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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 37 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Doeding Offline




Beiträge: 2.612

06.04.2013 13:56
Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zur Interpretation des Verhaltens von Regierungen bedarf es eines interpretativen Bezugsrahmens. Typischerweise unterstellen wir Regierungen rationales, geostrategisch schlüssiges und bündnispolitisch zuverlässiges Verhalten. Man scheint mit diesem Bezugsrahmen mit Blick auf Nordkorea nicht mehr weiter zu kommen. In diesem Artikel versuche ich einmal einen Wechsel des Bezugsrahmens, leider mit beunruhigendem Ergebnis.

ahs Offline



Beiträge: 27

06.04.2013 14:27
#2 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Da könnte ein rationaler Auslöser den Zug derart beschleunigt haben, das die Mitfahrer tatsächlich nicht mehr aus ihrem Group think herauskommen.
Der rationale Rahmen, der auch ein rationales Regime zum Handeln bewegt hätte, war sicher folgender: China wendet sich zunehmend Südkorea und Japan zu. Aus ökonomischen Gründen. Da wurde dann der geostrategische Nutzen eines verarmten Nachbarn zunehmend unwichtig. Hinzu kommt ein Friedensnobelpreisträger als US-Präsident, für den Asien wichtiger wird, als der Mittlere Osten und Europa - und der aus diesem Grund in absehbarer Zeit auch freie Truppenkontingente in Ostasien konzentrieren kann. Und natürlich auch der Absturz Nordkoreas in die Bedeutungslosigkeit, mit einem Jung-Diktator, der sich noch keinen internationalen "Respekt" verschaffen konnte.
In diesem Rahmen kann sicher schonmal der Eindruck aufkommen, man müsse schnell noch handeln, bevor sich die Bedingungen noch weiter verschlechtern.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

06.04.2013 14:39
#3 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von ahs
Da könnte ein rationaler Auslöser den Zug derart beschleunigt haben, das die Mitfahrer tatsächlich nicht mehr aus ihrem Group think herauskommen.



Richtig, lieber ahs. Groupthink ist ein schleichender Prozeß, der, wie gesagt, nur bei Vorhandensein einer Reihe von Bedingungen eintritt; am Anfang steht dabei eine rationale Zielsetzung, so mit Sicherheit auch in Nordkorea die von Ihnen beschriebene Interessenlage. Aktuell ist das Verfolgen einer solchen Zielsetzung für mich allerdings nicht mehr erkennbar. Wobei mir klar ist, daß ich mich da wirklich irren kann und sich das Ganze einfach nur als eine gigantische Kim-Show entpuppen könnte.

Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

TF Offline



Beiträge: 281

06.04.2013 14:41
#4 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Klar ist, dass Nordkorea die USA nicht ernsthaft herausfordern kann und das weiß Kim, wenn er tatsächlich halbwegs rational handelt. Außenpolitisch kann er damit nichts gewinnen. Wenn es überhaupt einen rationalen Beweggrund gibt, dürfte er innenpolitisch sein.

ahs Offline



Beiträge: 27

06.04.2013 15:26
#5 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Wir wissen tatsächlich alle erschreckend wenig. Und auch den westlichen Außenpolitikern geht es anscheinend nicht viel besser. Was aber, wenn er tatsächlich aus innenpolitischen Gründen um Respekt, um Aufmerksamkeit buhlt, um als starker Führer dazustehen - und der Westen reagiert einfach nicht richtig. Keine Panik, keine massenhaften Truppenkonzentrationen, keine Evakuierung der Botschaften? Was passiert, wenn das alles in seinen Augem so erscheint, als ob wir ihn nicht ernstnehmen?

Antwort: er würde dann vermutlich immer weiter eskalieren, bis er die gewünschte Reaktion bekommt.

Wir wissen leider nicht, wie diese Idealreaktion aussieht, die ihn befriedigen würde. Wie können wir ihn also als starken Macker dastehen lassen, damit er wieder deeskaliert? Und was bedeutet das für die nächste, unausweichliche Eskalation, wenn er wieder einmal innenpolitische Probleme hat.

