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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 54 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.10.2012 17:45
Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Keine unserer Parteien mit Ausnahme der Piraten ist in ihrer Grundhaltung so populistisch wie die Grünen. Seit ihrer Gründung ging ihnen nichts über das Volk; sie nannten es allerdings lieber "Basis".

Jetzt hat sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, allen Ernstes dafür ausgesprochen, zum Thema Beschneidung eine Volksabstimmung zu veranstalten.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

20.10.2012 19:07
#2 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Keine unserer Parteien mit Ausnahme der Piraten ist in ihrer Grundhaltung so populistisch wie die Grünen. Seit ihrer Gründung ging ihnen nichts über das Volk; sie nannten es allerdings lieber "Basis".

Jetzt hat sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, allen Ernstes dafür ausgesprochen, zum Thema Beschneidung eine Volksabstimmung zu veranstalten.


Wie stehen die Grünen zu Volksabstimmungen über Minarette?

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for
the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the
things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and
those which are not."
-Thomas Jefferson
Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

20.10.2012 19:45
#3 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Keine unserer Parteien mit Ausnahme der Piraten ist in ihrer Grundhaltung so populistisch wie die Grünen. Seit ihrer Gründung ging ihnen nichts über das Volk; sie nannten es allerdings lieber "Basis".

Jetzt hat sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, allen Ernstes dafür ausgesprochen, zum Thema Beschneidung eine Volksabstimmung zu veranstalten.


Vielleicht sollte man einen »ignoble prize« für den Politiker stiften, der im Lauf eines Jahres den sinnlosesten Vorschlag macht. Jerzy Montag ist hiermit nominiert, aber das Jahr ist noch nicht vorbei und es gibt harte Konkurrenz …

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

20.10.2012 20:33
#4 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Gute Idee von Herrn Montag. Anschließend machen wir noch eine Volksabstimmung zum Thema Todesstrafe für Kinderschänder. Wobei so mancher, der noch vor 25 Jahren die Entkriminalisierung der Pädosexualität gefordert hat, da vielleicht ganz schnell kalte Füsse bekommen dürfte.

Ich finde ja auch, Rechtsstaat wird überbewertet. Das aber ausgerechnet ein Anwalt das auch so verkündet, das rollt einem doch so ein bissel die Zehennägel hoch.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

20.10.2012 20:59
#5 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Der konstitutionelle Unterschied liegt darin, daß Minarette im öffentlichen Raum stattfinden, also Toleranz und Weltoffenheit auf Seiten des Soveräns, in diesem Fall der Bevölkerungsmehrheit, darstellen. Zur Not muß dieser Souverän auch an seine Pflicht zu T-&-W gemahnt werden, am besten in Form beständiger Bauten.
Bei der Beschneidung geht es um die private Lebensführung, also der Bereich, der das Politische per excellence darstellt & in dem die Vorsorgepflicht des Souveräns, in diesem Fall der Obrigkeit, solche archaischen Quisquillien wie die Ausübung der vermeintlichen Religionsfreiheit (vor allem wenn es "die Wehrlosen zu schützen" gilt) locker toppt. Kinder sind die neuen Eisbären.

FAB. Offline



Beiträge: 523

20.10.2012 21:05
#6 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Kaum etwas eignet sich weniger für eine Entscheidung durch die Mehrheit des Volks als die Rechte von Minderheiten.

Das kann man - ohne daß ich mir diesen Standpunkt jetzt notwendigerweise zu eigen mache - durchaus gerade andersherum sehen. Welche Abweichungen von den allgemein oder überwiegend als richtig und zwingend angesehenen Rechtsgrundsätzen und Verhaltensmaßstäben ein Gemeinwesen auf seinem Gebiet zu dulden bereit ist, muß dieses Gemeinwesen ja in irgendeinem Verfahren bestimmen. Auch, womöglich sogar insbesondere dann, wenn es sich selbst nicht ethnisch, sondern ethisch begründen will, also über als gemeinsame angenommene oder gesetzte Wertvorstellungen. Und je grundlegender eine Wertentscheidung ist, desto weniger darf sie doch eigentlich an Repräsentanten oder gar Gerichte delegiert werden.

