Ich hatte das Vergnügen, als junger Wissenschaftlicher Assistent (m.d.V.b.) an der Ruhr-Universität Bochum den Rektor Kurt Biedenkopf zu erleben; einen Enddreißiger, kaum älter als viele aus dem Mittelbau, der in der unruhigen Zeit der "Studentenrevolution" so souverän agierte, daß selbst viele der damaligen Revoluzzer ihn bewunderten.
So sehr ich Kurt Biedenkopf als Person respektiere und so sehr ich ihm in wichtigen Punkten zustimme: In einem entscheidenden Punkt habe ich Zweifel. Muss der Fakultätsrat wirklich die ehemalige Doktorandin und den Doktorvater [öffentlich?] anhören? Annette Schavan und ihr Doktorvater Gerhard Wehle sind in der Sache notwendigerweise befangen.
Das Verfahren hatte meiner Meinung nach zwei große Mängel: Die Vorverurteilung im Gutachten und die Veröffentlichung von (illegal preisgegebenen) Informationen über den Verfahrensverlauf. Diese beiden Mängel sollten ausreichen, um ein neues Verfahren zu veranlassen, sofern das überhaupt noch möglich ist. Dazu müsste die Universität eine neue unabhängige Kommission einsetzen und einen neuen Gutachter bestimmen.
Ich halte es aber nicht für einen gravierenden Mangel, dass Frau Schavan und ihr Doktorvater Gerhard Wehle nicht angehört wurden. Die veröffentlichte Doktorarbeit sollte doch für sich selbst sprechen. Man muss davon ausgehen, dass die Zitierregeln für wissenschaftliche Arbeiten damals an der Universität allgemein bekannt waren und man kann im Nachhinein nur untersuchen, ob diese Regeln eingehalten wurden.
Unabhängig von diesem Fall wäre über das Verfahren zu reden. Mir scheint z. B. eine Verjährungsregelung angebracht: Wenn eine Person 20 Jahre mit einem akademischen Grad gelebt hat, zeigt sich doch, was sie kann oder was sie nicht kann. Deshalb sollte nach 20 Jahren eine Verjährung einsetzen.
Weitere Änderungen würden die Zuständigkeiten und die Verfahrensregeln betreffen. Aber man kann Frau Schavans Doktorarbeit nur nach den Regeln beurteilen, die damals im Promotionsverfahren gegolten haben und die heute für das Verfahren zur Aberkennung gelten.
Zitat von stefanolix im Beitrag #2 Muss der Fakultätsrat wirklich die ehemalige Doktorandin und den Doktorvater [öffentlich?] anhören? Annette Schavan und ihr Doktorvater Gerhard Wehle sind in der Sache notwendigerweise befangen.
Muss man einen Angeklagten oder seinen Anwalt in einem Verfahren wirklich anhören ? Der Angeklagte und sein Anwalt sind in der Sache notwendigerweise befangen.
Natürlich sind sie befangen. Sie werden ja auch nicht darum gebeten eine Stimme von sich zu geben. Aber die Gelegenheit zur Verteidigung gegen eine Anklage ist ein fundamentales Prinzip des Rechtsstaates. Denkbar wäre das Schavan nicht von jemand anderem abgeschrieben hat, sondern beide von einer gemeinsamen Quelle, die bei ihr im weitesten Sinne schlecht zitiert ist. Ebenso denkbar das die jetzt aufgetauchten "Zitierregeln" von ihrem Doktorvater für unsinnig gehalten wurden und er ihr diese Auflage nicht gemacht hat (was die wissenschaftliche Qualität der Arbeit verschlechtern würde, aber nicht die Redlichkeit ihrer Anfertigung). Es sind eine ganze Menge Dinge möglich die der Fakultätsrat jetzt nie erfahren wird. Weil er nie die Gelegenheit geben wollte sie vorzubringen.
Und zuguterletzt ist es schlicht eine Frage der Höflichkeit sich beide Seiten einer Behauptung anzuhören. Das die Universität diese simple Form von Höflichkeit an den Träger eines von ihr verliehenen Ehrentitels nicht erweisen will ist ein Armutszeugnis für das Verhältnis zwischen der Universität und ihren Absolventen. Und das betrifft nebenbei nicht nur Frau Schavan. Als Promovent der Uni würde ich mich jetzt schon fragen ob ich wirklich einem der allerorts aufkommenden Alumni-Kreise beitreten würde, wenn die Uni eine so schlechte Meinung von ihren eigenen Absolventen hat. Wenn man will das die Absolventen stolz auf die eigene Alma mater sind, dann sollte eine Uni nicht damit anfangen ihre Verachtung für die eigenen Studenten so öffentlich zu zelebrieren.
Zitat Mir scheint z. B. eine Verjährungsregelung angebracht: Wenn eine Person 20 Jahre mit einem akademischen Grad gelebt hat, zeigt sich doch, was sie kann oder was sie nicht kann. Deshalb sollte nach 20 Jahren eine Verjährung einsetzen.
Auch hier bin ich absolut konträrer Meinung. Was "kann" denn ein Promovierter ? Das was der Promovierte kann, nämlich eine wissenschaftliche Arbeit selbstständing anfertigen, zeigen die wenigsten Promovierten noch einmal nach ihrer Dissertation. Hätte Frau Schavan die Uni damals mit einem Magister verlassen und den selben Lebensweg eingeschlagen, so wären die Dinge ja im beruflichen nicht ein bischen anders gelaufen. Von ihr würde nicht mehr und nicht weniger erwartet, sie hat nie als Wissenschaftler in diesem Sinne gearbeitet, dass sie eine wissenschaftliche Arbeit mit ähnlichen Ansprüchen anfertigen musste. Davon ab ist die Promotion ein Ehrentitel und Ehre kann sehr wohl verjähren oder aberkannt werden. Dabei kann und darf es keine Verjährung geben. Die Vorstellung das ein Betrüger wie Guttenberg seinen Titel behalten dürfte, wenn er nur die 20 Jahre hinter sich hätte ist mir persönlich sehr unsympathisch. Ich mache in aller Regel keinen Bohei um den Titel (denn ich meine das jeder, der nicht auf den Kopf gefallen ist, so ein Ding nach ein paar Extra-Jahren auf der Uni irgendwann bekommt), aber ich habe für meinen Titel arbeiten müssen und habe wenig Verständnis wenn ein Betrüger diesen behalten darf, weil die Tat soweit zurück liegt. Das ist auch eine Geringschätzung der ehrlich Promovierten, die diesen Ehrentitel (!) tragen.
