Zitat von GorgasalDie DDR hat einige Jahre auch ohne Mauer und Grenzsicherung überstanden.
Das ist nicht ganz richtig. Die Mauer in Berlin und der Todesstreifen an der Grenze kamen erst später. Aber eine Grenzsicherung gab es von Anfang an. Es war möglich, aber nicht einfach, über die innerdeutsche Grenze zu fliehen. Es wurden dabei aber auch viele erwischt, die Konsequenzen waren unterschiedlich, aber auf jeden Fall unangenehm.
Genau! Diese sukzessive, schleichende Entwicklung ist mir erinnerlich. Dazu gehörte auch ein relativ unkomplizierter legaler Reiseverkehr in den fünfziger Jahren (wieder nur Erinnerung ..).
interessant finde ich bei allen Antworten hier im kleinen Zimmer, dass bisher nur die DDR als Negativbeispiel aufgeführt wird. Dabei wäre für eine Kritik an Frau Kipping auch – so denke ich – ein Hinweis auf das Traumland aller deutschen Sozialisten, auf das "Folkhemmet", das "Volksheim", auf Schweden also, angebracht.
Zitat Durch einen Fehler im schwedischen Steuergesetz kam es vor, dass Selbstständige (wie auch Lindgren) sowohl Abgaben als Arbeitnehmer als auch als Selbständige zahlen mussten. Infolge stieg der Grenzsteuersatz bei entsprechend hohem Jahreseinkommen zusammengerechnet mit anderen Abgaben auf leicht über 100 %. Lindgren, die ansonsten das Steuersystem unterstützte, schrieb daraufhin aus Protest dagegen im Expressen den Artikel "Pomperipossa in Monismanien".
[Quelle: Deutsche Wikipedia] Siehe dazu auch hier. (Der typische(?) Zeitleser vermutet natürlich(?) gleich "Agitation gegen den Sozialstaat"...)
Man sieht 100 Prozent sind längst nicht die Grenze der Begehrlichkeit des Staates. Und Schweden brauchte auch keine Mauer für solchen Irrsinn…
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