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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.10.2012 17:58
Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Für die Amerikaner steht bei der Wahl ihres nächsten Präsidenten die Innenpolitik im Vordergrund. Aus unserer europäischen Sicht sollte man aber auch zur Kenntnis nehmen, welche katastrophale außenpolitische Bilanz Obama aufzuweisen hat. Ja nicht nur in Syrien.

In der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch findet die zweite Debatte Romney-Obama statt. Ein Vorbericht dazu in ZR folgt.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.255

15.10.2012 18:34
#2 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Gut gemeint, ist noch lange nicht gut gemacht, sollte man meinen.

Vielleicht ist Obama ja ein Freund Kant'scher Ethik, wonach die Folgen moralischen Handelns (fast) unwichtig sind. Ich mag mich irren, aber ist nicht der Konsequentialismus, das Bedenken der Folgen moralischen Handelns, wie soll ich's sagen: unkantisch?

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.10.2012 18:41
#3 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Zitat von Uwe Richard im Beitrag #2
Ich mag mich irren, aber ist nicht der Konsequentialismus, das Bedenken der Folgen moralischen Handelns, wie soll ich's sagen: unkantisch?


Aus meiner Sicht ist, lieber Uwe Richard, Kants Ethik konsequentialistisch. Der kategorische Imperativ nennt als Richtschnur die "Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung". Die allgemeine Gesetzgebung muß so sein, daß sie dem Gemeinwesen dienlich ist; das ist also eine Frage der Konsequenzen des Handelns.

Konsequentialistisch ist die Kant'sche Ethik lediglich nicht im Einzelfall.

Herzlich, Zettel

AldiOn Offline




Beiträge: 983

15.10.2012 19:08
#4 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Zitat von Zettel im Blogbetrag
Es geht weiterhin um die Interessen Rußlands, das in Syrien seinen einzigen Militärstützpunkt in der Region hat.

Diesen hat Rußland bereits geräumt.


Ein Sieg der Rebellen würde zu Genoziden (an Alewiten, Christen, Drusen und Kurden) führen. Ein Sieg Assads würde die Position Irans stärken.
Die gegenwärtige Lage ist insofern toll als sich islamische Terroristen und iranische Interventiontruppen gegenseitig totschießen. Meinetwegen können die das noch 30 Jahre lang so machen. Hier zeitigt die Politik Obamas mal ein gutes Ergebnis - natürlich völlig ungewollt.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.255

15.10.2012 19:23
#5 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #3
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #2
Ich mag mich irren, aber ist nicht der Konsequentialismus, das Bedenken der Folgen moralischen Handelns, wie soll ich's sagen: unkantisch?


Aus meiner Sicht ist, lieber Uwe Richard, Kants Ethik konsequentialistisch. Der kategorische Imperativ nennt als Richtschnur die "Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung". Die allgemeine Gesetzgebung muß so sein, daß sie dem Gemeinwesen dienlich ist; das ist also eine Frage der Konsequenzen des Handelns.

Konsequentialistisch ist die Kant'sche Ethik lediglich nicht im Einzelfall.

Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (Teil III). Vielleicht habe ich als interessierter Laie ja Kants Position (stetes moralisches Fortschreiten zum Besseren) gegen Mendelsohn nicht richtig verstanden?

Wenn Obama die UN einschalten will, anstatt selbst zu handeln, handelt er dann nicht im Sinne Kants, im Sinne des Völkerrechts?

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

Johann Grabner Offline



Beiträge: 84

15.10.2012 20:03
#6 noch ein Krieg? Antworten

im Nahen Osten kenne ich mich zwar wenig aus, aber in den USA schätze ich die Unterstützung für einen weiteren Krieg als sehr gering ein:

Zitat

On Capitol Hill, members of Congress ranging from reliably anti-war Democrats to freshman Tea Party conservatives are raising questions about the costs and the value of a continued, full-scale military mission in Afghanistan.


http://usatoday30.usatoday.com/news/worl...oops-poll_n.htm

Zitat

President Obama has scored a popular success with his pledge to withdraw nearly all U.S. troops from Iraq by the end of the year, according to the Gallup poll released Wednesday.

The poll found that Americans overwhelmingly approved of bringing the troops home by 75% to 21%.


http://articles.latimes.com/2011/nov/02/...a-iraq-20111102

was auch immer das für die Region bedeutet, aber die Amerikaner haben die Nase voll von Krieg. Obama wäre politischer Selbstmörder, würde er jetzt auch noch Truppen nach Syrien schicken.

C. Offline




Beiträge: 2.639

15.10.2012 20:09
#7 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Für die Amerikaner steht bei der Wahl ihres nächsten Präsidenten die Innenpolitik im Vordergrund. Aus unserer europäischen Sicht sollte man aber auch zur Kenntnis nehmen, welche katastrophale außenpolitische Bilanz Obama aufzuweisen hat. Ja nicht nur in Syrien.



Was wäre die richtige Syrienpolitik? Wenn ich den Bürgerkrieg bisher richtig beobachtet habe, führen Deserteure und Terroristen einen Stellvertreterkrieg für Saudiarabien, die Emirate und die Türkei. Die drei genannten sind mir genauso zuwider wie Syrien und Iran. Wenn Assad stürzen sollte, dann sind Jordanien und Libanon die nächsten, ich hoffe, dass das den Schlaubergern und Friedensnobelpreisträgern von EU und USA bekannt ist. Assad als alleinigen Buhmann hinzustellen ist zu billig. Die USA und die EU haben im Nahen und Mittleren Osten die falschen Verbündeten. Das liegt aber daran, dass es bis auf Isreals keine richtigen Verbündeten gibt.

Zitat
"Es ist erforderlich, dass wir diejenigen, die bisher noch ihre schützende Hand über das Regime von Assad halten, überzeugen: Die Gefahr eines Flächenbrandes - sie wächst, die Gefahr eines Stellvertreterkrieges - sie wächst", betonte Westerwelle.


http://de.reuters.com/article/worldNews/...E89E03X20121015

Westerwelle ist (mal wieder) nicht in der Lage die Dinge beim namen zu nennen. Es handlt sich um einen Stellvertreterkrieg, bei dem die Verbündeten der Verbündeten Terroristen sind.