Im Unterschied zu diversen Bananenrepubliken und Dritteweltstaaten dürfen die Politiker bei uns nicht direkt in die Kasse greifen. Die müssen den Betrug über Umwege, über „Projekte“, realisieren. Biedenkopf war in seiner Zeit als Ministerpräsident dabei außerordentlich erfolgreich. Wie viel er über das „Projekt“ Paunsdorf-Center abgezweigt hat, weiß man nicht genau. Die PDS hat 352 Millionen gesagt, der Leiter der Landesrechnungshofes (Norbert Steiner) 25 Millionen. Als ich damals nachgerechnet hatte, konnte ich selbst bei Zugrundelegung bösartigster Annahmen (und Sie können mir glauben, dass ich bösartig bin) die 352 Millionen nicht bestätigen. Auf der anderen Seite sind die 25 Millionen die Feststellung eines Beamten, der aus langjähriger Erfahrung weiß, mit welcher Brutalität und rücksichtsloser Anwendung der Beamtengesetzgebung die Machthaber missliebige Beamte unter Vorwandnahme kleinster Fehler plattmachen. Die 25 Millionen sind das Minimum, welches bei Beschränkung auf die Betrachtung des unmittelbaren Schadens (absurd hohe Miete) und unter Zugrundlegung wohlwollender Annahmen errechnet wurde. Meine Überschlagsrechnung hat damals 50 Millionen ergeben; ohne dass ich das heute und auf die Schnelle belegen könnte.
Im Fernsehen lief zur Biedenkopf-Endzeit eine Reportage, in der sich Cornelius Weiss (in den 90ern Rektor der Leipziger Uni) zum Thema geäußert hat. Während der Bauzeit des „Projekts“ hat Biedenkopf sich an Weiss rangewanzt und ausführlich aufgezeigt, wie vorteilhaft es doch für die Uni wäre, wenn er dieses oder jene Institut ins Paunsdorf-Center einmieten würde. Bürokratische Probleme wird es keine geben, er wäre gern behilflich bei der Vermittlung und Abwicklung. Weiss hat abgelehnt. Nicht aus ideologischen oder politischen, sondern aus pragmatischen Gründen (kein Bedarf).
Im Untersuchungsausschuß ein paar Monate später hat Biedenkopf dann erklärt, nicht er habe Mieter für das Paunsdorf-Center gesucht, sondern die Bewerber hätten angefragt. Da ist mir der Kragen geplatzt. Den Drecksack werd´ ich vom Chefsessel kegeln, hatte ich mir vorgenommen. Auf meine schriftliche Anfrage, warum er den Landtag angelogen hat, antwortete der mit der Feststellung, dass er zum Paunsdorf-Center nichts mehr sagen will. Weiter ging das Spielchen nicht, ein paar Tage später ist er zurückgetreten.
Ich wollte das nur mal hier anführen, damit jeder weiß, was von Biedenkopfs Geschwätz zu halten ist. Der redet ohne Unterlass und schreibt Bücher ohne Ende. Über alle und alles. Im Fall Schavan weiß der ganz genau, was die Fakultät hätte tun müssen. Aber dass die Gesetze zu respektieren sind und dass man den Landtag nicht anlügen darf, das weiß der nicht. Oder er weiß es. Unglaubwürdig diese Type. Wenn Schavan auf Fürsprecher der Biedenkopf-Klasse angewiesen ist, dann steht es für ihre Sache (die ich nicht beurteilen will) offenbar nicht sehr gut.
Sehr schön ist Biedenkopfs Vorwurf
Zitat von brillanter Denker und scharfsinniger Analytiker, Querdenker und VisionärDoktorvater wurde nicht gehört
Den Doktorvater kenne ich nicht. Und ich kann nicht beurteilen, wie sinnvoll die Anhörung nach über 30 Jahren ist. Aber Biedenkopfs Fragenkatalog lässt Zweifel an seiner geistigen Gesundheit aufkommen. Auf den Kern eingedampft fragt er nichts anderes als „Haben Sie wissentlich einen akademischen Betrug unterstützt?“. Brillant. Da kann man sich die Anhörung des Doktorvaters wirklich sparen. Die Antwort kennt man in diesem Fall erfreulicherweise schon vorab: Erstens nein und zweitens kann ich mich nicht erinnern.
Generell würde ich an Biedenkopfs Stelle zu Doktorvater und so lieber die Bälle flach halten. Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es auch eine Titelaberkennung, weil sich der Delinquent beim Zitieren daneben benommen hat. Die Äußerungen des Doktorvaters waren der reine Horror. Oder hat der hochkarätige, promovierte, habilitierte und mehrfach preisgekrönte Häberle endlich rausgefunden, warum er das von seinem hübschen Liebling vorgelegte Machwerk mit summa cum laude bewertet hat? In diesem Sinne ist es nicht nur in Biedenkopfs, sondern im Interesse der ganzen Innung, den Doktorvater lieber nicht anzuhören. Denn wenn der den gleichen Stuss absondert wie Häberle, könnte das einfache Volk irgendwann fragen, welches Kraut die Oberschwätzer in den Laber-Fakultäten rauchen.
Noch schöner dieser Einwurf:
Zitat von brillanter Denker und scharfsinniger Analytiker, Querdenker und VisionärDie Fakultät hätte deshalb ihre Feststellungen des Sachverhaltes verbinden müssen mit Beweisen dafür, dass die festgestellten Regelverletzungen von Annette Schavan vorsätzlich und in vorsätzlicher Weise planmäßig herbeigeführt wurden.
