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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 57 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Am_Rande Offline




Beiträge: 196

28.09.2012 14:03
#26 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Sehr verehrter Zettel, sehr verehrte Mitforisten,

wenn ich die Position, die Sie, verehrter Zettel, an der Argumentation Herrn von Randows so schlüssig finden, kurz zusammenfassen sollte, so könnte man diese, wäre man so gewillt, als „Feigheit aus Verantwortung“ bezeichnen.

Zitat
Nun muß jeder, der eine Entscheidung aufgrund seiner Werte trifft, auch die Folgen tragen. Er muß den Kopf dafür hinhalten. Aber seinen eigenen, und nicht den Kopf anderer. Vom sicheren Port läßt sich gemächlich raten, sagt der Ruodi im Tell.

Randow macht - und diesen Aspekt hatte ich bisher nicht gesehen - darauf aufmerksam, daß das Zeigen dieses Films in Deutschland für Deutsche in islamischen Ländern eine persönliche Gefährdung bedeutet; Geschäftsleute, Techniker, vielleicht auch Touristen, die keineswegs für eine solche eventuelle Entscheidung verantwortlich wären. Der Staat hat für sie eine Schutzpflicht; so, wie er Geiseln herauszuholen versucht, wenn sie von Terroristen gekidnapt worden sind.


Das ist, wenn man so will, die Weisheit der Drei Affen.

Nun, in Deutschland wird man immer tausend gute Gründe finden, die Freiheit preiszugeben, um vermeintlich Höheres dadurch zu retten.

In Ländern, die mehr von der Bedeutung der Meinungsfreiheit verstanden haben, kennt man hingegen eine andere Weisheit:

Zitat
They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
(Benjamin Franklin)



Aber auch die Deutschen könnten es wissen:

Zitat
Erschüttert steh' ich, weiß nicht, ob ich ihn
Bejammern oder preisen soll sein Loos.
Dies Eine fühl' ich und erkenn' es klar:
Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
Der Übel größtes aber ist die Schuld.

(Friedrich Schiller - Die Braut von Messina)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.09.2012 15:11
#27 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Lieber ratloser,

wie geschrieben, ist meine Meinungsbildung zu diesem Thema noch nicht abgeschlossen. Es scheint mir ein sehr schwieriges Thema zu sein, das man nicht mit Antworten sozusagen aus dem Schatzkästlein der idées reçus erledigen kann. Im Kern geht es darum, wie unsre westliche Kultur der islamischen und islamistischen Herausforderung am besten begegnet (die ich für gar nicht so gewaltig halte; siehe unten).

Ich argumentiere jetzt aber einmal - for the sake of the argument - aus der Sicht Randows, so wie ich sie verstehe:

Zitat von ratloser im Beitrag #23
eine Schwierigkeit scheint mir zu sein, dass wir die Grundsätzlichkeit der Extremisten nicht einfach verweigern können. Der Verbot des Filmchens per se ist so irrelevant für unsere Freiheit wie das Filmchen für die Haltung der Extremisten gegenüber unserer Freiheit. Solche Dinge wie das Filmchen sind ein Tool. Sie werden bei Bedarf zu propagandistischen Zwecken benutzt, aber zum Teil wie bei den Mohammed-Karrikaturen auch bei Bedarf einfach fabriziert. Die islamische Welt ist voller paranoider Vorstellungen, die dazu dienen, das Feinbild der ungläubigen Welt emotional zu laden.

Zutreffende Analyse. Aber welche Aktionen folgen daraus? Wenn man den Film in Berlin oder wo immer aufführt, dann ist das Wasser auf ihre Mühlen. Natürlich werden sie auch andere Anlässe für ihre Empörtheit finden; aber man muß ihnen ja nicht unbedingt einen auf einem silbernen Tablett servieren.

Übrigens steht ja noch nicht fest, daß Rouhs den Film wirklich aufführen will. Sein Ziel, "Pro Deutschland" bundesweit bekanntzumachen, hat er ja schon erreicht.
Zitat von ratloser im Beitrag #23
Wenn wir islamkritische Filme verbieten, islamkritische Karrikaturen unterdrücken, kommt das Nächste. Wie C. es auf den Punkt bringt: Zitat:Extremisten lassen sich nicht beruhigen, sondern sehen ein Verbot als Zeichen der Schwäche. Sie sind erst beruhigt, wenn sie ihre Ziele erreicht haben.

Manchmal kann es auch taktisch geschickt sein, "Schwäche" zu zeigen. Vermutlich sind die Plakate schon gemalt, die militants schon mobilisiert, die loslegen sollen, wenn der Film aufgeführt werden sollte. Die werden etwas bedröppelt dastehen, wenn das nicht passiert. (Ende der Argumentation im Sinn Randows)
Zitat von ratloser im Beitrag #23
Was mir Sorge macht, ist der konzertierte Versuch der Organisation islamischer Staaten, im Prinzip jede von Muslimen so empfundene "Kritik" unter weltweite Ächtung und strafrechtliche Sanktionierung zu stellen. Hillary kämpft als nützliche Idiotin an vorderster Front mit.

Das sehe ich genauso. Der Westen braucht eine Strategie dagegen. Das Problem ist, daß die islamischen Länder in der UNO als Stimmblock auftreten und der Westen inzwischen nicht mehr über einen ähnlich geschlossenen Stimmblock verfügt.

Es ist vor allem zu überlegen, ob man die UNO einfach nicht ernst nimmt (wie es Bush getan hat; wie es Helmut Schmidt offenbar empfiehlt), oder ob man offensiv versuchen sollte, sie wieder in demokratischeres Fahrwasser zu lenken.
Zitat von ratloser im Beitrag #23
Sind unsere "Werte" überlegen? Nach Ansicht der Mehrheit der Muslime definitiv nicht. Ist unsere "Kultur" überlegen? Nach meiner Ansicht ist sie gegenüber dem Islam evolutionär tendenziell unterlegen, zumindest in der derzeitigen Fasson.

Aber hallo, lieber ratloser!

So gut wie alles, was global an Technik genutzt wird, stammt aus dem Westen. Die Weltsprache ist Englisch. Überall werden die im Westen erstmals formulierten Menschenrechte im Munde geführt, wenn auch oft als Lippenbekenntnis. Die Regierungssysteme, die Rechtssysteme stammen - mit Ausnahme einiger islamischer Länder - weltweit aus dem Westen. Nicht nur in Form der freien Gesellschaft und des Rechtsstaats, sondern auch in Form des kommunistischen Gesellschaftsmodells, das schließlich im 19. Jahrhundert in Berlin und Paris, in Brüssel und London erdacht wurde; und nicht in Damaskus oder Peking.

Die nationalen und regionalen Kulturen bestehen heute weltweit fast durchweg in Modifikationen der westlichen Kultur. Das gilt für ganz Südamerika und ganz Afrika mit Ausnahme einiger islamischer Länder; es gilt für ganz Asien, hier auch unter Einschluß der islamischen Länder Indonesien, Malaysia und Paikstan (das noch immer viel mehr mit England gemeinsam hat als mit Saudi-Arabien).

Für die islamistischen Länder - Persien, Saudi-Arabien, Sudan, Somalia und einige andere - gilt das nicht, was das Gesellschaftsmodell angeht und das politische System. Für die Technik, die Kommunikation usw. gilt es auch dort.



Ich schreibe das, seit es ZR und dieses Forum gibt: Ich kann diesen westlichen Kleinmut gegenüber einer zurückgebliebenen Kultur, getragen von einer für die Moderne überhaupt nicht gerüsteten Religion, praktiziert in noch kaum industrialisierten, überhaupt nicht wettbewerbsfähigen Staaten, nicht nachvollziehen.

Nur, weil Moslams krakeelen, weil einige gewalttätig sind? Das ist doch alles kein Problem für den Westen; angesichts unserer drückenden Überlegenheit in jedem Bereich.

