Kristina Schröder gehört zu den Bundespolitikern, vor denen ich die größte Hochachtung habe. Eine mutige, prinzipientreue Frau. Als ich die Vorabmeldung gelesen habe, mit der ich mich in dieser Meckerecke befasse, war ich deshalb zuerst verwundert.
Aber dann schien mir Kristina Schröder doch richtig zu handeln. Man sollte auch auf den Text des Interviews warten. Vorabmeldungen geben oft ein einseitiges Bild.
Zitat von ZRFür sich selbst darf man mutig sein; Mannesmut vor Fürstenthronen. Aber man darf nicht diejenigen kompromittieren, für die man verantwortlich ist.
Und das passiert, weil vielleicht auch andere Kinder dieses Buch vorgelesen bekommen haben. Wie steht dieses Kind da mit der Interpretation der Eltern? Als Außenseiter. Veräppelt von den eigenen Eltern. Warum sollte das Kind ihnen trauen?
Neugierde treibt den Wissensdurst an, natürlich sind auch Interpretationen dazuzuzählen, aber letztlich zählt, ob es der Falsifizierbarkeit genügt; und gerade unter Kindern läuft diese, recht kompromisslos. Ganz anders als unter Erwachsenen.
Mir scheint, daß Ministerin Schröder (bestenfalls) vorab darüber nachdenkt, wie sie "Pippi Langstrumpf" - wenn es so weit ist - "richtig" vorlesen könnte. Jedenfalls scheint ihr daran zu liegen, der Öffentlichkeit das Ergebnis ihrer Vorüberlegungen mitzuteilen. Also könnte man ihre Einlassungen auch als "'Ranschmeißen" an eine Klientel deuten, die ihr bisher eher nicht zugetan ist.
Das Kind ist 18 Monate (!) alt, und sie liest schon "Pippi Langstrumpf" vor? Mir kommt das merkwürdig vor. Kann man machen, aber ob das Kind da schon die Vokabel "Negerkönig" herauspickt und in seinen Wortschatz aufnimmt, scheint mir unwahrscheinlich? -
Vielleicht waren meine Kinder ja nicht so reif oder so intelligent wie das der Ministerin. Oder meine Erinnerung trügt. Meiner Erinnerung nach guckt man mit Kindern dieses Alters einfache Bilderbücher an und spricht mit ihnen, zeigt auf Details, "übt" - immer wieder einzelne Wörter, einfache Sätze. Vorlesen komplexerer Texte geht selbstverständlich (zusätzlich) auch, aber da geht es doch dann mehr darum, Nähe herzustellen, sich Zuzuwenden, zu Kuscheln und den Klang der mütterlichen Stimme auf das Kind wirken zu lassen. Der eigentliche Text wäre daher eher nebensächlich, spiegelte wohl eher die persönlichen Vorlieben wider (Bibel, Telefonbuch, Märchenbuch, Tageszeitung - und, klar "Pippi" erfüllt prinzipiell auch diesen Zweck.)
Die bei einem Kind dieses Alters eher vordringliche Frage, ob zu Weihnachten das Christkind oder der Weihnachtsmann kommt, wie man dem Kind also diese wunderbaren Geschenke erklärt, die da plötzlich unter einem BAUM MITTEN IM WOHNZIMMER liegen, ist noch nicht geklärt, aber die Feinheiten der Lindgren-Lektüre schon? - Das ist doch "Show"!
Zitat von Barbara im Beitrag #5Mir scheint, daß Ministerin Schröder (bestenfalls) vorab darüber nachdenkt, wie sie "Pippi Langstrumpf" - wenn es so weit ist - "richtig" vorlesen könnte.
Pippi Langstrump entzieht sich der Erziehung. Mag sein, dass es mal in linken Kreisen angesagt war. Aber es schieden sich schon früher die Geister an Astrid Lindgren. Negerkönig hat etwas Wildes, Despot oder Tyrann ist dagegen viel naheliegender. Dass ein König der Neger genauso gut ein König der Blankos sein könnte, ist der Ansatz einer Erklärung. Schließlich geht ja der Bezug auf die Existenz eines Adelsgeschlechts bei den Negern nicht von einer grundsätzlichen Abneigung gegenüber eine anderen Rasse aus.