Und wollen wir das überhaupt, oder sollte der Westen nicht die Chance nutzen, um ihn in seiner Sackgasse möglichst geräuschlos gegen die Wand fahren zu lassen - das bedeutet in diesem Fall: mit so geringen Verlusten an Menschenleben, wie nur möglich.

Die Alternativen zur Option "innenpolitische Gründe" sind allerdings weitaus beunruhigender:

a) er ist völlig irre und von einer gewissen Zahl weiterer Irrer umgeben - und glaubt tatsächlich an einen Sieg...oder zumindest an eine Dividende aus einer militärischen Konfrontation.
b) er will mit einem ganz großen Knall in die Geschichte eingehen
c) ???

DrNick Offline




Beiträge: 809

06.04.2013 15:56
#6 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat
Auch das angeblich vitale Interesse Nordkoreas, den Verbündeten China nicht vor den Kopf zu stoßen, hat den Machthaber nicht davon abgehalten, genau das zu tun.



Mir will nicht so ganz einleuchten, daß die an China gerichtete "Empfehlung", die Botschaft zu evakuieren, eine (wie der Spiegel schreibt) "Brüskierung" Chinas oder eine "Drohung" gegenüber China darstellen soll. Wenn eine militärische Auseinandersetzung ansteht (bzw. wenn man diesen Eindruck erwecken will), dann scheint mir eine solche Empfehlung an Botschafter von Staaten, die nicht direkt in den Konflikt verwickelt sind, überhaupt nichts Provozierendes an sich zu haben.

China ist übrigens auch der Grund, warum mir die Groupthink-Hypothese nicht so ganz plausibel erscheint. Wie gut sich Kim und Co. auch immer gedanklich von der Außenwelt abschotten mögen, sie können doch nicht ernsthaft glauben, daß sie auf Chinas Interessen keine Rücksicht zu nehmen haben.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

06.04.2013 16:06
#7 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von DrNick
China ist übrigens auch der Grund, warum mir die Groupthink-Hypothese nicht so ganz plausibel erscheint. Wie gut sich Kim und Co. auch immer gedanklich von der Außenwelt abschotten mögen, sie können doch nicht ernsthaft glauben, daß sie auf Chinas Interessen keine Rücksicht zu nehmen haben.



Die eigentliche Brüskierung Chinas erfolgte bereits im Februar, was zur einstimmigen Resolution im Sicherheitsrat für mehr Sanktionen gegen Nordkorea geführt hat, so habe ich es zumindest verstanden:

http://www.welt.de/politik/ausland/artic...d-Russland.html

Daß Nordkorea so blöd ist, keine Rücksicht auf die Interessen Chinas zu nehmen, glaube ich auch nicht. Aber daß sie einen schweren Knick in der Pupille i. S. selektiver Wahrnehmung haben und die Reaktionen Chinas überhaupt nicht mehr richtig einschätzen können, halte ich durchaus für möglich.

Ergänzung: hier sei auch nochmal auf den Beitrag von Erling Plaethe hingewiesen, in dem er verschiedene Indikatoren benannt hat, die es möglich erscheinen lassen, daß China sein Interesse an Nordkorea verlieren könnte.

Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

ahs Offline



Beiträge: 27

06.04.2013 16:20
#8 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Ich denke, Kim geht es überhaupt nicht in den Kopf, dass für China jetzt und in Zukunft der wirtschaftliche Vorteil mehr zählt, als alte, auf politischen Dogmen beruhende Beistandsverspechen. Angesichts der globalen Märkte für chinesische Waren und der südkoreanischen Kaufkraft, ist Nordkorea für China gerade in die geostrategische Bedeutungslosigkeit gerückt.

Oder aber, er hat es begriffen und deshalb ist es ihm egal, ob er ein "treuloses" China vor den Kopf stößt, das den kapitalistischen Versuchungen erliegt.

So oder so, es kann sein, dass er seine Lage als ausweglos wahrnimmt und deshalb zum Befreiungsschlag tendiert - vielleicht auch in der Überzeugung, China damit zum Bekenntnis zu zwingen. Oder aber er denkt, Nordkorea sei wirklich so stark bzw. unbesiegbar und er könne/müsse auf China verzichten.