Es ist allerdings ein Problem für Israel; das ist das Einzige, was uns wirklich Sorgen machen muß. Wäre es das nicht (und läge nicht so viel Öl unter dem Boden islamischer Staaten), dann könnte uns dieser rückständige Teil der Welt gestohlen bleiben.

Herzlich, Zettel

dari Offline




Beiträge: 189

28.09.2012 15:13
#28 RE: Zitat des Tages: "Gartenzwergvoltaire" Antworten

Zitat von Zettel
Wohl aber ließe sich ein Verbot mit Gefahrenabwehr begründen; denn eine Aufführung des Films könnte das Leben und die Gesundheit von Deutschen gefährden, die in islamischen Ländern leben.



Tja, lieber Zettel, so ganz unangreifbar scheint mir juristische Begründung von Randows (die Sie im obigen Zitat zusammenfassen) aber dann doch nicht zu sein. Ich bin zwar kein ausgewiesener Kenner der Materie, aber schon nach kurzer Suche bin ich auf einige Entscheidungen der deutschen Obergerichte gestoßen, die genau in die andere Richtung deuten. Gerade die Konstellation, dass befürchtete (gewaltsame) Gegendemonstrationen als Grundlage z.B. für Versammlungsverbote herangezogegen worden sind, haben die deutschen Gerichte inzwischen unzählige Male am Beipiel rechtsextremer Versammlungen durchexerziert. Ich zitiere hier mal aus einem Urteil des BVerwG von 1999 (Az: 1 C 12/97):

Zitat
Zu Unrecht nimmt der Verwaltungsgerichtshof an, es sei gerechtfertigt gewesen, die Klägerin als "Quasi-Störerin" zu behandeln. Unabhängig von der im Berufungsurteil nicht beantworteten Frage nach der insoweit heranzuziehenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage steht höherrangiges Recht der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs entgegen, das Versammlungsverbot könne damit gerechtfertigt werden, daß die im Parteiprogramm der Klägerin zum Ausdruck kommende Haltung zu Ausländerfragen zahlreiche Proteste und die Ankündigung von Gegendemonstrationen auch unfriedlicher Art hervorgerufen habe. Das Parteiprogramm einer nicht gemäß Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei bzw. eine aus dem Parteiprogramm abgeleitete "Mitverantwortlichkeit" für Proteste und Gegendemonstrationen kann im Hinblick auf die durch Art. 21 Abs. 1 GG gewährleistete Betätigungs- und Programmfreiheit grundsätzlich nicht zum Anlaß genommen werden, einen Bundesparteitag dieser Partei unter dem Gesichtspunkt der Eigenschaft der Partei als "Quasi-Störerin" bzw. mittelbare Störerin der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verbieten (vgl. auch Morlok, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 21 Rn. 62, 90 ff., 148 f.). Andernfalls könnte die Klägerin schon durch die Ankündigung entsprechender Proteste an der Abhaltung eines Parteitags (vgl. § 9 ParteiG) gehindert werden.



Zugegeben: Im konkreten Fall ging es nicht primär um die Meinungsfreiheit, sondern um die Versammlungsfreiheit (verstärkt durch das Parteienprivileg des Art. 21 GG). Im Grundsatz scheint mir diese Linie aber auch auf die vorliegenden Fälle übertragbar zu sein.

Gruß

dari

Proust Offline



Beiträge: 4

28.09.2012 15:57
#29 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Werter ratloser,

ich habe mich extra nach langer Zeit des schweigenden Lesens dieses Blogs angemeldet, um Ihnen für Ihre wiederholt vorzüglichen Stellungnahmen zu unterschiedlichen Artikeln, insbesondere im Zusammenhang mit dieser unseligen Diskussion über einen vollkommen belanglosen Filmschnipsel, zu danken. Meine persönlichen Erfahrungen - und mein eigener Werdegang der kritischen Auseinandersetzung mit dieser vormodernen Ideologie, die gemeinhin nur als Religion des Islam figuriert -, verlaufen ziemlich ähnlich der Ihren. Aufwecker war für mich die Sarrazin-Hysterie, weniger das Buch und dessen Inhalte, als der Umgang unserer Medien mit denselben und die unhaltbaren persönlichen Attacken auf den Autor - und auch dessen Leser. Nachdem so mein Vertrauen in die MSM vollkommen verloren ging, bin ich froh, auf Zettels exzellenten Blog gestoßen zu sein - meine tägliche Pflichtlektüre. Deswegen auch an dieser Stelle an Sie, werter Zettel, meinen herzlichen Dank für all Ihre intensive Mühe mit der stets aktuellen Aufrechterhaltung dieses Blogs. Ich teile den Standpunkt eines Rezensenten von vor einigen Tagen, daß die Auseinandersetzung mit den aktuellen Meldungen der unteschiedlichen Medienpublikationen sowohl meine Zeit als auch insbesondere mittlerweile meine Geduld zu sehr in Anspruch nimmt. Deswegen ist es so wertvoll, von Ihnen die "Themen" so wunderbar prägnant aufbereit zu bekommen.
Es gilt das, was schon mehrfach kontstatiert wurde: Es ist in den deutschen Medien mittlerweile leider nicht mehr möglich, Meldungen ohne verquirlte Meinung zu bekommen, wobei die Meldung vom gewünschten ideologischen Ergebnis her aufbereitet wird. So ist es notwendig, die Meinungsmeldung durch Analyse und Gegenmeinung auf reine Meldung zurückzuführen - wobei, siehe Berichterstattung über den Mord in Neuss - selbst der Meldungskern durch Weglassen manipuliert wurde. Die ZEIT ist für mich schon seit ca. 12 Jaren vollkommen unlesbar geworden, der Umschwung zum trendgrünen Info- und Ideologieblättchen ging ziemlich nahtlos mit der Übernahme des neuen Layouts mit vielen schönen farbigen Bildern und Lifestyle-Beilagen einher. Von Randow gehört(e) zwar zu den besseren Autoren, ich kann seinem aktuell von Ihnen rezensierten Artikel jedoch ebenfalls nicht viel abgewinnen. Wenn Sie sagen, daß er eine Diskussion öffnet ist das grundlegend richtig. Die Frage ist für mich: Warum sollten die fundamentalen, säkularen und rechtsstaatlichen westlichen Werte überhaupt in irgendeiner Weise zur Diskussion gestellt werden - darüber ließe sich wenn und überhaupt allenfalls im Rahmen einer Anwendung auf andere Länder reden, Stichwort: Export von Menschenrechten durch kriegerische Intervention.
Daß die internationale westliche Politikerriege und die ihr dienstfertigen Medien stetig in und aus der Position des Nachgebens und Entschuldigens agieren, reagieren und berichten, ist ein Tatbestand, der mir Schauer für unsere Zukunft über den Rücken jagt.

Herzlich
Proust

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.432

28.09.2012 16:03
#30 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #27

...
So gut wie alles, was global an Technik genutzt wird, stammt aus dem Westen. Die Weltsprache ist Englisch. Überall werden die im Westen erstmals formulierten Menschenrechte im Munde geführt, wenn auch oft als Lippenbekenntnis. Die Regierungssysteme, die Rechtssysteme stammen - mit Ausnahme einiger islamischer Länder - weltweit aus dem Westen. Nicht nur in Form der freien Gesellschaft und des Rechtsstaats, sondern auch in Form des kommunistischen Gesellschaftsmodells, das schließlich im 19. Jahrhundert in Berlin und Paris, in Brüssel und London erdacht wurde; und nicht in Damaskus oder Peking.

Die nationalen und regionalen Kulturen bestehen heute weltweit fast durchweg in Modifikationen der westlichen Kultur.
...