Ganz im Gegenteil ist es die Infragestellung der Autorität eines Vaters der nie zu Hause ist. Eines Vaters der meint zu herrschen ohne geliebt zu werden. Pippi Langstrump gibt allen Hoffnung die unter der Herrschaft eines Vaters leben müssen die angezweifelt werden muss. Die ihn aber dennoch lieben, eben weil er ihr Vater ist. Auch wenn er nur der König von Wilden ist - als Wilder.
Auch in Schweden hatte Astrid Lindgren für ihre Pipi Langstrumpf viel Kritik bekommen. Seinerzeit jedoch nicht wegen des Negerkönigs, sondern weil sie ihrer Pippi einen ganzen Koffer voll Goldstücke an die Hand gab. Das war den Schweden zu kapitalistisch und dahin ging auch die Kritik.
Zitat von Barbara im Beitrag #5Vielleicht waren meine Kinder ja nicht so reif oder so intelligent wie das der Ministerin. Oder meine Erinnerung trügt. Meiner Erinnerung nach guckt man mit Kindern dieses Alters einfache Bilderbücher an und spricht mit ihnen, zeigt auf Details, "übt" - immer wieder einzelne Wörter, einfache Sätze. Vorlesen komplexerer Texte geht selbstverständlich (zusätzlich) auch, aber da geht es doch dann mehr darum, Nähe herzustellen, sich Zuzuwenden, zu Kuscheln und den Klang der mütterlichen Stimme auf das Kind wirken zu lassen. Der eigentliche Text wäre daher eher nebensächlich, spiegelte wohl eher die persönlichen Vorlieben wider (Bibel, Telefonbuch, Märchenbuch, Tageszeitung - und, klar "Pippi" erfüllt prinzipiell auch diesen Zweck.)
Vielen Dank. Ich wollte zwar erst das Interview abwarten bevor ich laut gebe, aber Ihr Kommentar ist so hervorragend, dass ich jetzt schon einmal Beifall klatsche.
Mein erster Gedanke war: Wie erfrischend freigeistig, dass eine Ministerin einfach mal bei sich selbst anfängt und ihre Kinder so erzieht wie sie es für richtig hält ohne das irgendwem anders vorschreiben zu wollen. Sie ändert die Geschichten, kein anmaßendes "man muss", keine politische Initiative. Dabei wäre es sogar ihr Ressort. Geht doch. Damit entfällt für mich auch die Frage ob ich es gut finde die Begriffe Negerkönig zu meiden. Es geht mich nichts an. Solange mir niemand meine Freiheit die Geschichte im Original zu lesen nehmen will, lasse ich gerne jedem anderen die Freiheit sie zu ändern - was man mit Geschichten in den Jahrhunderten doch eh immer gemacht hat.
Zitat von patzer im Beitrag #8http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article112114240/Frau-Gott-laesst-sich-nicht-alles-gefallen.html
Frau Schröder kann sie sich jetzt schon auf spannende Diskussionen mit ihrer Tochter einstellen, wenn sie versucht ihr das Vater Unser und das apostolische Glaubensbekenntnis beizubringen.
"Because the many Babar books are replete with the honoring of kings and princesses, the triumph of the strong and the mocking of the weak, the glorification of wealth and the sanction of "deserved" property, and portrayal of some people as civilized and others as savage, Kohl wonders if "we should avoid purchasing them and sharing them with our children: Should we burn books like Babar"?"
Überhaupt eine hübsche Gemengelage: darf man Nicht-Afrikaner, selbst als finsterer Rassist, als "Neger" bezeichnen? ("diffamieren" geht natürlich immer: für die Aborigines galt die längste Zeit die offizielle Bezeichnung "Australneger"). Martin Luther King & Louis Armstrong haben sich immer selbst als "Negro" bezeichnet.
Also ich weiss ja nicht, aber ich würde mich auf meinen aus Ghana stammenden Arbeitskollegen in Gesprächen sicherlich nicht als "der Neger" beziehen oder die Mitschüler meiner Tochter als "Negerkinder" bezeichnen.