Hochinteressant. Neuerdings fragt man in Deutschland also wieder nach Beweisen. Sieh mal an. Ich warte auch auf Beweise. Nicht im Fall Schavan (der mich ehrlich gesagt nicht weiter interessiert), sondern in dem Fall. Die Unterstellung von 10 Morden und 2 Sprengstoffattentaten ist wohl einen Tick härter als eine mutmaßliche Schummelei bei der Doktorarbeit. Nur seltsam, selbst ein Jahr nach der unrevidierbaren Verurteilung liegen keine Beweise vor. Und keine Sau fragt danach, weder Biedenkopf noch sonstwer. Bei Schavan sind wenigstens Verstöße gegen die Zitierregeln nachgewiesen. Gegen die Beschuldigte liegt nicht viel mehr vor als der „Beweis“, dass sie ein Faible für Sindy aus Marzahn hat und zu den über 6 Millionen Deutschen gehört, die ihre Rechnungen nicht bezahlen. Und, seeehr beweiskräftig, Bilder von Surfbrett und Ostseestrand. Aber das ist ja was gaaanz anderes. Wenn die Beschuldigten Unsympathen sind, soll man es nicht übertreiben mit den formalen Vorschriften und prozeduralen Regeln. Gelle?
Tut mir leid, Biedenkopfs Artikel ist ein Gefälligkeitsmachwerk. Für sich isoliert betrachtet gar nicht mal so daneben. Vor dem Hintergrund der Sitten und Gebräuche im Neuen Deutschland, besonders vor dem Hintergrund von Biedenkopfs Machenschaften, ist das einfach nur lächerlich.
Zitat von Skorpion im Beitrag #4Tut mir leid, Biedenkopfs Artikel ist ein Gefälligkeitsmachwerk. Für sich isoliert betrachtet gar nicht mal so daneben. Vor dem Hintergrund der Sitten und Gebräuche im Neuen Deutschland, besonders vor dem Hintergrund von Biedenkopfs Machenschaften, ist das einfach nur lächerlich.
Es gibt keine "Machenschaften" von Kurt Biedenkopf. Ihre Sprache ist unangemessen.
Zitat von Skorpion im Beitrag #4Ich wollte das nur mal hier anführen, damit jeder weiß, was von Biedenkopfs Geschwätz zu halten ist. Der redet ohne Unterlass und schreibt Bücher ohne Ende. Über alle und alles. Im Fall Schavan weiß der ganz genau, was die Fakultät hätte tun müssen. Aber dass die Gesetze zu respektieren sind und dass man den Landtag nicht anlügen darf, das weiß der nicht. Oder er weiß es. Unglaubwürdig diese Type. Wenn Schavan auf Fürsprecher der Biedenkopf-Klasse angewiesen ist, dann steht es für ihre Sache (die ich nicht beurteilen will) offenbar nicht sehr gut.
Und, lieber Skorpion,
mal unbenommen Ihrer Voreingenommenheit: Biedenkopfs Artikel spricht für sich selbst und ist überzeugend, wenn nicht brilliant.
Der Gedanke ist ausbaufähig: muß man bei einem Mordprozeß wirklich den Angeklagten zu Wort kommen lassen, oder gar seinen Verteidiger? Voreingenommener als diese beiden geht doch gar nicht! Diese Fakultätsräte scheinen wie Inquisitionsgerichte zu funktionieren, wo dieselbe Stelle ermittelt, das Verfahren eröffnet, Zeugen und Beweisstücke so weit würdigt, wie es ihr richtig erscheint, und dann ein Urteil fällt. Dieses System könnte funktionieren, wenn der Inquisitor/der Universitätsrat ein gefühl- & interesseloser Geist wäre, der nur an der Wahrheit interessiert ist. In der Realität aber wird ein Mensch, der ein Verfahren eröffnet, dieses auch erfolgreich, also mit einem Schuldspruch, abschließen wollen. Ein Inquisitor wird daher grundsätzlich gegen den Angeklagten voreingenommen sein, & deshalb ist es unverzichtbar, das jeder Angeklagte sich rechtfertigen kann, daß Ankläger & Richter personell getrennt sind, und das die Öffentlichkeit das Verfahren nachvollziehen kann. Die Fakultätsräte scheinen mir nicht ganz zufällig so eingerichtet zu sein, das sie relativ leicht politische Willkürurteile fällen können, wenn das so erwünscht sein sollte.
Zitat von stefanolix im Beitrag #2 Man muss davon ausgehen, dass die Zitierregeln für wissenschaftliche Arbeiten damals an der Universität allgemein bekannt waren und man kann im Nachhinein nur untersuchen, ob diese Regeln eingehalten wurden.
Lieber Stefanolix,
'im Prinzip' stimmt das wahrscheinlich. Ich bin nie über eine Diplomarbeit hinausgekommen, aber ich kann mich nicht erinnern, dass mir damals (Anfang 70er Jahre) irgendwelche Zitierregeln ans Herz gelegt worden waren. Ich habe die Arbeit damals per Schreibmaschine geschrieben und hätte sie bei Korrekturen u.U. jedesmal neu tippen müssen. Vielleicht hätte man da in dem einen oder andern Fall auch ein Auge zugedrückt (Es ist nämlich auch eine Abwägung bei einer Regelanwendung erlaubt). Ich weiß nicht was damals bei Dissertationen Usus war, aber ein bisschen vergleiche ich die Situation mit Geschwindigkeitsüberschreitungen: Die Regeln sind bekannt, die Autofahrer verstoßen ständig (auch unbeabsichtigt) gegen diese Regeln, und werden ab und zu 'erwischt'. Nehmen wir einmal an, man könnte plötzlich durch neue Methoden die Routen und Geschwindigkeiten der letzten Jahre nachvollziehen, dann würde man sämtliche Autofahrer (oder solche, die man sich ausgesucht hat) im Nachhinein bebußen oder bestrafen. Wäre das fair?
Zitat von Zettel im Beitrag #5Es gibt keine "Machenschaften" von Kurt Biedenkopf.
Die Vorgänge in Sachen Paunsdorf-Center sind oft genug durch die Medien gegangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein politisch Interessierter das nicht mitgekriegt hat. Wenn Sie meinen, dass sich die Medien sich das alles aus den Fingern gesogen haben - bitteschön.
Damals hatte ich mir eine kleine Paunsdorf-Sammlung angelegt. Mal sehen wie sich das entwickelt. Diese Sammlung war nur für mich, deshalb unsortiert. Zu den SPIEGEL-Artikeln sind die Links noch auffindbar, zu den anderen nicht. Das Internet ist vergesslich. Da ich damals die Texte aus dem Netz kopiert habe (die also frei waren), denke ich, dass die heute immer noch frei sind. Ich häng das PDF hier mal an, für den, den´s interessiert.