Werter Zettel,
ich kann ihre Argumentation nicht nachvollziehen. Selbstverständlich hat Europa die Geschichte stark geprägt; aber das gilt auch für Ägypten oder Mesopotanien. Unser Gesellschaftsmodell ist, so interpretiere ich das jedenfalls, die berühmt-berüchtigte "FDGO". Deswegen ist der Kommunismus NICHT unser Gesellschaftsmodell - schon gar nicht der Kommunismus, wie er in Asien oder Südamerika existiert. Die "FDGO" gibt es nach meiner Ansicht in zwei Ausprägungen: das mitteleuropäische Modell und das Nordamerikanische Modell. Ein paar Ableger kann man gern dem einen oder anderen zuschlagen, Australien beispielsweise.

Ich interpretiere die Welt so, wie sie im "Kampf der Kulturen" geschildert wurde: die Welt ist aufgeteilt in fünf (oder, wenn man möchte: sechs) Kulturräume. Und zwischen diesen Kulturräumen gibt es eine Art natürlicher Konkurrenz, da die Kulturen so unterschiedlich sind, dass sie nicht gleichzeitig auf gleichem Raum existieren können. Eine Koexistenz wäre nur möglich, wenn der Austausch von Menschen und Ideen unterbunden würde. Da es diesen Austausch aber gibt, werden zwangsläufig einige dieser Kulturräume verschwinden (oder auf Reservatsgröße schrumpfen).

Und das wird nicht der Islam sein.

Solus Offline



Beiträge: 384

28.09.2012 16:11
#31 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #21
Und das soll gefährdet sein, wenn ein obskures Grüppchen daran gehindert wird, einen miesen Film zu zeigen?


Wer definiert, was mies genug ist, um nicht schutzwürdig zu sein?
Wenn, sagen wir einmal, einige linksradikale Grüppchen in Deutschland drohen würden, Autos und vielleicht auch Häuser anzuzünden, wenn Sarrazin ein neues Buch herausbringt - wo ist dann die Garantie, dass die Veröffentlichung nicht auch untersagt wird? Wie seine bisherigen Bücher nahezu durchweg in den Medien und von Seiten der Politik beurteilt worden sind, dürfte ihnen ja noch erinnerlich sein - mies trifft es da sehr gut. Ja, was spräche denn dann wirklich dagegen, das Buch einfach zu verbieten? Dass die Bedrohung im eigenen Land und damit im Zugriffsbereich unserer Polizei liegt? Und wer garantiert, dass die Polizei auch wirklich jede dieser Taten verhindern könnte? Das kann sie ja garnicht.
Das einzige was garantiert vor derartigem schützt, ist eine auf Grundsatz fußende Haltung. Slippery slope wird im allgemeinen ja als fallacy bezeichnet, als Fehlschluß. Nur hat es sich halt immer wieder erwiesen, dass sie zutreffender als Gesetzmäßigkeit zu bezeichnen wäre. Wenn wir den einen Feinden der Freiheit nachgeben, dann werden das auch die übrigen auszunutzen wissen. Und von denen haben wir auch in unserem eigenen Land nun wirklich mehr als genug.

C. Offline




Beiträge: 2.639

28.09.2012 16:48
#32 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #27
Manchmal kann es auch taktisch geschickt sein, "Schwäche" zu zeigen. Vermutlich sind die Plakate schon gemalt, die militants schon mobilisiert, die loslegen sollen, wenn der Film aufgeführt werden sollte. Die werden etwas bedröppelt dastehen, wenn das nicht passiert. (Ende der Argumentation im Sinn Randows)


(Beginn der Argumentation im Sinn Zettels)

Zitat von Zettel
Nur, weil Moslams krakeelen, weil einige gewalttätig sind? Das ist doch alles kein Problem für den Westen; angesichts unserer drückenden Überlegenheit in jedem Bereich.



So ist es. Sie werden mit und ohne Silbertablett einen Grund zu krakeelen und zur Gewalt finden.

Zitat von IRIB
Larijani prophezeite, dass der Westen in Zukunft das Ausmaß des Hasses der Muslime gegen sich spüren wird. Das islamisch-iranische Parlament warnt nochmals Amerika, den Westen und manchen westliche Länder, dieses dumme Verhalten abzulegen, solange es noch nicht zu spät ist.

Auch wenn immer noch kolportiert wird, dass der Tod des Botschafters ursächlich mit "Innoncence of Muslims" zusammenhängen, ist mittlerweile bewiesen, dass dem nicht so ist, aber das wusste ich schon bereits Stunden nach dem Anschlag.

Benghazi-Gate: New Evidence White House Lied About Libya Terror Attack

Zitat von Zettel
Es ist allerdings ein Problem für Israel; das ist das Einzige, was uns wirklich Sorgen machen muß. Wäre es das nicht (und läge nicht so viel Öl unter dem Boden islamischer Staaten), dann könnte uns dieser rückständige Teil der Welt gestohlen bleiben.


Nein, Sorgen machen nützt nichts. "Die besondere historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels ist Teil
der Staatsräson unseres Landes und muss es auch bleiben. Das heißt, die Sicherheit Israels darf, wie bisher, für eine deutsche Bundesregierung niemals verhandelbar sein." Im Sinne von Randows könnte diese Aussage auch kassiert werden, damit sich die Lage beruhigt, denn die Demonstranten haben standardmäßig "Tod Amerika, Tod Israel, Tod den Feinden des Islam" im Tornister.

Ich gebe mich auch nicht der Illusion hin, dass nach einer Eroberung Jerusalems die Expansionsgelüste der Ummah zu Ende sind und halte die Sicherheitslage in Deutschland und dem Rest der Welt für mehr als gefährdet ohne jetzt gleich panisch zu werden oder jemand beruhigen zu wollen.

Es ist nicht nur das Öl, sondern vor allem die durch den Ölverkauf erzielten Gewinne, die die für den Exportweltmeister die arabischen Länder so attraktiv und ihn auch gefügig machen.

Zitat von Handelsblatt
Die Wirtschaftsdelegation wurde geleitet von Jochen Homann, Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und setzte sich aus prominenten deutschen Firmen wie Siemens, Porsche und Hochtief zusammen. Darüber hinaus wurde der Bundespräsident von einer Reihe von mittelständischen- und Familienunternehmen begleitet: Herrenknecht, Mühldorfer, Haverkamp, Bauer, etc. Klein- und Mittelstandsunternehmen bilden das Rückgrat der export-orientierten deutschen Industrie und sind häufig Weltmarktführer ihrer Branche. Die meisten der mitgereisten Unternehmen führen bereits erfolgreich Geschäfte in der Region und nutzen die Gelegenheit um die Kooperationen zu vertiefen.


Zitat von Zentralrat der Muslime
Saudi-Arabien wird vom Westen nicht nur als Wirtschaftspartner, sondern auch als strategischer Partner geschätzt. Insgesamt hat Saudi-Arabien vergangenes Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als 6 Milliarden Euro alleine aus Deutschland importiert


http://islam.de/20494

Der Riesling gehört zu Deutschland.

FAB. Offline



Beiträge: 523

28.09.2012 16:57
#33 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Zettel
Das ist doch alles kein Problem für den Westen; angesichts unserer drückenden Überlegenheit in jedem Bereich.


Eine Illusion. Zwei wesentliche Faktoren bleiben ausgeblendet.
Zum einen sind keinerlei Anzeichen dafür erkennbar, daß der zügig ablaufende demographische Zusammenbruch der europäischen Völker noch abgewendet werden könnte. Zum anderen steht die komplette Garde unserer politischen "Elite" den kulturellen Grundlagen unserer Zivilisation entweder aktiv feindselig oder völlig gleichgültig gegenüber. Vielleicht nicht beim durchschnittlichen Mann auf der Straße, wohl aber bei dem Personal, das die entscheidenden Leitungsfunktionen besetzt, fehlt jeder Wille zur kollektiven Selbstbehauptung; stattdessen herrscht der Wunsch nach Zerstörung des Eigenen und/oder Unterwerfung unter das Fremde.