Und sicherlich nicht deshalb, weil dies politisch korrekt oder ich in irgendeiner Form links angehaucht wäre. Das ist schlichtweg eine Frage des Respekts und des würdevollen Umgangs miteinander. Dass das Wort "Neger" im realen Alltag eine stark herabwürdigende Konnotation in Richtung Untermensch hat, lässt sich ja wohl schwerlich leugnen.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #16Das ist schlichtweg eine Frage des Respekts und des würdevollen Umgangs miteinander. Dass das Wort "Neger" im realen Alltag eine stark herabwürdigende Konnotation in Richtung Untermensch hat, lässt sich ja wohl schwerlich leugnen.
Werter Frankenstein, ich würde mich im Alltag sicher auch so verhalten.
Gerade habe ich das Buch "Tage des Überlebens" Berlin 1945, München 1968 von Margret Boveri gelesen, in einer Ausgabe der "Anderen Bibliothek" von 1996. Frau Boveri veröffentlicht Tagebuchaufzeichnungen von 1945. Da kommen dann Ausdrücke wie "Negerkünstler" oder "Negersoldat" vor, sicher nicht abfällig gemeint. Welches andere Wort hätte sie auch damals nehmen sollen? Begriffe wie "Farbige" usw. wird es 1945 vermutlich nicht gegeben haben.
Irgendwann kommt dann eine selbsternannte Sprachpolizei und erklärt den Gebrauch den Wortes für rassistisch.
Die wollen nur sehen, wie sie uns immer wieder kujonieren können.
Ich warte nur auf den Tag, wo das Wort "Roma" auch zum rassistischen Wort erklärt wird, weil die Leute dahinterkommen, daß damit Zigeuner gemeint sind.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #16Also ich weiss ja nicht, aber ich würde mich auf meinen aus Ghana stammenden Arbeitskollegen in Gesprächen sicherlich nicht als "der Neger" beziehen oder die Mitschüler meiner Tochter als "Negerkinder" bezeichnen.
Und sicherlich nicht deshalb, weil dies politisch korrekt oder ich in irgendeiner Form links angehaucht wäre. Das ist schlichtweg eine Frage des Respekts und des würdevollen Umgangs miteinander. Dass das Wort "Neger" im realen Alltag eine stark herabwürdigende Konnotation in Richtung Untermensch hat, lässt sich ja wohl schwerlich leugnen.
So ist es.
Es kommt, lieber Frankenstein, bei der Sprache eben auch auf das an, was die Linguisten die Pragmatik nennen - die Sprechsituation, die Kommunikationsabsicht.
Wenn hier im Forum bestimmte Wörter verwendet werden, die Schlüsselwörter der Rechtsextremisten sind, dann reagiere ich darauf, wie man weiß, mit dem Ausschluß aus dem Forum. Nicht weil es an sich schlimm wäre, ein Wort zu verwenden; sondern deshalb, weil es im Kontext einer politischen Diskussion eine Position markiert.
Wörter zu verbieten ist illiberal. Historische Texte wie etwa die von Mark Twain nachträglich zu zensieren, zeigt eine totalitäre Tendenz. Aber andererseits muß man auch denjenigen entgegentreten, die durch die Verwendung von bestimmten Schlüsselbegriffen andere herabsetzen und eine politische Position signalisieren wollen.
Wenn hier im Forum jemand beispielsweise Präsident Obama als "Neger" bezeichnen würde, dann würde ich ihn sofort ausschließen. Denn er würde das ja nicht harmlos tun; so, wie Astrid Lindgren vom "Negerkönig" schreibt. Sondern er würde provozieren wollen.
Patrick Leigh Fermor, The Violins of Saint-Jacques (1953) [im Roman heißt die Insel St. J., gemeint ist Martinique], anläßlich des Mardi Gras:
"The party from Government House, who had never seen such a sight, were bewildered. The Governor kept repeating that it was 'fort interessant, ma foi! Personne ne sait danser comme les nègres!' The Count resisted the temptation to tell him that the word nègre, as opposed to noir, was never used in the islands except as an insult. But Madame Sciocca's hands were clasped in an ecstasy of metropolitan rapture. 'Mais ils sont impayables, ces gens là,' she cried to the Count at her side; then, as a more premeditated comment, 'quelle incroyable désinvolture,' she sighed."
