Zitat von Juno im Beitrag #25 Auch das Prügelverbot gilt übrigens für alle. Wie man hört, fordert der Koran sogar zum Schlagen der Ehefrau auf, und im Alten Testament heißt es "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Körperverletzung ist trotzdem in Deutschland für alle strafbar, nicht nur für "Normalos".
Was das "Auge um Auge, Zahn um Zahn" aus dem Alten Testament anbelangt, liegt hier ein Missverständnis vor, würde ich sagen:
Zitat von Auge für Auge-WikipediaÜbersetzt als Auge um Auge, oft zusammen mit Zahn um Zahn, wird das Teilzitat meist als Anweisung an das Opfer oder seine Vertreter aufgefasst, dem Täter Gleiches mit Gleichem „heimzuzahlen“ bzw. sein Vergehen zu sühnen („wie du mir, so ich dir“). Jedoch widerspricht der biblische Kontext dieser Auslegung. Nach überwiegender rabbinischer und historisch-kritischer Auffassung verlangte die sogenannte Talionsformel (von lateinisch talio: Vergeltung) einen angemessenen Schadensersatz in allen Fällen von Körperverletzung vom Täter, um die im Alten Orient verbreitete Blutrache einzudämmen und durch eine Verhältnismäßigkeit von Vergehen und Strafe abzulösen.
Und die Beschneidung ist eben nicht zwingend eine Körperverletzung wie Noricus mit seinem Vergleich des Boxkampfes und dem Verweis auf die Sozialadäquanz dargelegt hat. Es ist offensichtlich, dass der Gesetzgeber dieser Ansicht ist. Wird die Gesetzeslücke geschlossen, ist es nach dem Gesetz keine Körperverletzung.
Zitat von Juno im Beitrag #25Auch das Prügelverbot gilt übrigens für alle. Wie man hört, fordert der Koran sogar zum Schlagen der Ehefrau auf, und im Alten Testament heißt es "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Körperverletzung ist trotzdem in Deutschland für alle strafbar, nicht nur für "Normalos".
Gerade für die körperliche Züchtigung von Kindern gilt dies so interessanterweise nicht; diese wurde erst durch eigens darauf abzielendes Handeln des Gesetzgebers, der im Jahr 2000 ausdrücklich das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung unter explizitem Ausschluß von Körperstrafen im §1631 BGB verankerte, in vollem Umfang strafbar.
Der Umstand, auf den Uwe Richard hingewiesen hat, daß nämlich § 223 StGB vom Gesetzgeber weder historisch noch - offenkundig - aktuell mit der Absicht verbunden war, daß religiöse Beschneidung dadurch mit Strafe bedroht sein solle, ist einer der Kernpunkte in diesem sehr interessanten Beitrag von RA Oliver García. (Der zweite Kernpunkt ist der Umstand, daß das LG Köln in der Urteilsbegründung einen Anspruch des Kindes auf Freiheit vor religiöser Beeinflussung durch die Eltern postuliere, den die Verfassungsordnung gar nicht hergibt.)
Ich empfehle auch die unterhalb des Beitrags verlinkte Diskussion im beck-block, in der sich García selbst auch noch zu Wort meldet und auch auf den Aspekt der körperlichen Züchtigung von Kindern eingeht.
Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass diese Diskussion nicht oder zumindestens bei weitem nicht in diesem Ausmaß geführt werden würde, wenn nicht die jüdische Gemeinschaft in Deutschland von dem Urteil betroffen wäre. Ähnliches hat man schon bei der Debatte um die Zulässigkeit des Schächtens beobachten können. Deswegen sehe ich das Einknicken der FDP-Bundestagsfraktion weniger als Jagd nach Wählerstimmen sondern viel mehr als panische Angst, als Antisemiten wahrgenommen zu werden. Wie sich das mit dem Selbstverständnis der Partei als in der Tradition der Aufklärung stehend und als Verteidigerin des individuellen Selbstbestimmungsrechts verträgt, müssten mir die Abgeordneten einmal erklären.
Es tut mir leid, aber der Kommentar von Frau Röhl deckt sich weitestgehend mit meinem persönlichen Standpunkt. Gerade die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG, wie dort dargelegt, gibt mir doch sehr zu denken.
Ich habe in den letzten Tagen einige Radiosendungen zum Thema verfolgt. Gleich mehrere Fachmeinungen aus juristischer, medizinischer und kulturwissenschaftlicher Professorensicht gibt es beispielsweise hier:
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #18Diese Absolutheit der Argumentation ist doch gar aufrechtzuerhalten. Was ist so schwer daran der Argumentation von Noricus zu folgen? Der Eingriff soll explizit dem Wohl des Kindes dienen! Bedenken Sie die Konsequenzen aus Ihrer Argumentation. Sie machen, auf die Spitze getrieben, alle Eltern zu egoistischen und verantwortungslosen Barbaren, welche aus religiösen Gründen eine Beschneidung an ihren Söhnen vornehmen lassen. Als Deutscher. Und nur wir hier in Deutschland diskutieren dieses Thema. Kein anderes Land auf der Welt tut dies - alle Barbaren, außer wir Deutschen? (…) Diese Diskussion bekommt einen exemplarischen Charakter, den einer Nation die nicht damit aufhören kann, anderen vorzuschreiben wie sie zu leben haben.