Solus Offline



Beiträge: 384

21.10.2012 02:21
#7 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Jetzt hat sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, allen Ernstes dafür ausgesprochen, zum Thema Beschneidung eine Volksabstimmung zu veranstalten.

Ich kann Ihrem Artikel hier so garnicht zustimmen. Entscheidungen, die so grundlegende Fragen betreffen, sind doch gerade genau das, über was das Volk in jedem Fall selbst entscheiden können sollte. Im Rahmen der Verfassung natürlich.

Vitzliputzli Offline



Beiträge: 11

21.10.2012 04:19
#8 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

das grundgesetz sagt ganz klar: die unversehrtheit (des körpers) wird geschützt. und die religionsfreiheit. nicht die der eltern, sondern die des kindes. das soll jetzt per gesetz geändert werden. meiner meinung nach ein brutales verbrechen. an den (vor allem künftigen) jüdischen und moslemischen kindern (stämmigen).

eine volksabstimmung über ein verbrechen an kindern ...? ja, warum nicht? wenn´s die mehrheit denn will ....

ticken wir eigentlich noch normal ...?

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.286

21.10.2012 06:50
#9 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #2
Zitat von Zettel im Beitrag #1
Keine unserer Parteien mit Ausnahme der Piraten ist in ihrer Grundhaltung so populistisch wie die Grünen. Seit ihrer Gründung ging ihnen nichts über das Volk; sie nannten es allerdings lieber "Basis".

Jetzt hat sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, allen Ernstes dafür ausgesprochen, zum Thema Beschneidung eine Volksabstimmung zu veranstalten.


Wie stehen die Grünen zu Volksabstimmungen über Minarette?


Oder: Eine Volksabstimmung ueber ein Verbot der gruenen Partei.... mal sehen was sie dazu sagen; ich darf raten: NPD ja, wir? niemals nimmer nicht. Die selektive Demokratie des Herrschers.

Fonzo

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2012 08:30
#10 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Solus im Beitrag #7
Zitat von Zettel im Beitrag #1
Jetzt hat sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, allen Ernstes dafür ausgesprochen, zum Thema Beschneidung eine Volksabstimmung zu veranstalten.

Ich kann Ihrem Artikel hier so garnicht zustimmen. Entscheidungen, die so grundlegende Fragen betreffen, sind doch gerade genau das, über was das Volk in jedem Fall selbst entscheiden können sollte. Im Rahmen der Verfassung natürlich.

Warum, lieber Solus?

Masu Offline



Beiträge: 26

21.10.2012 10:31
#11 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Lieber Zettel,

vielleicht lässt sich dieses Problem ganz einfach lösen. Die entscheidende Frage ist doch: Wer entscheidet, was zur Volksabstimmung geeignet ist und was nicht?

Wenn wir wie bisher die Politik darüber entscheiden lassen, so sehe ich hier eine Reihe von Problemen:

Zum einen versickert durch dieses System Verantwortlichkeit. Politiker, die von den Menschen dazu gewählt wurden, an ihrer statt zu entscheiden, können sich hiermit vor unangenehmen Entscheidungen drücken. Im Falle von Stuttgart 21 stellte die Volksabstimmung auch ein Hintertürchen der Politik dar: "Seht her, ihr habt es ja so gewollt!"
Außerdem sollte die Politik nicht nach Gutherrenart darüber entscheiden können, was denn mal von Volk abgestimmt wird, und was nicht.
Und zu guter Letzt nützt eine Volksabstimmung niemandem, wenn das Thema dafür zu komplex ist, und keiner mehr abstimmen geht.

Dabei existiert ein ganz einfacher Mechanismus, der sicherstellt, dass relevante, für die Politik auch unangenehme Themen zur Volksabstimmung vorgelegt werden: Das kassative oder abrogative Referendum. Im Gegensatz zum fakultativen Referendum, bei dem die Regierung dem Volk ein bestimmtes Thema zur Abstimmung vorlegt, äußert bei diesem "Volksbegehren" das Volk seinen Abstimmungswunsch selbst. Wenn ein Abstimmungsthema genügend Unterschriften zusammen hat und das nötige Quorum erfüllt, dann wird es allen zur Abstimmung vorgelegt.