Zitat von Frankenstein im Beitrag #16Dass das Wort "Neger" im realen Alltag eine stark herabwürdigende Konnotation in Richtung Untermensch hat, lässt sich ja wohl schwerlich leugnen.
Korrekt. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich in meiner Kindheit keine andere Bezeichnung für die betreffenden Menschen gekannt hätte. Damals konnte man (zumindest in meiner so ganz und gar nicht progressiven Provinz) das inkriminierte Wort mangels Alternative noch wertfrei benutzen. Übrigens hat ja auch das BVerfG in seiner Mephisto-Entscheidung Anfang der 70er-Jahre von einer "Negertänzerin" gesprochen.
Lächerlich wird es meines Erachtens, wenn in Restaurants das Zigeunerschnitzel von der Karte gestrichen und in Bäckereien keine "Neger-", sondern nur noch "Schoko-" oder "Schaumküsse" feilgeboten werden sollen. Hier bei uns wird zum Teil auch auf das österreichische Vokabular zurückgegriffen: Dann heißt das Ding halt nicht "Schokokuss", sondern "Schwedenbombe". An dieser Bezeichnung hat sich meines Wissens noch kein Sprach- und Tugendwächter gestoßen.
Vielleicht mal ein anderer Aspekt, insbesondere wenn es die selben Leute sind die einen Riesentanz ums Urheberrecht machen:
Astrid Lindgren ist durchaus zu Lebzeiten mit den Rassismus Vorwürfen wegen Pippi Langstrumpf konfrontiert worden. Und sie hat bis zu ihrem Tode die Änderungen an ihrem Manuskript konsequent abgelehnt. Es spricht nicht gerade ein grosser Respekt daraus gegen ihren EXPLIZITEN Wunsch zu handeln und ihr Werk zu verändern.
Zitat von FAZ - Schlaffer Hänsel, taffe GretelEinen Abend bei Schröders kann man sich so vorstellen: Eine Geschichte wird erzählt, es geht um ein Mädchen, das in einer Patchworkfamilie lebt und Ärger mit Papas neuer Frau hat. Das Mädchen findet Asyl in einer Wohngemeinschaft von Kleinwüchsigen, erleidet einen allergischen Schock beim Apfelessen und wird in letzter Sekunde gerettet. Dann trifft sich die Familie beim Mediator, arbeitet alles auf und am Ende respektiert jeder die Position des Anderen.
Mit „Schneewittchen“, dem Märchen, das Jacob und Wilhelm Grimm heute vor exakt zweihundert Jahren in der Erstausgabe ihrer „Kinder- und Hausmärchen“ publizierten, hätte diese Version nicht mehr allzu viel zu tun - kein Mordauftrag an den Jäger, kein vergifteter Apfel, keine grausame Hinrichtung der Stiefmutter. (...)
"One afternoon a big wolf waited in a dark forest for a little girl to come along carrying a basket of food to her grandmother. Finally a little girl did come along and she was carrying a basket of food. "Are you carrying that basket to your grandmother?" asked the wolf. The little girl said yes, she was. So the wolf asked her where her grandmother lived and the little girl told him and he disappeared into the wood. When the little girl opened the door of her grandmother's house she saw that there was somebody in bed with a nightcap and nightgown on. She had approached no nearer than twenty-five feet from the bed when she saw that it was not her grandmother but the wolf, for even in a nightcap a wolf does not look any more like your grandmother than the Metro-Goldwyn lion looks like Calvin Coolidge. So the little girl took an automatic out of her basket and shot the wolf dead. (Moral: It is not so easy to fool little girls nowadays as it used to be.)"
Jetzt wissen wir zumindest, warum die Amerikaner vom Mars stammen & die ollen Europäer von der Venus.
Zitat von Noricus im Beitrag #21Dann heißt das Ding halt nicht "Schokokuss", sondern "Schwedenbombe". An dieser Bezeichnung hat sich meines Wissens noch kein Sprach- und Tugendwächter gestoßen.
Wieso auch? Der Begriff "Schwede" ist schliesslich nicht rassistisch konnotiert.
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