In ihrem Gastbeitrag beschäftigt sich Kaa mit den Pressereaktionen auf den dreiteiligen Fernsehfilm "Unsere Mütter, unsere Väter", den das ZDf in der vergangenen Woche ausgestrahlt hat.
Liebe Kaa, ich weiß schon, warum ich mich sehr früh entschieden hatte, mich diesem kollektiven Erziehungsversuch zu verweigern. Wenn nahezu alle unserer ach so zivilcouragierten Medien schreiben "Ihr müßt das sehen!", dann regt sich bei mir noch der trotzige Widerstand des Dreijährigen, der sich darin gefällt, schwer erziehbar zu sein und das auch bleiben will. Das Entsetzen über den Krieg und den Holocaust habe ich vor vielen Jahren erlebt, als ich mich mit der Materie intensiv beschäftigt habe. Auch durch Schilderungen von Zeitzeugen. Das reicht für ein Leben, aber ich brauche niemanden, der mir im moralinsauren Habitus von Sozialkundelehrern erzählt, wann und wie ich mich erneut damit beschäftigen muß, und auch noch das Ergebnis dieser verordneten Beschäftigung vorschreibt. und Ihre Presseschau bestätigt mich nochmals in dieser Auffassung.
Zitat von Doeding im Beitrag #2Liebe(r) Kaa, ich weiß schon, warum ich mich sehr früh entschieden hatte, mich diesem kollektiven Erziehungsversuch zu verweigern. Wenn nahezu alle unserer ach so zivilcouragierten Medien schreiben "Ihr müßt das sehen!", dann regt sich bei mir noch der trotzige Widerstand des Dreijährigen, der sich darin gefällt, schwer erziehbar zu sein und das auch bleiben will. Das Entsetzen über den Krieg und den Holocaust habe ich vor vielen Jahren erlebt, als ich mich mit der Materie intensiv beschäftigt habe. Auch durch Schilderungen von Zeitzeugen. Das reicht für ein Leben, aber ich brauche niemanden, der mir im moralinsauren Habitus von Sozialkundelehrern erzählt, wann und wie ich mich erneut damit beschäftigen muß, und auch noch das Ergebnis dieser verordneten Beschäftigung vorschreibt. und Ihre Presseschau bestätigt mich nochmals in dieser Auffassung.
Der viel zu hohe Moralinspiegel (unter anderem) hat mich davon abgehalten, den Dreiteiler anzuschauen. Nicht, daß ich es nicht versucht hätte. Aber ich hab es nicht ausgehalten, da war in den Szenen, die ich gesehen habe, ständig der vorwurfsvoll erhobene Zeigefinger zu spüren. Dazu kamen Sprache, Gestik, Story, ... - alles war so absurd unrealistisch - das war reine nervtötente Propaganda. Es gibt schon sehr viel bessere Filme zum Thema WK-II: Schindlers Liste, Das Boot, Steiner, und so weiter. Die zeigen sehr viel besser, was der Krieg aus den Menschen gemacht hat, weil sie auf diesen verklemmten man-muss-ja-dürfen-aber-sich-nicht-trauen-wagen-Moralismus und den überzogenen Belehrungsanspruch verzichten und stattdessen auf gute Erzählkunst setzen.
Zitat von califax im Beitrag #3Die zeigen sehr viel besser, was der Krieg aus den Menschen gemacht hat, ...
Die wollten wohl auch nicht demonstrieren, daß der Krieg aus deutschen Menschen etwas anderes macht als aus anderen Menschen. Das scheint mir zumindestens die implizite Behauptung der Filmemacher zu sein.
Ich werde das aber weiterhin nur indirekt über Kritiken etc. beurteilen können. Ich schaue ja so fast nie fern, und Sendungen dieser Art werde ich mir bestimmt nicht antun.
Bei uns in der Familie wurde auch recht ausführlich über den Krieg und das (sehr unterschiedliche) Verhältnis diverser Familienmitglieder zu den Nazis gesprochen, ich habe also persönlich keinen Nachholbedarf. Ich habe aber immer mehr das Gefühl, daß das recht untypisch ist und in den meisten Familien anders gehandhabt wurde.