Auf Bundesebene ist dies leider immer noch nicht möglich. Hier wären aber die entscheidenden, die wirklich wichtigen Themen zu finden (mit Ausnahme mal der Bildungspolitik).

Wenn wir wirklich das Volk selbst entscheiden ließen, worüber es abstimmen möchte, wäre Beschneidung kein Thema.

Gruß Masu

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2012 11:24
#12 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Masu im Beitrag #11

Wenn wir wirklich das Volk selbst entscheiden ließen, worüber es abstimmen möchte, wäre Beschneidung kein Thema.

Eben, lieber Masu. Das ist ja mein Einwand.

Herzlich, Zettel

Solus Offline



Beiträge: 384

21.10.2012 12:39
#13 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #10
Zitat von Solus im Beitrag #7
Zitat von Zettel im Beitrag #1
Jetzt hat sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, allen Ernstes dafür ausgesprochen, zum Thema Beschneidung eine Volksabstimmung zu veranstalten.

Ich kann Ihrem Artikel hier so garnicht zustimmen. Entscheidungen, die so grundlegende Fragen betreffen, sind doch gerade genau das, über was das Volk in jedem Fall selbst entscheiden können sollte. Im Rahmen der Verfassung natürlich.

Warum, lieber Solus?

Nun, die Frage, wie schwer verschiedene Grundrechte im Verhältnis zueinander wiegen sollen hat eine ähnliche Qualität wenn auch weniger Gewicht als die Frage, welche Grundrechte überhaupt in der Verfassung stehen sollen.
Mir scheint es dementsprechend, dass eine Delegierung dieser Entscheidung an die Volksvertreter in etwa das gleiche ist, wie eine Volksabstimmung über eine Verfassung durch die Wahl von Delegierten zu ersetzen, die über die Verfassung entscheiden.
Ich halte die repräsentative Demokratie grundsätzlich für ein notwendiges Übel - das Volk kann schlichtweg nicht jede Entscheidung selbst fällen (allerdings sehr viel mehr, als es in Deutschland praktiziert wird, wie ein Blick bspw. in die USA zeigt) -, aber ich sehe nicht, wie man ihm die Entscheidungsgewalt über etwas derartig grundlegendes entziehen kann.
Es besteht ein mehr oder weniger allgemeiner Konsens unter den Parteien, die Beschneidung zu erlauben. Ja, falls das Volk sich dagegen aussprechen sollte, was sollte dann die Meinung der Politiker schwerer wiegen, vorausgesetzt, beide Varianten vertragen sich mit der geltenden Verfassung?

Ich halte es für recht wahrscheinlich, dass die Beschneidung, würde sie dem Volk zur Abstimmung vorgelegt, verboten würde (den seltenen Fall medizinischer Notwendigkeit ausgenommen).
In der einige Zeit zurückliegenden Diskussion über das Thema hatte ich mich ja recht vehement für ein Verbot ausgesprochen. Die Meinung habe ich inzwischen grundlegend geändert, sie verträgt sich schlichtweg nicht mit der Ansicht, dass der Staat nur das notwendigste regulieren sollte. Und so sehr ich die Beschneidung für barbarisch und verwerflich halte, stehen dem halt doch meine freiheitlichen Grundüberzeugungen entgegen.
Und dennoch, aus dem gleichen Grund halte ich eine Volksabstimmung darüber für geboten.

Umgekehrt möchte ich die Frage an Sie richten, lieber Zettel: Was spricht gegen eine Volksabstimmung über das Thema, solange unsere Verfassung davon nicht berührt wird, d.h. das Verfassungsgericht ein daraus resultierendes Gesetz für ungültig erklären kann, sofern es selbiges als verfassungswidrig erachten sollte? Ob Politiker oder Volk, beide müssen sich ja im Rahmen unserer Verfassung bewegen.