Zitat von Martin im Beitrag #6Und, lieber Skorpion,
mal unbenommen Ihrer Voreingenommenheit: Biedenkopfs Artikel spricht für sich selbst und ist überzeugend, wenn nicht brilliant.
Gruß, Martin
Immer. Biedenkopfs Reden sind immer brillant. Es ist ja die Brillanz, mit der er die Leute rumkriegt. Nur dass von dieser Brillanz nichts übrig bleibt, wenn man die an der Realität spiegelt. Wann, Herr Prof. Biedenkopf, haben Sie zum Paunsdorf-Center die gesetzlich vorgeschriebene Bedarfsermittlung durchgeführt? Und wann die gesetzlich vorgeschriebene Ausschreibung? Mit welchem Recht haben Sie, ohne Bedarfsermittlung und ohne Ausschreibung, die Millionen für den Bau freizugeben? Deutsches Recht gibt das jedenfalls nicht her. Oder wie sehen Sie, das Herr Professor für Wirtschaftsrecht? Bitte sprechen Sie lauter, Herr Professor, ich höre nichts.
Zitat von Skorpion im Beitrag #10[quote="Martin"|p89816] Biedenkopfs Reden sind immer brillant. Es ist ja die Brillanz, mit der er die Leute rumkriegt. Nur dass von dieser Brillanz nichts übrig bleibt, wenn man die an der Realität spiegelt.
Brillianz schließt nicht aus, dass jemand daraus seinen Vorteil zieht. Da das Thema hier Biedenkopfs Beitrag zu Schavan war, sehe ich in seinem Beitrag kein Überbleibsel, das der Realität nicht stand hält.
Zitat von stefanolix im Beitrag #2 Muss der Fakultätsrat wirklich die ehemalige Doktorandin und den Doktorvater [öffentlich?] anhören? Annette Schavan und ihr Doktorvater Gerhard Wehle sind in der Sache notwendigerweise befangen.
Muss man einen Angeklagten oder seinen Anwalt in einem Verfahren wirklich anhören ? Der Angeklagte und sein Anwalt sind in der Sache notwendigerweise befangen.
Natürlich sind sie befangen. Sie werden ja auch nicht darum gebeten eine Stimme von sich zu geben. Aber die Gelegenheit zur Verteidigung gegen eine Anklage ist ein fundamentales Prinzip des Rechtsstaates.
So ist das. Ich bin immer wieder entsetzt, dass man in immer kürzeren Abständen erfährt, wie in Deutschland die Menschen um Selbstverständlichkeiten kämpfen müssen. Und keinem fällt das Oxymoron auf, „um Selbstverständlichkeiten kämpfen müssen“.
In jeder Ordnung, die nur irgendwie für sich „rechtsstaatlich“ in Anspruch nimmt, gehört das rechtliche Gehör zu den Fundamentalprinzipien. Und Gehör heißt NICHT ALLEIN, dass der Beschuldigte was sagen darf. Gehört heißt, dass dem Beschuldigten erklärt wird, welche Handlungen ihm vorgeworfen werden und welche rechtlichen Bestimmungen im Fall der Bestätigung gegen ihn zur Anwendung kommen können/werden. Gehör heißt, dass der Beschuldigte die Herbeischaffung von Beweismitteln oder die Ladung von Zeugen veranlassen kann. Oben habe ich gesagt, dass ich die Anhörung des Doktorvaters für sinnlos halte. Aber diese persönliche Meinung eines Außenstehenden hat keine Rolle zu spielen. Wenn die Beschuldigte es für nötig hält, diesen Zeugen (dessen Bezug zur beschuldigten Tat ja offensichtlich ist) zu laden, dann ist der zu laden und die Beschuldigte (die anderen natürlich auch) darf ihm Fragen zur verhandelten Sache stellen. Und Gehör heißt, dass das (wie immer das im konkreten Fall heißen mag) „Gericht“ sich mit den Einlassungen des Beschuldigten auseinandersetzt.
Was die Uni hier abzieht, ist unterste Rille. Und das wird denen noch sehr auf die Füße fallen. Aber leider wird das nicht auffallen, denn die Verwahrlosung der Sitten gehört in Deutschland zum guten Ton. „Blockieren“ ist nach allgemeiner Auffassung keine rechtswidrige Handlung, sondern irgendwas mit „Courage“. Und dass man die Unpersonen nicht zu Wort kommen lässt, gilt schon fast als revolutionäre Tat.
Zitat von Rudolf von JheringDie Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, daß sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach außen. Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Freiheit selber und eine Schutzwehr gegen äußere Angriffe, – sie lassen sich nur brechen, nicht biegen.
Zitat von brillanter Denker und scharfsinniger Analytiker, Querdenker und VisionärDoktorvater wurde nicht gehört
Den Doktorvater kenne ich nicht. Und ich kann nicht beurteilen, wie sinnvoll die Anhörung nach über 30 Jahren ist. Aber Biedenkopfs Fragenkatalog lässt Zweifel an seiner geistigen Gesundheit aufkommen. Auf den Kern eingedampft fragt er nichts anderes als „Haben Sie wissentlich einen akademischen Betrug unterstützt?“. Brillant. Da kann man sich die Anhörung des Doktorvaters wirklich sparen. Die Antwort kennt man in diesem Fall erfreulicherweise schon vorab: Erstens nein und zweitens kann ich mich nicht erinnern.
Wenn man ein bisschen die diversen Medienberichte über die Äußerungen und den Hintergrund des Doktorvaters liest, könnte dessen Zeugnis durchaus anders ausfallen als von Ihnen unterstellt. Ich halte es hier mit Llarian, der zu bedenken gibt, daß Prof. Wehle, der von einer PH kam, selbst nie geforscht hat, und dessen Institut inzwischen aufgelöst wurde, die Regeln für eine Diss anders ausgelegt haben könnte als die konservativen Philosophen, die diese Woche urteilten.
[Man stelle sich analog vor, eine Runde Physiker revidierte eine sozialpädagogische Arbeit. Ein Schlachtfest.]
