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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 57 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.253

08.10.2012 03:07
#51 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Thanatos im Beitrag #49
Die Amis sind bekanntlich zu 80% religiös, und Israel ist mehrheitlich von frommen Juden bestimmt.

Diese Behauptung, ich mag es mal so nennen, können Sie sicher belegen. Amerikaner sind höfliche Menschen, weshalb sie nicht nur nichts gegen den Glauben sagen, sondern in der Regel öffentlich bekunden, gläubig zu sein und regelmäßig Gottesdienste zu besuchen. Allein die Realität sieht meines Wissens anders aus. Sollten Sie wie gesagt Zahlen haben, die meiner Einschätzung widersprechen, lasse ich mich gerne überzeugen.

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

08.10.2012 09:36
#52 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat
Die Politik besitzt keinerlei Mittel mehr, einer eventuellen Erpressung Einhalt zu gebieten. Massenaufstände wütender Muslime sind in unserem politischen Klima nicht verkraftbar, also bleibt nur der Kuschelkurs - der Kurs des stetigen Nachgebens, des stetigen Raumgewinns der angeblich so unterlegenen Kultur. Unsere Polizei ist machtlos, unsere Justiz ist völlig machtlos, unser Bildungssystem geht in die Knie - und von aller westlichen Überlegenheit ist schlichtweg NICHTS übriggeblieben.



Und ist es das - mutatis mutandis - nicht auch, was zum Ende des Römischen Reiches geführt hat? Als man die Germanen an der Rheingrenze nicht mehr abwehren mochte, hat man sie gezielt ins Land geholt und irgendwo in der Gallia angesiedelt. Ja, die Germanen, die möchten eben auch an unserer überlegenen Kultur teilhaben, so hat man sich gedacht. Und während gleichzeitig die Steuereinnahmen des Römischen Reiches sanken (auch deswegen, weil die Germanen im Röm. Reich ebensolche zu zahlen sich weigerten), die BEreitschaft zum MIlitärdienst abnahm etc., stiegen gleichzeitig die ersten Germanen in der (Militär-)Verwaltung auf. Und gleichzeitig wurde das Militär immer machtloser gegenüber den nächsten Plünderern vom rechten Rheinufer, und irgendwann wars halt dahin mit der Herrlichkeit.

Thanatos Offline



Beiträge: 232

08.10.2012 10:47
#53 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #50
Zitat von Thanatos im Beitrag #49

Dazu noch meine Erklärung, warum das so ist. M.E. ist der Kern jeglicher "Kultur" immer Religion, immer der identitätsstiftende Glaube. Wo diese kulturbildende Religion stark ist, ist auch die Kultur, die ganze Gesellschaft stark. Die Amis sind bekanntlich zu 80% religiös, und Israel ist mehrheitlich von frommen Juden bestimmt. Das Gegenteil trifft auf den übrigen Westen zu. (Ich weiß, daß diese Erklärung für areligiöse Menschen unbefriedigend ist).

Ich stimme Ihnen im Prinzip zu, nur besteht der Kern einer Kultur nicht nur aus Religion. Und wenn doch, reicht dies, wie die arabische Welt ja sehr anschaulich verdeutlicht, für eine allgemeine gesellschaftliche Zivilisiertheit nicht aus. Es braucht mehr als verbindende Religion und Werte.
Es braucht die Freiheit.


Die Frage nach der Freiheit ist richtig, und dennoch erwächst der Umgang einer Kultur bzw. die Haltung ggüber der Freiheit doch wieder nur aus der zugrundeliegenden Religion. Individuelle Freiheit ist ein Produkt der christlichen Religion (will ich nicht näher ausführen), und der Islam als Religion und Gesellschaftssystem produziert massivste Unfreiheit.

Es kommt also nicht nur auf den Durchdringungsgrad mit (religiöser) Kultur an sich an, sondern gleichzeitig auf die Inhalte. Das gilt ebenso für die Zivilisiertheit. Die arabische Welt erscheint uns nicht zivilisiert, weil deren Werte zwar auf tiefer Religiosität, aber auf einer dem Christentum entgegengesetzten Religiosität beruhen. Ebenso ist es mit der Justiz. Im Endeffekt ist dort die Etablierung eines demokratischen Rechtsstaates eben nicht möglich - was aber nicht den Islam an sich in seiner Eroberungs- und Beherrschungsmentalität schwächt.