Beides keine beruhigenden Aussichten.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

06.04.2013 16:56
#9 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Schöner Beitrag.

Zwei kleine Ergänzungen:

1. Koreaner sind ziemlich chauvinistisch.
Der typische Korener hält sein Volk tatsächlich für etwas ganz besonderes.
Das gilt für Südkorener und genauso auch für Nordkoreaner.

2. Nordkorea ist in unglaublichem Maße von der Außenwelt isloliert. Der durchschnittliche Nordkoreaner hat praktisch Null Kontakt nach Außen. Aber selbst für die Eliten des Landes besteht praktisch kein Außenkontakt. Es gibt selbst mit "sozialistischen Bruderländern" kaum wissenschaftlichen oder kulturellen Austausch. Selbst im Ostblock war es ja relativ üblich, irgendwelche Delegationen auszutauschen. Eine gewisse Erdung in der Realität ließ sich dann gar nicht vermeiden.

In Nordkorea gibt es diese Erdung praktisch nicht.
Ergebnis: Das chauvinistische Selbstbild kann gar nicht korrigiert werden. Die Durchschnitts-Nordkoreaner halten sich ganz ernsthaft für das tollste Volk der Welt.
Sie werden auch ganz ernsthaft ihre eigene Propaganda glauben, nach der das nordkoreanische Militär unbesiegbar ist.


Die einzige offene Frage ist:
Glaubt auch die politische Führung diese Propaganda?
Falls ja - und dafür scheint einiges zu sprechen - wäre die Situation wirklich brandgefährlich.
Wenn Kim ganz ernsthaft glaubt, dass er einen Krieg gegen die USA gewinnen würde, warum sollte er ihn dann nicht riskieren?


Die spannende Frage ist also, welche Möglichkeiten Kim hat, zu einer realistischen Lageeinschätzung zu gelangen.

Einerseits hätte er persönlich sicher schon Zugang zu westlichen Medien, zum Internet, etc. (die Hollywood-Film-Sammlung seines Vaters ist ja legendär).
Andererseits wird er aus seinem Beraterkreis womöglich kein realistisches Bild der Lage bekommen.
Zum einen, weil seine Berater es vielleicht nicht wagen, Kritik zu äußern.* Außerdem haben wie gesagt selbst Vertreter der politischen und militärischen Elite ja sehr wenig Kontakt nach Außen und sind daher womöglich selbst in ihren eigenen Propaganda-Märchen verfangen.

Und Kim ist jung. Kann also gut sein, dass der unrealistisch positiven Lagebeurteilung seiner Berater tatsächlich glaubt.


* Hierzu eine Detail-Beobachtung:
Wenn man sich die Fotos von Kim (Vater oder Sohn) ansieht, wie sie gerade mit irgendwelchen hochrangigen Elitevertretern zusammenstehen, kann man fast immer folgendes Detail beobachten:
Alle anderen Anwesenden auf dem Foto haben ein kleines Notizbuch. Achten Sie mal darauf, die Notizbücher sind allgegenwärtig.
Hintergrund ist, dass der Fabrikleiter, General, Universitätsprofessor, etc. erwartet, von Kim Belehrungen zu erhalten, die er dann sogleich gewissenhaft notiert. Der erwartete Kommunikationsfluss ist also vom weisen Führer hin zum Untergebenen.
Man vergleiche das mit der typischen Situation in westlichen Demokratien, wo ständig alle möglichen Experten ihre Fachmeinung an die Regierenden herantragen und wo der erwartete Kommunikationsfluss bei Gesprächen mit hochrangigen Elitevertretern typsicherweise vom Experten zum Politiker verläuft.
Die typische Zeitungsüberschriften wären also:
"Vorsitzender Kim besichtigt die Geflügelfarm und gibt wertvolle Anregungen für die Hühnerfütterung".
"Kanzlerin Merkel besichtigt Solarzellenfabrik und lässt sich das neueste Wafer-Verfahren erklären".

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

06.04.2013 17:00
#10 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #9
Die spannende Frage ist also, welche Möglichkeiten Kim hat, zu einer realistischen Lageeinschätzung zu gelangen.