Zitat von R.A. im Beitrag #4 Bei uns in der Familie wurde auch recht ausführlich über den Krieg und das (sehr unterschiedliche) Verhältnis diverser Familienmitglieder zu den Nazis gesprochen, ich habe also persönlich keinen Nachholbedarf. Ich habe aber immer mehr das Gefühl, daß das recht untypisch ist und in den meisten Familien anders gehandhabt wurde.
Mit Sicherheit ist das untypisch. In unserer Familie (mein Großvater war Flak-Kanonier, dann als Kradmelder an der Ostfront, Verwundung, Lazarett, dann als Furier im Baltikum und in Holland; meine Großmutter war im BDM) war "der Krieg" nur allgemein präsent, insbesondere durch seine Auswirkungen, und wie sich "die Amis" und "die Russen" verhalten haben. Befragt nach ihren Gefühlen, nach ihren Überzeugungen, kam da immer: "Im BDM wars doch schön, das hatte gar nichts mit Nazis zu tun", oder auch (und da schäme ich mich fremd) "Die Juden hätten ja nicht so auffällig sein müssen, die waren doch überall, in Presse und Rundfunk und so. Ein bisschen haben die es ja auch verdient" (dieses Argument ist so falsch, da ist nicht mal das Gegenteil richtig). Und natürlich war es für einen jungen Menschen in den 30er Jahren verlockend, in einer Gemeinschaft aufzugehen, in der nicht (soziale) Herkunft ausschlaggebend ist, sondern die große Volksgemeinschaft - Motorradfahren, Kameradschaft, Mädelsabende, eben Erwachsenwerden in einer Gruppe, die sich bewusst von der Elterngeneration absetzt und entfremdet (macht ja jeder in der Pubertät durch). Das war ihre Kindheit und Jugend, das war "schön", das wurde auch nicht hinterfragt.
Ähnlich übrigens DDR-Biographien. Auch da kann man "im Falschen leben" - als Kind oder Jugendlicher hat man ja auch selten eine andere Chance.
Wichtig ist doch nur, dass genau diese Normalität hinterfragt wird - es gibt eben doch kein richtiges Leben im falschen, zumindest nicht langfristig.
Liebe Kaa, ich habe diesen Film auch nicht gesehen. Vielen Dank für die Mühe, die Du Dir gemacht hast. Interessant wie die Medien hier reagieren.
Ich selbst konnte meinen Vater, 1920 geboren, noch dazu befragen. Er war recht früh in russischer Gefangenschaft und wußte nicht mal was das Leben bedeutet. Auf dem Lande aufgewachsen in "Hintertupfingen" Lehre gemacht und dann zur Wehrmacht. Das wars. Mit etwas Glück konnte er später fliehen und noch nach Hause kommen. Meine Mutter war zu der Zeit 15 Jahre und machte ihre Ausbildung. Ziemlich gleich wurde sie mit anderen Verwandten ausgebombt.
Hier wurden junge Menschen verheizt, die nichts dagegen setzen konnten außer meist bittere Armut und Hunger. Sie hatten weder politische Bildung noch Informationen über den Tellerrand hinaus. Manches ist eben doch nicht so klar wie es manchmal scheint. Wie sollen da Emotionen und wahre Begebenheiten nach 60 Jahren wahrheitsgetreu dargestellt werden. Ich stelle mir das sehr schwer vor.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von califax im Beitrag #3 ...Es gibt schon sehr viel bessere Filme zum Thema WK-II: Schindlers Liste, Das Boot, Steiner, und so weiter.
Alles sehr gute Filme. Aber "Das Boot" ist kein Film, der die Bestialität spürbar macht und garantiert kein Anti-Kriegsfilm. Ich würde fast so weit gehen zu sagen, dass man für "Das Boot" eine Alterfreigabe über 16 braucht, weil dieser Spielfilm auf schwache Persönlichkeiten die Faszination des Brutalen ausüben könnte. Also das genaue Gegenteil dessen erreichen könnte, was man vielleicht möchte. (Ähnlich wie "Starship Troopers", von dem auch gesagt wurde, er sollte ursprünglich ein Anti-Kriesgfilm werden...)
Einer der besten WK II-File aller Zeiten ist immer noch "Die Brücke". Den muss man gesehen haben.