Ich sehe hier auch nicht nur die Rechte von Minderheiten betroffen. Wenn die Beschneidung für legal erklärt würde, sehe ich nicht, was prinzipiell gegen bspw. körperliche Züchtigung sprechen würde. Und das betrifft dann doch wieder die ganze Bevölkerung.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2012 12:50
#14 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Solus im Beitrag #13
Umgekehrt möchte ich die Frage an Sie richten, lieber Zettel: Was spricht gegen eine Volksabstimmung über das Thema, solange unsere Verfassung davon nicht berührt wird, d.h. das Verfassungsgericht ein daraus resultierendes Gesetz für ungültig erklären kann, sofern es selbiges als verfassungswidrig erachten sollte? Ob Politiker oder Volk, beide müssen sich ja im Rahmen unserer Verfassung bewegen.

Ja, gewiß.

Ich habe, lieber Solus, es in dem Artikel zu skizzieren versucht: Für Gesetzgebung sind in einer repräsentativen Demokratie nun einmal die Parlamente zuuständig. (Ob man statt der repräsentativen eine Räte- oder eine direkte Demokratie will, ist eine andere Frage; ich will sie nicht). Also ist zu fragen, in welchen Fällen ausnahmsweise das Volk befragt werden sollte.

Das ist meines Erachtens dann sinnvoll, wenn ein gesellschaftlicher Konflikt nicht anders zur leidlichen Zufriedenheit aller lösbar ist; siehe Stuttgart21. In allen anderen Fällen sehe ich keinen Bedarf, warum die im allgemeinen ja diffizile Arbeit der Gesetzgebung nicht denen überlassen werden sollte, die dafür gewählt wurden und die dafür bezahlt werden.

Ein zweiter Punkt ist, daß Minderheiten geschützt werden müssen. Mehrheiten sind oft nicht bereit, Minderheiten ihre Rechte zu lassen. Deshalb ist Demokratie, für sich genommen, ja eine so gefährliche Veranstaltung. Bei Platon und Aristoteles war "Demokratie" nachgerade ein Schimpfwort.

Erst wenn strikter Schutz vor Mißbrauch der Herrschaft des Volks durch entsprechende Gesetze dazukommt, wenn es den Filter der Repräsentation gibt,- erst dann wird die Demokratie zur besten Staatsform, die bisher erprobt wurde.

Herzlich, Zettel

Solus Offline



Beiträge: 384

21.10.2012 13:20
#15 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #14
Zitat von Solus im Beitrag #13
Umgekehrt möchte ich die Frage an Sie richten, lieber Zettel: Was spricht gegen eine Volksabstimmung über das Thema, solange unsere Verfassung davon nicht berührt wird, d.h. das Verfassungsgericht ein daraus resultierendes Gesetz für ungültig erklären kann, sofern es selbiges als verfassungswidrig erachten sollte? Ob Politiker oder Volk, beide müssen sich ja im Rahmen unserer Verfassung bewegen.
Ich habe, lieber Solus, es in dem Artikel zu skizzieren versucht: Für Gesetzgebung sind in einer repräsentativen Demokratie nun einmal die Parlamente zuuständig. (Ob man statt der repräsentativen eine Räte- oder eine direkte Demokratie will, ist eine andere Frage; ich will sie nicht). Also ist zu fragen, in welchen Fällen ausnahmsweise das Volk befragt werden sollte.

Das ist meines Erachtens dann sinnvoll, wenn ein gesellschaftlicher Konflikt nicht anders zur leidlichen Zufriedenheit aller lösbar ist; siehe Stuttgart21. In allen anderen Fällen sehe ich keinen Bedarf, warum die im allgemeinen ja diffizile Arbeit der Gesetzgebung nicht denen überlassen werden sollte, die dafür gewählt wurden und die dafür bezahlt werden.


Ich sehe die Notwendigkeit vorallem dort, wo die grundlegendsten Fragen betroffen sind, die Grundsätze, nach denen sich der Staat richten sollte.

Was den Schutz von Minderheiten anbelangt, stimme ich Ihnen vollumfänglich zu. Das Problem daran ist, dass ich auch die Volksvertreter für untauglich dafür halte, Minderheiten wirklich allgemein zu schützen. Es wird gewiss eine, nennen wir es Ebene der Rohheit, weggenommen, wenn man die Entscheidung dem Repräsentanten statt dem Volk selbst überlässt. Aber letztliche Sicherheit bietet auch das nicht. Den Moslem oder den Juden mag es vielleicht schützen - aber was ist mit dem Reichen, dem Nazi. Oder auch dem Pädophilen?