Lieber Erling Plaethe,
wenn ich mich als Privatperson zu einer Menschenrechtsfrage äußere, dann ist nicht relevant, welchen Reisepass ich besitze. Es ist auch nicht relevant, in welchem Maße das Thema in anderen Ländern diskutiert wird. Das hat mich überhaupt nicht interessiert, als ich mich mit dem Thema beschäftigt habe.
Meine Staatsangehörigkeit wäre nur dann relevant, wenn ich dafür plädierte, dass der Staat ein Beschneidungsverbot durchsetzen soll. Das tue ich nicht. Ich hoffe auf die Kraft der Aufklärung und auf die Kraft der Menschlichkeit.
Die mutigen Handlungen einzelner aufgeklärter Menschen haben in der Geschichte schon oft dazu geführt, dass grausame Sitten und Gebräuche abgeschafft wurden, die vorher über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende aufrechterhalten wurden. Schritt für Schritt haben sich andere Menschen den Ideen der Vorreiter angeschlossen und irgendwann war es wieder geschafft: es gab eine religiös bestimmte Grausamkeit weniger.
Im Judentum gab es das Prinzip des Levirats. Wer sich dem verweigerte, war dem Tode geweiht. Das bekannteste Opfer war ein gewisser Onan. Auch andere Verstöße gegen religiöse Regeln wurden in der Zeit des Alten Testaments mit dem Tode bestraft. Heute gibt es die Todesstrafe für Verstöße gegen die Regel des Levirats nicht mehr, auch andere damals anscheinend unverzichtbare Regeln wurden abgeschafft — und trotzdem ist das Judentum nicht untergegangen. Da wird man wohl über die Beschneidung zumindest diskutieren dürfen.
Auch die Folterung und Ermordung der Hexen und Ketzer im Christentum wurden über Jahrhunderte für normal gehalten, ja sogar als Notwendigkeit für den Fortbestand der Gemeinschaft und als »Gnade« für die Opfer propagiert. Und siehe da: Das Christentum existiert weiter, obwohl schon lange keine Hexen und Ketzer mehr verfolgt werden.
Es wäre für mich und hoffentlich für die Mehrheit der Teilnehmer dieses Forums ein Alptraum, in einem »Gottesstaat« zu leben, in dem eine Religion die Staatsdoktrin festlegt, alles ihren Maßstäben unterordnet und dabei immer wieder zu inhumanen Maßnahmen greift. Wir würden aber heute in einem solchen Staat leben, wenn nicht in einem langen Prozess die Trennung von Staat und Kirche durchgesetzt worden wäre. Es soll auch weiterhin Religionen, religiös geprägtes Handeln und religiös geprägte Kultur geben, aber Religion soll möglichst wenig Macht über die Menschen haben.
Nun gibt es in einigen Ländern und in einigen Religionen immer noch inhumane Regeln und inhumane Maßnahmen zu deren Durchsetzung. Der Protest gegen diese Regeln und Maßnahmen ist unterschiedlich stark ausgeprägt. In einer freiheitlichen Gesellschaft kann man niemandem vorschreiben, ob er sich damit beschäftigt und mit welchen dieser Sachverhalte er sich zuerst befassen möchte.
Meine Äußerungen zur Beschneidung habe ich in einen eindeutigen Rahmen gestellt: Dass ich die jüdische Religion und die jüdische Kultur respektiere und ihnen ein langes Weiterbestehen wünsche. Aber das bedeutet nicht, dass ich im Einzelfall inhumane Maßnahmen und Machtmissbrauch gutheiße. Das Christentum lebte schließlich nach der Aufklärung und nach der Trennung von Staat und Kirche auch weiter.
Das Beispiel mit der kulturell akzeptierten Gewalt, die sich Boxer gegenseitig zufügen, ist ein sehr schwaches Beispiel: Die Boxer tun es nämlich freiwillig und im vollen Bewusstsein der möglichen Folgen. Ein wenige Tage alter Säugling ist ein völlig hilfloses Wesen und den Eltern anvertraut (nach christlichem Verständnis: von Gott anvertraut). Es ist Machtmissbrauch und es ist inhuman, diesem Kind unnötiges Leid zuzufügen. Hinter diesen Grundsatz gehe ich nicht zurück.
Zitat von Loki im Beitrag #27 Der Umstand, auf den Uwe Richard hingewiesen hat, daß nämlich § 223 StGB vom Gesetzgeber weder historisch noch - offenkundig - aktuell mit der Absicht verbunden war, daß religiöse Beschneidung dadurch mit Strafe bedroht sein solle, ist einer der Kernpunkte in diesem sehr interessanten Beitrag von RA Oliver García.
„Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.“
Zitat von Müller Oliver Garcia scheint die gesamte strafrechtliche Diskussion zum ärztlichen Heileingriff zu vernachlässigen: Auch eine gelungene, medizinisch indizierte und kunstgerecht von einem Arzt durchgeführte (Mini-)Operation ist nach allg. Auffassung (auch der höchsten Gerichte!) nach § 223 StGB als Körperverletzung strafbar, wenn sie ohne Einwilligung oder sonstigen Rechtfertigungsgrund durchgeführt wird. Auf § 228 StGB (Oliver Garcia schreibt § 229, meint aber wohl § 228 StGB) kommt es dabei überhaupt nicht an.
Zitat von Zettel"Ich habe kein Verständis für die Ereiferung, für die "Vehemenz" auf der einen wie der anderen Seite.[/quote] [quote="LokiVor allem weil keine Seite überzeugende Argumente ins Spiel bringen kann.
Da sehe ich völlig anders. Die Argumente beider Seiten sind sehr stark. In einer Welt ohne Religion gäbe es diese Diskussion nicht, sondern es würde sehr schnell Einigkeit darüber bestehen, dass diese Operation Körperverletzung ist. Nur so einfach ist die Welt nicht wenn Religion ins Spiel kommt. Wenn Deutschland jüdisches und islamisches Leben will, wozu sich die Politik asdrücklich bekennt, dann müssen die Eigenheiten dieser Religionen akzeptiert werden. Ich möchte dazu ergänzen, dass das selbstverständlich für alle Religionen und Weltanschauungen gilt und dass die Geschichte zeigt, dass Konflikte zwischen den einzelnen Glaubensrichtungen nicht ausgeschlossen sind, die kluger Lösungen bedürfen wie zum Beispiel den Augsburger Religionsfrieden.
Die grundsätzliche Entscheidung für jüdisches und islamisches Leben in Deutschland, die lange vor dem Kölner Urteil getroffen wurde, beinhaltet auch den Ritus der Beschneidung. Wie sich Religionen definieren, kann nicht vom Staat vorgegeben werden, sondern kann nur aus der Religion kommen. Aber ich habe das Recht mich kritisch über religiöse Eigenheiten zu echauffieren ohne dass die ganz großen Geschütze aufgefahren werden müssen. Oliver Garcia kannes auch nicht lassen in seiner Wortmeldung sich über Islamophobie auszulassen, andere hauen auf die Antisemitismus-Trommel. Wenn Merkel von Komikernation spricht, sollte sie auch solche Ausfälle inkludieren, die mit dem Diskussionsthema nichts zu tun haben. Die Argumente der Beschneidungsbefürworter haben mir zu viel Neusprech: eine Körperverletzung ist keine Körperverletzung. Es gibt nur ein Argument für die Beschneidung. Ein Gott hat das gefordert und dem ist zu folgen, ob Körperverletzung oder nicht. Inwieweit in der Geschichte der einzelne Glaubensrichtungen etwas dazugesellt wurde, liegt außerhalb meines Beurteilungshorizontes, aber ich finde Behauptungen, dass ein Mann erst vollständig ist, wenn ihm etwas abgeschnitten wurde nicht nur orwellianisch, sondern auch komisch im Sinne von Frau Merkel.
Zitat von Bernard AvishaiBefore circumcision a man is not whole. Genesis Rabbah states, glossing circumcision: “All that was created during the six days of creation requires improvement.
Zitat von stefanolix im Beitrag #29 Das Beispiel mit der kulturell akzeptierten Gewalt, die sich Boxer gegenseitig zufügen, ist ein sehr schwaches Beispiel: Die Boxer tun es nämlich freiwillig und im vollen Bewusstsein der möglichen Folgen.
Da eine Einwilligung einen individuellen, auf einen Einzelfall bezogenen Verzicht auf den Schutz durch die Rechtsordnung darstellt, sollte man eine solche Erklärung eng auslegen. Problematisch ist der Umfang einer Einwilligung besonders dann, wenn sie konkludent erfolgt. Ist der Champ, der gegen das "Fallobst" in den Ring steigt, wirklich damit einverstanden, dass er von dem vermeintlich Schwachen wider Erwarten kräftigst vermöbelt wird und sich dabei einige Knochenbrüche zuzieht, die ihn zu einem längeren Krankenhausaufenthalt nötigen? Wenn nein, kann man dann den "Täter" durch einen Verbots- oder wohl treffender: Erlaubnistatbestandsirrtum exkulpieren, weil er annehmen durfte, dass eine wirksame Einwilligung vorlag? Die Sozialadäquanzvariante vermeidet diese dogmatischen Probleme: Wer einen anderen im Rahmen eines Boxkampfes regelkonform verprügelt, handelt gar nicht tatbestandsmäßig und die Frage danach, mit welchen Verletzungen der Gegner rechnen musste, stellt sich nicht.