Zitat von NYT
WASHINGTON — Most of the arms shipped at the behest of Saudi Arabia and Qatar to supply Syrian rebel groups fighting the government of Bashar al-Assad are going to hard-line Islamic jihadists, and not the more secular opposition groups that the West wants to bolster, according to American officials and Middle Eastern diplomats.



Das ist aber jetzt wirklich keine Neuigkeit.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.10.2012 20:10
#8 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #3
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #2
Ich mag mich irren, aber ist nicht der Konsequentialismus, das Bedenken der Folgen moralischen Handelns, wie soll ich's sagen: unkantisch?


Aus meiner Sicht ist, lieber Uwe Richard, Kants Ethik konsequentialistisch. Der kategorische Imperativ nennt als Richtschnur die "Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung". Die allgemeine Gesetzgebung muß so sein, daß sie dem Gemeinwesen dienlich ist; das ist also eine Frage der Konsequenzen des Handelns.

Konsequentialistisch ist die Kant'sche Ethik lediglich nicht im Einzelfall.

Wessen Handelns? Die Gesetzgebung selbst handelt doch nicht. Die Konsequenzen der Handlungen unter dem bestehenden Gesetz, oder die Handlungen selbst werden zur Beurteilung eines Gesetzesverstoßes herangezogen.
Kants Ethik gilt als deontologisch, welche von der konsequentialistischen Ethik unterschieden wird:

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Deontologis...eutralit.C3.A4t
In der zwischen Kant und dem französischen Philosophen Benjamin Constant diskutierten Situation hat sich ein Verfolgter vor einem Mörder in einem Haus versteckt. Auf der Suche nach dem Verfolgten befragt der Mörder einen Hausbewohner, der den Verfolgten hineingehen gesehen hat, ob dieser tatsächlich in dieses Haus gelaufen ist. Constant vertrat die Position, dass in einer solchen Situation ein allgemeines Lügenverbot nicht gelten könne, Kant jedoch bestand darauf, dass der Mörder ein Recht darauf habe, nicht belogen zu werden und dass der Hausbewohner durch eine Lüge automatisch für die folgenden Taten des Mörders mitverantwortlich wäre (vgl. Immanuel Kant: AA VIII, 423[12]).


Könnten Sie das näher ausführen lieber Zettel?

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

15.10.2012 23:52
#9 RE: Die Taliban im State Department Antworten

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...ate_department/

Zitat AchGut
_____
Eric Nordstrom, Sicherheitsoffizier des State Departments in Libyen, wurde deutlicher: „Alle Mitarbeiter waren sich einig, wir wollten mehr Sicherheit. In den Gesprächen mit dem State Department wurde mir ausdrücklich gesagt: „Sie dürfen keine Aufstockung des Sicherheitsteams verlangen.” Ich fand heraus, man sagte mir das, weil damit zu hohe politische Kosten verbunden seien. Es hieß, „Sie fordern hier Sonne, Mond und Sterne.“
______

http://www.guardian.co.uk/world/2012/oct...y?newsfeed=true

Zitat Guardian
_______
He [Nordstrom] also recalled his frustration when he asked a regional director for more security forces. Nordstrom said the official replied: "You're asking for the sun, the moon and the stars."
_______

Pussy Roth wäre das nicht passiert.

john j Offline




Beiträge: 591

16.10.2012 03:04
#10 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Es ist billig Obama was Syrien betrifft Versagen vorzuwerfen.

Die Lage in Syrien ist so unuebersichtlich dass es keine richtigen und vor allem keine schnellen Antworten gibt. Laut Berichten besteht die Opposition zu Assad aus rund 800 individuellen Rebellengruppen, von iranischen Proxies, Al-Qaeda-Ablegern, freelance Jihadis bis hin zu saekulaeren Christen and Alewiten. Die Tuerkei und die Saudis nutzen die Gelegenheit um sich ein bisschen stark zu fuehlen und Einfluss zu gewinnen. Russland verweigert sich einer internationalen Intervention oder auch nur Sanktionen. China ist desinteressiert. Welche Strategie soll hier zum Erfog fuehren und wie saehe der aus? Gewinnt Assad dann fuehlt sich ein brutaler Diktator bestaetigt und Russland gewinnt an Einfluss in der Region. Gewinnen die Rebellen dann ist noch nicht mal ansatzweise klar wer dann in Syrien die Macht haben wird - es koennten leicht islamistische Fanatiker sein.

Romney's Plan fuer Syrien ist die genehmen Rebellen zu identifizieren und mit Waffen etc zu unterstuetzen. Erstens ist das nicht ganz einfach (siehe oben) und zweitens, selbst wenn es gelaenge ist es nicht sicher dass diese Waffen zum Schluss nicht in die Haende von anti-westlichen Rebellen gelangen.

Obama haelt sich zurueck - mE die einzige vernuenftige wenn auch unbefriedigende Strategie fuer die USA und den Westen. Romney's "Plan" waere ein recipe for desaster.

Ein gutes Zeichen fuer die Lage in Syrien ist dass sich Israel dezidiert zurueckhaelt...und abwartet.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.10.2012 07:38
#11 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Zitat von john j im Beitrag #10
Obama haelt sich zurueck - mE die einzige vernuenftige wenn auch unbefriedigende Strategie fuer die USA und den Westen. Romney's "Plan" waere ein recipe for desaster.

Ein gutes Zeichen fuer die Lage in Syrien ist dass sich Israel dezidiert zurueckhaelt...und abwartet.

Ja, natürlich hält sich Israel zurück, lieber John. Je mehr sich die islamischen Staaten gegenseitig an die Gurgel gehen, umso weniger gefährdet ist Israel. Von der einstigen Allianz gegen Israel ist nichts geblieben; jetzt heißt es im Nahen Osten Jeder gegen Jeden.