Daß eine von Selbsthaß zerfressene, im einfachsten Wortsinne sterbende Kultur als "überlegen" anzusehen sein soll, verwundert mich immer wieder.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.09.2012 19:31
#34 Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Lieber FAB.,

Zitat von FAB. im Beitrag #33

Zitat von Zettel
Das ist doch alles kein Problem für den Westen; angesichts unserer drückenden Überlegenheit in jedem Bereich.

Eine Illusion.


Nein, das ist keine Illusion. Ich beschreibe den Ist-Zustand. Er zeigt diese drückende Überlegenheit. Alle Kulturen der Welt sind in einem Maß verwestlicht, wie das allenfalls mit der Romanisierung der Mittelmeer- und anliegenden Kulturen zur Zeit des Römischen Reichs vergleichbar ist. Die jetzige Verwestlichung dürfte aber viel weiter gehen als die damalige Romanisierung, die oft nur die Oberschicht betraf.

Was sie ansprechen, lieber FAB., das ist nicht der Ist-Zustand, sondern eine Zukunft, wie Sie sie erwarten. Nur können wir nicht in die Zukunft sehen (in ZR gibt es dazu vielleicht demnächst einen Artikel).

Zitat von FAB. im Beitrag #33
Zum einen sind keinerlei Anzeichen dafür erkennbar, daß der zügig ablaufende demographische Zusammenbruch der europäischen Völker noch abgewendet werden könnte.

Unsere westliche Kultur umfaßt ja nicht nur Europa; zu ihr gehören auch die USA, Kanada, Australien, Israel. Dort sehe ich keine gravierenden demographischen Probleme. Die Trägerschaft der antiken Kultur ist nach Alexanders Scheitern allmählich von den Griechen auf die Römer übergegangen; warum nicht jetzt von den Europäern auf die Nordamerikaner, die Israelis, die Australier (die freilich im Wortsinn nur am Rande sind)?

Zweitens sehe ich ein demographisches Problem - das hat Thilo Sarrazin ja dargelegt -, aber ob es zu einem Zusammenbruch kommt, weiß niemand. Das Reproduktionsverhalten kann sich ändern; eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau ist möglich. Vor dreißig Jahren lagen die Geburtenziffern in vielen Ländern Europas noch über 2,0. Sie können auch wieder dahin zurückkehren.

Drittens ist die Trägerschaft einer Kultur nicht an bestimmte Individuen gebunden. Meme können unabhängig von Genen weitergegeben werden. Wenn Einwanderer sich assimilieren, dann übernehmen sie auch eine Kultur. Salman Rushdie ist ein Träger der britischen Kultur, nicht der seines Herkunftslandes Indien.
Zitat von FAB. im Beitrag #33
Daß eine von Selbsthaß zerfressene, im einfachsten Wortsinne sterbende Kultur als "überlegen" anzusehen sein soll, verwundert mich immer wieder.


Ich teile Ihren Pessimismus nicht, lieber FAB. Als 15jähriger habe ich mit Begeisterung Oswald Spengler gelesen, dann Nietzsche, und auch an den Untergang des Abendlandes geglaubt. Heute weiß ich - nachdem ich mit großem Gewinn Toynbee gelesen habe -, daß Kulturen sehr unterschiedliche Schicksale haben können.

Um unsere westliche Kultur ist mir überhaupt nicht bange. Diese ungeheure kulturelle Leistung, die uns seit der Renaissance und dann besonders der Aufklärung allen anderen Kulturen derart überlegen gemacht hat, daß wir buchstäblich zu Herren der Welt wurden, wird nicht verschwinden.

Sie wird sich modifizieren, wie anders. Aber es gibt ja gar keine Alternative.

Die Römer hatten Karthago als eine gleichwertige Kultur zum Gegner, bis sie es zerstörten. Zur westlichen Kultur gibt es heute überhaupt keine konkurrierende Kultur; und bestimmt nicht diese zurückgebliebenen, noch nicht einmal im 19. Jahrhundert angekommenen islamischen Länder, die eben nichts als ihr Öl haben - und freilich ihren youth bulge, der der Welt so viel Ärger macht.



Sie werden, wenn sie vorankommen, von uns lernen müssen; auch sie werden sich (weiter) verwestlichen. Gerade in Persien scheint das in vollem Gang zu sein; mit beispielsweise einer wachsenden Zahl weiblicher Studierender. Irgendwann ist die Gesellschaft so weit, daß sie diese atavistische Herrschaft der Mullahs abwerfen wird.

Überall, wo Gesellschaften sich modernisieren, geht die Bedeutung der Religion zurück. Das kann gar nicht anders sein, weil zur Modernität die soziale und auch geographische Mobilität gehört, die unbehinderte Kommunikation, die Freibeit des Denkens, die allein Kreativität ermöglicht. Wer da nicht mithält, der fällt eben immer weiter zurück.

Ebenso und aus denselben Gründen geht die Bedeutung der Ideologie zurück; wir erleben das jetzt in China und Vietnam. Vietnam macht jetzt dort weiter, wo es 1975 aufhören mußte. Der Iran wird, wenn er das Regime der Mullahs abgeschüttelt hat, dort weitermachen, wo er 1979 aufhören mußte.

Jetzt habe auch ich doch einen Blick in die Zukunft gewagt.

Herzlich, Zettel

Paul Offline




Beiträge: 1.285

29.09.2012 00:20
#35 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #17
Er beschreibt ein Dilemma, statt im Brustton der Gewißheit ein Rezept zu verkünden



Das ist richtig, genau das tut er. So sehe ich das auch.

Meine Frage ist nur: Hilft uns das wirklich weiter?

Meine Antwort ist: Nein.

Zusatzfrage: Warum tut er es dann? Dieses Dilemma kennen nun doch inzwischen alle schon.

F.Alfonzo Online



Beiträge: 2.292

29.09.2012 09:28
#36 RE: Zitat des Tages: "Gartenzwergvoltaire" Antworten

Lieber Zettel, auch wenn ich diesen Beitrag gut finde (wow, es gibt tatsaechlich einen Menschen, noch dazu Journalist, noch dazu, bitte Festhalten, ein Deutscher, der tatsaechlich abwaegt). Umso mehr muss ich ideologisch an das Thema rangehen.

Haben Sie sich mal ueber die juengere Geschichte von Malaysia (man koennte sagen: einem "toleranten" Shariah Staat) angeschaut? Der populaerste Oppositions-Politiker ist jahrelang im Knast verschimmelt, weil irgendjemand (man kann sich denken wo das Geruecht her kommt, aus Regierungskreisen) mal behauptet hat, er sei schwul.

Islamisten sind nicht mal in Shariah-Staaten kompromissbereit, wie man sieht. Und wir (oder Sie, D interessiert mich nicht mehr, lost cause) haben eine Regierung, die genau darauf einsteigt. Das ist die Regierung, die den Mann in Malaysia in den Knast gesteckt haette, damit's keine Probleme gibt.

Ich bin also (aus guten Gruenden) extrem in meiner Beurteilung. Deutsche die in arabischen Laendern (komischerweise gibt's in islamischen, asiatischen Laendern nie Probleme) wohnen sind selber schuld und nicht in der Politik der Bundesregierung zu beruecksichtigen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

29.09.2012 09:28
#37 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #34

Um unsere westliche Kultur ist mir überhaupt nicht bange. Diese ungeheure kulturelle Leistung, die uns seit der Renaissance und dann besonders der Aufklärung allen anderen Kulturen derart überlegen gemacht hat, daß wir buchstäblich zu Herren der Welt wurden, wird nicht verschwinden.

Sie wird sich modifizieren, wie anders. Aber es gibt ja gar keine Alternative.