Da der BGH Operationen grundsätzlich als tatbestandsmäßige Körperverletzungen betrachtet (und damit der Sozialadäquanzvariante eine Absage erteilt), blieb den mit dem Beschneidungsfall befassten Gerichten de facto nichts anderes übrig, als eine Rechtfertigung durch Einwilligung zu prüfen. Das AG hat diesen Rechtfertigungsgrund (und damit die Wirksamkeit der von den Eltern erteilten Einwilligung) bejaht, das LG verneint. Ich halte beide Ergebnisse für vertretbar. D.h. auch die Rechtsanwendung durch das LG war m.E. juristisch nicht zu beanstanden; auf gesellschaftliche und politische Implikationen seines Urteils braucht ein Strafgericht keine Rücksicht zu nehmen. Wenn eine rechtlich korrekte Gesetzesauslegung politisch und sozial unerwünscht ist, dann muss der Gesetzgeber tätig werden. Im gewaltenteilenden Staat ist es seine Aufgabe (und nicht die eines Gerichts), im Rahmen der Verfassung festzulegen, welche Verhaltensweisen erwünscht sind oder toleriert werden müssen und bei welchen dies nicht der Fall sein soll.
Das AG und das LG haben - um es auf Neudeutsch zu sagen - ihren Job gemacht; wenn das Ergebnis dieser Arbeit nicht befriedigt, muss der Gesetzgeber seinen Job machen.
Zitat von C. im Beitrag #30 Die Argumente der Beschneidungsbefürworter haben mir zu viel Neusprech: eine Körperverletzung ist keine Körperverletzung.
Das hat mit Neusprech nichts zu tun: Z.B. eine fahrlässige Sachbeschädigung ist (zivil)rechtswidrig und macht schadensersatzpflichtig. Aber sie ist nicht strafbar. Genauso muss nicht jeder Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eine Körperverletzung im Sinne des StGB sein.
Zitat von C. im Beitrag #30 Die Argumente der Beschneidungsbefürworter haben mir zu viel Neusprech: eine Körperverletzung ist keine Körperverletzung.
Das hat mit Neusprech nichts zu tun: Z.B. eine fahrlässige Sachbeschädigung ist (zivil)rechtswidrig und macht schadensersatzpflichtig. Aber sie ist nicht strafbar. Genauso muss nicht jeder Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eine Körperverletzung im Sinne des StGB sein.
Ich verweise da nochmals auf Professor Müller, dessen Argumentation für mich schlüssig ist:"Auch eine gelungene, medizinisch indizierte und kunstgerecht von einem Arzt durchgeführte (Mini-)Operation ist nach allg. Auffassung (auch der höchsten Gerichte!) nach § 223 StGB als Körperverletzung strafbar, wenn sie ohne Einwilligung oder sonstigen Rechtfertigungsgrund durchgeführt wird."
Im Kölner Fall konnte schon auf grund der schweren Folgen des Eingriffes gar nicht anders als auf Körperverletzung erkannt werden. Aber der Gesetzgeber könnte für diese Form der Körperverletzung eben Straffreiheit verkünden (unter bestimmten Umständen analog zum $ 218). Das will nur niemand gefallen, wäre aber aus meiner Sicht die sauberste Lösung.
Zitat von C. im Beitrag #30 Die Argumente der Beschneidungsbefürworter haben mir zu viel Neusprech: eine Körperverletzung ist keine Körperverletzung.
Das hat mit Neusprech nichts zu tun: Z.B. eine fahrlässige Sachbeschädigung ist (zivil)rechtswidrig und macht schadensersatzpflichtig. Aber sie ist nicht strafbar. Genauso muss nicht jeder Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eine Körperverletzung im Sinne des StGB sein.
Für einen Laien wie mich ist nicht immer nachvollziehbar, wieso nach StGB etwas nicht strafbar ist, aber nach BGB trotzdem Schadenersatz einklagbar ist. Kann ich Sie überreden, an Hand eines Beispiels Licht ins Dämmrigdunkle zu tragen?
Auf eine Antwort freut sich
Uwe Richard
-- Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard
Zitat von C. im Beitrag #33 Ich verweise da nochmals auf Professor Müller, dessen Argumentation für mich schlüssig ist:"Auch eine gelungene, medizinisch indizierte und kunstgerecht von einem Arzt durchgeführte (Mini-)Operation ist nach allg. Auffassung (auch der höchsten Gerichte!) nach § 223 StGB als Körperverletzung strafbar, wenn sie ohne Einwilligung oder sonstigen Rechtfertigungsgrund durchgeführt wird."
Das ist eine herrschende Meinung, aber es ist dogmatisch nicht zwingend, jeden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit als Körperverletzung unter Strafe zu stellen.
Zitat Aber der Gesetzgeber könnte für diese Form der Körperverletzung eben Straffreiheit verkünden (unter bestimmten Umständen analog zum $ 218). Das will nur niemand gefallen, wäre aber aus meiner Sicht die sauberste Lösung.