Ich sehe grundsätzlich die einzige wirklich zielführende Lösung in einer Verfassung, die so restriktiv formuliert ist, dass wenig bis kein Spielraum für Missbrauch mehr übrigbleibt. Ungefähr so, wie bspw. das Recht auf freie Meinungsäußerung in der amerikanischen Verfassung verankert ist. Allen Angriffen von verschiedensten Seiten zum Trotz hat das die Jahrhunderte überdauert und besteht auch heute noch in wenigstens größtenteils unveränderter Form.
Ich traue dem Volksvertreter zu, dass er etwas besonnener entscheidet, als das Volk selbst. Aber ich traue ihm nicht zu, dass er freier von Ideologie entscheidet. Und insofern ist eine Entscheidung durch den Repräsentanten statt dem Volk vielleicht eine bessere Variante unter schlechten Bedingungen. Aber grundsätzlich kann meiner Ansicht nach das Ziel nur sein, die Rahmenbedingungen, d.h. die Verfassung, so zu gestalten, dass es dem Volk ebenso wie dem Repräsentanten verunmöglicht wird, gewisse Dinge zu verfügen.

In etwa so, wie weder das Volk noch die Volksvertreter die Todesstrafe in Deutschland wieder einführen könnten, ohne wirklich abenteuerliche Interpretationen der Verfassung vorzunehmen.

FAB. Offline



Beiträge: 523

21.10.2012 17:50
#16 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #14
In allen anderen Fällen sehe ich keinen Bedarf, warum die im allgemeinen ja diffizile Arbeit der Gesetzgebung nicht denen überlassen werden sollte, die dafür gewählt wurden und die dafür bezahlt werden.

Das Denken überlassen wir den Pferden...

Volksgesetzgebung zu technischen Detailfragen ist wenig praktikabel, soviel ist richtig. Das Thema, anhand dessen die Frage hier aufgeworfen wurde, ist aber ganz und gar nicht "diffizil". Es handelt sich vielmehr um eine simple Wertentscheidung, welcher von zwei konfligierenden Grundrechtspositionen der Vorrang eingeräumt werden sollte.

Die Vorstellung, grundsätzliche Wertfragen in meinem Namen und allgemeinverbindlich ausgerechnet von der Sorte Menschen entscheiden zu lassen, die offenbar unsere "Repräsentativorgane" bevölkert, wird mir immer mehr zuwider, je länger ich darüber nachgrübele.

Zitat von Zettel im Beitrag #14
Ein zweiter Punkt ist, daß Minderheiten geschützt werden müssen. Mehrheiten sind oft nicht bereit, Minderheiten ihre Rechte zu lassen.

Das ist m.E. allenfalls solange grundsätzlich richtig, als man dabei immer im Blick behält, daß (kollektive) "Minderheitenrechte" ihrerseits mit Individualrechten kollidieren können und dann den letzteren durchaus der Vorrang gebührt.

Daß ein Verhalten von einer "Minderheit" praktiziert wird, verleiht ihm weder per se eine generelle Schutzwürdigkeit noch begründet es auch nur eine Vermutung, daß Duldung ("Toleranz") angezeigt wäre.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2012 18:03
#17 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von FAB. im Beitrag #16
Daß ein Verhalten von einer "Minderheit" praktiziert wird, verleiht ihm weder per se eine generelle Schutzwürdigkeit noch begründet es auch nur eine Vermutung, daß Duldung ("Toleranz") angezeigt wäre.

Hm, lieber FAB. So, wie diese Welt nun einmal ist, kann die Mehrheit sich im allgemeinen selbst schützen.

Ich kann Ihnen in der Gesamtsicht hier nicht zustimmen; und ich bin, ehrlich gesagt, über Ihre Position auch ein wenig erstaunt, weil ich Sie als einen Verteidiger der Freiheit schätze.