MfG

Thanatos

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Thanatos Offline



Beiträge: 232

08.10.2012 11:07
#54 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Gansguoter im Beitrag #52

Zitat
Die Politik besitzt keinerlei Mittel mehr, einer eventuellen Erpressung Einhalt zu gebieten. Massenaufstände wütender Muslime sind in unserem politischen Klima nicht verkraftbar, also bleibt nur der Kuschelkurs - der Kurs des stetigen Nachgebens, des stetigen Raumgewinns der angeblich so unterlegenen Kultur. Unsere Polizei ist machtlos, unsere Justiz ist völlig machtlos, unser Bildungssystem geht in die Knie - und von aller westlichen Überlegenheit ist schlichtweg NICHTS übriggeblieben.


Und ist es das - mutatis mutandis - nicht auch, was zum Ende des Römischen Reiches geführt hat? Als man die Germanen an der Rheingrenze nicht mehr abwehren mochte, hat man sie gezielt ins Land geholt und irgendwo in der Gallia angesiedelt. Ja, die Germanen, die möchten eben auch an unserer überlegenen Kultur teilhaben, so hat man sich gedacht.



Ganz sicher lassen sich eine Menge Parallelen ziehen. Vermutlich hat man auch gehofft, daß die in die römische Zivilisation übernommenen "Migranten" sich integrieren und zu echten Römern werden würden. Man hat unterschätzt, welche Beharrungskraft die Stammesidentität der Germanen hatte und man hat sich ebenso getäuscht in der Frage der Loyalität der neuen Mitbürger.

Man muß aber bei Rom wohl auch die Rolle des sich ausbreitenden Christentums sehen, das die Identität der römischen Kultur schritttweise von innen untergrub. Gerne bringe ich auch wieder den Begriff der Dekadenz ins Spiel, ohne den man wohl ebenfalls hier nicht auskommt. Es ist durchaus ein weites Feld.

In bezug auf den Diskussionsgegenstand Überlegenheit/Unterlegenheit verschiedener Kulturen scheint mir die Bewertung des ehemaligen Abendlandes doch sehr ungewiß, wenn man auch sicherlich die Zukunft nicht vorhersagen kann.

In der Gegenwart sehe ich allerdings eine beeindruckende Dynamik des fundamentalen Islam in fast allen Erdteilen, dagegen eine verheerende Dekadenz und Erosion der westlichen Kultur. Eben die Selbstaufgabe.

MfG

Thanatos

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.10.2012 11:55
#55 RE: Die Überlegenheit unserer westlichen Kultur Antworten

Zitat von Gansguoter im Beitrag #46
Die Kritik am Bild vom Kulturverfall, die dazu geführt hat, nicht vom "Ende", sondern von der "Transformation" der römischen Welt zu sprechen, ist ihrerseits in letzter Zeit wieder überholt worden.

"Transformation" wäre mir auch zu beschönigend. Denn selbstverständlich sind die Verhältnisse schlechter geworden - wegen der deutlich reduzierten ökonomischen Basis. Auch ohne germanische Invasion hätten sich die Römer ihren Lebensstil schlicht nicht mehr leisten können. Man muß halt erst einmal einen ordentlichen landwirtschaftlichen Überschuß erwirtschaften, um sich spezialisierte Töpfer etc. leisten zu können.

Der faire Vergleich ist also nicht der zwischen der Hochantike und der Völkerwanderungszeit, sondern der zwischen Hochantike und Hochmittelalter (als das nächste Klima-Optimum kam).
Ich habe recht wenig Ahnung von Töpferei. Aber bei anderen Handwerken und Künsten muß sich das Hochmittelalter nicht verstecken.

Zitat
Der Untergang des Röm. Reiches, seiner Kultur und Wirtschaft ist nicht zu trennen von der Zerstörung der Grundlagen der Kultur durch die angreifenden Germanen.