Werte Kaa, sehr schöber Artikel. Ich meine herauszuhören, dass auch diese WKII-Serie wieder am Grundübel unserer Zeit leidet: man will sich nicht wirklich mit dem "Warum" beschäftigen, weil man sonst gefährlich nah daran käme, dass der Nationalsozialismus nicht nur aus "National" sonder auch aus "Sozialismus" bestand...
Liebe Kaa, habe den Fernsehfilm, den Anfang des 1. Teils, die anderen dann garnicht mehr, fast nicht gesehen. Ein wenig hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich, auch beeinflusst durch die Propaganda vor der Ausstrahlung, der Meinung war, dass ich es einfach hätte sehen müssen. Auch die Kommentare danach habe ich kaum zur Kenntnis genommen. Als ich Deinen Artikel hier bei Zettel gesehen habe, habe ich überlegt ob ich ihn lese. Alleine der gute Name dieses Blog's war der Grund weshalb ich ihn doch gelesen habe. Ich wurde nicht enttäuscht. Die Kommentare habe ich mit einer ähnlichen Zurückhaltung aufgerufen. Gut das ich es getan habe. #2Doeding und #3 califax haben mich ermutigt einen Kommentar zu schreiben, weil ich jetzt vermuten kann, dass meine Meinung nicht völlig abwegig ist. Sie entspricht dem was sie geschrieben haben.
Nicht beurteilen kann ich die gessellschaftliche Notwendigkeit dieses Films im Sinne der "Volksaufklärung", weil ich nur meine subjektive Wahrnehmung darstellen kann. Es kann auch sein, dass ich eine Ausnahme bin. Jahrgang 38 und mit viel Glück unbehindert und unbeschädigt durch den Krieg gekommen, gehöre ich sicherlich zu den Ausnahmen. Mein Vater hatte ein ähnliches Glück. Meine Mutter war immer bei mir. In Bezug auf Kriegserfahrungen und Kriegserlebnisse bin ich also ein "Glückskind". Zu meinem 16. Geburtstag bekamm ich von einer Nenntante das Buch von Heinz Kühn, Blutzeugen des Bistums Berlin, geschenkt. In diesem Buch wird auch über den Tod des Pfarrers Lenzel im KZ berichtet. Aufgewachsen bin ich in der Nachbarpfarrei. Dieses Buch war der "Schlüssel" und die Veranlassung mich mit dem Schicksal der Juden zu beschäftigen. Von da kam ich zur Gesamtthematik 2. Weltkrieg und wurde mit meinem Wissen in der erweiterten Oberschule zur "Nervensäge" meines Geschichts- und Gegenwartskundelehrers. Wer kannte damals in meiner Alterklasse und auch sonst in der DDR schon den Hitler-Stalin-Pakt und die Okkupation des Baltikums durch die Sowjets? Es war schon eine gewisse Hilflosigkeit des Direktors, der in den letzten Klassen diese Fächer unterrichtete, als er mir, mit dem Hinweis auf die "Unwissenschaftlichkeit" der Quellen meines Wissens, verbot, diese Angelegenheit im Unterrich weiter zu thematisieren. "Unwissenschaftlich" waren die Quellen, weil es Bücher aus Verlagen der BR Deutschland waren. Kapitalismus ist unwissenschaftlich. (Die Frage wie es denn da mit Marx und Engels aussieht, habe ich mir verkniffen. Schließlich wollte ich das Abitur machen.) Ja, so tickten die gehirnlosen Funktionäre damals. Ihre Auffassung war ihre Religion. ( Woran erinnert mich das heute?)
Deshalb habe ich keinen Bedarf an Information über den 2. Weltkrieg. Jeder Krieg ist fürchterlich und für mich, ich bin katholisch, das Ergebnis der Erbschuld. Uns Menschen ist eine gewisse Agressivität angeboren. Das fängt im Buddelkasten an und endet bei manchen noch nicht einmal auf dem Sterbebett. Dieses dem Menschen angeborene Verhalten und die individuell sehr verschiedene Art damit umzugehen, ist für mich die Ursache allen Übels. Wenn ich die Bibel als Zeitzeugnis lese, werde ich in dieser Auffassung bestätigt. Mit Kain und Abel fing es an. Inzwischen ist das Leben weiter gegangen und ich muss mit Zerknirschung bekennen: Mit Paul und ??? hört es nicht auf!