Beziehungsweise: Welche Möglichkeiten hat die Welt, ihn zu einer solchen gelangen zu lassen?

Denn darauf scheint es mir hinauszulaufen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

06.04.2013 17:19
#11 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

TF hat es schon gesagt und einige andere im angelsächsischen Blätterwald ebenfalls. Es geht um Innenpolitik. Kim Jong-un hat ja schon 14 Generäle ermorden lassen, um seinem Machtanspruch Nachdruck zu verleihen. So ein Diktator lebt auch in Nordkorea gefährlich. Letztes Jahr und vor kurzem gab es Gerüchte um Attentate.
Wonach es Kim Jong-un dürstet, sind direkte Verhandlungen mit den USA - auf Augenhöhe. Dann kann er wahrscheinlich besser schlafen.
Deswegen machen auch die westlichen Botschaften, wie auch China, überhaupt keine Anstalten ihr Botschaftspersonal zu evakuieren. Es gibt keine Kriegsgefahr auf der koreanischen Halbinsel wenn sie nicht von China bestätigt wird. Das Regime ist am Ende und der Druck im Inneren steigt. Vermutlich gibt es auch Versorgungsengpässe über das übliche Maß hinaus. Jedes Frühjahr immer wiederkehrend.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

06.04.2013 17:28
#12 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Deswegen machen auch die westlichen Botschaften, wie auch China, überhaupt keine Anstalten ihr Botschaftspersonal zu evakuieren. Es gibt keine Kriegsgefahr auf der koreanischen Halbinsel wenn sie nicht von China bestätigt wird.



Kann man das nicht auch genau umgekehrt interpretieren: China geht davon aus, daß Pjönjang es nicht wagen wird, auszuflippen, solange noch Chinesen im Land sind? Edit: und die anderen schließen sich halt China an, weil sie denken China wüßte mehr als sie?

Zitat
Das Regime ist am Ende und der Druck im Inneren steigt



Das, finde ich, ist nun gerade keine Information, die beruhigt und rationales Handeln seitens der Führungsclique erwarten läßt...

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

06.04.2013 17:45
#13 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #11
So ein Diktator lebt auch in Nordkorea gefährlich.

Besonders wenn man solche Bootsfahrten macht: http://www.abload.de/img/image-480751-breitwaniej1c.jpg
Der geliebte Führer scheint eine schwäche für kleine, alterschawche Boote zu haben: http://i.huffpost.com/gen/1027681/thumbs...-large640.jpg?6
Da reicht ein kleiner Unfall, und keiner weiß ob es jetzt ein Unfall war, oder ein inner-nordkoranischer Machtkampf, oder doch die CIA.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

06.04.2013 18:00
#14 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #12

Zitat von Erling Plaethe
Deswegen machen auch die westlichen Botschaften, wie auch China, überhaupt keine Anstalten ihr Botschaftspersonal zu evakuieren. Es gibt keine Kriegsgefahr auf der koreanischen Halbinsel wenn sie nicht von China bestätigt wird.


Kann man das nicht auch genau umgekehrt interpretieren: China geht davon aus, daß Pjönjang es nicht wagen wird, auszuflippen, solange noch Chinesen im Land sind? Edit: und die anderen schließen sich halt China an, weil sie denken China wüßte mehr als sie?


China geht davon aus, das würde ich auch sagen.
Können Sie sich, lieber Andreas Döding, noch an das Ende der DDR erinnern? Da hatte die Sowjetführung auch nicht mehr in der gleichen Tonlage ihre Ansichten verlautbart. Das Regime war am Ende, seine Tage gezählt, weil der große Bruder es so beschlossen hatte.
China bemüht sich bereits um die Kontrolle der nordkoreanischen Atomanlagen.
Amerika verlässt sich nicht auf die Chinesen, sondern bringt seine Raketenabwehr in Stellung und schickt seine schwimmende Radarstation SBX-1.