Alle sind sie an diesem Machtspiel beteiligt - die arabischen Länder, Persien, die Türkei. Als auswärtige Großmächte Rußland und China. Nur die USA, die bis zum Abzug aus dem Irak die dominierende externe Macht in der Region waren, sind nicht beteiligt.

Vielleicht ein wenig im Hintergrund. Aber die Wahrnehmung ist die amerikanischer Schwäche. Und das bedeutet sinkenden Einfluß. Was Romney in seiner Rede am VMI ( ) gesagt hat, war ja nicht dahergeredet. Es basiert auf dem. was US-Politiker, was Journalisten hören, wenn sie in den Nahen Osten reisen: Wo ist die amerikanische Führung?

Gerade in dieser Region zählt auch das Auftreten. Obama hat im Fall Syrien - wie zuvor im Irak, wie mit seiner Ägyptenpolitik - den Eindruck vermittelt, die USA seien nicht mehr in der Lage oder nicht willens, Einfluß zu nehmen. Erst wollten sie sich mit Assad arrangieren und haben ihn nachgerade hofiert (unter Bush hatte es eben keinen Botshafter in Damaskus gegeben). Dann schoben sie die UNO vor. Dann wollten sie sich mit Putin arrangieren. Obama ist von einer Verlegenheit in die nächste gestolpert.



Natürlich gibt es keine Patentlösung. Was Obama verbockt hat, wird Romney - sollte er Präsident werden - nicht von einem auf den anderen Tag richten können.

Vielleicht gelingt es, wieder Einfluß im Irak zu erlangen, der ja mit seiner Abhängigkeit von Teheran keineswegs glücklich ist. Das Ziel müßte es sein, daß in Syrien nach dem Sturz Assads leidlich demokratische Verhältnisse eintreten, nach dem Vorbild des Irak. (Vielleicht hätte das ein besserer Präsident auch in Ägypten erreichen können).

Es geht darum, daß die USA sich überhaupt wieder in den Umgestaltungsprozß im Nahen Osten einschalten. Die Mehrzahl der Menschen in der Region will ja keinen Gottesstaat als Alternative zu den Diktaturen. Ich erinnere mich an Umfragen im Irak, die eine breite Zustimmung zur pluralistischen Demokratie gezeigt haben. In Ägypten hat sogar der Exponent des alten Regimes Shafiq gegen Mursi fast 50 Prozent geholt. In Libyen sind die Islamisten schwach.

Die USA haben, wenn sie Stärke zeigen, eine gute Chance, darauf hinzuwirken, daß sich die Dinge in der Region so entwickeln, wie es im westlichen Interesse liegt. Obama und Hillary Clinton haben sich unfähig oder nicht willens gezeigt, das auch nur in Angriff zu nehmen.

Herzlich, Zettel

ratloser ( gelöscht )
Beiträge:

16.10.2012 08:41
#12 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #11
[quote="john j"|p81945].

Es geht darum, daß die USA sich überhaupt wieder in den Umgestaltungsprozß im Nahen Osten einschalten. Die Mehrzahl der Menschen in der Region will ja keinen Gottesstaat als Alternative zu den Diktaturen. Ich erinnere mich an Umfragen im Irak, die eine breite Zustimmung zur pluralistischen Demokratie gezeigt haben. In Ägypten hat sogar der Exponent des alten Regimes Shafiq gegen Mursi fast 50 Prozent geholt. In Libyen sind die Islamisten schwach.

Die USA haben, wenn sie Stärke zeigen, eine gute Chance, darauf hinzuwirken, daß sich die Dinge in der Region so entwickeln, wie es im westlichen Interesse liegt. Obama und Hillary Clinton haben sich unfähig oder nicht willens gezeigt, das auch nur in Angriff zu nehmen.

Herzlich, Zettel






Lieber Zettel,

die Annahme, die Mehrheit der Menschen in den muslimisch dominierten Staaten, insbesondere in den nordafrikanischen und arabischen, wolle keinen Gottesstaat, sondern eine freiheitliche Demokratie, erscheint mir eine der Ursachen zu sein, warum der Westen in dieser Region so gut wie jeden Einfluß verloren hat.

Diese Annahme basiert auf einem gewissen kulturellen Egozentrismus, der die sowohl individuell als auch gesellschaftlich tief prägende muslimische Indoktrination ignoriert. Den mehrheitlichen Willen zur pluralistischen Demokratie von Umfragen abzuleiten, erscheint aufgrund der tristen Empirie in diesen Ländern fragwürdig. Der in Umfragen mehrheitliche Wille zur Sharia ist authentisch, der Wille zur pluralistischen Demokratie wohl kaum, weil dort kaum jemand weiss, was das sein soll. Ein individueller Wille zur Mitgestaltung ist im Islam nicht vorgesehen. Die einzigen relevanten politischen Gruppen, die über den Rand des muslimisch-ideologischen Freßnapfes hinausschauen, sind dort die Kommunisten. Eine Minorität und auch nicht wirklich an einer Demokratie im westlichen Sinne interessiert.

Unter der Vorstellung, man könne den Islam von außen erleuchten, leidet ja nicht nur unsere Ego-Torte Obama, sondern an dieser Annahme litten auch schon Carter, Bush s. und j. sowie viele andere.

Ich halte die Strategie (wenn es denn eine ist), diese Staaten sich selbst und ihren innermuslimischen Konflikten zu überlassen für pragmatisch. Einzig deren Besitz von Atomwaffen muss mit allen Mitteln verhindert werden.

Entweder die muslimische Welt befreit sich in den nächsten Generationen selber aus ihrer archaischen Ideologie oder halt nicht. Eine Emanzipierung von außen ist völlig illusorisch.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

16.10.2012 09:30
#13 RE: Marginalie: Obamas katastrophale Syrienpolitik Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #11
Nur die USA, die bis zum Abzug aus dem Irak die dominierende externe Macht in der Region waren, sind nicht beteiligt.