Beim § 218 StGB liegen die Dinge ja viel komplizierter. Denn § 218a StGB regelt in seinem Abs. 1 einen Tatbestandsausschließungs-, in Abs. 2 und 3 einen Rechtfertigungs- und in Abs. 4 einen Strafausschließungsgrund. D.h. eine Abtreibung, die die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt, ist gerade kein Schwangerschaftsabbruch im Sinne des StGB (was aber über die Zivilrechtswidrigkeit noch nichts aussagt). Hier bedient sich der Gesetzgeber gerade der Methode, die Sie den Beschneidungsbefürwortern als Neusprech ankreiden.
Zitat von C. im Beitrag #30 Die Argumente der Beschneidungsbefürworter haben mir zu viel Neusprech: eine Körperverletzung ist keine Körperverletzung.
Das hat mit Neusprech nichts zu tun: Z.B. eine fahrlässige Sachbeschädigung ist (zivil)rechtswidrig und macht schadensersatzpflichtig. Aber sie ist nicht strafbar. Genauso muss nicht jeder Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eine Körperverletzung im Sinne des StGB sein.
Für einen Laien wie mich ist nicht immer nachvollziehbar, wieso nach StGB etwas nicht strafbar ist, aber nach BGB trotzdem Schadenersatz einklagbar ist. Kann ich Sie überreden, an Hand eines Beispiels Licht ins Dämmrigdunkle zu tragen?
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Uwe Richard
Lieber Uwe Richard,
B bügelt aus Gefälligkeit das Designerkleid ihrer Mitbewohnerin A; dabei schaut sich B einen hochspannenden Krimi an und während der Szene, in welcher der Mörder überführt wird, "vergisst" sie, dass sie das Eisen auf dem Kleid abgestellt hat, sodass das Kleid nunmehr mit einem faustgroßen Loch verunziert ist.
Wir haben es mit einer fahrlässigen Sachbeschädigung zu tun. Strafbar sind aber nur vorsätzliche Sachbeschädigungen. Eine ganz andere Frage ist, wer billigerweise den Vermögensnachteil tragen soll, der der A aus der Beschädigung des Kleides erwachsen ist. A oder die sorgfaltswidrig handelnde B? Schadenersatz ist ja keine Strafe (anders im angelsächsischen Rechtsbereich, in dem es auch sog. punitive damages gibt), sondern der Ausgleich eines materiellen oder immateriellen Nachteils. Mit Kriminalstrafe sollen dagegen nur qualifiziert rechtswidrige, also gesellschaftlich absolut unerträgliche Verhaltensweisen belegt werden.
Sie können als Beispiel auch den typischen Auffahrunfall nehmen. Bestraft wird man dafür nicht, aber man muss dem Unfallgegner (via Versicherung) den Schaden ersetzen.
Zitat von Noricus im Beitrag #36Sie können als Beispiel auch den typischen Auffahrunfall nehmen. Bestraft wird man dafür nicht, aber man muss dem Unfallgegner (via Versicherung) den Schaden ersetzen.
Oder die Sachentwendung, die nur dann ein strafbarer Diebstahl ist, wenn sie mit einer Aneignungsabsicht verbunden ist.
Zitat von Noricus im Beitrag #35 Beim § 218 StGB liegen die Dinge ja viel komplizierter. Denn § 218a StGB regelt in seinem Abs. 1 einen Tatbestandsausschließungs-, in Abs. 2 und 3 einen Rechtfertigungs- und in Abs. 4 einen Strafausschließungsgrund. D.h. eine Abtreibung, die die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt, ist gerade kein Schwangerschaftsabbruch im Sinne des StGB (was aber über die Zivilrechtswidrigkeit noch nichts aussagt). Hier bedient sich der Gesetzgeber gerade der Methode, die Sie den Beschneidungsbefürwortern als Neusprech ankreiden.
Nein, es ist auch in Absatz 4 immer noch ein Schwangerschaftsabbruch. Vielleicht reden wir einander vorbei, ich begreife die Tat, wie sie de facto ist. Ein Schwangerschaftsabruch bleibt ein Schwangerschaftabbruch, auch wenn er nicht bestraft wird, eine Körperverletzung bleibt eine Körperverletzung, auch wenn sie von Gott angeordnet wurde und deshalb nicht strafbar ist. Es ist die Absicht dieses Gottes mittels Körperverletzung als Opfer einen Bund zu schließen. Einem Gläubigen ist es nicht zumutbar sich einer solch zwingenden Anweisung zu widersetzen. das ist nicht verhandelbar:"Und der unbeschnittene Männliche, der am Fleische seiner Vorhaut nicht beschnitten wird, selbige Seele soll ausgerottet werden aus ihrem Volke; meinen Bund hat er gebrochen!" (1. Mose 17:14) Aber es bleibt Körperverletzung.
Zitat von Noricus im Beitrag #35 Beim § 218 StGB liegen die Dinge ja viel komplizierter. Denn § 218a StGB regelt in seinem Abs. 1 einen Tatbestandsausschließungs-, in Abs. 2 und 3 einen Rechtfertigungs- und in Abs. 4 einen Strafausschließungsgrund. D.h. eine Abtreibung, die die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt, ist gerade kein Schwangerschaftsabbruch im Sinne des StGB (was aber über die Zivilrechtswidrigkeit noch nichts aussagt). Hier bedient sich der Gesetzgeber gerade der Methode, die Sie den Beschneidungsbefürwortern als Neusprech ankreiden.