Als Ingenieur und Naturwissenschaftler ist mir die Behandlung des Themas durch Skorpion- gelinde gesagt - fremd. Wenn jemand sagt "2+2=4", dann ist das richtig, und zwar unabhängig davon, ob derjenige Kommunist, Nazi, Mörder oder sonstwas ist oder sich irgendetwas hat zuschulden kommen lassen. Und ich finde Biedenkopfs Kernaussagen richtig.
Was mich bei vielen Beiträgen hier und auch in anderen Foren verwundert, ist die geringe Bedeutung, die dem Doktorvater zugemessen wird. Vielleicht ist es bei manchen geisteswissenschaftlichen Fächern anders, aber bei mir selbst wie auch bei ingenieurwissenschaftlichen Doktorarbeiten, die ich mitbetreut habe, gab es regelmäßige Statusberichte und -diskussionen des Doktoranden mit dem Doktorvater. Es wäre völlig unmöglich gewesen, eine Arbeit bei der Fakultät einzureichen, ohne vorher grünes Licht vom Doktorvater erhalten zu haben, der von der Themenstellung über den Umfang ("Diesen neuen interessanten Nebenaspekt sollten Sie im Rahmen Ihrer Arbeit nicht weiter verfolgen, das könnte man zu einer weiteren Arbeit ausbauen") bis zu stilistischen oder formalen Vorgaben natürlich Einfluss ausgeübt, aber den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn (Versuchsaufbau, Messergebnissen Fehlerbetrachtung, Schlussfolgerungen)nicht beeinflusst hat. Da ich meine Arbeit gemeinsam mit meinem Doktorvater in einer angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht habe, er sich damit auch vor der Fachöffentlichkeit mit meiner Arbeit und meinen Ergebnissen identifiziert hat, hätte ihn jeder Angriff sicherlich auch persönlich getroffen. Aber einen solchen Angriff hat es erwartungsgemäß nicht gegeben. Was wäre denn, wenn Frau Schavans Doktorvater nun sinngemäß zu Protokoll gäbe: Jawohl, nach heutigen Gepflogenheiten hätte meine Doktorandin damals sauberer zitieren müssen. Zur Zeit der Anfertigung der Arbeit habe ich das anders gesehen und kein strengeres Zitierregime von ihr verlangt, nicht zuletzt deshalb, weil mir die von ihr eingebrachten eigenen Gedanken und Schlussfolgerungen viel wichtiger und die Ergebnisse ihrer Arbeit wertvoller waren. Ich stehe zu meiner und des Koreferenten damaligen Beurteilung, die im Übrigen auch durch die mündliche Prüfung bestätigt wurde.
Zitat von stefanolix im Beitrag #2 Muss der Fakultätsrat wirklich die ehemalige Doktorandin und den Doktorvater [öffentlich?] anhören? Annette Schavan und ihr Doktorvater Gerhard Wehle sind in der Sache notwendigerweise befangen.
Muss man einen Angeklagten oder seinen Anwalt in einem Verfahren wirklich anhören ? Der Angeklagte und sein Anwalt sind in der Sache notwendigerweise befangen.
Natürlich sind sie befangen. Sie werden ja auch nicht darum gebeten eine Stimme von sich zu geben. Aber die Gelegenheit zur Verteidigung gegen eine Anklage ist ein fundamentales Prinzip des Rechtsstaates. Denkbar wäre das Schavan nicht von jemand anderem abgeschrieben hat, sondern beide von einer gemeinsamen Quelle, die bei ihr im weitesten Sinne schlecht zitiert ist. Ebenso denkbar das die jetzt aufgetauchten "Zitierregeln" von ihrem Doktorvater für unsinnig gehalten wurden und er ihr diese Auflage nicht gemacht hat (was die wissenschaftliche Qualität der Arbeit verschlechtern würde, aber nicht die Redlichkeit ihrer Anfertigung). Es sind eine ganze Menge Dinge möglich die der Fakultätsrat jetzt nie erfahren wird. Weil er nie die Gelegenheit geben wollte sie vorzubringen. (…)
Es gibt in diesem Verfahren keine Angeklagte und keinen Verteidiger. Es geht hier nicht um das Strafrecht. Es geht um eine Arbeit. Niemand würde nach den Befindlichkeiten eines Ingenieurs fragen, wenn seine Konstruktion nicht den Ansprüchen genügt; niemand würde einen Programmentwickler anhören, der wortreich begründen will, warum sein Programm falsche Ergebnisse bringt. Der Ingenieur und der Programmentwickler können ihre Werke nachbessern. Eine Doktorarbeit kann aber nicht nachgebessert werden.
Wenn »beide« aus einer gemeinsamen Quelle abgeschrieben hätten, würde das am Ergebnis gar nichts ändern. Auch die persönliche Meinung des Doktorvaters zu den Zitierregeln ist nicht relevant. Sie galten damals und sie waren einzuhalten.
Wenn das Verfahren solche Anhörungen vorgesehen hätte, dann hätten sie auch stattgefunden. Aber in dem Verfahren zur Beurteilung einer Promotion sind Anhörungen dieser Art offenbar nicht vorgeschrieben. Man kann neue (bessere?) Regeln aufstellen. Aber dieses Verfahren muss nach den bestehenden Regeln ablaufen.
Zitat von Wafthrudnir im Beitrag #7Der Gedanke ist ausbaufähig: muß man bei einem Mordprozeß wirklich den Angeklagten zu Wort kommen lassen, oder gar seinen Verteidiger? Voreingenommener als diese beiden geht doch gar nicht! Diese Fakultätsräte scheinen wie Inquisitionsgerichte zu funktionieren, wo dieselbe Stelle ermittelt, das Verfahren eröffnet, Zeugen und Beweisstücke so weit würdigt, wie es ihr richtig erscheint, und dann ein Urteil fällt. Dieses System könnte funktionieren, wenn der Inquisitor/der Universitätsrat ein gefühl- & interesseloser Geist wäre, der nur an der Wahrheit interessiert ist. In der Realität aber wird ein Mensch, der ein Verfahren eröffnet, dieses auch erfolgreich, also mit einem Schuldspruch, abschließen wollen. Ein Inquisitor wird daher grundsätzlich gegen den Angeklagten voreingenommen sein, & deshalb ist es unverzichtbar, das jeder Angeklagte sich rechtfertigen kann, daß Ankläger & Richter personell getrennt sind, und das die Öffentlichkeit das Verfahren nachvollziehen kann. Die Fakultätsräte scheinen mir nicht ganz zufällig so eingerichtet zu sein, das sie relativ leicht politische Willkürurteile fällen können, wenn das so erwünscht sein sollte.