Und das ist auch gut so. Was soll es denn in Syrien groß zu gewinnen geben nach ihrer Ansicht? Wie das lybische Beispiel zeigt doch weder Einfluß noch Ansehen sondern allenfalls tote Botschafter.
Schon frühzeitig hat es Daniel Pipes so ausgedrückt: Haltet euch aus dem syrischen Morast heraus :: Daniel Pipes

Zitat
Dem antworte ich: Ja, die Massenvernichtungswaffen könnten Gaunern in die Hände geraten, aber mir macht mehr Sorgen, dass sie in den Händen einer islamistischen Nachfolgeregierung landen könnten. Ein erneuerter PKK-Aufstand gegen die feindliche Regierung, die die Türkei regiert oder zunehmende sunnitisch-alawitische Spannungen in dem Land gehören kaum zu den westlichen Bedenken. Die Vertreibung von Palästinensern würde Jordanien oder Israel kaum destabilisieren. Der Libanon ist bereits ein balkanisiertes Durcheinander; und anders als im Zeitraum von 1976 bis 1991 haben die dort im Gang befindlichen Kämpfe nur marginale Auswirkungen für westliche Interessen. Die globalen Jihad-Anstrengungen haben begrenzte Ressourcen; die Lokalität mag weniger als ideal sein, aber was gibt es Besseres als dass die Pasdaran (die Iranischen Revolutionsgarden) sich in Syrien zu Tode zu kämpfen?



Natürlich ist außenpolitisch Obama ein Versager und das er in Syrien das Richtige tut ist ja keiner dezidierten Entscheidung sondern Ratlosigkeit geschuldet. Richtig ist diese Politik trotzdem.

Zitat
Die Mehrzahl der Menschen in der Region will ja keinen Gottesstaat als Alternative zu den Diktaturen.

Dafür gibt es nun überhaupt keine belastbaren Belege.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.10.2012 14:44
#14 Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von ratloser im Beitrag #12
die Annahme, die Mehrheit der Menschen in den muslimisch dominierten Staaten, insbesondere in den nordafrikanischen und arabischen, wolle keinen Gottesstaat, sondern eine freiheitliche Demokratie, erscheint mir eine der Ursachen zu sein, warum der Westen in dieser Region so gut wie jeden Einfluß verloren hat.


Nein, lieber ratloser. Die Fakten sind so. Ich habe ja die wichtigsten Belege genannt. Ich möchte Sie (und andere) zu überzeugen versuchen, indem ich jetzt dazu die Zahlen angebe:

In Ägpyten erhielten im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen die beiden islamistische Kandidaten Morsi unnd Fotouh zusammen 42 Prozent. Die säkularen, Kandidaten Shafiq (früherer Minister Mubaraks), Sabahi (Nasserist) und Moussa (liberal, früherer Generalsekretär der Arabischen Liga) kamen auf zusammen 57 Prozent.

Daß Morsi im zweiten Wahlgang siegte, lag allein daran, daß für einen Teil der Wähler Sabahis und Moussas der Exponent des alten Regimes Shafiq nicht wählbar war und sie sich für Morsi als das kleinere Übel entschieden.

Über die Umfrage im Irak, die ich erwähnt habe, hatte ich seinerzeit in ZR informiert; der Aufhänger war ein kleines Quiz. Auch das habe ich jetzt herausgesucht: Mal wieder ein kleines Quiz: Wie möchten die Iraker leben?; ZR vom 17. 3. 2009.

Vielleicht mögen Sie das nachlesen? Das für unsere jetzige Diskussion entscheidende Datum finden Sie hier:

Zitat
Während im Februar 2007 von den Schiiten 40 Prozent für den Islamischen Staat votiert hatten, waren es jetzt noch 26 Prozent. Von den Kurden wollten jetzt noch 15 Prozent, von den Sunniten 11 Prozent einen Islamischen Staat.


Was Libyen angeht, habe ich jetzt keinen Link herausgesucht. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß die Islamisten bei den Wahlen eine Niederlage erlitten.

Tunesien hatte ich noch nicht erwähnt. Dort erreichte die einzige islamistische Partei von Bedeutung, die Ennahda, bei den Wahlen zu Parlament und Verfassungsgebender Versammlung 90 von 207 Sitzen. Deshalb regiert sie jetzt zusammen mit zwei säkularen Parteien, der sozialdemokratischen Ettakatol und der Menschenrechtspartei CPR. Siehe Aufruhr in Arabien (23): Eine Analyse des Wahlergebnisses in Tunesien; ZR vom 28. 10. 2011



Es ist schlicht nicht der Fall, lieber ratloser, daß die Mehrheit der Menschen in den arabischen Ländern einen islamistischen Staat will - so wenig wie im Iran oder in Afghanistan. Die meisten dürften eine Demokratie nach dem Vorbild des Irak wollen; keine Westminister-Demokratie, aber eben doch ein Vielparteienstaat mit säkularen ebenso wie islamistischen Parteien.

Das Problem ist - ich habe das schon oft beschrieben - daß allein die Islamisten in den Ländern des jetzt verblichenen Arabischen Sozialismus eine wohlorganisierte Opposition waren; daß sie sich sozial engagierten usw. Zugleich sind sie motivierter und oft auch militanter als die anderen politischen Gruppen.

Die Islamisten bestimmen derzeit das Bild. Von der Schweigenden Mehrheit, die den Islamismus ablehnt, erfahren wir nur wenig.

Herzlich, Zettel

AldiOn Offline




Beiträge: 983

16.10.2012 14:56
#15 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Dieser Spruch

Zitat von Zettel im Beitrag #14
Von der Schweigenden Mehrheit
ist gewöhnlich nur eine Vermutung oder auch nur Hoffnung ohne wirklich Grundlage. Gäbe es diese Mehrheit würde sie nicht schweigen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.10.2012 14:58
#16 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #15
Dieser Spruch
Zitat von Zettel im Beitrag #14
Von der Schweigenden Mehrheit
ist gewöhnlich nur eine Vermutung oder auch nur Hoffnung ohne wirklich Grundlage. Gäbe es diese Mehrheit würde sie nicht schweigen.