Nein, es ist auch in Absatz 4 immer noch ein Schwangerschaftsabbruch.
Was ja niemand bestreitet: Ein Strafausschließungsgrund kommt erst zum Zuge, wenn ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorliegt. Auch Abs. 2 und 3 behandeln einen Schwangerschaftsabbruch, aber einen gerechtfertigten. Abs. 1 umschreibt einen Tatbestandsausschließungsgrund und nimmt die Fristenlösungsabtreibung damit vom strafrechtlichen Begriff des Schwangerschaftsabbruchs aus.
Zitat von C. im Beitrag #38 Vielleicht reden wir einander vorbei, ich begreife die Tat, wie sie de facto ist. Ein Schwangerschaftsabruch bleibt ein Schwangerschaftabbruch, auch wenn er nicht bestraft wird, eine Körperverletzung bleibt eine Körperverletzung, auch wenn sie von Gott angeordnet wurde und deshalb nicht strafbar ist.
Was wollen Sie damit sagen? Dass der Schwangerschaftsabbruch dennoch strafrechtlich zu missbilligen ist, aber nur nicht bestraft wird? Dies ist die Konstellation eines Straufausschließunsgrundes. Ein solcher begegnet nur in Abs. 4, jedoch eben nicht in den Abs. 1 bis 3 des § 218a StGB. Mit Verlaub: Ich sehe nicht, wo der Nutzen Ihrer Theorie liegt.
Weißt du, stefanolix, was mir an deiner Argumentation nicht gefällt? Dieser gedachte Geschichtspfeil: Es gibt eine Entwicklung vom Falschen zum Richtigen, die Geschichte (und - wie angenehm marxistisch - die Wissenschaft! Aufklärung, you know) ist mit meiner Erkenntnis. Ochs und Esel und so weiter.
Nehmen wir doch einfach mal die konkreten Umstände zur Kenntnis. Da ist, wie du ja auch meinst, der Pass eben schon noch von Bedeutung, denn wenn ausgerechnet der deutsche Staat den Juden beibiegen wollte, wie eine moderne Form von Religion auszusehen hat, dann gehört jeder, bei dem in diesem Fall nicht sämtliche Warnlampen angehen und Sirenen aufheulen, mit mindestens zehn Wochen Geschichtsunterricht belohnt.
Aber die Frage, um die es geht, ist eine, die von jüdischen Eltern individuell zu beantworten ist. Wenn dazu eine Diskussion erforderlich ist, so wird sie unter den Juden auch geführt werden. Nach meinem Wissen ist eine solche Diskussion auch im Gang, und wie du ebenfalls richtig bemerkt hast, wäre es nicht das erste Mal, das eine alte Regel aufgehoben wird.
Dennoch: Was wäre, wenn sich die Juden dazu entschlössen, diesen Brauch beizubehalten? Wie eben auch andere, welche die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft herstellen, für deren Existenz in der Diaspora aus der Religion herrührende Rituale bisher unverzichtbar waren (der jüdische Staat Israel böte die besten Voraussetzungen, da lockerer zu werden)? Wäre das eine derartige Katastrophe, dass deutsche Gut- und Bessermenschen vielleicht wohlwollend bis herablassend sanften bis stärkeren Druck ausübten mit dem Ziel, solche "archaischen" Bräuche doch bitte gefälligst in unserer so fürchterlich aufgeklärten Gesellschaft zu unterlassen? Komme mir da keiner mit dem Kindeswohl - Eltern haben auch heute ganz legal tausende von Möglichkeiten, ihrem Kind weit Schlimmeres anzutun, und als Liberaler wird man das wohl auch nicht ändern wollen. Aus den bekannten Gründen.
Ob wir jüdische Bräuche "gutheißen" oder nicht - wen interessiert diese Privatmeinung? Sobald sie aber öffentlich verkündet wird, ist es keine mehr, sondern ein Beitrag zur Diskussion. Einer Diskussion, die mit uns als Teilnehmern falsch besetzt wäre.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von C. im Beitrag #38 Aber es bleibt Körperverletzung.
Welche in jedem Fall erst dann eine Relevanz erfährt, wenn sie strafbar ist. Das Argument der Körperverletzung wird ja auch genau mit der Intention der Strafbarkeit angeführt. Die Beschneidung soll verboten werden, weil es Körperverletzung und diese strafbar ist.
Ich persönlich würde meinem Sohn das niemals antun, für mich könnte das ausufernde Zähneziehen durch Zahnärzte bei Kleinkindern durchaus auch als Körperverletzung zählen. Das ist aber nur meine Ansicht die ich nicht anderen Bürgern vorschreiben werde. Die Fragen der Menschenrechte, des Humanismus kommen aus dem Bereich des Naturrechts wie auch Ihr Zitat aus dem 1. Buch Mose. Ich werde das nicht gegeneinander aufwiegen. Die Lösung liegt in dem positiven Recht wie es der Gesetzgeber setzt.