Die westliche Kultur von heute in Europa wie ich sie interpretiere, lieber Zettel, ist das Ergebnis einer Wiederauferstehung. Sie ist ein Exportartikel und keine kontinentaleuropäische Erfolgsgeschichte. Die westliche Kultur ist angelsächsisch und ermangelt in Europa genau deshalb an der nötigen Wertschätzung durch die Europäer. Selbst die Zugehörigkeit zum Westen oder was ihn vor allem durch die Nato verbindet wird von Europapolitikern heute offen in Frage gestellt. Europa und der Kern der westlichen Zivilisation bewegen sich voneinander weg.
Amerika zieht sich aus Europa zurück und GB wird weggestoßen. Der Westen beginnt sich in dem Maß zu spalten wie Europas politische Zentralisierung eine Abkehr von der Gewaltenteilung anstrebt.
Die westliche Kultur, repräsentiert durch die USA, mag sich überlegen fühlen, Europa ist es nicht.
Es wird vorgeführt, erpresst und verhöhnt. Seine Stärke bestand immer nur in der Allianz mit den Amerikanern. Ihr Rückzug geht einher mit einem verstärkten Einfluss der Feinde des Westens, worauf Europa und auch Deutschland mit Appeasement reagiert. Gerade so wie gegenüber der Bedrohung durch Deutschland vor dem zweiten Weltkrieg.
Wäre Europa, oder Deutschland, so gefestigt in seinen Prinzipien und Zweifel unangebracht, würde es nicht über einen Film diskutieren den so gut wie niemand kennt und der in seiner Gotteslästerlichkeit wohl dem "Leben des Brian" kaum das Wasser wird reichen können.
Wer wie von Randow meint, einem völlig belanglosen Film die öffentliche Aufführung zu verwehren, hat einfach nur Angst vor der Gewaltbereitschaft von Extremisten. Diese Angst soll dann der Leitfaden für die Politik sein und als wäre dies nicht schon traurig genug, macht er sich noch mit seiner Bezeichnung "Gartenzwergvoltaire" über den aufgeklärten deutschen Bürger lustig, welcher sich wohl mal wieder anmaßt sein kleines Köpfchen mit Dingen zu belasten die er nicht durchblickt. Der Mord an Theo van Gogh wird so zu einer Strafe, die Mission des Mörders wird erfüllt. Von Randow wägt nicht ab, er relativiert solange bis aus Recht Unrecht und aus Unrecht, Recht wird.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

05.10.2012 10:22
#38 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #9
(...)
Die bisherige Diskussion zu diesem Thema wurde weitgehend von zwei Positionen beherrscht:

(A) Wir sollten Verständnis für die Gefühle von Moslems haben, nicht noch Öl ins Feuer gießen, als der Klügere nachgeben, "in vollem Bewusstsein eigener innerer Stärke und in Abwägung mit anderen schutzwürdigen Interessen der Rücksicht auf religiöse Gefühle Vorrang ... geben" (Ludwig Greven)

(B) Wir dürfen nicht zulassen, daß gewalttätige Fanatiker durch ihre Drohungen unsere Freiheit einschränken; gerade angesichts solcher Drohungen müssen wir Flagge zeigen und unsere westlichen Werte verteidigen.
(...)


Eine klare Argumentation für Position (B) führt Salman Rushdie im lesenswerten FAZ-Interview

Zitat von Rushdie
Keine Vorsicht! Es wird immer zu Respekt vor irgendwelchen Gefühlen geraten und zu Umsicht, noch einmal: Dies sind Codewörter für Angst. Wir sind in ganz wenigen Ländern auf der Welt privilegiert, sagen zu dürfen, was wir wollen. Es gibt nur wenige Länder auf der Welt, in denen wir dieses Geschenk haben. Wir müssen es wertschätzen.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

05.10.2012 20:21
#39 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat
Alle Kulturen der Welt sind in einem Maß verwestlicht, wie das allenfalls mit der Romanisierung der Mittelmeer- und anliegenden Kulturen zur Zeit des Römischen Reichs vergleichbar ist. Die jetzige Verwestlichung dürfte aber viel weiter gehen als die damalige Romanisierung, die oft nur die Oberschicht betraf.



Lieber Zettel,
das Beispiel der Romanisierung ist gut gewählt - denn es zeigt, dass auch eine kulturell hoffnungslos überlegene Kultur und Gesellschaft untergehen kann. Denn war ist anderes seit dem 4. Jahrhundert hier in Mitteleuropa geschehen? Von der ganzen Herrlichkeit des RÖmischen Reiches ist geblieben eine Vulgärform der Sprache in der Gallia und punktuell die lat. Literatur in den Klöstern bzw. im Umfeld der Kathedralkirchen - alles andere ist in der Völkerwanderung verschwunden.
Die Römer im Rheinland scheinen sich überwiegend in den Süden zurückgezogen zu haben, als der Ansturm und die Immigration der Germanen von der anderen Rheinseite nicht mehr zu stoppen war; die Romanen, die romanisierten Kelten udn Germanen, sind geblieben und langsam, aber sicher zur Minderheit unter germanischer Fremdherrschaft geworden. In Köln ist die lat. Sprache von dieser Bevölkerungsgruppe noch bis ins 7. Jahrhundert gesprochen worden - aber da war die Herrlichkeit des ach so überlegenen Römischen Reiches schon dahin. Die innerstädtische Bebauung verfällt, die Wasserversorgung, die Heizungssysteme, alle Einrichtungen der Hochkultur eh; im Prätorium setzt sich eine fränkische Kleinkönigsfamilie fest, bis das Prätorium in einem Erdbeben zerstört wird; in den Ruinen der römischen Steinbauten entstehen kleine Holz-Lehm-Hütten, in denen die neue germanische Bevölkerung haust und Subsistenzwirtschaft treibt.
Keine Kultur ist so überlegen, dass sie nicht innerlich verfallen und dem Ansturm einer primitiveren Kultur zum Opfer fallen könnte.
Gruß
Gansguoter

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2012 00:22
#40 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat von Gansguoter im Beitrag #39
Die Römer im Rheinland scheinen sich überwiegend in den Süden zurückgezogen zu haben, als der Ansturm und die Immigration der Germanen von der anderen Rheinseite nicht mehr zu stoppen war; die Romanen, die romanisierten Kelten udn Germanen, sind geblieben und langsam, aber sicher zur Minderheit unter germanischer Fremdherrschaft geworden. In Köln ist die lat. Sprache von dieser Bevölkerungsgruppe noch bis ins 7. Jahrhundert gesprochen worden - aber da war die Herrlichkeit des ach so überlegenen Römischen Reiches schon dahin. Die innerstädtische Bebauung verfällt, die Wasserversorgung, die Heizungssysteme, alle Einrichtungen der Hochkultur eh; im Prätorium setzt sich eine fränkische Kleinkönigsfamilie fest, bis das Prätorium in einem Erdbeben zerstört wird; in den Ruinen der römischen Steinbauten entstehen kleine Holz-Lehm-Hütten, in denen die neue germanische Bevölkerung haust und Subsistenzwirtschaft treibt.

Danke für diese interessanten Details, lieber Gansguoter.

Aber ist das nicht nur eine der vielen Facetten? Die römische Kultur hat in vielerlei Hinsicht eben doch das europäische Mittelalter geprägt; Sie könnten uns dazu sicher ebensoviele interessante Details berichten - vom "romanischen" Baustil über das Lateinische als Gelehrten- und Kirchensprache bis zur Scholastik, ohne die es nicht die Philosophie der Neuzeit hätte geben können. Vom römischen Recht (sehe ich das richtig, daß es vor allem im Kirchenrecht tradiert wurde?) bis hin zur Technik und zur staatlichen Organisation.