Ja, lesen Sie denn nicht, was ich geschrieben habe? Die Meinung der Schweigenden Mehrheit erfährt man in Umfragen, bei Wahlen. Ich habe mir doch die Mühe gemacht, das zu verlinken.

Aber wenn's nicht gelesen wird ...

ratloser ( gelöscht )
Beiträge:

16.10.2012 15:31
#17 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #14
[quote="ratloser"|p81949]


Tunesien hatte ich noch nicht erwähnt. Dort erreichte die einzige islamistische Partei von Bedeutung, die Ennahda, bei den Wahlen zu Parlament und Verfassungsgebender Versammlung 90 von 207 Sitzen. Deshalb regiert sie jetzt zusammen mit zwei säkularen Parteien, der sozialdemokratischen Ettakatol und der Menschenrechtspartei CPR. Siehe Aufruhr in Arabien (23): Eine Analyse des Wahlergebnisses in Tunesien; ZR vom 28. 10. 2011



Es ist schlicht nicht der Fall, lieber ratloser, daß die Mehrheit der Menschen in den arabischen Ländern einen islamistischen Staat will - so wenig wie im Iran oder in Afghanistan. Die meisten dürften eine Demokratie nach dem Vorbild des Irak wollen; keine Westminister-Demokratie, aber eben doch ein Vielparteienstaat mit säkularen ebenso wie islamistischen Parteien.

Das Problem ist - ich habe das schon oft beschrieben - daß allein die Islamisten in den Ländern des jetzt verblichenen Arabischen Sozialismus eine wohlorganisierte Opposition waren; daß sie sich sozial engagierten usw. Zugleich sind sie motivierter und oft auch militanter als die anderen politischen Gruppen.

Die Islamisten bestimmen derzeit das Bild. Von der Schweigenden Mehrheit, die den Islamismus ablehnt, erfahren wir nur wenig.

Herzlich, Zettel




Lieber Zettel,

die "schweigende Mehrheit" der Muslime erinnert mich an den Yeti, dessen Existenz sich lediglich in Form obskurer Fußabdrücke und schemenhafter Fotos widerspiegelt.

Tunesien ist ein schönes Beispiel für die Phantasmorgien, die mit dem "arabischen Frühling" verbunden waren. Seit Antritt der jetzigen Regierung wird die Innenpolitik von der Ennahda dominiert. Die formal mehrheitlichen "säkularen" Regierungsparteien segeln im Stealth modus und tragen sukzessive Änderungen der Gesetze in Richtung Sharia mit. Auch die immer stärker in Erscheinung tretenden Salafisten, die für die gewaltätige Drangsalierung der christlichen Minorität verantwortlich sind, stoßen auf keinen nennenswerten Widerstand - weder von Seiten der Staatsorgane, noch von der "schweigenden Mehrheit".

Glauben Sie, dass es ein universelles menschliches Bedürfnis ist, in einer freiheitlichen Verfassung zu leben? Ich glaube das nicht. Die meisten Menschen benötigen Struktur, klare Regeln, klare moralische Verortungen, soziale Sicherheit, legitime Projektionsflächen für negative Affekte...und sei es in Form von Repression.

Glauben Sie, dass eine etwa 1600 Jahre lang gelebte Ideologie einfach "abgelegt" werden kann? Dass die mittels dieser Ideologie eingravierten und tradierten Denkmuster wie Selbstkritikunfähigkeit, tribalistisches Kadavergehorsam, Legitimät von Gewaltanwendung und Verbot einer Verbrüderung mit den "Ungläubigen" mit einem gesellschaftlich pluralistischem Aufbruch zu vereinbaren sind?

Ich fürchte nicht.

Ich sehe in islamisch dominierten Gesellschaften hauptsächlich Gewalt, religiöse Säuberungen, wirtschaftliches Chaos, intellektuelle und kulturelle Armut. Das hat Gründe, die in dieser Ideologie, in der langen gesellschaftlichen Prägung durch diese Ideologie liegen.

Die "schweigende islamische Mehrheit", die sich nach "Freiheit", Öffnung und Selbstverantwortung sehnt, halte ich für eine Schimäre.

Eine "schweigende Mehrheit", die nur in Form von Umfrageergebnissen existiert, aber keine Spur im alltäglichen Leben hinterlässt, ist eine Schimäre.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

16.10.2012 15:46
#18 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #16
Zitat von AldiOn im Beitrag #15
Dieser Spruch
Zitat von Zettel im Beitrag #14
Von der Schweigenden Mehrheit
ist gewöhnlich nur eine Vermutung oder auch nur Hoffnung ohne wirklich Grundlage. Gäbe es diese Mehrheit würde sie nicht schweigen.

Ja, lesen Sie denn nicht, was ich geschrieben habe? Die Meinung der Schweigenden Mehrheit erfährt man in Umfragen, bei Wahlen. Ich habe mir doch die Mühe gemacht, das zu verlinken.

Aber wenn's nicht gelesen wird ...
Ich habe das wohl gelesen umso mehr als Sie dieses schon in anderen Threads dieses Forum vorgetragen haben.
Und da ist ihnen schon entgegengehalten worden, daß bei den Parlamentswahlen in Ägypten 75% der Wähler islamistische Parteien gewählt haben. Sie selber haben uns dankenswerterweise mitgeteilt, daß bei den tunesischen Wahlen die Expats in Europa sich für Islamisten entschieden haben. Sie selber haben betont, daß in Tunesien es neben der betont islamistischen Partei kaum was gibt, was als westlich liberal angesehen werden kann. Sie selber haben uns das Video mit den wahren Zielen der "gemäßigten" Regierungspartei Tunesiens, der Ennahd nahegebracht.
Die Ergebnisse der Wahlen belegen Ihre Meinung eben nicht und bezüglich der von Ihnen zitierten Meinungsumfragen sind Ihnen bereits in einem anderen Thread erhebliche (und nachvollziehbare) Zweifel an der Verläßlichkeit dieser Umfragen entgegengebracht worden.