Es kann also nur darum gehen den Menschen zu befähigen mit dieser Agressivität besser umzugehen; beziehungsweise Bedingungen zu schaffen, welche die Nachteile aus der Agressivität höher erscheinen lassen als die Vorteile.
Das allseits bekannte Experiment, vor vielen Jahren in Amerika durchgeführt, war für mich ein Schlüsselerlebnis. (Ferngesteuert konnten auf Befehl einem unsichtbaren Menschen Schmerzen zugefügt werden, bis zum Exitus. Das Erstaunliche war, wieviele Probanden davon bis zum Äußersten Gebrauch machten.) Deshalb bin ich meinem Schicksal dankbar, dass ich nie in eine entsprechende Versuchung geführt wurde. Vielleicht wäre ich auch, unter dem Vorwand, meine Pflicht erfüllen zu müssen, ein brutaler Gefängnisaufseher geworden?
Wer kann das für sich schon ausschließen? Ich bin da bei mir vorsichtig.
Was will ich zum Ausdruck bringen? Dieser Film wird keinen Krieg, keine agressive Auseinandersetzung verhindern. Ob er den Abscheu gegen den Krieg verstärkt? Wer weiß das? Ich stelle immer die bekannte Frage: Cui bono? Wem nützt dieser Film?
Zitat von califax im Beitrag #3 ...Es gibt schon sehr viel bessere Filme zum Thema WK-II: Schindlers Liste, Das Boot, Steiner, und so weiter.
Alles sehr gute Filme. Aber "Das Boot" ist kein Film, der die Bestialität spürbar macht und garantiert kein Anti-Kriegsfilm. Ich würde fast so weit gehen zu sagen, dass man für "Das Boot" eine Alterfreigabe über 16 braucht, weil dieser Spielfilm auf schwache Persönlichkeiten die Faszination des Brutalen ausüben könnte. Also das genaue Gegenteil dessen erreichen könnte, was man vielleicht möchte. (Ähnlich wie "Starship Troopers", von dem auch gesagt wurde, er sollte ursprünglich ein Anti-Kriesgfilm werden...)
Starship-Troopers ist sehr doppelbödig und setzt voraus, daß man durch amerikanische Comics vorgeprägt ist oder wenigstens Ironie und Ambiguität erkennen kann. Wer statt einer Erzählung eine Predigt erwartet, hat da natürlich verloren. "Das Boot" zeigt die Grausamkeit und den Wahnsinn des Krieges sogar ganz hervorragend. Eben weil man schnell mit den Leuten symphatisiert, sieht man um so deutlicher, wie sie zwischen ertrinkenden Seeleuten, Luftangriffen und idiotischen Befehlen in den Wahnsinn abgleiten. Es ist fast schon nach dem Muster einer klassischen griechischen Tragödie gestrickt. "Das Boot" ist eben keine Predigt und setzt ein höheres Niveau voraus als platte Anweisungen, wie man zu fühlen und wie man sich zu verhalten habe. Jugendliche, jedenfalls solche, die zu Themen wie Gewalt, Heldentum, etc. eine gewisse Affinität haben, haben damit keine Verständnisprobleme. Schuld, Hoffnung, Durchhaltewillen, Verzweiflung, Angst und Reue sind denen nicht nur als Phrasen aus der Zeitung bekannt. Pädagogen und Erziehungsfanatiker, die alles danach beurteilen, ob es ein Teil ihrer Moralpredigten und auch bitteschön ganz, ganz unzweideutig belehrend sein könnte, sind diejenigen, die mit solchen Filmen die meisten Probleme haben. Diese Leute sind unfähig, sich einen Film einfach als Film anzuschauen sondern suchen stattdessen nach Gründen, etwas anhand sehr simpler und naiver Schablonen als gut oder böse einzusortieren.
Zitat von Nola im Beitrag #6Hier wurden junge Menschen verheizt, die nichts dagegen setzen konnten außer meist bittere Armut und Hunger. Sie hatten weder politische Bildung noch Informationen über den Tellerrand hinaus.