Zitat von stefanolix im Beitrag #29Die mutigen Handlungen einzelner aufgeklärter Menschen haben in der Geschichte schon oft dazu geführt, dass grausame Sitten und Gebräuche abgeschafft wurden, die vorher über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende aufrechterhalten wurden. Schritt für Schritt haben sich andere Menschen den Ideen der Vorreiter angeschlossen und irgendwann war es wieder geschafft: es gab eine religiös bestimmte Grausamkeit weniger.
Zitat von Rayson im Beitrag #40Weißt du, stefanolix, was mir an deiner Argumentation nicht gefällt? Dieser gedachte Geschichtspfeil: Es gibt eine Entwicklung vom Falschen zum Richtigen, die Geschichte (und - wie angenehm marxistisch - die Wissenschaft! Aufklärung, you know) ist mit meiner Erkenntnis. Ochs und Esel und so weiter.
Ist Ihr dezentes marxistisches Stöckchen, lieber Rayson, nicht "angenehm"? Es befreit doch vom Nachdenken über Entwicklungen der menschlichen Gesellschaft und so weiter - oder?
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #34Für einen Laien wie mich ist nicht immer nachvollziehbar, wieso nach StGB etwas nicht strafbar ist, aber nach BGB trotzdem Schadenersatz einklagbar ist. Kann ich Sie überreden, an Hand eines Beispiels Licht ins Dämmrigdunkle zu tragen?
Lieber Uwe Richard,
B bügelt aus Gefälligkeit das Designerkleid ihrer Mitbewohnerin A; dabei schaut sich B einen hochspannenden Krimi an und während der Szene, in welcher der Mörder überführt wird, "vergisst" sie, dass sie das Eisen auf dem Kleid abgestellt hat, sodass das Kleid nunmehr mit einem faustgroßen Loch verunziert ist.
Wir haben es mit einer fahrlässigen Sachbeschädigung zu tun. Strafbar sind aber nur vorsätzliche Sachbeschädigungen. Eine ganz andere Frage ist, wer billigerweise den Vermögensnachteil tragen soll, der der A aus der Beschädigung des Kleides erwachsen ist. A oder die sorgfaltswidrig handelnde B? Schadenersatz ist ja keine Strafe (anders im angelsächsischen Rechtsbereich, in dem es auch sog. punitive damages gibt), sondern der Ausgleich eines materiellen oder immateriellen Nachteils. Mit Kriminalstrafe sollen dagegen nur qualifiziert rechtswidrige, also gesellschaftlich absolut unerträgliche Verhaltensweisen belegt werden.
Sie können als Beispiel auch den typischen Auffahrunfall nehmen. Bestraft wird man dafür nicht, aber man muss dem Unfallgegner (via Versicherung) den Schaden ersetzen.
Entschuldigung, meine Frage war nicht präzise genug formuliert. Mir ging es um Körperverletzung, weil das hier auch das Thema ist. Kann jemand nach StGB vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen, aber trotzdem zivilrechtlich belangt werden? Ich hoffe jetzt rübergebracht zu haben, was ich meine.
-- Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard
Zitat von HausmannEs befreit doch vom Nachdenken über Entwicklungen der menschlichen Gesellschaft und so weiter - oder?
Tut es das? Oder liegt hier vielleicht der typische Fall vor, ein anderes Ergebnis des Nachdenkens als Beleg für dessen Abwesenheit zu unterstellen?
Zitat von Historizismus-WikipediaPoppers Historizismus-Kritik
Der Historizist will den Sinn des Spiels begreifen, das auf der historischen Bühne aufgeführt wird, indem er versucht, die Gesetze der historischen Entwicklung zu finden. Und wenn ihm dies gelungen ist, so kann er damit auch zukünftige Entwicklungen voraussagen. Er vermag dann die Politik auf einer soliden Grundlage aufzubauen und praktische Hinweise zu geben, welche politischen Handlungen aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreich sein werden und welche nicht.
Die Argumente der Beschneidungsbefürworter haben mir zu viel Neusprech: eine Körperverletzung ist keine Körperverletzung.
Wo behauptet das jemand? Es gibt schlicht den §228 StGB (um den es sehr wohl geht, gerade weil sehr viel als Körperverletzung gilt, schon eine Spritze des Arztes):
Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.
Die Verstümmelung einer Klitoris verstößt hier sicherlich gegen die guten Sitten (die Einwilligung kann bei nicht selbst einwilligungsfähigen Personen natürlich durch die Eltern erfolgen).
Aber eine Gleichsetzung von Klitoris und Vorhaut hinkt gewaltig. Hier greift auch nicht der Gleichheitsgrundsatz, zumindest nicht so wie viele meinen, denn laut des Gleichheitsgrundsatzes ist nicht nur Gleiches gleich, sondern auch Unterschiedliches unterschiedlich zu behandeln.