Selbst wenn man sich zu den Fragen des Nahen Ostens nur aus ihrem Blog und aus ihrem Forum informieren würde, könnte man in der Frage ob die Mehrheit der arabischen Mohammedaner den Islam als Staatsform haben wollen, ehr zu einen anderen Ergebnis kommen als zu dem welches Sie vertreten.
Wenn es da nicht eine "schweigende Mehrheit" gibt ziehen die meisten Leser dieses Forums andere Schlüsse - auf der Basis von Infos insbesondere IHRES Blogs und IHRES Forums - als Sie.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.10.2012 16:06
#19 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von ratloser im Beitrag #17
Tunesien ist ein schönes Beispiel für die Phantasmorgien, die mit dem "arabischen Frühling" verbunden waren. Seit Antritt der jetzigen Regierung wird die Innenpolitik von der Ennahda dominiert. Die formal mehrheitlichen "säkularen" Regierungsparteien segeln im Stealth modus und tragen sukzessive Änderungen der Gesetze in Richtung Sharia mit. Auch die immer stärker in Erscheinung tretenden Salafisten, die für die gewalttäige Drangsalierung der christlichen Minorität verantwortlich sind, stoßen auf keinen nennenswerten Widerstand - weder von Seiten der Staatsorgane, noch von der "schweigenden Mehrheit".

Haben Sie gelesen, was ich zu dem Ghanouchi-Video geschrieben habe?

Gahanouchi sieht eben die Islamisten gerade noch nicht auf dem Weg an die Macht. Er rät seinen salafistsischen Freunden zur Geduld. Er beklagt, daß weder die Armee noch die Polizei noch die Verwaltung von den Islamisten beherrscht werde.

Ich halte es, lieber ratloser, für einen fundamentalen Fehler, wenn der Westen jetzt à la Westerwelle die Flinte ins Korn wirft und glaubt, Arabien sei bereits an die Islamisten verloren. Sie haben nirgends die Mehrheit. Überall gibt es die Chance zu einer demokratischen Entwicklung.

Allerdings muß der Westen das wollen und unterstützen. Defätisten wie Westerwelle und Obama sind dazu nicht willens oder nicht in der Lage.



Aber die Islamisten spekulieren natürlich darauf, daß man sie im Westen als Vertreter der Mehrheit sieht. Und leider fallen bei uns auch viele Kritiker des Islam auf diese Propaganda herein. Ich habe bei manchen - auch hier im Forum - den Eindruck, daß sie die angebliche Macht der Islamisten durch deren Augen sehen.

Zitat von ratloser im Beitrag #17
Glauben Sie, dass eine etwa 1600 Jahre lang gelebte Ideologie einfach "abgelegt" werden kann? Dass die mittels dieser Ideologie eingravierten und tradierten Denkmuster wie Selbstkritikunfähigkeit, tribalistisches Kadavergehorsam, Legitimät von Gewaltanwendung und Verbot einer Verbrüderung mit den "Ungläubigen" mit einem gesellschaftlich pluralistischem Aufbruch zu vereinbaren sind?

Sie schildern die Ideologie der Islamisten, nicht die Realität in den arabischen Staaten.

Vor dem Aufschwung des Islamismus, der parallel zum Niedergang des Arabischen Sozialismus in den achtziger Jahren einsetzte, waren die Islamisten überall kleine, radikale Minderheiten. Ausnahme: Saudi-Arabien mit seiner speziellen wahabitischen Tradition. Überall sonst herrschte ein westlicher Lebensstil, jedenfalls in der Ober- und Mittelschicht.

Der Arabische Sozialismus in seinen diversen Spielarten - Nasserismus, Baathismus, der algerische und tunesische Sozialismus, Gaddafis islamischer Marxismus - wollte Arabien in die Moderne katapultieren, nach dem Vorbild der Bolschewiken. Das scheiterte vollständig. Die Folge war ein Niedergang der ganzen Region. Der zerfallende Sozialismus hinterließ ein Vakuum, in das die Islamisten stoßen konnten.

Der jetzige Aufschwung des Islamismus ist vergleichbar dem Aufschwung des Faschismus, des Nationalsozialismus, verschiedener rechtsautoritärer Regimes in Ungarn, Polen usw. in den Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg. In einer unsicher gewordenen Welt gewinnen Heilsbringer und Extremisten Zulauf.

Aber die Nazis haben nicht die deutsche Kultur und Gesellschaft repräsentiert. Ebensowenig wird die Kultur und Gesellschaft Ägyptens durch Morsi repräsentiert, oder die des Irak durch Al Sadr. Mit den Nazis und Faschisten ging es bekanntermaßen zu Ende. Der Aufschwung des Islamismus ist ein vorübergehendes historisches Phänomen.

Herzlich, Zettel

AldiOn Offline




Beiträge: 983

16.10.2012 16:17
#20 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #19
Mit den Nazis und Faschisten ging es bekanntermaßen zu Ende. Der Aufschwung des Islamismus ist ein vorübergehendes historisches Phänomen.
Wobei dieses "vorübergehende historisches Phänomen" in Saudi-Arabien schon mal mehre Generationen und im Iran 30 Jahre anhält. Und das mit den Nazis und Faschisten ging auch nicht einfach so zu Ende sondern verlangte und erhielt allergrößte und weltumfassende Anstrengungen von denen einige in ihre Größe historisch einmalig sind und für lange Zeit auch bleiben werden.

Irgendwie tröstet mich ihre Minimalisierung des Problems nicht. Außerdem ist es ein Problem das diese Welt schon seit 1400 Jahren hat. Da kann ich das mit dem "vorübergehend" irgendwie nicht so richtig nachvollziehen .