Zitat
Das Regime ist am Ende und der Druck im Inneren steigt



Zitat von Doeding im Beitrag #12
Das, finde ich, ist nun gerade keine Information, die beruhigt und rationales Handeln seitens der Führungsclique erwarten läßt…

Nein, keine beruhigende Information nur eine These. Aber es besteht eben keine akute Kriegsgefahr, nur eine evtl. Abwehr von Reaktionen welche China, wieder Erwarten, nicht kontrollieren kann.
Oder, dann doch beunruhigend, nicht kontrollieren will. Aber das ist ziemlich unklar.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

06.04.2013 18:01
#15 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Erling Plaethe
TF hat es schon gesagt und einige andere im angelsächsischen Blätterwald ebenfalls. Es geht um Innenpolitik. Kim Jong-un hat ja schon 14 Generäle ermorden lassen, um seinem Machtanspruch Nachdruck zu verleihen.



Hier ein aktueller FAZ-Artikel, der die Lage, ähnlich wie Sie, lieber Erling Plaethe, als Ausdruck rationalen Handels des Regimes und primär mit Blick auf Innenpolitik bewertet. Lesenswert, wie ich finde:

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausla...l-12139511.html

Gleichwohl folgt die Argumentation wieder dem von mir beschriebenen Strickmuster: das Regime verhält sich rational, weil es dies noch nicht gemacht hat und jene Demarkationslinie noch nicht übertreten hat usw. Bisher muß man konstatieren, daß das Regime in solchen Fällen während der letzten Wochen eigentlich immer irgendwann "nachgeliefert" hat.
Im letzten Absatz kommt der Artikel dann aber auch auf das Brandgefährliche der Situation zu sprechen, da das Regime das schon mehrfach praktiziert hat: ein kleines Scharmützel mit Südkorea, z. B. ein versenktes Schiff, das in der gegenwärtigen Situation durchaus einen Flächenbrand nach sich ziehen könnte.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Hausmann Offline



Beiträge: 710

06.04.2013 18:08
#16 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Selbst "östlich" sozialisierte Leute kommen bei dieser Stufe des Autismus wohl nicht mehr mit. Und wäre es nicht vielleicht klüger, statt ringsum Militär aufzufahren einfach nichts zu tun (das können Politiker nicht, ich weiß), ein schreiendes internationales Desinteresse und meinetwegen nebenbei den Sicherungsbügel lautlos umzulegen mfG

--------------------------------------------------------
Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

06.04.2013 18:09
#17 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #13
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #11
So ein Diktator lebt auch in Nordkorea gefährlich.

Besonders wenn man solche Bootsfahrten macht: http://www.abload.de/img/image-480751-breitwaniej1c.jpg
Der geliebte Führer scheint eine schwäche für kleine, alterschawche Boote zu haben: http://i.huffpost.com/gen/1027681/thumbs...-large640.jpg?6
Da reicht ein kleiner Unfall, und keiner weiß ob es jetzt ein Unfall war, oder ein inner-nordkoranischer Machtkampf, oder doch die CIA.


Vielen Dank für die sehr erheiternden Bilder!

Viele Grüße, Erling Plaethe

Florian Offline



Beiträge: 3.180

06.04.2013 18:47
#18 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17
Zitat von xanopos im Beitrag #13
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #11
So ein Diktator lebt auch in Nordkorea gefährlich.

Besonders wenn man solche Bootsfahrten macht: http://www.abload.de/img/image-480751-breitwaniej1c.jpg
Der geliebte Führer scheint eine schwäche für kleine, alterschawche Boote zu haben: http://i.huffpost.com/gen/1027681/thumbs...-large640.jpg?6
Da reicht ein kleiner Unfall, und keiner weiß ob es jetzt ein Unfall war, oder ein inner-nordkoranischer Machtkampf, oder doch die CIA.


Vielen Dank für die sehr erheiternden Bilder!



Ehrlich gesagt:
Ich finde speziell das erste Bild sehr raffiniert inszeniert.
Der Führer unerschrocken im Kreise seiner loyalen Gefolgsleute trotzt den Gefahren der Natur.