Völlig richtig. Mir ist auch nicht klar, wieso die Sendung die Generation in den Mittelpunkt stellt, die bei Hitlers Machtergreifung noch Kinder waren und bei Kriegsausbruch dann junge Erwachsene. Mit wenigen Ausnahmen (Geschwister Scholl ...) war diese Altersgruppe doch nicht nur unschuldig an der Diktatur, sondern auch kaum in der Lage, die Hintergründe zu durchschauen. Kritische Fragen zu diskutieren lohnt sich eigentlich nur zur Generation davor. Also von mir aus (Jahrgang 1960) aus gesehen die Großeltern, im Film die Eltern der Protagonisten.
Zitat von R.A. im Beitrag #4Die wollten wohl auch nicht demonstrieren, daß der Krieg aus deutschen Menschen etwas anderes macht als aus anderen Menschen. Das scheint mir zumindestens die implizite Behauptung der Filmemacher zu sein.
Ich sah es eher so, daß der Film zeigen wollte, daß der Krieg und Ideologisierung aus jungen Deutschen genau das gleiche macht, wie aus jungen Menschen im allgemeinen. So wie Sie ja auch in Beitrag #12 anmerken, mit so jungen Menschen als Hauptpersonen, konnte es kein Film werden, der die Ursachen angeht.
Zitat von R.A. im Beitrag #12wieso die Sendung die Generation in den Mittelpunkt stellt, die bei Hitlers Machtergreifung noch Kinder waren und bei Kriegsausbruch dann junge Erwachsene.
Politisch korrekt zu sein, ..., wäre, so zu tun, als könne man Hundekacke an der sauberen Seite anfassen Michael Robotham (Krimiautor)
Zitat von R.A.Mir ist auch nicht klar, wieso die Sendung die Generation in den Mittelpunkt stellt, die bei Hitlers Machtergreifung noch Kinder waren und bei Kriegsausbruch dann junge Erwachsene.
Vielleicht, weil das dann mit den Müttern und den Vätern nicht mehr so funktioniert hätte. War so schon knapp genug: Die Kinder dieser Eltern sind heute ja bereits z.T. Rentner. Und "Unsere Omas, unsere Opas" entfaltet doch weit weniger Betroffenheitsproblematik, oder?
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Krischan im Beitrag #5Und natürlich war es für einen jungen Menschen in den 30er Jahren verlockend, in einer Gemeinschaft aufzugehen, in der nicht (soziale) Herkunft ausschlaggebend ist, sondern die große Volksgemeinschaft - Motorradfahren, Kameradschaft, Mädelsabende, eben Erwachsenwerden in einer Gruppe, die sich bewusst von der Elterngeneration absetzt und entfremdet (macht ja jeder in der Pubertät durch). Das war ihre Kindheit und Jugend, das war "schön", das wurde auch nicht hinterfragt.
Die jungen Leute im BDM und der HJ waren allerhöchstens 18. Da will man dazugehören und von Gleichaltrigen anerkannt werden.
Zitat von Krischan im Beitrag #5Wichtig ist doch nur, dass genau diese Normalität hinterfragt wird - es gibt eben doch kein richtiges Leben im falschen, zumindest nicht langfristig.
Ich schreibe seit 10 Minuten dauernd Sätze ins Antwortfenster und dann lösche ich sie wieder. "kein richtiges Leben im falschen." - klingt eingängig, habe ich als ich es das erstemal gehört habe, sofort akzeptiert. Mir kommt es aber jetzt unwahrscheinlich vor, daß es ein "falsches" und ein "richtiges" Leben geben kann.
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Beiträge:
25.03.2013 19:08
#16 RE: Presseschau zu "Unsere Mütter, unsere Väter"
Zitat von Frank2000 im Beitrag #8Ich meine herauszuhören, dass auch diese WKII-Serie wieder am Grundübel unserer Zeit leidet
Bei einer Serie, die von Schirrmacher vehement empfohlen wird, wäre ich ohnehin vorsichtig. Wie dem auch sei, ich habe mir Unsere Mütter, unsere Väter nicht angeschaut. Wenn ich Kaas Artikel lese, bin ich froh über diese Entscheidung.
Zitat man will sich nicht wirklich mit dem "Warum" beschäftigen, weil man sonst gefährlich nah daran käme, dass der Nationalsozialismus nicht nur aus "National" sonder auch aus "Sozialismus" bestand...