Zettel Offline




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16.10.2012 16:17
#21 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #18
Selbst wenn man sich zu den Fragen des Nahen Ostens nur aus ihrem Blog und aus ihrem Forum informieren würde, könnte man in der Frage ob die Mehrheit der arabischen Mohammedaner den Islam als Staatsform haben wollen, ehr zu einen anderen Ergebnis kommen als zu dem welches Sie vertreten.
Wenn es da nicht eine "schweigende Mehrheit" gibt ziehen die meisten Leser dieses Forums andere Schlüsse - auf der Basis von Infos insbesondere IHRES Blogs und IHRES Forums - als Sie.

Oh! Dann drücke ich mich offenbar nicht klar aus.

Oder sagen wir es so, lieber AldiOn:

Von vielen Deutschen und von fast allen deutschen Medien wird der Islamismus unterschätzt; oft wird er verharmlost. Also versuche ich über seine wahren Ziele und seine wahre Stärke aufzuklären. Ich versuche die Dinge so zu beschreiben, wie sie sind. Die Islamisten sind in diesen Ländern, von denen wir reden, im Augenblick dominierend, weil sie im Untergrund gut organisiert waren usw.; ich habe es oft geschrieben.

Aber das bedeutet eben nicht, daß sie Mehrheiten hinter sich hätten oder gar für einen großen Teil des Landes und seiner Gesellschaft stünden. Es bedeutet vor allem nicht, daß Arabien unabwendbar auf dem Weg hin zu islamistischen Staaten wäre.



Es ist halt so, lieber AldiOn: Das eine Klischee - vom harmlosen, gar demokratiefähigen Islamismus - ist genauso holzschnittartig wie das andere - vom übermächtigen, diese Länder beherrschenden Islamismus.

Ich versuche, gestützt auf Stratfor und die internationalen Medien, ein realistisches Bild zu zeichnen. Und das widerspricht nun mal dem einen wie dem anderen Klischee.

Vielleicht mögen Sie einmal (oder noch einmal?) die Serie Arabiens Misere lesen? Ich habe sie vor sechs Jahren geschrieben. Die damalige Analyse entspricht unverändert meiner Meinung.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




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16.10.2012 16:24
#22 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #20
Zitat von Zettel im Beitrag #19
Mit den Nazis und Faschisten ging es bekanntermaßen zu Ende. Der Aufschwung des Islamismus ist ein vorübergehendes historisches Phänomen.
Wobei dieses "vorübergehende historisches Phänomen" in Saudi-Arabien schon mal mehre Generationen und im Iran 30 Jahre anhält. Und das mit den Nazis und Faschisten ging auch nicht einfach so zu Ende sondern verlangte und erhielt allergrößte und weltumfassende Anstrengungen von denen einige in ihre Größe historisch einmalig sind und für lange Zeit auch bleiben werden.

Ja, das ist leider so, lieber AldiOn.

Der Wahabitenstaat Saudi-Arabien ist, wie gesagt, ein Sonderfall. Bis zum Ersten Weltkrieg herrschte in Saudi-Arabien wirklich noch eine Stammesgesellschaft mit strengsten religiösen Regeln. Dank des Ölsegens konnte sie perpetuiert werden; in einer seltsamen Symbiose mit moderner Technologie.

Der Iran illustriert sehr gut das, was ich zu sagen versuche: In einer bestimmten historischen Situation können Ideologen die Macht an sich reißen. In Persien war das die Überforderung des Landes durch die Modernisierung, mit der Reza Pahweli das Land à la Atatürk in die Moderne peitschen wollte. Dann wurde er krebskrank und fast willenlos. Das nutzte Khomeini, der bis dahin in Frankreich das Leben eines ohmächtigen Exilanten geführt hatte.

Ja, Sie haben Recht, solche Regimes können sich lange halten; siehe aktuell Nordkorea und auch Vietnam. Aber auf Dauer sind sie freiheitlichen Gesellschaften unterlegen.

Arabien wird sich entweder modernisieren, oder es wird - auch das ist eine Möglichkeit - den Weg Somalias gehen; ich habe das kürzlich ausgeführt.

Herzlich, Zettel

AldiOn Offline




Beiträge: 983

16.10.2012 16:39
#23 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #21

Vielleicht mögen Sie einmal (oder noch einmal?) die Serie Arabiens Misere lesen?
Ja, noch einmal
Darauf hatte ich schon mal geantwortet. Hier noch mal in Kurzform:
1. Malaysia.
Malaysia bekommt seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im wesentlichen von der chinesischen Minderheit. Deren wirtschaftlichen Erfolge sind dort tatsächlich so erdrückend, daß die (muslimische) Regierung bereits allerlei Maßnahmen realisiert hat, um dies einzugrenzen. Es wäre genau so in Indonesien, wenn man da nicht schon vor einigen Jahrzehnten hunderttausende Chinesen umgebracht hätte. Hätte man das damals nicht gemacht, würden sie jetzt Indonesien auch als muslimisches Erfolgsmodell hinstellen.

2. Kolonialismus
Sie selber weisen auf Japan, Taiwan und China hin (wer hat eigentlich die europäischen Länder kolonisiert um dort westlich orientierte Eliten zu schaffen?).

Ihre dort vertretene Meinung beruht auf einer äußerst schmalen Faktenbasis und selbst diese ist alles andere als unwiderleglich.

ratloser ( gelöscht )
Beiträge:

16.10.2012 16:58
#24 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat
Gahanouchi sieht eben die Islamisten gerade noch nicht auf dem Weg an die Macht. Er rät seinen salafistsischen Freunden zur Geduld. Er beklagt, daß weder die Armee noch die Polizei noch die Verwaltung von den Islamisten beherrscht werde.





Lieber Zettel,

nur weil jemand kein "Islamist" (eine originär westliche gutmenschliche Erfindung übrigens, auf deren Fragwürdigkeit der große Führer Erdogan schon hingewiesen hat, der meinte, es gebe nur "einen Islam")ist, ist er deswegen nicht frei von islamischer Indoktrination oder gar Freund einer freiheitlich pluralistischen Verfasstheit.