Die römische Kultur wurde in der mittelalterlichen "aufgehoben", um einmal den Doppelsinn von Hegels Begriff zu verwenden (der dritte trifft vielleicht weniger zu). In Frankreich mehr als in Deutschland, im Westen Deutschlands mehr als in seinem Osten. Sie ist untergegangen und doch in dieser Weise bestehen geblieben.
Zitat von Gansguoter im Beitrag #39
Keine Kultur ist so überlegen, dass sie nicht innerlich verfallen und dem Ansturm einer primitiveren Kultur zum Opfer fallen könnte.

Ja das stimmt. Aber Sie schreiben zu Recht "könnte". Es ist eines der möglichen Schicksale einer Kultur.

Ich habe schon geschrieben, daß ich als Jugendlicher Spengler nachgerade verfallen war (er hat mit seiner glänzenden Sprache und seinem Gestus des Verkünders auch etwas Verführendes, wie sein Vorbild Nietzsche), und daß ich dann von Toynbee gelernt habe, wie gekünstelt, wie nachgerade gewaltsam Spenglers Schema ist.

Es gibt viele mögliche Schicksale von Kulturen. Sie können radikal verschwinden wie diejenigen Süd- und Mittelamerikas. Sie können untergehen und dabei viel von ihrem Wissen, ihren Werten an andere weitergeben; so ist es der ägyptischen gegangen, die ja aber immerhin ein wenig länger existierte als bisher unsere abendländische Kultur. So ist es auch der griechisch-römischen Kultur gegangen, die sehr viel an die abendländische weitergegeben hat (so viel, daß manche beide ja als zwei Phasen einer einzigen Kultur sehen).

Und es gibt den Fall, daß eine Kultur viele Jahrtausende überlebt; wie die ägpytische, wie die chinesische. Es gibt darin Zeiten des Verfalls, aber auf sie folgen Zeiten einer neuen Blüte. Die chinesische Kultur schien Ende des 19. Jahrhunderts an ihrem Ende angekommen zu sein und ist jetzt wieder im Aufstieg begriffen; ebenso die indische.

Es kann unserer Kultur ebenso gehen, lieber Gansguater. Vielleicht hat sie noch etliche Jahrtausende vor sich. Es kann auch mit ihr zu Ende gehen. Wir wissen es nicht.



Wenn ich wetten sollte, dannn würde ich auf den baldigen Untergang der islamischen Kultur wetten, die derart weit zurückliegt und die so wenig dafür gewappnet ist, den Sprung in die Moderne zu schaffen, daß es ihr gut so gehen könnte wie der Maya- oder der Inkakultur.

Es gibt jetzt eine Scheinblüte durch den Ölreichtum. Aber kein arabisches Land hat bisher auch nur den Einstieg in die Industrialisierung geschafft. Die Gesellschaftsstrukturen sind veraltet und unfähig, eine moderne Kommunikationsgesellschaft zu tragen. Das Denken ist von Fatalismus auf der einen und Fanatismus auf der anderen Seite geprägt.

Das gilt jedenfalls für die arabischen Länder. Nichtarabische islamische Länder sehe ich positiver - die Türkei ist auf dem Weg in die Moderne; natürlich, weil Kemal Pascha sie dorthin geprügelt hat. Pakistan hat den Vorteil der britischen Tradition, das multikulturelle Indonesien und das halbchinesische Malaysia sind Sonderfälle.

Aber da ist ein anderes Thema.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.10.2012 11:55
#41 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat von Gansguoter im Beitrag #39
Die innerstädtische Bebauung verfällt, die Wasserversorgung, die Heizungssysteme, alle Einrichtungen der Hochkultur eh; ... in den Ruinen der römischen Steinbauten entstehen kleine Holz-Lehm-Hütten, in denen die neue germanische Bevölkerung haust und Subsistenzwirtschaft treibt.
Keine Kultur ist so überlegen, dass sie nicht innerlich verfallen und dem Ansturm einer primitiveren Kultur zum Opfer fallen könnte.

Lieber Gansquoter, das ist das seit der Renaissance übliche Bild vom Kulturverfall der Völkerwanderungszeit. Und das ist eigentlich längst veraltet und bechreibt die Lage wohl ganz falsch.

Die römische Form der Kultur beruht auf zwei wesentlichen Voraussetzungen: Einer ausgefeilten Ausbeutungsstruktur und auf dem antiken Klima-Optimum.
Die Ausbeutung in Form von Sklaverei und tief gestaffelten gesellschaftlichen Hierarchien war die Voraussetzung, daß eine ganz kleine städtische Oberschicht sich ein Leben in Steinpalästen mit Heizung und Wasser leisten konnte. Diese Lebensform war nur möglich, weil außerhalb der Städte große landwirtschaftliche Güter die nötigen Ressourcen bereit gestellt und in die Stadt geliefert haben. Außerdem brauchte jeder Nutznießer dieses Luxus eine Anzahl von Haussklaven, die den Palast bewirtschafteten.
Und das Klima-Optimum sorgte dafür, daß selbst im rauen Germanien noch genug landwirtschaftlicher Ertrag produziert werden konnte, daß alle diese Leute ernährt wurden.

Beide Voraussetzungen fielen in der Spätantike weg. Die gesellschaftlichen Strukturen wurden so lange in Richtung noch mehr Ausbeutung übersteigert, bis sie nicht mehr lebensfähig waren. Ähnliches erleben wir derzeit mit dem modernen "Sozialstaat".

Und das antike Klima-Optimum wurde abgelöst durch eine Kaltzeit, die die ganze Völkerwanderungszeit hindurch anhielt und die landwirtschaftliche Produktion drastisch schmälerte.
(Das haben die IPCC-Fans bis heute nicht verstanden: Kaltzeiten sind sind das Problem, nicht Erwärmung).

Die römischen Steinbauten sind nicht verfallen, weil die Germanen zu doof waren, sie zu bewohnen. Sondern weil sie ökonomisch nicht mehr zu halten waren.

Die Lebensform des germanischen Frühmittelalters mit Eigenversorgung und gut zu heizenden Holz-Lehm-Bauten war schlicht die besser an die Realität dieser Zeit angepaßte und hat sich deswegen durchgesetzt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2012 13:08
#42 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #41
Lieber Gansquoter, ...

Vielen Dank, lieber R.A., für diesen Beitrag voller interessanter Einsichten.

Herzlich, Zettel

kleinklein Offline



Beiträge: 38

07.10.2012 13:40
#43 "Brilliante Intelligenz" Antworten

Was ich von Herrn Randow zu halten habe - nämlich nichts (freundlich ausgedrückt) - weiß ich seit ich dieses Plädoyer http://www.zeit.de/2011/18/Tunesien-Europa für einen EU-Beitritts Tunesiens von ihm gelesen habe.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

07.10.2012 14:14
#44 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #42
Zitat von R.A. im Beitrag #41
Lieber Gansquoter, ...

Vielen Dank, lieber R.A., für diesen Beitrag voller interessanter Einsichten.

Dem möchte ich mich anschließen, sehr interessante Einsicht. So hab ich das noch gar nicht betrachtet, sehr einleuchtend und logisch.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Lalelu Offline



Beiträge: 142

07.10.2012 14:14
#45 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #40

Wenn ich wetten sollte, dannn würde ich auf den baldigen Untergang der islamischen Kultur wetten, die derart weit zurückliegt und die so wenig dafür gewappnet ist, den Sprung in die Moderne zu schaffen, daß es ihr gut so gehen könnte wie der Maya- oder der Inkakultur.

Es gibt jetzt eine Scheinblüte durch den Ölreichtum. Aber kein arabisches Land hat bisher auch nur den Einstieg in die Industrialisierung geschafft. Die Gesellschaftsstrukturen sind veraltet und unfähig, eine moderne Kommunikationsgesellschaft zu tragen. Das Denken ist von Fatalismus auf der einen und Fanatismus auf der anderen Seite geprägt.