Wollen Sie es wirklich befürworten, daß qua "demokratische Entscheidung des Volks" die Mehrheit generell die Möglichkeit hat, die Freiheit einer Minderheit einzuschränken? Daß also die Mehrheit der Nichtraucher, sagen wir, das Rauchen auch im eigenen Haus oder (was ja offenbar betrieben wird) im eigenen Auto verbietet? Daß die Mehrheit der Umweltbewußten beispielsweise mir und Ihnen verbietet, mehr Strom zu verbrauchen, als es dem jeweiligen Haushalt "zusteht"? (Man könnte ja Stromrechte analog zu den seinerzeitigen Lebensmittelkarten einführen).

Oder um bei den Kindern zu bleiben - daß nicht nur deren Beschneidung verboten wird, sondern beispielsweise auch eine häusliche Erziehung ohne jede Kita?



Möchten Sie, lieber FAB., als Konservativer wirklich gern in allen Fragen, die Ihre Freiheit betreffen, den Entscheidungen einer - jedenfalls derzeit - bis in die Union hinein linksgrünen Mehrheit des Volks ausgeliefert sein?

Ich möchte das alles nicht und bin heilfroh, daß das Volk nicht über die Beschneidung, nicht über das Rauchen, nicht über meinen Stromverbrauch und auch nicht darüber entscheiden darf, ob alle Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Substanzen erhalten, verboten werden sollten.

Herzlich, Zettel

Bibliothekar Offline




Beiträge: 109

21.10.2012 19:31
#18 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Es klingt einfach nur ganz toll demokratisch den Bürger über alles Mögliche abstimmen zu lassen. Aber, wie will man den Zeitgeist dabei fernhalten, wie will man die Konsequenzen für die unterliegende Gruppe bewerten und wie oft und in welchen Abständen will man denn dann das Ergebnis mit der neuen aktuellen politische Lage evaluieren?
Es fehlt dann vermutlich vor Allem an ehrlichen, objektiven Argumenten vor der Abstimmung, sicher bei beiden Parteien. Ich denke da nur an Diskussionen zu Kernkraft und Grüner Gentechnik, wo Verbote weit tragende Konsequenzen in die Zukunft haben können und schnell auch die Mehrheit wieder wechseln kann.

Wie Zettel kann ich da nur sagen - Ich will das nicht!

Beste Grüße B.

----------------------------------------------------
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Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

21.10.2012 19:38
#19 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Bibliothekar im Beitrag #18

Wie Zettel kann ich da nur sagen - Ich will das nicht!

Genau, ich auch nicht. Der Artikel von Zettel hat mir schon sehr gut gefallen, aber noch besser fand ich seine Argumentation in der Diskussion.

Viele Grüße, Erling Plaethe

FAB. Offline



Beiträge: 523

21.10.2012 19:58
#20 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #17
Ich möchte das alles nicht und bin heilfroh, daß das Volk nicht ... darüber entscheiden darf


Ich möchte all das durchaus ebenfalls nicht, teile auch die Skepsis gegenüber direkter Umsetzung des ungefilterten Volkswillens, allerdings beschleicht mich immer häufiger der Verdacht, daß ich denjenigen, die hier & heute das Volk "vertreten" sollen, noch weitaus weniger trauen kann, als dem Volk selbst. Jedes Repräsentativsystem steht und fällt mit der Qualität der Repräsentanten, und die der unsrigen ist ... nun, "unbefriedigend" ist erheblich zu euphemistisch, aber die Forumsregeln verbieten die Worte, die mir stattdessen auf der Zunge lagen. Sagen wir es so: die derzeit praktizierte konkrete Ausformung der repräsentativen Demokratie scheint mir eine ausgeprägte Negativauslese mit sich zu bringen.

Zitat von Zettel im Beitrag #17
So, wie diese Welt nun einmal ist, kann die Mehrheit sich im allgemeinen selbst schützen.

Ist die Welt so? Ich zweifle. Unter gegenwärtig obwaltenden Umständen gewinne ich zunehmend den Eindruck, daß unsere "Repräsentanten" mit Lust und Wonne einseitige Politik zugunsten von Minderheiten betreiben. Das ist eine weitere Facette der Parlamentarismuskrise, die wir miterleben.

FAB. Offline



Beiträge: 523

21.10.2012 20:14
#21 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #17
Wollen Sie es wirklich befürworten, daß qua "demokratische Entscheidung des Volks" die Mehrheit generell die Möglichkeit hat, die Freiheit einer Minderheit einzuschränken?