Ich denke, dass dieser Vergleich ins Maßlose abdriftet. Im demokratischen Rechtsstaat gibt es Gesetze und Verfahrensregeln. Ich will nichts an den Rechten der Angeklagten im Strafprozess ändern. Aber noch einmal: Hier geht es um keinen Strafprozess. Und übrigens auch nicht um Inquisition oder Hexenjagd.
Zitat von Rudolf von JheringDie Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, daß sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach außen. Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Freiheit selber und eine Schutzwehr gegen äußere Angriffe, – sie lassen sich nur brechen, nicht biegen.
Vielen Dank für das Zitat, weil es auch sehr gut auf die Doktorarbeit passt: Wenn die Form der Arbeit stimmt und wenn alle Regeln eingehalten wurden, bietet das den besten Schutz gegen Angriffe von außen ;-)
Zitat von stefanolix im Beitrag #15Es geht um eine Arbeit. Niemand würde nach den Befindlichkeiten eines Ingenieurs fragen, wenn seine Konstruktion nicht den Ansprüchen genügt; niemand würde einen Programmentwickler anhören, der wortreich begründen will, warum sein Programm falsche Ergebnisse bringt. Der Ingenieur und der Programmentwickler können ihre Werke nachbessern. Eine Doktorarbeit kann aber nicht nachgebessert werden.
Hm, ich finde es schwer, hier der Logik bzw. Analogik zu folgen: Soll der springende Punkt sein, daß die Lage des ehemaligen Doktorkandidaten mit der eines Ingenieurs oder Programmierers zu vergleichen ist, oder (wie der letzte Satz nahelegt) daß sie nicht zu vergleichen ist?
Zitat von stefanolix im Beitrag #15Auch die persönliche Meinung des Doktorvaters zu den Zitierregeln ist nicht relevant. Sie galten damals und sie waren einzuhalten.
Die Meinung des Doktorvaters über "die Zitierregeln" (wer stellt solche Regeln eigentlich auf?) wäre durchaus relevant, da man davon ausgehen kann, daß er diese Meinung per Betreuung an die Kandidatin weitervermittelt hat. Was ihr vorgeworfen wird, ist ja nicht so sehr ein Verstoß gegen "die Zitierregeln", sondern der Vorsatz absichtlicher Täuschung --- und der würde ja sehr in Frage stehen, wenn ihr Doktorvater das damals auch nicht so eng gesehen hätte. Vielleicht würde er es heute ungern zugeben, aber die Tatsache, daß er und der/die Prüfer das seinerzeit haben durchgehen lassen, deutet schon in diese Richtung.
Zitat von brillanter Denker und scharfsinniger Analytiker, Querdenker und VisionärDoktorvater wurde nicht gehört
Den Doktorvater kenne ich nicht. Und ich kann nicht beurteilen, wie sinnvoll die Anhörung nach über 30 Jahren ist. Aber Biedenkopfs Fragenkatalog lässt Zweifel an seiner geistigen Gesundheit aufkommen. Auf den Kern eingedampft fragt er nichts anderes als „Haben Sie wissentlich einen akademischen Betrug unterstützt?“. Brillant. Da kann man sich die Anhörung des Doktorvaters wirklich sparen. Die Antwort kennt man in diesem Fall erfreulicherweise schon vorab: Erstens nein und zweitens kann ich mich nicht erinnern.
Wenn man ein bisschen die diversen Medienberichte über die Äußerungen und den Hintergrund des Doktorvaters liest, könnte dessen Zeugnis durchaus anders ausfallen als von Ihnen unterstellt. Ich halte es hier mit Llarian, der zu bedenken gibt, daß Prof. Wehle, der von einer PH kam, selbst nie geforscht hat, und dessen Institut inzwischen aufgelöst wurde, die Regeln für eine Diss anders ausgelegt haben könnte als die konservativen Philosophen, die diese Woche urteilten.
[Man stelle sich analog vor, eine Runde Physiker revidierte eine sozialpädagogische Arbeit. Ein Schlachtfest.]
Es gibt auf diesem Gebiet nicht nur Bla-Bla. Es gibt auch sehr gute sozialpädagogische und sozialwissenschaftliche Arbeiten. Mit Beobachtung, Auswertung, Statistik und mit prägnanten, nachvollziehbaren Aussagen. Ich kenne zufällig einige gute Arbeiten aus dem Bereich der Frühpädagogik und ich kann mir nicht vorstellen, dass das Einzelfälle sind. In den Arbeiten wurden Kinder im Kindergartenalter unter bestimmten Aspekten über einen längeren Zeitraum beobachtet, die Lernprozesse analysiert und die Tauglichkeit bestimmter Methoden beurteilt.
Zitat von stefanolix im Beitrag #15Es geht um eine Arbeit. Niemand würde nach den Befindlichkeiten eines Ingenieurs fragen, wenn seine Konstruktion nicht den Ansprüchen genügt; niemand würde einen Programmentwickler anhören, der wortreich begründen will, warum sein Programm falsche Ergebnisse bringt. Der Ingenieur und der Programmentwickler können ihre Werke nachbessern. Eine Doktorarbeit kann aber nicht nachgebessert werden.
Hm, ich finde es schwer, hier der Logik bzw. Analogik zu folgen: Soll der springende Punkt sein, daß die Lage des ehemaligen Doktorkandidaten mit der eines Ingenieurs oder Programmierers zu vergleichen ist, oder (wie der letzte Satz nahelegt) daß sie nicht zu vergleichen ist?
Zitat von stefanolix im Beitrag #15Auch die persönliche Meinung des Doktorvaters zu den Zitierregeln ist nicht relevant. Sie galten damals und sie waren einzuhalten.