Das gilt jedenfalls für die arabischen Länder.


Auf welche Art und Weise könnte oder sollte es zu diesem Untergang kommen? Das erscheint mir völlig unvorstellbar.
Es gibt so viele Menschen wie nie zuvor in der Weltgeschichte, die die arabisch-islamischen Kultur leben. Mit immer noch sehr hohen Geburtenraten.
Das ist doch das beste Fundament für ein sicheres Überleben der Kultur.

---

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

07.10.2012 16:45
#46 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat
Lieber Gansquoter, das ist das seit der Renaissance übliche Bild vom Kulturverfall der Völkerwanderungszeit. Und das ist eigentlich längst veraltet und bechreibt die Lage wohl ganz falsch.



Lieber R.A.,

ich würde sagen: Die Kritik am Bild vom Kulturverfall, die dazu geführt hat, nicht vom "Ende", sondern von der "Transformation" der römischen Welt zu sprechen, ist ihrerseits in letzter Zeit wieder überholt worden. Aus Sicht der Archäologie enpfehle ich:

Bryan Ward-Perkins: The Fall of Rome and the Ende of Civilization. Oxford UP 2005

Beispielsweise erklärt Ihre Theorie der römischen Gesellschaft als Ausbeutergesellschaft nicht den Qualitätsverfall bei den Töpferwaren im Vergleich der qualitätvollen römischen und der primitiven angelsächsischen Töpfereierzeugnisse.

Der Untergang des Röm. Reiches, seiner Kultur und Wirtschaft ist nicht zu trennen von der Zerstörung der Grundlagen der Kultur durch die angreifenden Germanen. Gerade unter den Bedingungen eines sich verschlechternden Klimas wären selbst einfache Steinbauten besser als primitive Lehmhütten.

Es sind übrigens nicht nur die Angehörigen der kleinen Schicht der "Ausbeuter", die in Steinhäusern (Sie schreiben: "Palästen") lebten, sondern die gesamte städtische Bevölkerung lebte in Steinhäusern. Auch kleine landwirtschaftliche Anwesen waren aus Stein errichtet. In der tiefen italischen Provinz waren röimsche Bauern offenbar in der Lage zu lesen und zu schreiben - das wenigstens ist aus der Tatsache zu schließen, dass man dort Schreibgriffel gefunden hat.

Gegen die These "KLimawandel + AUfhebung der Sklavenhaltergesellschaft" spricht weiterhin, dass zum Beispiel im Umlang von Rom das dichte Netz von Bauernhöfen in der Spätantike plötzlich verschwindet - es bleiben einige wenige Kleinstädte übrig, und es erscheinen neu befestigte Posten. Offensichtlich ist das platte Land bis nach Rom hinunter dem Einfall irgendwelcher Plünderer ausgesetzt, was den Niedergang des LAndes zur Folge hat.

Zettel Offline




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07.10.2012 17:43
#47 RE: "Brilliante Intelligenz" Antworten

Zitat von kleinklein im Beitrag #43
Was ich von Herrn Randow zu halten habe - nämlich nichts (freundlich ausgedrückt) - weiß ich seit ich dieses Plädoyer http://www.zeit.de/2011/18/Tunesien-Europa für einen EU-Beitritts Tunesiens von ihm gelesen habe.

Ja, das war eine Schnapsidee. Aber ich würde daraus, lieber kleinklein, nicht gleich auf den Autoren schließen. Ich habe viele gute Artikel von ihm gelesen und einige auch zitiert, zum Beispiel damals Ende 2010 über die Lage in Tunesien und kürzlich über Hollande und seine politischen Pläne.

Außerdem kennt sich Gero von Randow aus seiner Zeit als Wissenschaftsjournalist wirklich gut in Wissenschaftstheorie und Grenzgebieten zwischen Naturwissenschaften und Philosophie aus; davon habe ich mich überzeugt.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.10.2012 18:07
#48 Der Untergang des Morgenlandes ;-) Antworten

Zitat von Lalelu im Beitrag #45
Es gibt so viele Menschen wie nie zuvor in der Weltgeschichte, die die arabisch-islamischen Kultur leben. Mit immer noch sehr hohen Geburtenraten. Das ist doch das beste Fundament für ein sicheres Überleben der Kultur.

Der Untergang einer Kultur, lieber Lalelu, ist ja nicht gleichbeutend mit dem Verschwinden einer Bevölkerung. Die Kulturen der Inkas und Mayas sind untergegangen, aber nicht die Indios Süd- und Mittelamerikas.

Lassen Sie mich versuchen, es allgemein zu beleuchten, so wie ich es sehe.



Seit dem beginnenden Kolonialismus im 18. Jahrhundert hat sich die abendländische Kultur über alle Teile der Welt ausgebreitet. Viele Weltgegenden wurden kolonisiert - ganz Nord-, Mittel- und Südamerika, große Teile Afrikas, ganz Australien und ein großer Teil Ozeaniens, große Teile Asiens.

Nicht kolonisiert wurden von den alten Kulturnationen China, Japan und das Osmanische Reich, das freilich selbst in der Rolle eines Kolonialherren war, wie auch das Zarenreich.

Die Frage ist nun, wieweit die alten Kulturen sich gegen die übermächtige abendländische Kultur behaupten konnten. Die Indianerkulturen konnten es gar nicht; sie gingen alle unter (waren zum Teil allerdings schon vor Ankunft der Europäer im Abstieg begriffen gewesen). Die meisten afrikanischen Kulturen und die Kultur der Aborigines in Australien traf dasselbe Schicksal.

In einigen Gebieten haben sich Mischkulturen gebildet, vielleicht vergleichar der römisch-germanischen: In Indien, in Pakistan, in Indonesien und den Ländern Indochinas zum Beispiel.

Japan und China haben große Teile der abendländischen Kultur übernommen und zugleich ihre eigene Kultur bewahrt; es entstehen da interessante Mischformen. Dasselbe gilt für die Türkei und Persien bis zum Sturz des letzten Schahs. das waren und sind Länder, die bewußt - und im Fall Chinas und Persiens mit brutalen Mitteln - sich modernisiert haben, ohne daß Kolonialherren das betrieben hätten, und vor allem ohne ihre kulturelle Identität aufzugeben.



Und dann gibt es eben den Sonderfall Arabien (siehe die Serie Arabiens Misere). Von den Türken kolonisiert und dadurch unterentwickelt geblieben, von Mandatsmächten verwaltet, aber nicht durch Kolonisierung vorangebracht; teils vom Ölreichtum profitierend, mit einem gewaltigen youth bulge - eine steckengebliebene Kultur; eine, die wie keine andere den Anschluß an die Globalisierung verpaßt hat.

Es fehlt dieser Kultur jede Dynamik; dieser Wille zur Modernisierung und zum Vorankommen, wie er überall sonst in Asien, wie er in Südamerika und zunehmend auch in Afrika festzustellen ist. Ihre Dynamik beschränkt sich sozusagen auf die Gewalttaten von Kriminellen.

Wie soll das enden? Solange das Öl fließt, kann man Arabiens Misere kaschieren. Wenn es damit vorbei ist, dann wird diese Kultur an ihrer schieren Armut zugrundegehen; in Kämpfen von Warlords, zwischen Konfessionen und Räuberbanden versinken. Vorboten einer solchen Entwicklung waren im Irak, in Libyen, sind jetzt in Syrien zu besichtigen.

Helfen könnten vermutlich nur entschlossene Modernisierer wie Atatürk. Aber ich sehe nicht, daß so jemand heute eine Chance hätte. Die wahrscheinlichste Entwicklung ist aus meiner Sicht das, was Oswald Spengler die Fellachisierung genannt hat. Der Staat zerfällt. Übrig bleibt eine zunehmend ungebildete, in Armut und ständigen Kriegen lebende Bevölkerung. Somalia könnte das Vorbild sein.