Das ist richtig. Es gibt aber wohl ein (auch in konservativen und liberalen Kreisen zumeist beachtetes) generelles Tabu, sich mit der Faszination auseinanderzusetzen, die der Nationalsozialismus auf die damaligen Deutschen ausgeübt hat. Eine große Ausnahme hiervon bilden die wirklich brillanten Anmerkungen zu Hitler von Sebastian Haffner. M.E. sollte dieses Buch zum schulischen Lektürekanon gehören.
Um zu verstehen, warum Hitler Erfolg haben konnte, ist eine Beschäftigung mit der besagten Faszination natürlich unerlässlich. Dabei wird man feststellen, dass diese zu einem nicht unerheblichen Ausmaß von den nationalsozialistischen Gemeinschafts- und Gleichheitsinszenierungen herrührte. Dies zu er- und bekennen, dürfte vielen Massenbewegungen jeglicher Couleur mehr als unangenehm sein.
Zitat von Kaa im Beitrag #13Ich sah es eher so, daß der Film zeigen wollte, daß der Krieg und Ideologisierung aus jungen Deutschen genau das gleiche macht, wie aus jungen Menschen im allgemeinen.
Das fällt mir jetzt natürlich schwer zu beurteilen, weil ich ja nur die Medienkommentare zum Film kenne. Aber aus denen hatte ich schon das Gefühl, daß hier eine deutsche Sonderrolle dargestellt werden sollte. So etwa der Art "Die Verbrechen der Wehrmacht".
Zitat von Rayson im Beitrag #14Und "Unsere Omas, unsere Opas" entfaltet doch weit weniger Betroffenheitsproblematik, oder?
Richtig. Die deutschen Medien werden sich damit abfinden müssen, daß die Betroffenheitswirkung der Nazi-Zeit allmählich das Verfallsdatum spürt. Die letzten Kriegsteilnehmer sind in den hohen 80ern, bald werden auch die Zeitzeugen wegsterben, die noch Erlebnisse als Kind im Luftschutzkeller etc. beisteuern können.
Meine Kinder haben noch direkte Erzählungen ihrer Großeltern, für ihre Kinder wird es dann gar keinen direkten Bezug mehr geben, dann wird der zweite Weltkrieg gefühlt fast so weit weg sein wie der 30-jährige Krieg.
Zitat von Nola im Beitrag #6Wie sollen da Emotionen und wahre Begebenheiten nach 60 Jahren wahrheitsgetreu dargestellt werden
Der Film hat Emotionen gut dargestellt - für mich, als jemand mit wenig Filmerfahrung und Filmverständnis - ich sehe einen Film als Konsument - war der Film schauspielerisch wirklich gut. Die meisten einzelnen Szenen waren einfach gut, teilweise sehr gut. Sie passten nur handlungswahrscheinlich nicht zusammen, nicht in die Zeit und sie erklärten nichts.
Wie Charlotte und die russische Hilfskrankenschwester Freundinnen werden - es ist völlig unwahrscheinlich, aber glaubwürdig gespielt.
Einige Szenen waren furchtbar gut. Greta sagt in der Haft ihrem Verhältnis Dorn (Gestapo), daß sie von ihm schwanger ist. Er dreht sich um, denkt wohl nach, und als er sich ihr wieder zuwendet schlägt er ihr mit aller Kraft die Faust in den Bauch.
Und auch die reinen Kriegsszenen. Waren gut. Sagt ein Filmlaie. Ich bereue nicht, den Film angesehen zu haben.
Und mit Erklärungsansatz von Herrn Michal, daß es ein Film ist, der mehr über die Kinder als über die "Mütter und Väter" aussagt, wird es sogar ein guter Film.
Liebe Grüße
Kaa
Politisch korrekt zu sein, ..., wäre, so zu tun, als könne man Hundekacke an der sauberen Seite anfassen Michael Robotham (Krimiautor)
Zitat von Noricus im Beitrag #17Um zu verstehen, warum Hitler Erfolg haben konnte, ist eine Beschäftigung mit der besagten Faszination natürlich unerlässlich. Dabei wird man feststellen, dass diese zu einem nicht unerheblichen Ausmaß von den nationalsozialistischen Gemeinschafts- und Gleichheitsinszenierungen herrührte. Dies zu er- und bekennen, dürfte vielen Massenbewegungen jeglicher Couleur mehr als unangenehm sein.