Die Meinung des Doktorvaters über "die Zitierregeln" (wer stellt solche Regeln eigentlich auf?) wäre durchaus relevant, da man davon ausgehen kann, daß er diese Meinung per Betreuung an die Kandidatin weitervermittelt hat. Was ihr vorgeworfen wird, ist ja nicht so sehr ein Verstoß gegen "die Zitierregeln", sondern der Vorsatz absichtlicher Täuschung --- und der würde ja sehr in Frage stehen, wenn ihr Doktorvater das damals auch nicht so eng gesehen hätte. Vielleicht würde er es heute ungern zugeben, aber die Tatsache, daß er und der/die Prüfer das seinerzeit haben durchgehen lassen, deutet schon in diese Richtung.
Zur ersten Frage: Der Ingenieur und der Programmentwickler schulden den Auftraggebern ein Werk. Bei der Beurteilung des Werkes geht es nur um dessen Inhalt, nicht um die Personen, die es erstellt haben. Die Doktorarbeit ist meiner Meinung nach auch ein Werk. Die Analogie lässt sich aber nicht fortführen, wenn es um die Mängelbeseitigung geht.
Zum zweiten Punkt: Vielleicht bin ich etwas zu stark auf solche Regeln fixiert, aber für mich war es immer unvorstellbar, einfach aus einem fremden Werk abzuschreiben. Die Regeln zum wissenschaftlichen Zitieren sind doch keine Auslegungssache. Selbst wenn der Doktorvater es nicht so eng gesehen hat, bleibt doch der Mangel am Werk, für das ganz allein die Autorin verantwortlich ist. In der oben verwendeten Analogie: Es darf keine Rolle spielen, ob der Ingenieur bzw. der Programmentwickler in einer eher »lockeren« Umgebung arbeiten (wo man das alles »nicht so eng sieht«), wenn am Ende das Werk Mängel aufweist.
Zitat von stefanolix im Beitrag #20Selbst wenn der Doktorvater es nicht so eng gesehen hat, bleibt doch der Mangel am Werk, für das ganz allein die Autorin verantwortlich ist.
Das sehe ich überhaupt nicht so. Wir reden hier ja nicht über offensichtliche und eklatante Mängel, sondern um Abgrenzungsprobleme im Graubereich. Da sollte sich ein Prüfling auf die Beurteilung des Prüfers verlassen können. Wenn der bestimmte Formen der Zitierung für ok hält, dann übernimmt er auch die Verantwortung dafür. Der Doktorvater, der Zweitprüfer und die übrigen Verantwortlichen segnen mit ihrer Zustimmung alles ab, was an der Arbeit offensichtlich zu lesen und zu beurteilen ist.
Der Prüfling verbleibt nur in der Verantwortung für Mängel, die er wissentlich verursacht hat und die für den Prüfer nicht als Mängel erkennbar waren. Wenn z. B. ein Teil der Arbeit nicht vom Prüfing selber geschrieben wurde, sondern von einem Dritten. Das war aber hier nicht das Problem.
Zitat von stefanolix im Beitrag #20Die Doktorarbeit ist meiner Meinung nach auch ein Werk. (...) Selbst wenn der Doktorvater es nicht so eng gesehen hat, bleibt doch der Mangel am Werk, für das ganz allein die Autorin verantwortlich ist. In der oben verwendeten Analogie: Es darf keine Rolle spielen, ob der Ingenieur bzw. der Programmentwickler in einer eher »lockeren« Umgebung arbeiten (wo man das alles »nicht so eng sieht«), wenn am Ende das Werk Mängel aufweist.
Da haben wir, glaube ich, einen wunden Punkt aufgespürt. Nach meinem Dafürhalten geht es bei einer Doktorarbeit (im Gegensatz etwa zu einer daraus entstehenden Publikation) nämlich gerade nicht in erster Linie ums Werk, sondern um die Person des Doktoranden, der hier zeigen soll, daß er die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens in seinem Fach verinnerlicht hat und, wie exemplarisch in der Dissertation gezeigt, anwenden kann.
Und dabei spielt das Umfeld, das aus Sicht des Kandidaten "wissenschaftliches Arbeiten" definiert, durchaus eine Rolle. Nun kann man sicherlich der Meinung sein, daß Frau Schavan bei ihrer Doktorarbeit nicht alles, was zum wissenschaftlichen Arbeiten dazugehört, gelernt und/oder in ihrer Arbeit perfekt demonstriert hat, aber das zu beurteilen war Aufgabe der Prüfungskommission. Solange man nicht definitiv nachweisen kann, daß Frau Schavan bei der Prüfung vorsätzlich getäuscht hat oder daß die Prüfungskommission einen Verfahrensfehler gemacht hat, muß man doch das Ergebnis der Prüfung akzeptieren.
Sonst ergibt sich eine ungeheuerliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich aller akademischen Prüfungen.
Zitat von Skorpion im Beitrag #12Aber leider wird das nicht auffallen, denn die Verwahrlosung der Sitten gehört in Deutschland zum guten Ton. „Blockieren“ ist nach allgemeiner Auffassung keine rechtswidrige Handlung, sondern irgendwas mit „Courage“. Und dass man die Unpersonen nicht zu Wort kommen lässt, gilt schon fast als revolutionäre Tat.
Da bin ich ja ganz bei Ihnen, lieber Skorpion, aber wie halten Sie es denn selbst mit der Marginalisierung von rechtswidrigem Verhalten, so es der eigenen - Ihrer - "Sache" dient? Sie veröffentlichen eben gerade hier im Forum eine ganze Sammlung von Artikeln, die soweit ich das beurteilen kann, dem Urheberrechtsschutz unterliegen. Dass Ihnen eine Erlaubnis zur Veröffentlichung vorliegt (z.B. vom Spiegel und der Sächsischen Zeitung), bezweifele ich schon sehr, aber ich lasse mich natürlich gern des Besseren belehren.
Zitat von Skorpion im Beitrag #9Da ich damals die Texte aus dem Netz kopiert habe (die also frei waren), denke ich, dass die heute immer noch frei sind. Ich häng das PDF hier mal an, für den, den´s interessiert.
Und nur weil sie frei im Netz zugänglich sind oder waren, dürfen Sie sie für Ihre Zwecke nutzen?