Herzlich, Zettel

Thanatos Offline



Beiträge: 232

07.10.2012 23:23
#49 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #27

Zitat von ratloser im Beitrag #23
Sind unsere "Werte" überlegen? Nach Ansicht der Mehrheit der Muslime definitiv nicht. Ist unsere "Kultur" überlegen? Nach meiner Ansicht ist sie gegenüber dem Islam evolutionär tendenziell unterlegen, zumindest in der derzeitigen Fasson.

Aber hallo, lieber ratloser!

So gut wie alles, was global an Technik genutzt wird, stammt aus dem Westen. Die Weltsprache ist Englisch. Überall werden die im Westen erstmals formulierten Menschenrechte im Munde geführt, wenn auch oft als Lippenbekenntnis. Die Regierungssysteme, die Rechtssysteme stammen - mit Ausnahme einiger islamischer Länder - weltweit aus dem Westen.


Lieber Zettel, hier manifestiert sich der eklatante Widerspruch, den wir im Verhalten des Westens heute beobachten und über den hier diskutiert wird. Nominell ist tatsächlich die ganze Welt von westlicher Kultur dominiert, unsere Werte sind ganz offensichtlich denen anderer Kulturen überlegen. Im Bewußtsein genau dieser westlichen Superiorität, mit dem Sendungsbewußtseins sowohl des christlichen Missionseifers wie des Eifers der Aufklärung an sich sind die Nationen des Abendlandes ausgezogen, um die (nach damaliger Ansicht!) beste und überlegene Kultur in den letzten Winkel der Erde zu bringen. Zu diesem Zweck hat man Afrika kolonisiert, um - neben allen wirtschaftlichen Aspekten - den "Wilden"(!) die Kultur zu bringen - und man hat das in beachtlicher Weise auch geschafft.

Die Frage ist, ob dieses Selbstbewußtsein in unserer Kultur noch heute so vorhanden ist wie vor 100 Jahren - und die Antwort ist ein radikales NEIN.

Es hat ein vollständiger Paradigmenwechsel stattgefunden! Jeder Akademiker weiß das doch aus allererster Hand, unsere Studenten seit Generationen kriegen es eingebläut: eine "überlegene" Kultur kann und darf es nicht geben, alle derartigen Vergleiche sind rassistisch, die Verbrechen des Westens an den Kulturvölkern anderer Kontinente sind Legion, der Westen ist gerade mit seiner Kolonisierung der Schuldige für alle Mißstände in den Problemzonen dieser Erde. Im Gegensatz dazu sind jegliche einheimischen Kulturen stets als die jeweils friedlicheren, funktionaleren, erstrebens- und bewahrenswerteren Kulturen zu betrachten.

Alles andere wird heute als Rassismus gesehen. Wann immer es irgendwo Probleme gibt, hat stets der Westen seine Kultur zu hinterfragen! DAS ist seit 40 Jahren Stand der Dinge!

Zitat von Zettel im Beitrag #27

Ich schreibe das, seit es ZR und dieses Forum gibt: Ich kann diesen westlichen Kleinmut gegenüber einer zurückgebliebenen Kultur, getragen von einer für die Moderne überhaupt nicht gerüsteten Religion, praktiziert in noch kaum industrialisierten, überhaupt nicht wettbewerbsfähigen Staaten, nicht nachvollziehen.

Nur, weil Moslams krakeelen, weil einige gewalttätig sind? Das ist doch alles kein Problem für den Westen; angesichts unserer drückenden Überlegenheit in jedem Bereich.


Sie sprechen von "Kleinmut", aber das ist zu wenig, um den extremen Paradigmenwechsel zu kennzeichnen, der zu beobachten ist. Andere Foristen sprechen von "Selbstaufgabe" bis hin zum Selbsthaß, und das trifft eher den Kern der Sache.

Nein, wirklich! - nominell gesehen, müßte sich der Westen um krakeelende Moslems nicht den Deut scheren - die Realität aber sieht gaaanz anders aus. Die erste Voraussetzung, um dem Problem "Islamkultur" aus dem Weg zu gehen, wäre eine weiter existierende räumliche Trennung zwischen der westlich und der islamisch geprägten Population - Moslems hie, Juden/Christen da. Dann gäbe es kein Problem.

Seit aber in allen westlichen Territorien SEHR signifikante Zahlen an moslemischen Einwanderern existieren, die sich zum großen Teil ihre Parallelgesellschaften und Parallelstrukturen erfolgreich etabliert haben (bis hin zur Justiz!), sieht die Lage böse aus. Es ist wie beim Schachspiel: der Gegner hat "Schach" geboten, und wir können nichts dazwischensetzen.

Die Muslime können die Lage bei jedem Anlaß beliebig eskalieren lassen. Die Politik besitzt keinerlei Mittel mehr, einer eventuellen Erpressung Einhalt zu gebieten. Massenaufstände wütender Muslime sind in unserem politischen Klima nicht verkraftbar, also bleibt nur der Kuschelkurs - der Kurs des stetigen Nachgebens, des stetigen Raumgewinns der angeblich so unterlegenen Kultur. Unsere Polizei ist machtlos, unsere Justiz ist völlig machtlos, unser Bildungssystem geht in die Knie - und von aller westlichen Überlegenheit ist schlichtweg NICHTS übriggeblieben.

Der Westen weigert sich, sich als überlegen zu betrachten und sich auch so zu verhalten. Der Westen agiert nach einem surrelaen Wunschbild, wann immer es um die Probleme des Islam geht: man lese nur die Stories über den "arabischen Frühling" oder aktuell über Syrien. Wer sich selbst so blendet und dazu noch so ölabhängig ist, der hat seine Überlegenheit völlig weggeschenkt. So liegen die Dinge anno 2012, und es sieht nicht nach einem Sinneswandel aus.

Zwei Ausnahmen gibt es, und das sind Israel und die USA.

Dazu noch meine Erklärung, warum das so ist. M.E. ist der Kern jeglicher "Kultur" immer Religion, immer der identitätsstiftende Glaube. Wo diese kulturbildende Religion stark ist, ist auch die Kultur, die ganze Gesellschaft stark. Die Amis sind bekanntlich zu 80% religiös, und Israel ist mehrheitlich von frommen Juden bestimmt. Das Gegenteil trifft auf den übrigen Westen zu. (Ich weiß, daß diese Erklärung für areligiöse Menschen unbefriedigend ist).

MfG

Thanatos

--

Unmögliches erledigen wir sofort.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

08.10.2012 01:03
#50 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Thanatos im Beitrag #49

Dazu noch meine Erklärung, warum das so ist. M.E. ist der Kern jeglicher "Kultur" immer Religion, immer der identitätsstiftende Glaube. Wo diese kulturbildende Religion stark ist, ist auch die Kultur, die ganze Gesellschaft stark. Die Amis sind bekanntlich zu 80% religiös, und Israel ist mehrheitlich von frommen Juden bestimmt. Das Gegenteil trifft auf den übrigen Westen zu. (Ich weiß, daß diese Erklärung für areligiöse Menschen unbefriedigend ist).

Ich stimme Ihnen im Prinzip zu, nur besteht der Kern einer Kultur nicht nur aus Religion. Und wenn doch, reicht dies, wie die arabische Welt ja sehr anschaulich verdeutlicht, für eine allgemeine gesellschaftliche Zivilisiertheit nicht aus. Es braucht mehr als verbindende Religion und Werte.
Es braucht die Freiheit. Und diese wird in Amerika und Israel konsequent verteidigt. Der Stellenwert der Freiheit, als ein Kern der westlichen Kultur welcher anderen Kulturen fehlt, bemisst sich deshalb an der Stärke ihrer Verteidigung.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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