Richtig. Wobei diese Inszenierungen eher die im NS-Reich nachwachsende Generation geprägt haben. Die Generation davor, die überhaupt erst den Aufstieg und Machtergreifung der NSdAP ermöglicht hat, die hatte andere Motive (alleine schon, weil ja vor 1993 noch nicht so viel "Gemeinschaft" inszeniert werden konnte.
Einer meiner Großväter war überzeugtes und eifriges NS-Mitglied, schon vor 33. Seine Motive waren a) Sein überaus tief empfundener Patriotismus. Er war Kriegsfreiwilliger im ersten und im zweiten Weltkrieg. Der Einsatz fürs Vaterland war ihm eine Herzensangelegenheit, die wir heute wohl überhaupt nicht mehr wirklich nachvollziehen können. b) Begeisterung über die Modernität der Nazis. Das wird heute ganz systematisch unterschätzt, weil Nazis ja heute als ewiggestrige Dumpfbacken zu gelten haben. Aber sie waren damals DIE Partei des technischen Fortschritts und der Reformen.
Zitat von Noricus im Beitrag #17Um zu verstehen, warum Hitler Erfolg haben konnte, ist eine Beschäftigung mit der besagten Faszination natürlich unerlässlich. Dabei wird man feststellen, dass diese zu einem nicht unerheblichen Ausmaß von den nationalsozialistischen Gemeinschafts- und Gleichheitsinszenierungen herrührte. Dies zu er- und bekennen, dürfte vielen Massenbewegungen jeglicher Couleur mehr als unangenehm sein.
Richtig. Wobei diese Inszenierungen eher die im NS-Reich nachwachsende Generation geprägt haben.
Ja, da haben Sie vollkommen Recht. Hitler meinte ja selbst in einer seiner Reden (Reichenberger Rede?), dass nur die ganz Jungen, die nicht durchs Kaiserreich oder die Weimarer Republik geprägt waren, die NS-Ideologie komplett in sich aufsaugen könnten. Wenn ich mich nicht irre, fällt in der besagten Rede auch das Wort vom zu bekämpfenden "Klassenhass". So viel noch zum sozialistischen Einschlag.
Zitat von R.A.b) Begeisterung über die Modernität der Nazis. Das wird heute ganz systematisch unterschätzt, weil Nazis ja heute als ewiggestrige Dumpfbacken zu gelten haben. Aber sie waren damals DIE Partei des technischen Fortschritts und der Reformen.
Ein wichtiger Punkt, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Sie waren insbesondere propagandistisch auf dem neuesten Stand.. Die Orchestrierung der Sportpalastrede; die Nazis kannten LeBons Massenpsychologie und nutzten das sämtliche damals vorhandene Wissen. Ein besonders perfides Beispiel habe ich mal in einem Propagandafilm über das Warschauer Ghetto gesehen: Bilder hungernder, apathischer Menschen. Man hatte wohl Sorge, daß die Bilder in der Wochenschau Mitgefühl bei der deutschen Bevölkerung auslösen könnten, so daß man mit einer simplen Überblendtechnik immer wieder wimmelnde Ratten im Wechsel mit den Ghettobewohnern zeigte. Das ging direkt am Großhirn vorbei ins Limbische System, und der Antisemitismus wurde zu einem pawlowschen Reflex. Meine Großmutter konnte ihren Antisemitismus zeitlebens nie begründen. Solche Propaganda dürfte der Grund dafür gewesen sein. Meine persönliche Meinung: die Nazis waren historisch in mancherlei Hinsicht "besonders", vielleicht einmalig, insbesondere durch den Holocaust. Der von ihnen angezettelte Krieg war es aber meiner Meinung nach nicht.