Erinnert mich an ein ganz klassisches Bild aus dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg:
Washington crossing the Delaware (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/co...A-NYC,_1851.jpg .
Identisch, bis hin zu dem kleinen Detail mit dem Mann im Bug, der einen Stab ins Wasser rammt)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

06.04.2013 18:56
#19 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Hausmann
Selbst "östlich" sozialisierte Leute kommen bei dieser Stufe des Autismus wohl nicht mehr mit. Und wäre es nicht vielleicht klüger, statt ringsum Militär aufzufahren einfach nichts zu tun (das können Politiker nicht, ich weiß), ein schreiendes internationales Desinteresse und meinetwegen nebenbei den Sicherungsbügel lautlos umzulegen mfG



Ich könnte mir sogar vorstellen, daß das funktionierte, lieber Hausmann. Ich bin aber nicht sicher, wie lautlos man den Sicherungsbügel umklappen kann. Vermutlich stünden der "Stillen Messe" auch Bündnisverpflichtungen, etwa der USA gegenüber Südkorea, entgegen.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Wafthrudnir Offline



Beiträge: 4

06.04.2013 19:46
#20 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Ich fürchte, das ist wieder das Problem mit der Rationalität. Sie glauben mit den Chinesen und allen westlichen Staaten, daß es einen rationalen Kern der nordkoreanischen Politik geben muß, und daß ein Krieg daher auszuschließen ist, weil er ein Ende des Regimes bedeuten würde. Das das nordkoreanische Verhalten so irrational erscheint, müsse es wohl innenpolitische Motive geben, denn in die nordkoreanische Innenpolitik haben wir so wenig Einblick, daß ein von außen völlig irrational erscheinendes Verhalten dort in Wahrheit absolut sinnvoll und vernünftig sein könnte.
Aber auch A.D.'s Theorie hat viel für sich. Es könnte sich so abgespielt haben: Der jüngste Kim tritt sein Amt an und fürchtet, nicht ernstgenommen werden. Er ist jung und unerfahren, und seine Erziehung in der Schweiz beeindruckt auch niemanden, einerseits wegen des koreanischen Chauvinismus, andererseits, weil N-Korea viel zu abgeschottet ist, um viel Ahnung von Schweizer Eliteschulen zu haben. Natürlich wagt niemand, ihm seine Geringschätzung zu zeigen - falls sie exisistiert, aber genau das weiß Kim ja. Er weiß, daß ihn jedermann mit größtem Respekt und größter Unterwürfigkeit behandeln wird, mag er ihn innerlich auch noch so sehr verachten. Infolgedessen wird aus seiner Sorge, nicht ernstgenommen zu werden, allmählich eine leichte Paranoia. Er versucht, dem Erzfeind gegenüber noch mehr Mut und Stärke zu zeigen als Vater und Großvater, d.h., er muß noch waghalsiger provozieren als diese beiden.
Jetzt kommen seine Generäle ins Spiel. Auch wenn jeder einzelne wissen sollte, wie chancenlos ein Krieg wäre - wer würde es Kim gegenüber aussprechen? Zumal bereits etliche Kollegen liquidiert worden sind. Jeder einzelne wird Kim versichern, wie zweckmäßig seine Entscheidung zur Eskalation wäre, wie problemlos die N-koreanischen Streitkräfte siegen würden etc. Das gleiche hört jeder General aber von allen seinen Kollegen. Vielleicht denkt er irgendwann, daß sein eigener Bereich den Amis tatsächlich hoffnungslos unterlegen wäre, aber es könnten doch nicht ALLE Kollegen Lügner sein, ihre Truppen wären vielleicht tatsächlich gut genug in Schuß, um einen Krieg mit den USA zu wagen. Kim wiederum hat keine andere Informationsquelle über die Kampfbereitschaft der Streitkräfte als seine Generäle, und kommt zu dem Schluß, daß er stark genug wäre, sein Pokerspiel noch ein wenig weiter zu treiben.
Ein weiterer Aspekt könnte sein, daß die N-Koreaner die westlichen Demokratien wahrscheinlich zutiefst verachten und - nicht ganz zu Unrecht - für feig und erpreßbar halten. Die USA würden ihrer Meinung nach S-Korea fallen lassen, bevor sie sich dem Risiko eines Atomschlags gegen ihr eigenes Territorium aussetzten, oder sie würden den Kampf abbrechen, sobald er ernsthaft Opfer fordern würde (Mogadischu läßt grüßen). Dazu kommt, daß der aktuelle Präsident ja auch gerade in Afghanistan den Schwanz einzieht - zumindest aus N-koreanischer Sicht sieht es gewiß so aus.
Aus ganz ähnlichen Gründen haben ja vor 60 Jahren auch die Japaner den Kampf gegen die USA riskiert, obwohl sie sich ihrer wirtschaftlichen Schwäche durchaus bewußt waren. Daß die USA - zumindest damals - bereit waren, einen durchaus opferreichen Krieg bis zum Sieg weiterzuführen, wurde ihnen erst klar, als es zu spät war. Die N-koreanische Führung ist sicher stärker abgeschottet und unter höherem Konformitätsdruck als die japanische damals - wäre es so unwahrscheinlich, wenn sie den gleichen Fehler machte?