Zitat von stefanolix im Beitrag #15 Es gibt in diesem Verfahren keine Angeklagte und keinen Verteidiger. Es geht hier nicht um das Strafrecht.....
Wenn das Verfahren solche Anhörungen vorgesehen hätte, dann hätten sie auch stattgefunden. Aber in dem Verfahren zur Beurteilung einer Promotion sind Anhörungen dieser Art offenbar nicht vorgeschrieben. Man kann neue (bessere?) Regeln aufstellen. Aber dieses Verfahren muss nach den bestehenden Regeln ablaufen.
Werter Stefanolix, staatliche Verfahren haben nach Regeln abzulaufen, beim Strafprozeß ist es die Strafprozeßordnung, bei einem Verwaltungsverfahren, was wir hier haben, ist es das Verwaltungsverfahrensgesetz.
Da es sich um Landesrecht handeln dürfte, wäre das VerwVfG NRW einschlägig, was sich aber inhasltlich vom Bundesgesetz nicht unterscheidet.
Schavan war zwingend anzuhören:
§ 28 Anhörung Beteiligter
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn 1. eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; 2. durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; 3. von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; 4. die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; 5. Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. (3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht. https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text...1&sg=#det215255
Und sie hätte auch Verfahrensanträge stellen können, eine Beweiserhebung beantragen können usw. Es gilt der Untersuchungsgrundsatz, d.h. die Behörde hat auch entlastende Umstände zu ermitteln.
§ 24 Untersuchungsgrundsatz (1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. (3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
Das Problem für Schavan dürfte darin liegen, daß das Gericht dem Fakultätsrat einen "Beurteilungsspielraum" zugesteht, d.h. das Gericht sieht sich nicht in der Lage, den Vorgang vollumfänglich zu überprüfen und festzustellen, ob die Entscheidung sachlich richtig ist. Aber nach allem wwas ich hier lese, hat die Aberkennung grobe Verfahrensfehler. Und das reicht für die Aufhebung der Entscheidung.
Gruß Fritz
Nachtrag: Den Vorgang kenne ich natürlich nicht wirklich. Normalerweise ist das Anhörungsrecht so elementar, daß die Behörde es in der Regel beachtet.
Zitat von stefanolix im Beitrag #15 Es gibt in diesem Verfahren keine Angeklagte und keinen Verteidiger.
Es gibt sehr wohl eine Angeklagte, sie heisst Schavan. Und es gibt sogar ein Urteil. Und das es keinen Verteidiger gibt ist dem Procedere der Uni geschuldet. Denn da wo nicht verteidigt werden darf, gibt es auch keinen Verteidiger.
Zitat Es geht hier nicht um das Strafrecht. Es geht um eine Arbeit.
Fundamentale Prinzipien des Rechtsstaates gelten nicht nur im Strafrecht. Sie gelten genauso im Zivilrecht. Sie gelten überhaupt da, wo überhaupt von Recht gesprochen wird.
Zitat Niemand würde nach den Befindlichkeiten eines Ingenieurs fragen, wenn seine Konstruktion nicht den Ansprüchen genügt;
Aber selbstredend würde man das, es wäre auch eine Katastrophe wenn nicht. Nehmen Sie die Konstrukteurshaftung: Da ist es sogar essentiell den Betreffenden anzuhören, das ist nämlich der Unterschied zwischen einem Leben in Freiheit und ein paar Jahren hinter eisernen Gardinen. Für den Konstrukteur gilt nämlich genauso wie für jeden anderen auch (und nebenbei auch für Doktoranden) das es Fehler gibt die man vermeiden muss, Fehler die man vermeiden kann und Fehlern für die der Betreffende wenig oder gar nichts kann. Und um eben das zu klären ist selbstredend (!) der Ingenieur zu hören. Wenn eine Brücke zusammebricht gibt es von Amts wegen ein Verfahren gegen den Ingenieur wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung. Ebenso diverse zivilrechtliche die sich daran anschließen. Nun könnten wir solche Verfahren erheblich vereinfachen, wenn wir dem Ingenieur nicht die Möglichkeit gäben sich zu verteidigen. Er ist ja befangen. (SCNR)
Zitat Wenn »beide« aus einer gemeinsamen Quelle abgeschrieben hätten, würde das am Ergebnis gar nichts ändern.
Aber natürlich würde es das. So kann die gemeinsame Abschrift aus einem der Werke sein die bei Schavan nur locker zitiert wurden. Das wäre immer noch unsauber, aber kein Täuschungsversuch. NUR: Sie und der Fakultätsrat haben ja das Urteil schon in Abwesenheit solcher Überlegungen gefällt. So kann dem natürlich auch schlecht widersprochen werden.
Zitat Auch die persönliche Meinung des Doktorvaters zu den Zitierregeln ist nicht relevant. Sie galten damals und sie waren einzuhalten.
Autsch. Ich hoffe mit der Meinung stehen Sie ziemlich alleine dar. Ein Promovierender fertigt die Arbeit nach den Regeln an, die ihm sein Doktorvater vorgibt. Und nahezu jeder Doktorvater hat die Arbeit bereits gelesen, bevor sie der Fakultät vorgelegt wird. Wenn er sie für okay befindet, dann kann es dem Studenten kaum zugemutet werden es besser zu wisssen als sein Betreuer. Das ist auch eine Frage der Fairniss gegenüber dem Promovierenden, gerade hier (!) in diesem Fall, wo es sich gleichzeitig um den qualifizierenden Abschluss handelt.
Zitat Wenn das Verfahren solche Anhörungen vorgesehen hätte, dann hätten sie auch stattgefunden. Aber in dem Verfahren zur Beurteilung einer Promotion sind Anhörungen dieser Art offenbar nicht vorgeschrieben. Man kann neue (bessere?) Regeln aufstellen. Aber dieses Verfahren muss nach den bestehenden Regeln ablaufen.
Juristisch vermutlich richtig. Menschlich armseelig. Und das ist eben das was ich ansprach: Ob sich die Uni Düsseldorf einen Gefallen damit tut so mit ihren Studenten umzugehen, daran habe ich erhebliche Zweifel. Armseeligkeit ist ein Prinzip nach dem man leben kann. Sehr erfolgreich wird man damit auf Dauer nicht sein.
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