Die angreifenden Germanen konnten erst Erfolg haben, als das römische Reich wegen seines ökonomischen Niedergangs nicht mehr wirklich lebensfähig war. Die Germanen haben diese Kultur nicht zerstört, sondern diese übernommen, wo diese noch ökonomisch lebensfähig war (also in Spanien und Italien). Auch die Franken, Angelsachsen und Alemannen hätten sich liebend gerne als Oberschicht über einer noch halbwegs produktiven römischen Gesellschaft etabliert wie ihre Kollegen von den Goten, Vandalen oder Langobarden. Aber in Britannien, Germanien und Nordgallien war das römische Wirtschaftsmodell nicht mehr lebensfähig.

Zitat
Gerade unter den Bedingungen eines sich verschlechternden Klimas wären selbst einfache Steinbauten besser als primitive Lehmhütten.


M. W. verbraucht ein Steinbau viel mehr Heizmaterial als eine ordentlich gemachte Fachwerkkonstruktion mit Holz und Lehm.
Man sieht das doch sehr schön am Verhalten der unterschiedlichen Germanenstämme: Im kalten Norden meiden sie die römischen Steinbauten, im wärmeren Süden übernehmen sie diese recht gerne.

Zitat
Es sind übrigens nicht nur die Angehörigen der kleinen Schicht der "Ausbeuter", die in Steinhäusern (Sie schreiben: "Palästen") lebten


Richtig. Ich schreibe "Paläste" bei der Oberschicht. Das sind nämlich die Bauten mit aufwendigen Heizsystemen, Bädern und anderen kulturellen Errungenschaften. Die halt allesamt nicht mehr haltbar waren.
Die übrige städtische Bevölkerung lebte zwar auch in Steinbauten, aber weit schlichter.

Zitat
Gegen die These "KLimawandel + AUfhebung der Sklavenhaltergesellschaft" spricht weiterhin, dass zum Beispiel im Umlang von Rom das dichte Netz von Bauernhöfen in der Spätantike plötzlich verschwindet ...


Das ist kein Gegenbeleg. In Italien und Spanien waren ein paar Grad kühleres Klima nicht so gravierend - das hat wahrscheinlich nur die Weinqualität verschlechtert. Aber die nördlichen Provinzen haben das ganz anders gespürt.

Zitat
Offensichtlich ist das platte Land bis nach Rom hinunter dem Einfall irgendwelcher Plünderer ausgesetzt ...


Ja, aber das war dann einige Zeit NACHDEM die Rheingrenze gefallen war. Wobei diese Plünderer nicht direkt die landwirtschaftliche Produktion kaputt gemacht haben. Aber der Zusammenbruch der staatlichen Ordnung führte dazu, daß Rom nicht mehr die Sklavenarmeen unter Kontrolle halten konnte, die alle diese Bauernhöfe bewirtschafteten. Die Kleinstadtbewohner mußten also wieder lernen, selber die Äcker im Umland anzubauen.

Zitat

Zitat
Unsere Polizei ist machtlos, unsere Justiz ist völlig machtlos, unser Bildungssystem geht in die Knie - und von aller westlichen Überlegenheit ist schlichtweg NICHTS übriggeblieben.


Und ist es das - mutatis mutandis - nicht auch, was zum Ende des Römischen Reiches geführt hat?



Überhaupt nicht!
Das wesentliche Ziel der Germanenstämme war es, Teil des römischen Reichs zu werden! Sie wollten ins gelobte Land, sich dort mit römischen Bürgerrechten ansiedeln, ihre Anführer wollten römische Titel und Ämter. Selbst nach dem völligen Zusammenbruch Westroms sahen sich alle Germanenreiche als Nachfolgestaaten in römischer Tradition.

Zitat
Als man die Germanen an der Rheingrenze nicht mehr abwehren mochte, hat man sie gezielt ins Land geholt und irgendwo in der Gallia angesiedelt.


Und das hat prima funktioniert. Sind alles brave Römer geworden, haben ihre Steuern bezahlt und die Grenze gegen andere Germanen verteidigt.
Der Limes ist NICHT gefallen, weil die germanischen Legionen sie nicht verteidigt hätten. Sondern weil sie abgezogen wurden, um inner-römische Machtkämpfe auszutragen.

Zitat
auch deswegen, weil die Germanen im Röm. Reich ebensolche zu zahlen sich weigerten


Aber nein, die haben sehr wohl bezahlt. Wer nicht zahlte, das war der alteingesessene Landadel mit seinen Latifundien.