Der Konflikt der Salafisten, die die gewaltsame, rasche Errichtung eines Kaliphats wünschen, besteht in einem Gegensatz zu der Fraktion der Muslimbrüder, die eine längere, gewaltarme, politische Transformation bevorzugen. Das erwünschte Endziel entspricht sich aber!


Zitat
Ich halte es, lieber ratloser, für einen fundamentalen Fehler, wenn der Westen jetzt à la Westerwelle die Flinte ins Korn wirft und glaubt, Arabien sei bereits an die Islamisten verloren. Sie haben nirgends die Mehrheit. Überall gibt es die Chance zu einer demokratischen Entwicklung.

Allerdings muß der Westen das wollen und unterstützen. Defätisten wie Westerwelle und Obama sind dazu nicht willens oder nicht in der Lage.




Demokratie entsteht nicht per Dekret und auch nicht durch Gruppenkuscheln mit den eigenen Feinden oder Waffenlieferungen an die Feinde seiner Feinde. Die westliche Form der Gesellschaft trifft in islamischen Staaten auf breite Ablehnung. Die islamische Indoktrinierung betrifft den allergrößten Teil der islamischen Gesellschaften, egal wie politisiert oder gewalttätig sie sein mögen.

"Demokratie" ist übrigens ethisch neutral. Die demokratisch hervorgebrachten gesellschaftlichen Bedingtheiten sind entscheidend. Die Art der formalen Regierungsbildung mit der gesellschaftlichen Verfasstheit zu verwechseln oder gar anzunehmen, aus einer demokratischen Regierungsbildung folge automatisch auch eine freiheitlich verfasste Gesellschaft, ist ein Trugschluß.

Wen möchten Sie denn eigentlich konkret unterstützt sehen und wie sollte die Unterstützung aussehen?

Obama ist ein Defätist? Er kuschelt doch dauernd?! :-))


Zitat
Aber die Islamisten spekulieren natürlich darauf, daß man sie im Westen als Vertreter der Mehrheit sieht. Und leider fallen bei uns auch viele Kritiker des Islam auf diese Propaganda herein. Ich habe bei manchen - auch hier im Forum - den Eindruck, daß sie die angebliche Macht der Islamisten durch deren Augen sehen.




Nö. Aber ich verfolge aufmerksam Berichte über Christenverfolgungen, in den Kopf geschossene 14jährige Mädchen, die zur Schule gehen wollten, Eisenbahnminister, die Kopfgeld aussetzen, Abschaffung säkularer Rechtssysteme und monomorphe antisemitische Propaganda in diesen Staaten. Mir würde es gefallen, würde ich die "schweigende Mehrheit" wenigstens einmal leise pupsen hören....


Zitat
Sie schildern die Ideologie der Islamisten, nicht die Realität in den arabischen Staaten.





Die Realität der arabischen Staaten resultiert aus 1400 Jahren gelebter islamischer Ideologie, lieber Zettel.


Zitat
Vor dem Aufschwung des Islamismus, der parallel zum Niedergang des Arabischen Sozialismus in den achtziger Jahren einsetzte, waren die Islamisten überall kleine, radikale Minderheiten. Ausnahme: Saudi-Arabien mit seiner speziellen wahabitischen Tradition. Überall sonst herrschte ein westlicher Lebensstil, jedenfalls in der Ober- und Mittelschicht.




Wie groß waren denn die Ober- und insbesondere die Mittelschicht? ;-)


Im übrigen: der Sozialismus war in erster Linie ein arabischer Nationalismus. Der ist gescheitert. Vor allem an der Nichtreformierbarkeit der Gesellschaften durch die islamische Prägung.


Zitat
Der Arabische Sozialismus in seinen diversen Spielarten - Nasserismus, Baathismus, der algerische und tunesische Sozialismus, Gaddafis islamischer Marxismus - wollte Arabien in die Moderne katapultieren, nach dem Vorbild der Bolschewiken. Das scheiterte vollständig. Die Folge war ein Niedergang der ganzen Region. Der zerfallende Sozialismus hinterließ ein Vakuum, in das die Islamisten stoßen konnten.




Der Islam war vor dem panarabischen Nationalismus, während des panarabischen Nationalismus und nach dem panarabischen Nationalismus präsent. Der Nationalismus konnte gerade umgekehrt das Vakuum nicht füllen, das eine gewaltsame Unterdrückung des gelebten Islam in diesen Gesellschaften hinterliess.


Zitat
Der jetzige Aufschwung des Islamismus ist vergleichbar dem Aufschwung des Faschismus, des Nationalsozialismus, verschiedener rechtsautoritärer Regimes in Ungarn, Polen usw. in den Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg. In einer unsicher gewordenen Welt gewinnen Heilsbringer und Extremisten Zulauf.




Der Islam hat in der Tat einige Parallelen zum Faschismus, da gebe ich Ihnen Recht.


Zitat
Aber die Nazis haben nicht die deutsche Kultur und Gesellschaft repräsentiert. Ebensowenig wird die Kultur und Gesellschaft Ägyptens durch Morsi repräsentiert, oder die des Irak durch Al Sadr. Mit den Nazis und Faschisten ging es bekanntermaßen zu Ende. Der Aufschwung des Islamismus ist ein vorübergehendes historisches Phänomen.




Es gibt keine nichtislamische arabische Kultur, Vergangenheit, auf die noch zurückzugreifen wäre. Bei allem Respekt, Sie unterschätzen die Tiefe der soziokulturellen Prägung des arabischen Raums durch die dominante Ideologie in den letzten anderthalb Tausend Jahren.

mit freundlichen Grüßen,

wie immer ratlos ;-)

Zettel Offline




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16.10.2012 16:58
#25 RE: Wollen die Mehrheiten in den arabischen Staaten den Islamismus? Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #23
Ihre dort vertretene Meinung beruht auf einer äußerst schmalen Faktenbasis und selbst diese ist alles andere als unwiderleglich.

Das sehe ich anders, lieber AldiOn.

Belassen wir's dabei to agree to disagree? Ich muß noch den Artikel zur Debatte heute Nacht schreiben.

Herzlich, Zettel

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