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
\"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not.\"
Danke, ich weiß das Jungenfrauengeburt und Dogma der unbefleckten Empfängnis zwei grundverschiedene Dinge sind. Nur weil jemand einem Dogma nicht folgt, muss er es nicht unbedingt falsch verstanden haben, auch wenn es tatsächlich ein weit verbreitetes Missverständnis gibt.
Die Argumente der Beschneidungsbefürworter haben mir zu viel Neusprech: eine Körperverletzung ist keine Körperverletzung.
Wo behauptet das jemand?
[quote="FAZ"]In der jetzt anhängigen Diskussion wird das Wohl des Kindes über seine Teilhabe an der religiösen Gemeinschaft oder an einem Milieu angestrebt. Es geht um Symbole. Der Eingriff, darauf läuft dieses Argument hinaus, ist keine Körperverletzung, weil er sozial adäquat erfolgt
Ich lasse das unkommentiert. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es mich nicht interessiert, was andere Leute auf Gottes Anweisung mit ihren Kindern machen. Ich gehe davon aus, dass sie nur Gutes wollen. Mittlerweile ist die Karawane sowieso schon weitergezogen und übt sich in Publikumsbeschimpfung. Das finde ich weitaus interessanter als das Wohl und Unwohl von nicht einwillungsfähigen Knaben. Mir missfällt diese Form der Konsensherstellung ("Komikernation, "nicht hilfreich") schon seit langem und sie ist einer Demokratie unwürdig. Deswegen schlägt diese Diskussion auch weitaus höhere Wellen als es das Thema hergibt.
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #34Für einen Laien wie mich ist nicht immer nachvollziehbar, wieso nach StGB etwas nicht strafbar ist, aber nach BGB trotzdem Schadenersatz einklagbar ist. Kann ich Sie überreden, an Hand eines Beispiels Licht ins Dämmrigdunkle zu tragen?
Lieber Uwe Richard,
B bügelt aus Gefälligkeit das Designerkleid ihrer Mitbewohnerin A; dabei schaut sich B einen hochspannenden Krimi an und während der Szene, in welcher der Mörder überführt wird, "vergisst" sie, dass sie das Eisen auf dem Kleid abgestellt hat, sodass das Kleid nunmehr mit einem faustgroßen Loch verunziert ist.
Wir haben es mit einer fahrlässigen Sachbeschädigung zu tun. Strafbar sind aber nur vorsätzliche Sachbeschädigungen. Eine ganz andere Frage ist, wer billigerweise den Vermögensnachteil tragen soll, der der A aus der Beschädigung des Kleides erwachsen ist. A oder die sorgfaltswidrig handelnde B? Schadenersatz ist ja keine Strafe (anders im angelsächsischen Rechtsbereich, in dem es auch sog. punitive damages gibt), sondern der Ausgleich eines materiellen oder immateriellen Nachteils. Mit Kriminalstrafe sollen dagegen nur qualifiziert rechtswidrige, also gesellschaftlich absolut unerträgliche Verhaltensweisen belegt werden.
Sie können als Beispiel auch den typischen Auffahrunfall nehmen. Bestraft wird man dafür nicht, aber man muss dem Unfallgegner (via Versicherung) den Schaden ersetzen.
Entschuldigung, meine Frage war nicht präzise genug formuliert. Mir ging es um Körperverletzung, weil das hier auch das Thema ist. Kann jemand nach StGB vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen, aber trotzdem zivilrechtlich belangt werden? Ich hoffe jetzt rübergebracht zu haben, was ich meine.
Da Körperverletzung auch fahrlässig begangen werden kann und die herrschende Meinung einen sehr weiten strafrechtlichen KV-Begriff befürwortet, ist das schwierig. Ich könnte als zugegeben etwas exotisches Beispiel den Fall anbieten, dass ein vermögender Geisteskranker einen nichtbegüterten Mitmenschen verletzt. Der Täter ist wegen Schuldunfähigkeit freizusprechen, kann aber gemäß § 829 BGB "aus Billigkeitsgründen" zum Ersatz des Schadens herangezogen werden. Auch bei Minderjährigen sind verschiedene Fälle des Auseinanderklaffens von strafrechtlicher Nichtverantwortlichkeit und zivilrechtlicher Verantwortlichkeit denkbar.
Die Beschneidung legal haben wollen, aber gleichzeitig für die allgemeine Schulpflicht eintreten. Und sich nicht darum scheren, dass Jungen beschnitten werden dürfen, Mädchen davon aber verschont bleiben. Mehr braucht man dazu eigentlich nicht zu sagen.
Was die allgemeine Ereiferung anbelangt: Die eine Seite will die religiöse Freiheit schützen, die andere die Kinder. Wenn sie, Zettel, sich an die Auswüchse, die sich bilden, sobald das Wort "Kinderpornographie" im Raum steht, erinnern, dürfte die Ereiferung zumindest der einen Seite klarer werden (auch wenn es nicht jeweils die selbe Gruppe ist, die sich ereifert).
Nachtrag: Der erste Absatz bezieht sich auf die "öffentliche Meinung" im weitesten Sinne.
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