Die Integration der Germanen ins römische Reich hat lange Zeit gut funktioniert.
Bis die Oströmer die Goten über die Grenze ließen, sie aber nicht in bewährter Weise ansiedelten, sondern sie in Lagern hielten und durch korrupte Beamte ausbeuteten (Lebensmittelversorgung nur gegen Cash, d.h. die Goten sollten ihre Kinder als Sklaven verkaufen). Die Goten waren dann der erste Stamm, der sich innerhalb des Reichs ein eigenes Herrschaftsgebiet eroberte.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.525

08.10.2012 12:19
#56 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Es kommt vielleicht auf den Zeitraum an, den man ins Auge faßt: Fahren Sie mit der Zeitmaschine 80 Jahre zurück & ersetzen Sie "Islam" durch andere, damals luxurierende "totale Weltanschauungen". Die topoi "Geburtenrückgang" & "Kulturverfall: Verherrlichung des Gangstertums" brauchen Sie nicht neu zu justieren; auch nicht "Gefährdung der Natur" & "Ende der Rohstoffe". Spengler war ja nicht der Einzige, der die Zukunft der Alten Welt in Rabenschwarz malte.
Zur Dynamik des militanten Islam - wenn man ein zeitliches "Mittelmaß" anlegt ("klein" bedeutet dann 15-25 Jahre; "groß" der Bogen über mehrere Jahrhunderte hinweg): es gibt einen einzigen arabischen Historiker, der auf dieses Thema geblickt hat:ولي الدين عبد الرحمن ابن محمد بن محمد بن أبي بكر محمد بن الحسن (ibn Chaldun, 1332-1406 http://de.wikipedia.org/wiki/Ibn_Chaldun), der die Lebensdauer der "mahdistischen Staaten" auf 3 Generationen veranschlagt. Er hatte dabei die Königreiche Nordafrikas im Blick, aber die Dynamik läßt sich übertragen: da der Islam außerstande ist, irgendeines der Probleme der Neuzeit in den Griff zu bekommen, bleibt nur die beständige Ausweitung, die grassierende Landnahme als Dauerzustand: ein imperialistisches Pyramidenschema, das zusammenfällt, wenn die Expansion zum Stillstand kommt.
"Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence": Karl Christ hat vor gut 20 Jahren mal eine tour d'horizon über die diversen Hypothesen unternommen und zählte irgendwo zwischen 50 & 100 (vielleicht lag's doch an den bleiverkleideten Wasserleitungen?) - ein recht wichtiger Aspekt scheint mir aber doch die fehlende Innovationsfähigkeit zu sein: ob Technik oder Kulturtechnik (wie Verwaltung, Buchhaltung oder auch Landwirtschaft): was einmal installiert war, wurde nie ausgebaut, allerhöchstens rückgebaut (für das chinesische Kaiserreich gilt das in verschärftem Maß).
"Der Westen" ist dagegen seit 5+ Jahrhunderten permanent damit beschäftigt, "sich neu zu erfinden": bislang ist ihm das in dieser Permanenz auch bedenkenswert gut gelungen. Die pessimistischen Beispiele in vorigen Beiträgen weisen ja auf solche Reiche/Kulturen, die, um einmal Toynbees Terminologie zu verwenden, auf "challenges" keine "response" gefunden haben. Sollte der Westen demnächst untergehen, können wir gerne vergleichen; bis dahin scheint es etwas früh dafür.

Thanatos Offline



Beiträge: 232

08.10.2012 21:29
#57 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #56
Es kommt vielleicht auf den Zeitraum an, den man ins Auge faßt: Fahren Sie mit der Zeitmaschine 80 Jahre zurück & ersetzen Sie "Islam" durch andere, damals luxurierende "totale Weltanschauungen". Die topoi "Geburtenrückgang" & "Kulturverfall: Verherrlichung des Gangstertums" brauchen Sie nicht neu zu justieren; auch nicht "Gefährdung der Natur" & "Ende der Rohstoffe". Spengler war ja nicht der Einzige, der die Zukunft der Alten Welt in Rabenschwarz malte.


Was ich sehr gerne tun würde: eine Delegation aus diversen Untergangspropheten mit der Zeitmaschine bis in unsere Gegenwart fahren - und mich an den Reaktionen der Koryphäen ergötzen.