Bitte, das "generell" ist ein Strohmann. Natürlich nicht "generell" im Sinne von "beliebig" und "unbegrenzt".
Und daß eine Minderheitenposition auch falsch und verwerflich sein kann, ist trivial. Oder?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2012 21:12
#22 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von FAB. im Beitrag #21
Zitat von Zettel im Beitrag #17
Wollen Sie es wirklich befürworten, daß qua "demokratische Entscheidung des Volks" die Mehrheit generell die Möglichkeit hat, die Freiheit einer Minderheit einzuschränken?

Bitte, das "generell" ist ein Strohmann. Natürlich nicht "generell" im Sinne von "beliebig" und "unbegrenzt".

Ich meinte damit, lieber FAB., lediglich, daß das, was für einen Volksentscheid bei der Frage der Beschneidung ins Feld geführt werden kann, zwangsläufig auch für die anderen Beispiele gelten würde, die ich genannt habe.

Herzlich, Zettel

FAB. Offline



Beiträge: 523

21.10.2012 21:42
#23 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #22
Ich meinte damit lediglich, daß das, was für einen Volksentscheid bei der Frage der Beschneidung ins Feld geführt werden kann, zwangsläufig auch für die anderen Beispiele gelten würde, die ich genannt habe.

Nö.
Zitat von FAB. im Beitrag #16
Das Thema, anhand dessen die Frage hier aufgeworfen wurde, ist aber ganz und gar nicht "diffizil". Es handelt sich vielmehr um eine simple Wertentscheidung, welcher von zwei konfligierenden Grundrechtspositionen der Vorrang eingeräumt werden sollte.

Weder auf ein Rauchverbot im Auto noch auf eine Elektrizitätskontingentierung träfe das zu.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2012 22:14
#24 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Zitat von FAB. im Beitrag #23
Zitat von FAB. im Beitrag #16
Das Thema, anhand dessen die Frage hier aufgeworfen wurde, ist aber ganz und gar nicht "diffizil". Es handelt sich vielmehr um eine simple Wertentscheidung, welcher von zwei konfligierenden Grundrechtspositionen der Vorrang eingeräumt werden sollte.

Weder auf ein Rauchverbot im Auto noch auf eine Elektrizitätskontingentierung träfe das zu.

Wirklich nicht? In beiden Fällen ist das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit tangiert. Welches die Rechte sind, die dem genau gegenüberstehen, will ich gar nicht zu beurteilen versuchen - vermutlich im einen Fall das Recht auf körperliche Unversehrtheit, im anderen ... tja, was? Noch genießt meines Wissens der Umweltschutz keinen Verfassungsrang, oder irre ich mich?

Herzlich, Zettel

LD Offline



Beiträge: 13

22.10.2012 10:29
#25 RE: Zitat des Tages: Volksabstimmung über Beschneidung? Antworten

Das Grundgesetzt sagt aber auch „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ (Art. 6 Abs. 2 S. 1) Und dazu gehört selbstverständlich auch die religiöse Erziehung. Gesetzlich sind Kinder schließlich auch erst mit 14 Jahren religionsmündig. Und dass die Interessen der unmündigen Kinder in einem freiheitlich orientierten Staat in erster Linie von ihren Eltern und nicht vom Staat vertreten werden, halte ich auch nicht für falsch.

Und auch wenn ich selber der Beschneidung von Kleinkinder eher skeptisch gegenüber stehe, halte ich eine dermaßen plakative Vereinfachung der in meinen Augen doch komplexeren Thematik nicht für angemessen. Fragen, bei denen Grundrechte gegeneinander abgewogen werden müssen, sind immer schwierige Fragen. Und diese Abwägung wird natürlich nicht dadurch erleichtert, dass in diesem Fall nicht nur Jahrtausende alte Traditionen zweier Weltreligionen betroffen sind und die Diskussion nicht nur im Umfeld aktueller gesellschaftlicher Umwälzungen geführt wird, sondern auch unter dem Eindruck der selbstverständlich immer noch besonderen Beziehung der Deutschen zum Judentum.

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