ahs Offline



Beiträge: 27

06.04.2013 19:57
#21 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat
Und wäre es nicht vielleicht klüger, statt ringsum Militär aufzufahren einfach nichts zu tun (das können Politiker nicht, ich weiß), ein schreiendes internationales Desinteresse



Ich sehe in den letzten Äußerungen hier in den Kommentaren eine gewisse Unlogik. Oder ich verstehe das Ganze einfach nicht.

Wenn Kim doch nun innenpolitische Gründe hat und sich als starker Führer präsentieren möchte, dann eskaliert er doch quasi in den letzten Woche die Situation, um Respekt oder Aufmerksamkeit durch den Westen - und speziell durch die USA - zu erlangen. Wenn er nun tatsächlich ignoriert würde, dann muss das in seinen Augen (und in den Augen der nordkoreanischen Führungsclique) so erscheinen, als ob man ihn nicht ernst nimmt...der will nur spielen...der ist gar nicht in der Lage, Atomwaffen einzusetzen...alles nicht so ernst...keine wirkliche Kriegsgefahr...

Und was dürfte die Folge sein? Meiner Meinung nach, dass er immer weiter eskalieren muss, um Respekt zu bekommen. Zusammengenommen mit der chauvinistisch-autistischen Einstellung bedeutet das, dass er auch vor einem militärischen Schlagabtausch keine Angst hat.

Im Prinzip wissen wir aber alle nicht genau, welchen Einfluss China noch hat und wie Kim wirklich tickt. Schon nach seinem nächsten Schachzug müssen wir vermutlich alle unser Thesen wieder komplett verwerfen...

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

06.04.2013 20:16
#22 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Wafthrudnir im Beitrag #20
Die N-koreanische Führung ist sicher stärker abgeschottet und unter höherem Konformitätsdruck als die japanische damals - wäre es so unwahrscheinlich, wenn sie den gleichen Fehler machte?

Ja, ziemlich unwahrscheinlich. Jedenfalls was den Vergleich mit Japan angeht. Hier eine Karte des japanischen Imperiums von 1942:
http://www.google.de/imgres?imgurl=http:...9QEwAA&dur=9262
Japan fühlte sich zurecht stark, das ist bei Nordkorea nicht der Fall. Sie sind nicht angreifbar aufgrund ihrer Kernwaffen, d.h. aber nicht, dass sie einen Angriffskrieg führen können.
Zum anderen ist die Souveränität Nordkoreas eingeschränkt durch China. Japan konnte damals niemand seine Souveränität streitig machen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

06.04.2013 20:42
#23 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von ahs im Beitrag #21

Wenn Kim doch nun innenpolitische Gründe hat und sich als starker Führer präsentieren möchte, dann eskaliert er doch quasi in den letzten Woche die Situation, um Respekt oder Aufmerksamkeit durch den Westen - und speziell durch die USA - zu erlangen. Wenn er nun tatsächlich ignoriert würde, dann muss das in seinen Augen (und in den Augen der nordkoreanischen Führungsclique) so erscheinen, als ob man ihn nicht ernst nimmt...der will nur spielen...der ist gar nicht in der Lage, Atomwaffen einzusetzen...alles nicht so ernst...keine wirkliche Kriegsgefahr...