In der Sache gebe ich Ihnen völlig recht: die Untergangsszenarien der Warner und Mahner sind so alt wie die Menschheit. Im Grunde hatten sie immer unrecht. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß es sich heute noch ganz genauso verhält. Die großen Veränderungen der Weltgeschichte liefen ja doch immer als gleitende Umwandlungen, nicht als plötzliche Ab- oder Zusammenbrüche. Das Römerreich ist ja nun nicht plötzlich verschwunden, sondern es wurde in Jahrhunderten transformiert, bis etwas anderes sich weitestgehend vollständig ausgebreitet hatte. Nur im Blick zurück aus weiter Ferne erscheint das wie ein "Untergang".

Die Ursachenforschung für Umwälzungen in Politik und Gesellschaft kann ein sehr interessantes Ding sein, wie man an der Diskussion zweier Mitforisten sieht - aber das Thema ist zu komplex, um es komplett zu erfassen. Von Ökonomie über Ideologie über Klima bis Religion - zu vieles spielt hinein. Entsprechend läßt sich auch über das Schicksal Westeuropas nichts Belastbares aussagen, nicht einmal für den 5-Jahres-Term.

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #56
Zur Dynamik des militanten Islam - wenn man ein zeitliches "Mittelmaß" anlegt ("klein" bedeutet dann 15-25 Jahre; "groß" der Bogen über mehrere Jahrhunderte hinweg): es gibt einen einzigen arabischen Historiker, der auf dieses Thema geblickt hat:ولي الدين عبد الرحمن ابن محمد بن محمد بن أبي بكر محمد بن الحسن (ibn Chaldun, 1332-1406 http://de.wikipedia.org/wiki/Ibn_Chaldun), der die Lebensdauer der "mahdistischen Staaten" auf 3 Generationen veranschlagt. Er hatte dabei die Königreiche Nordafrikas im Blick, aber die Dynamik läßt sich übertragen: da der Islam außerstande ist, irgendeines der Probleme der Neuzeit in den Griff zu bekommen, bleibt nur die beständige Ausweitung, die grassierende Landnahme als Dauerzustand: ein imperialistisches Pyramidenschema, das zusammenfällt, wenn die Expansion zum Stillstand kommt.


Das sehe ich etwas anders: auf viele Jahrhunderte hin mag es stimmen, daß der Islam nur als imperialistisches Pyramidenschema überleben konnte, und es kam ja auch die Zeit, wo die Puste dann raus war, die Expansion zum Stillstand kam. Im 19.Jhd konnte man den Islam geopolitisch vernachlässigen, es blieb der kranke Mann am Bosporus und sonst nichts. Das Erstaunliche ist, daß diese Religion im 20. Jhd nun ganz gewaltige "Erweckungsbewegungen" erlebt, man weiß gar nicht, wo man anfangen soll mit Aufzählen. Die fehlende eigene technologische Basis hat die Hardliner dabei keinesfalls gehindert, ihre Ziele zu erreichen und den Westen empfindlichst zu treffen und in Kriege hineinzuziehen. (Um meine ganz persönliche Interpretation mit einzubringen: die Erweckung des Islam ist die Reaktion auf die Rückkehr der Juden nach Eretz Israel). Das Christentum hatte hingegen letztmalig Ende des 19. Jhd große Erweckungen, seither kam nichts mehr.

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #56
"Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence": Karl Christ hat vor gut 20 Jahren mal eine tour d'horizon über die diversen Hypothesen unternommen und zählte irgendwo zwischen 50 & 100 (vielleicht lag's doch an den bleiverkleideten Wasserleitungen?) - ein recht wichtiger Aspekt scheint mir aber doch die fehlende Innovationsfähigkeit zu sein: ob Technik oder Kulturtechnik (wie Verwaltung, Buchhaltung oder auch Landwirtschaft): was einmal installiert war, wurde nie ausgebaut, allerhöchstens rückgebaut (für das chinesische Kaiserreich gilt das in verschärftem Maß).