Mir gehts ganz ähnlich wie Herrn Döding, ich habe eine ziemliche Abneigung dagegen, wenn Filmemacher der Meinung sind erziehen zu müssen, noch grösser wird die Abneigung wenn die üblichen Verdächtigen (Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter, you name it) überall verkünden, "das müsse man gesehen haben". Nein. Muss man nicht. Ich brauche nicht Schindlers Liste um mir die Vorgänge in einem Konzentrationslager vorzustellen. Und ich brauche auch nicht die Welle um mir vorzustellen, was Gruppendynamik aus ganz lieben Menschen machen kann. Bedenklicher daran ist aber noch, dass solche Erziehungsfilme (und nicht zu vergessen: Bücher) auch durchaus sehr fiktional sein können und mitunter nicht die historische Wahrheit sondern eine bestimmte Sicht der Welt transportieren. Klingt trivial ? Ja, ist es auch. Aber man muss eben auch sehen welche Folgen solche Filme haben, wenn die damalige amerikanische Aussenministerin die Einsätze in Jugoslawien damit rechtfertigt dass es dort zugehe wie in "Schindlers Liste". Mich haben diese Aussagen damals sehr nachdenklich gestimmt. Denn es zeigt wie Filme unsere Sicht der Realität beeinflussen. Und jetzt ist Schindlers Liste noch ein harmloses Beispiel. Was aber ist mit "an inconvienient truth", der von Unwahrheiten geradezu strotzt ? Was ist mit Büchern wie der Wolke ? Silent Spring ? Bowling for columbine ?
Das sind alles Beispiele für Filme/Bücher von denen jede Menge Menschen der Meinung sind, man "müsse sie gesehen oder gelesen haben". Die tatsächliche Aussage von "das muss man gesehen haben" erscheint mir eher zu sein: "Ich will, dass Du die Welt so siehst wie ich". Und dabei spielt es keine Rolle was richtig ist.
PS. Lieber Paul, das Stichwort zu dem was Sie beschrieben wäre Milgram.
Die Kritik an dem Dreiteiler kann ich überhaupt nicht teilen. Lassen wir die Engführung auf die fünf Freunde beiseite und die Unwahrscheinlichkeiten, die damit verbunden sind; lassen wir auch ein paar Ungenauigkeiten und Fehler beiseite, die die Sprache betreffen (1941 hätte nie im Leben ein Nicht-Jude mit "shalom" gegrüßt, und erst recht nicht in der Situation von 1941!; Glatz war nicht in "Poland", sondern damals im Dt. Reich; die Verhaltensmuster im Umgang der jungen Leute untereinander).
Ich persönlich fand den Film erschütternd, da er gerade ohne Moralisierung zeigt, wie die Menschen im Krieg immer weiter verrohen, und er zeigt gerade die Verstrickung der Wehrmacht und der einfachen Soldaten, der "normalen Jungs von nebenan", wie sie zu einem Rädchen im Getriebe des Vernichtungskrieges werden und immer mehr verrohen.
Dass der Film den Holocaust nicht zeige, wie J. N. Pyka schreibt, ist nicht richtig - der Film zeigt den Krieg gegen die Sowjetunion als Vernichtungskrieg: Man sieht die Anwendung des Kommissarbefehls, die wechselseitigen Grausamkeiten im Partisanenkrieg, die Gleichsetzung von Juden und Partisanen ("Der Jude ist der Partisan"), man sieht, wie die Russen in die Minenfelder gejagt werden, und man sieht auch, wie die Wehrmacht ihren Teil hat am Holocaust hat, indem sie die Abriegelung übernimmt, wenn der SD die Juden deportiert; man sieht die Hinrichtung von "Partisanen" udn den Abtransport von Juden. Ganz grausig die Szene, als der eine der Brüder abseits in den Wald geht und plötzlich auf einem Massengrab steht, in Blutpfützen, aus denen Myriaden von Fliegen aufsteigen.
Der Zweite Weltkrieg, der Vernichtungskrieg ist eben mehr als nur der Holocaust; der Holocaust ist ein Element dieses Vernichtungskrieges neben anderen. Dazu gehören auch die anderen Elemente des Vernichtungskriegs, aber dazu gehört auch, wie die Soldaten der Wehrmacht verrohen und eben auch von diesem Moloch Krieg selbst vernichtet werden.
Das "Warum" kann der Film nicht beantworten, denn für dieses "Warum" gibt es auch keine einfache und konkrete Antwort. Aber er zeigt, wie es den Menschen ergangen ist, die zu Tätern wurden und selbst vernichtet werden, psychisch und physisch.
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