Und was dürfte die Folge sein? Meiner Meinung nach, dass er immer weiter eskalieren muss, um Respekt zu bekommen. Zusammengenommen mit der chauvinistisch-autistischen Einstellung bedeutet das, dass er auch vor einem militärischen Schlagabtausch keine Angst hat.

Die hat er wohl nicht, das sehe ich auch so. Nur, wenn schon China bei einem Kernwaffen-Test Sanktionen im Sicherheitsrat zugestimmt hat, werden sie wohl bei einem Angriff entsprechend härter reagieren.
Amerika wird sicher eine Rakete aus Nordkorea abfangen können.
Zitat von ahs im Beitrag #21
Im Prinzip wissen wir aber alle nicht genau, welchen Einfluss China noch hat und wie Kim wirklich tickt. Schon nach seinem nächsten Schachzug müssen wir vermutlich alle unser Thesen wieder komplett verwerfen…

Ich denke nicht, dass Kim Jong-un viel zu entscheiden hat. Das ist die Sicht der meisten Analysten. Der Einfluss Chinas wird dagegen nach wie vor als hoch eingeschätzt. Die Unsicherheit besteht m.E. vor allem darin, vorherzusehen, wie China sich verhält. Aber es spricht eigentlich nichts für ein Interesse des Landes an einer Eskalation, welche zu einem Krieg auf der koreanischen Halbinsel führt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Florian Offline



Beiträge: 3.180

06.04.2013 21:15
#24 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Noch eine Frage sollte man sich stellen:

Was könnte eigentlich ein nordkoreanisches Kriegsziel sein?

Ich sehe ehrlich gesagt kein sinnvolles Ziel, das Nordkorea mit Waffengewalt erreichen könnte.

Das einzige mögliche Ziel wäre wohl eine Eroberung Südkoreas verbunden mit einer erzwungenen Vereinigung.

Aber jetzt nur mal angenommen, dieses Ziel würde erreicht:
Dann hätte Herr Kim auf einmal Millionen Untertanen, die die Wahrheit über das Regime und über die Welt da draußen kennen.
Die man nicht dumm und unwissend machen kann.
Innenpolitisch wäre die Situation dann absolut unstabil.
Kann das wirklich ein Ziel für Herrn Kim sein?
Da geht es ihm im Moment doch goldig: eine dumm gehaltene und deshalb weitgehend loyale Bevölkerung. Ausreichend militärisches Abschreckungspotenzial, so dass eine Invasion von außen nicht zu fürchten ist. Somit doch ein stabiles Regime.
Ich kann überhaupt nicht sehen, wie diese Situation durch einen Krieg zu verbessern wäre.

Fazit:
Es mag uns nicht bekannte rationale Gründe für die Kriegsrhetorik geben.
Aber es kann keine rationalen Gründe für einen tatsächlichen Krieg gaben.
Sofern es zum Krieg kommt, dann deshalb, weil die nordkoreanische Führung vollkommen falsche Vorstellungen von der Welt da draußen hat und womöglich allen Ernstes denkt, die südkoreanischen Verwandten würden sie als Befreier begrüßen.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

06.04.2013 21:24
#25 RE: Wie gefährlich ist die Entwicklung in Nordkorea? Antworten

Zitat von Florian
Noch eine Frage sollte man sich stellen:

Was könnte eigentlich ein nordkoreanisches Kriegsziel sein?

Ich sehe ehrlich gesagt kein sinnvolles Ziel, das Nordkorea mit Waffengewalt erreichen könnte.



Ich will hier wirklich keine Weltuntergangsszenarien verbreiten, lieber Florian. Aber gerade wenn man Erling Plaethes Vermutung ernst nimmt, daß das Regime in Pjönjang mit dem Rücken zur Wand steht und möglicherweise auch noch China Anzeichen liefert, Nordkorea fallen lassen zu wollen, dann ist mit einer Situation ähnlich wie in der Wolfsschanze 1944 zu rechnen. Welches Kriegsziel hatte das Hitlerregime ab 1944? Verbrannte Erde, würde ich meinen...

Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

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