Ich denke, an allen 100 Hypothesen ist etwas dran und dazu an hundert weiteren: das Thema ist komplex. Zu komplex, um mit Einzelerklärungen etwas ausrichten zu können. Was die fehlende Innovationsfähigkeit betrifft: der Islam wäre das Beispiel einer Kultur, die mit sehr wenig Innovation dennoch bis heute überlebt hat und dennoch an allen Fronten Dynamik verbreitet. Der besitz von Öl hat ausgereicht (und dazu natürlich das Dasein in öden, glutheißen Wüstengebieten).

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #56
"Der Westen" ist dagegen seit 5+ Jahrhunderten permanent damit beschäftigt, "sich neu zu erfinden": bislang ist ihm das in dieser Permanenz auch bedenkenswert gut gelungen. Die pessimistischen Beispiele in vorigen Beiträgen weisen ja auf solche Reiche/Kulturen, die, um einmal Toynbees Terminologie zu verwenden, auf "challenges" keine "response" gefunden haben. Sollte der Westen demnächst untergehen, können wir gerne vergleichen; bis dahin scheint es etwas früh dafür.


Auch auf die challenges "Islam" und "Demographie" wird der Westen Antworten finden. Europa wird sich wandeln, wenn das Christentum schleichend geht, aber es wird deswegen nun nicht untergehen. Den Blick zurück aus der Zukunft werden wir leider nicht mehr selbst tun können, halten wir uns also an Mutmaßungen.

MfG

Thanatos

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Thanatos Offline



Beiträge: 232

08.10.2012 21:49
#58 RE: Enttäuscht? Schade! Antworten

Zitat von Uwe Richard im Beitrag #51
Zitat von Thanatos im Beitrag #49
Die Amis sind bekanntlich zu 80% religiös, und Israel ist mehrheitlich von frommen Juden bestimmt.

Diese Behauptung, ich mag es mal so nennen, können Sie sicher belegen. Amerikaner sind höfliche Menschen, weshalb sie nicht nur nichts gegen den Glauben sagen, sondern in der Regel öffentlich bekunden, gläubig zu sein und regelmäßig Gottesdienste zu besuchen. Allein die Realität sieht meines Wissens anders aus. Sollten Sie wie gesagt Zahlen haben, die meiner Einschätzung widersprechen, lasse ich mich gerne überzeugen.


Sie haben schon recht - ein formelles Bekenntnis zum Glauben gehört erstmal zum guten Ton bei den Amis. Was meine Zahlen anbelangt, zitiere ich die engl. Wikipedia:

Zitat von Wikipedia
According to recent surveys, 92 percent of Americans identify with a religious denomination and 36 percent state that they attend services nearly every week or more. A majority of Americans report that religion plays a "very important" role in their lives, a proportion unique among developed nations. (...)

The majority of Americans (76% to 80%) identify themselves as Christians.



Es sind und bleiben beeindruckende Zahlen, einzigartig in der entwickelten Welt: 92% sind religiös, ca. 78% sind Christen und 4% Juden, d.h. zusammen mehr als 80% Vertreter der beiden "westlichen" Religionen (im speziellen Sinne). Weiterhin sind 36% auch praktizierend, besuchen Gottesdienste etc. Ich bin sicher, der Stellenwert des Glaubens für einen durchschnittlichen Amerikaner ist weitaus höher als für den durchschnittlichen Europäer. Ein wichtiges Faktum dabei ist auch die Diskursfähigkeit religiöser Bekenntnisse in der allgemeinen u. gar politischen Öffentlichkeit - für Europäer ein waschechtes No-Go.

Zum Vergleich evtl. ein Paar Näherungswerte Deutschlands: der Gottesdienstbesuch bewegt sich zwischen 3% (ev.) und 8% (kath.) der Kirchenmitglieder, von diesen wiederum ist sicherlich nur ein Zehntel wirklich aktiv und persönlich gläubig.

Um es auf die Einzelperson runterzubrechen, lese man diverse Weblogs junger Amerikaner und stelle fest, eine wie große Rolle die Auseinandersetzung mit ihrem geistlichen Leben und den christlichen Werten an sich da spielt. Es ist verblüffend. Diese Frömmigkeit ist eben doch bei weitem nicht nur Fassade - und wenn sie es bei 50% wäre, bleibt noch ein gewaltiger Prozentsatz "Überzeugter" übrig.

MfG

Thanatos

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